Der deutsche Rapkosmos ist in der letzten Dekade immens gewachsen. Vor ein paar Jahren ist die Anzahl an viel gefeierten Künstlern noch durchaus überschaubar gewesen, jedoch haben diese auch einiges an Aufmerksamkeit erhalten. Heutzutage finden eine Menge MCs trotz stabilen Supports eher am Rande der Szene statt und fallen damit weniger auf. GReeeN ist aktuell einer von diesen Rappern: Obwohl der Mannheimer mittlerweile knapp 150 000 Follower auf Instagram verzeichnet und einige seiner Songs die Millionenmarke auf YouTube und Spotify knacken, scheint ein beachtlicher Teil der Raplandschaft nur wenig über ihn zu wissen. Das soll sich durch das aktuelle Release ändern: Mit der Unterstützung des international agierenden Reggae- und Dancehall-Labels Irievibrations Records veröffentlicht der ambitionierte Musiker sein zweites Studioalbum "Smaragd". Der Musikverlag hat in der Vergangenheit mit erfolgreichen Interpreten wie RAF Camora oder Konshens zusammengearbeitet. Im Interview haben wir mit GReeeN darüber gesprochen, wie es zu dieser Zusammenarbeit kam. Außerdem hat uns der Mann in grün berichtet, weshalb er Cannabis als ein Werkzeug zum kreativen Schaffen bezeichnet und was seine Gedanken über die letzte Europawahl und die damit verbundenen politischen Ereignisse in Deutschland sind.
MZEE.com: Du zeigst dich häufig als sehr naturverbunden. Wie hast du die Ergebnisse der vergangenen Europawahl im Hinblick auf die Grünen wahrgenommen?
GReeeN: Ich finde es schon positiv, dass die Grünen so einen starken Zuwachs bekommen haben. Aber ob sie die Richtigen sind? Welche Partei ist schon die richtige? Ich glaube, dass bei jeder Partei noch viel aufgearbeitet werden muss – auch bei den Grünen. Aber ich fand es einfach schön, dass man jetzt eine Protestbewegung ins Land gerufen hat und viele die konservativen Parteien nicht gewählt haben. Und auch nicht aus Protest dagegen irgendeine scheiß rechte Partei! Es muss generell noch viel passieren.
MZEE.com: Es gibt wahrscheinlich auch nicht die eine Partei, der man uneingeschränkt zustimmen möchte.
GReeeN: Ich finde zum Beispiel Die PARTEI klasse. (lacht) Die haben auch ein Werbevideo, in dem man sieht, wie die ganzen Weltmeere zerfickt werden. Fand ich supergeil. Da muss eh was gemacht werden. Ich meine … (überlegt) … irgendwer muss ja mit der Scheiße anfangen und wenn die ersten europäischen Länder sehr viel für die Umwelt tun, müssen früher oder später hoffentlich auch Indien, die USA und China nachziehen. Das sind ja die größten Sündenböcke der Welt.
MZEE.com: Glaubst du denn, dass eine Satire-Partei auch einen nachhaltigen, politischen Impact haben kann?
GReeeN: Ich glaube, das kann sich dahin bewegen, Stück für Stück. Jetzt ist alles noch so sarkastisch und wird nicht ganz ernst genommen. Aber ich denke, dass die Leute eben nicht unbedingt nach Macht streben, um damit Anerkennung zu bekommen. Ich denke, in der PARTEI sind wirklich Menschen mit Werten, denen Ansehen nicht so wichtig ist. Wer weiß, wohin sich das entwickelt. Vielleicht leben die sich sogar ein und sagen, dass sie es doch ernst nehmen, weil sie merken, dass es voll ihr Ding ist. (lacht) Es sind keine Menschen, die sich bewusst für die Politik entschieden haben, die wollen nicht der nächste Bundeskanzler werden. Die ganzen Idioten machen das ja, weil sie Anerkennung und Macht wollen. Deswegen gibt es auch so wenige gute Politiker – die haben meistens ihre Werte verloren, finde ich. Alle zu egoistisch, zu viel Kapitalismus, Wirtschaft und alles andere ist scheißegal. Nach dem Motto: "Wenn ich's nicht mache, wer sonst?"
MZEE.com: Dabei muss ich an Rezos Video zur CDU denken, das du auch geteilt hast. Er ist ja jemand, der überhaupt nicht in dem politischen Kosmos zu verorten ist, aber eine enorme Welle geschlagen hat. Wie hast du die Reaktionen der Parteien darauf wahrgenommen?
GReeeN: Kritikfähig sieht anders aus, oder? (lacht) Ich habe Rezo direkt Props gegeben. Wir haben schon vor einem halben Jahr hin- und hergeschrieben. Da hatte er mich auch gefragt, ob ich bei diesem offenen Video-Statement-Brief mitmachen will – ich habe natürlich direkt ja gesagt und konnte dabei mitwirken. Fand ich sehr cool, dass er mir die Möglichkeit dafür geboten hat. Das waren ja weit über 70 YouTuber und ich war der einzige Musiker. Die Reaktionen der Parteien waren in beiden Fällen zurückweisend und ausweichend – das normale politische Gelaber, ne? Schön in die Rhetorik-Schule gehen und den unangenehmen Fragen ausweichen, das kennt man ja. Bloß gut ausdrücken und nichts Falsches sagen. Das geht mir so auf die Eier. Da müssen andere Leute her und keine komischen, sozial inkompetenten Vollspasten, die sich sowieso für was Besseres halten. Dieser Philipp Amthor, das ist so ein arroganter Wichser. Wo kommt der denn her? Der kommt aus der Kreidezeit oder aus einem Reagenzglas. Der ist für die Politik gezüchtet worden. Klar feiert den jeder 60-jährige Politiker, der wirkt ja auch schon wie ein 60-jähriger Politiker, obwohl er 26 ist. Da geht es aber eigentlich überhaupt nicht ums Aussehen. Wenn der redet und man ihn einfach mal beobachtet … (überlegt) Die Arroganz sprüht aus ihm heraus, sowas habe ich selten gesehen. Richtig arroganter Drecksack.
MZEE.com: Glaubst du, dass die Politik allgemein ein Problem damit hat, junge Menschen ernst zu nehmen?
GReeeN: Ja, vollkommen. Junge Menschen können doch eh nur YouTube-Videos drehen. Ernst nehmen die uns schon lange nicht mehr. Ich glaube, das ist so die Internet-Generation. Wenn die Politiker all die Zombies sehen, wie sie den ganzen Tag nur in ihre Handys reinschauen, da verliert man als alter Zeitgenosse vielleicht den Respekt vor den jungen Leuten – die können ja eh nicht mehr nachdenken. Doch sie haben sich geirrt, da rumort etwas. Das wird deren Untergang sein. Aber das sind eh alles Opportunisten. Die werden ihren Kurs ändern und versuchen, mehr Klima-Ziele anzugehen. Ich glaube, das hat schon etwas Positives angestoßen. Die jungen Leute werden auch irgendwann älter und sich daran erinnern, was die CDU und die anderen Konservativen veranstaltet haben. Das wird wie ein Bumerang zurückkommen – ich freue mich darauf. An Rezo wird man sich hoffentlich noch lange erinnern, das hatte ja schon fast etwas Heldenhaftes. Er hat auch in mir etwas angestoßen. Ich bin schon immer an Politik und Umwelt interessiert, aber durch meine Musik-Karriere lebe ich zugleich in meinem Ego-Zentrum. Da versuche ich, meine eigenen Ziele voranzubringen. Nämlich auch ein Sprachrohr zu werden, mit einer riesigen Reichweite, damit ich genau sowas machen kann, was Rezo da gestartet hat. Das war schon immer mein Wunsch neben der Musik. Ich strebe nicht nach Macht, aber ich möchte, dass die Medien und die Politik nicht alles bestimmen dürfen. Ich möchte, dass YouTuber und Musiker ihre Reichweite sinnvoll einsetzen können. Das will ich durch die Musik erreichen.
MZEE.com: Deine Klick- und Followerzahlen sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, vielleicht bist du ja auf einem guten Weg zu deinem Ziel.
GReeeN: Und das, ohne etwas zu kaufen! (lacht) Der Baum wird immer größer. Es ist kein Raketenschuss wie bei einem Mero, aber wir wissen ja auch, wo das herkommt. Bei mir ist das ein gesundes Wachstum, ich laufe keinem Trend hinterher. Ich mache andere Musik, als es gerade angesagt ist. Jeder Rapper in Deutschland, der noch vor drei, vier Jahren normalen Deutschrap gemacht hat, macht heutzutage diesen Afrotrap- und Dancehall-Shit, den halt alle machen. Das siehst du in jedem Land: Schau nach Spanien, schau nach Frankreich, schau nach Kroatien – die machen alle denselben Scheiß, ein riesengroßer Einheitsbrei. Sehr musikalisch, es klingt auch super, aber unterscheiden sich die Künstler voneinander? Das kann ich höchstens an der anders klingenden Stimmfarbe festmachen. Ich nenne es "Copy and Paste"-Mucke, aber es sei allen gegönnt. Die können ja gerne mit dem Trend schwimmen und erfolgreich sein. Ich strebe nach etwas Langfristigem. Wenn man seinen eigenen Sound kreiert wie Rammstein oder Peter Fox, dann kann man auch noch in zehn Jahren sehr viele Tickets verkaufen.
MZEE.com: Glaubst du, dass du von den aktuellen Entwicklungen auch nachhaltig profitieren kannst? Du hattest ja schon immer Reggae-Einschläge in deiner Musik und auf der aktuellen Platte "Smaragd" sind auch Dancehall-Elemente vorhanden.
GReeeN: Definitiv, ich will da auch gar keinen haten. Ich finde es großartig, dass ich mich von der Masse sogar abheben kann. Wie du schon sagst, dieser Reggae-Touch ist sowieso die ganze Zeit in meiner Mucke vorhanden. Jetzt habe ich auch ein paar Dancehall-Beats benutzt, aber ich singe da ganz anders drauf. Das finde ich wieder geil, wenn ich mal einen sommerlichen Dancehall-Beat benutze, aber ganz anders auf den Beat eingehe. Feiere ich wirklich hart.
MZEE.com: Dein Album wird über das internationale Reggae- und Dancehall-Label Irievibrations Records veröffentlicht. Wie kam die Zusammenarbeit zustande?
GReeeN: Die Jungs veranstalten einmal jährlich ein Festival, das Eastrock Festival in Österreich. Dafür haben die mich gebucht. Sie haben vorab auf Facebook gefragt, welche Acts sich die Leute wünschen und da haben ganz viele Leute meinen Namen geschrieben. Die Veranstalter hatten vorher noch nichts von mir gehört, haben sich den GReeeN dann mal reingezogen und gemerkt, dass es voll geil passt. (lacht) Ich habe denen zugesagt und sie im Gegenzug zu einem nahegelegenen Auftritt von mir eingeladen, weil ich wusste, dass wir uns ein paar Wochen später eh auf dem Festival treffen würden. Die Jungs meinten, dass sie auch ein Tonstudio in Wien haben und ich dort unverbindlich vorbeikommen könnte. Das habe ich dann einfach gemacht, wir haben uns kennengelernt und konnten uns direkt gut riechen. Manche Menschen triffst du und im ersten Moment weißt du genau: "Da ist irgendwas. Da ist eine Verbundenheit." Bei den richtigen Menschen muss nicht mal ein Wort gewechselt werden – die triffst du, gibst denen die Hand, sie lächeln dich an und es ist wie Liebe auf den ersten Blick. Das gibt es auch bei Freundschaften, passiert aber so selten, vor allem, wenn du schon 30 bist. Wann lässt du schon außenstehende Menschen in deinen inneren Kreis? Wir haben dann zunächst einfach so ein Jahr miteinander abgehangen, ich habe dort meine EP "Ach du grüne Neune" aufgenommen. Sie haben die ersten Tracks abgemischt, wir waren zusammen auf Tour und auch im Urlaub. Das war aber wirklich komplett unverbindlich, das ging locker zwölf Monate so. Es hat sich dann alles gefügt, es ist einfach passiert. Das ist mir sehr viel wert. Jetzt kommt mein Album bei denen raus und ich muss sagen, dass die zwei wirklich eine große Bereicherung für mich sind. Ich hatte Angebote von jedem Major-Label, das du dir vorstellen kannst. Vorschüsse, auf die jeder andere Rapper wahrscheinlich direkt angesprungen wäre. Mir geht es jetzt in diesem Fall gar nicht so um das Label, wir werden sowieso noch unser eigenes gründen, das ist jetzt nur aus Zeitgründen über Irievibrations Records erschienen. Mir ist es wichtig, Menschen zu haben, mit denen ich an einem Strang ziehen kann und mit denen man menschlich auf einer Wellenlänge ist. Ich saß mit A&Rs von Warner, Sony und Universal an einem Tisch, die alle mit Angeboten um sich geschmissen haben. Ich bin stolz darauf, dass Geld mir am wenigsten wichtig im Leben ist und ich da hohe Summen abgelehnt habe – und ich rede wirklich von geisteskrank hohen Summen, sodass ich eigentlich nicht mehr arbeiten gehen müsste. Ich bin für deutsche Verhältnisse so arm aufgewachsen und hatte eigentlich nie mehr als 100 Euro auf meinem Konto, ich brauche das nicht für die Glückseligkeit. Es ist ja auch so, dass ich in der Musikszene ohne Ressourcen ziemlich weit gekommen bin. Keine Labels, Budgets, krasse Studios – nichts davon. Wenn du zehn Jahre hart daran arbeitest und der Plan dann aufgegangen ist, du plötzlich pro Abend 2 000 Leute siehst – egal in welcher Stadt du spielst – obwohl du keinen Hit oder Hype hast, dann sage ich: Mein Traum ist in Erfüllung gegangen. Ich bin glücklich.
MZEE.com: Das ist schon bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass du in der HipHop-Szene eher weniger Beachtung bekommst. Möchtest du da überhaupt stattfinden?
GReeeN: Ja, eigentlich schon. Es ist die Geburtsstunde meiner Musik-Karriere. Ich bin schon immer HipHop gewesen, mit Cypress Hill und Tupac aufgewachsen. Dann kam mit 13, 14 Aggro Berlin und ich ziehe mir bis heute alles rein, was releast wird. Ich konsumiere Deutschrap zwar nicht im Auto, aber ich höre mir alles an und bin auf eine Art ein Riesenfan davon. Schon deswegen sehne ich mich danach, weil ich eben aus dieser Szene komme. Ich habe mit Rap begonnen, habe aber schnell gemerkt, dass ich nicht wie Rap klinge – es ist zwar sehr melodisch, aber Gesang ist es auch nicht. Es ist immer etwas dazwischen gewesen. Eine Mischung aus Peter Fox und Jan Delay, aber trotzdem ein komplett eigener Stil. So wirklich weiß ich auch nicht, warum ich in der HipHop-Szene nie ganz angekommen bin. Ob das noch der Fußabdruck des JBBs ist und man mich diesbezüglich nicht ernst nehmen kann, weil ich es gewagt habe, bei JuliensBlogBattle mitzumachen? (lacht) Das ist das Lächerlichste, das ich jemals gehört habe. Ich finde ja mittlerweile auch bei Hiphop.de, 16bars oder auf diversen anderen Seiten statt, aber es geht eher langsam voran. Akzeptanz verspüre ich da weniger, keine Ahnung, woran es liegt. Aber ich boxe mich da eh raus und selbst, wenn nicht: Ich habe meinen eigenen Kosmos, in dem ich funktioniere. Irgendwann wird die HipHop-Szene aber noch aufgemischt. Vielleicht nicht mit GReeeN, aber mit einem anderen Projekt. Dazu irgendwann später noch mehr. GReeeN macht jetzt seinen Reggae-HipHop-Shit, ich liebe diese Mischung und fahre weiter meinen eigenen Style.
MZEE.com: Laut dem Pressetext zu "Smaragd" möchtest du mitunter dein Können als Songwriter unter Beweis stellen. Auf welchen Text oder welche Zeilen bist du besonders stolz?
GReeeN: Oh, da würde ich dir am liebsten direkt alle aufzählen – logischerweise. Ein ganz starker Track ist "Honey Rider", auf dem ich geile Flows und Reimstrukturen habe, auch vom musikalischen Aspekt her. Wenn es aber nur um den Inhalt und die Emotionen geht, finde ich "Adler" einfach wahnsinnig fett. Bei "Autostrada" finde ich den zweiten Verse richtig geil, da habe ich ein paar italienische Wörter einfließen lassen. Aber da kann man sich immer ganz schlecht entscheiden. Ich finde "Wunderschönes Wesen" auch wahnsinnig krass, super starker Text. Rein emotional ist aber "Adler" schon mein kleines Baby.
MZEE.com: Gibt es da hervorstechende Zeilen, die dir besonders gefallen?
GReeeN: Ja, zum Beispiel: "Ich bin glücklich mit dir, ich bin glücklich alleine. Ich küsse deine Stirn, ich brauche wohl beides" oder "Ich brauche dich, doch ich brauche auch mich". Mich berührt das selbst auch sehr. Bei einem Track wie "Adler" weine ich, während ich singe. Aus Schönheit fließt mir da die eine oder andere Träne die Wange herunter, ich bin in der Hinsicht ein total emotionaler Mensch. Ich liebe das so sehr und vergöttere es total. Es ist wahre Liebe zwischen mir und Musik, ich habe eine ganz starke Verbindung zu Melodien und Musik an sich.
MZEE.com: In einem Video-Statement hast du Cannabis als Werkzeug für dein kreatives Schaffen bezeichnet und sprichst dich für die Legalisierung aus. Kannst du diese Verbindung ohne Gras nicht aufbauen?
GReeeN: Doch, sehr sogar. Meistens ist es so: Ich wache morgens auf und bin nüchtern, weil ich nicht von morgens bis abends konsumiere. Das ist ein Trugschluss, ich bin kein Vorzeige-Kiffer. Ich rauche Cannabis schon sehr lange und würde auch behaupten, dass ich ohne diese Pflanze kein Musiker geworden wäre. Wenn ich morgens aufstehe, schreibe ich nüchtern meinen Text. Wenn ich den dann geschrieben habe und einen Beat finde, auf den der Text passt, ziehe ich mir meistens einen Joint rein und singe. Da kommt dann das Cannabis ins Spiel: Es intensiviert alles, du fühlst viel mehr. Selbst ein langweiliger, tot gehörter Beat wird wieder zum Leben erweckt. Du kannst mit neuen Ohren hinhören und hast einen neuen Zugang. Das ist auch der Grund, weshalb ich Cannabis konsumiere – ich bin dann so in meinem Tunnel und es gibt nur mich und die Musik. Ich kann stundenlang diesen einen Text singen, ohne dass es langweilig wird. Wenn ich das ohne Gras mache, bin ich nach 15 Minuten fertig und das reicht dann auch. Ich bin allgemein voller Energie, möchte eigentlich den ganzen Tag draußen rumlaufen und irgendwas anderes machen, als auf meinem Stuhl zu sitzen und irgendwelche Songs zu schreiben und zu rappen. Ich glaube, Cannabis bremst meine körperliche Energie und lässt sie ins Geistige eindringen. Deswegen ist es bei mir so eine Mischung: einerseits nüchtern, aber zugleich auch Cannabis als Werkzeug, um eine andere Perspektive zu haben oder herunterzukommen. Die Geduld zu haben, sich stundenlang mit einem Text und einem Beat zu befassen – das schaffe ich bekifft viel eher. Nüchtern bin ich viel zu schnell, da brauche ich vielleicht eine halbe Stunde, um einen Track zu schreiben und weitere 15 Minuten, um den aufzunehmen.
MZEE.com: Hast du selber schon negative Erfahrungen mit Marihuana gemacht?
GReeeN: Ich habe natürlich auch schon einen geraucht und war dann so stoned, dass ich gar nichts mehr gemacht habe. Cannabis hat sehr viele Nachteile und da werde ich in meinen Liedern in Zukunft noch drüber reden. Da gibt es dann natürlich die typische Antriebslosigkeit. Eine Sache wie Paranoia kam bei mir sehr selten vor und das hängt auch davon ab, was für Gras man raucht. Wenn das alles reguliert wäre, wir unser eigenes Cannabis anbauen könnten und nicht dieses hochgezüchtete Zeug aus Holland rauchen müssten, gäbe es auch weniger Probleme. Dieses viel zu THC-haltige Gras kann ja nur faul machen, Paranoia hervorrufen oder Psychosen offenlegen. Richtig schlimme Erfahrungen habe ich keine gemacht. Ich bin mit mir selbst krass im Reinen und dabei mein eigener Psychologe. Wenn sowas kommen sollte, dann weiß ich auch, wie ich mich beruhigen kann. Ich bin generell im Geist sehr stabil, deswegen kann ich nicht von irgendwelchen Erfahrungen berichten – außer, dass ich eingeschlafen bin, so mit dem Joint im Mund. (lacht)
MZEE.com: Bevor du als Solo-Artist aktiv geworden bist, hast du mit deinem Partner "Der Rote" die Crew "dieZwei" gebildet. Passend zur Vergangenheit habe ich dir ein Zitat des Schriftstellers Ulrich Erckenbrecht mitgebracht: "Frühwerke sind Strohfeuer oder Kaminfeuer." – Welche Gefühle weckt dein künstlerisches Frühwerk in dir?
GReeeN: Es kommt darauf an, welche Lieder ich von dieZwei höre. Es gibt Songs, bei denen mir das Herz aufgeht und ich mir denke, dass ich eine neue Version aufnehmen sollte. Das ist wie eine Art Tagebuch für mich: Was habe ich vor zehn Jahren gedacht? Was hat mich beschäftigt? Es ist unfassbar interessant, das zu hören. Kritisch sehe ich, dass ich damals meine Stimme nicht unter Kontrolle hatte. Ich finde meinen alten Stuff im Hinblick auf Flow, Taktgefühl, Melodien und Reime ziemlich geil. Über den Inhalt lässt sich teilweise streiten. Was ich da manchmal von mir gegeben habe … (lacht) Aber das Schlimmste ist für mich meine Stimmfarbe. Ich konnte überhaupt nicht damit umgehen. Das ist dann eher so ein Kaminfeuer. (lacht) Ein paar Lieder kann man da echt in den Kamin schmeißen. Warum habe ich da meine Stimme so verstellt? Spinne ich, oder was? Das kann ich mir teilweise echt nicht anhören. Ich habe immer mal wieder versucht, meine Stimme anders zu verstellen, ohne Filter zu benutzen. Nur durch manuelles Drücken in der Stimme, wie Bonez das beispielsweise auch macht. Das habe ich vor zehn, zwölf Jahren auch immer wieder versucht und es 2016 endlich komplett sein lassen. Ich habe mir mein Album "Vergessenes Königreich" noch mal angehört und dachte mir: "Warum hat mir das kein Mensch gesagt?" Ich habe nur ein einziges Mal ein Feedback von einem entfernten Bekannten bekommen, der meinte, dass ich sau geil rappe, ihm meine Stimmfarbe aber nicht gefällt. Die Person hatte so recht. Ich habe meine Stimme so ekelhaft und künstlich durch das Drücken verstellt. Seitdem ich mich davon gelöst habe, läuft es viel besser.
MZEE.com: Auf deinen Social Media-Kanälen sieht man dich immer wieder mit deiner Familie. Standen deine Verwandten von Anfang an hinter dir und deiner Musik?
GReeeN: Meine Mutter, ja. Meine Schwester auch, die ist ebenfalls so eine Träumerin. Mein Bruder und mein Vater sind die Realisten in der Familie. Ich sage immer, dass ich beide Seiten geerbt habe – den Realismus von meinem Vater, aber eine noch größere Portion Naivität und Träumerei von meiner Mutter. Ich glaube, dass diese Kombination Träume wahr werden lässt. (lacht) Der Realist in mir realisiert meine Träume. Ich bin ein Scheidungskind und eher mit zwei Geschwistern und einer Mama aufgewachsen. Ich bin ein absolut selbstständiger Mann und hatte keine Vaterrolle, die mir Grenzen aufgezeigt hat. Meine Mutter hat das zwar immer versucht, aber wir hatten schon eine sehr lange Leine und konnten tun, was wir wollten. Es gab aber auch keine finanzielle Unterstützung, dafür war einfach kein Geld da. Wir mussten immer selbst schauen, wie wir zurechtkamen. Ich bin sehr dankbar dafür, weil ich dadurch selbstständig geworden bin. Das hört sich komisch an, aber ich brauche niemanden, um meine Ziele zu erreichen. Ich will die allerdings gar nicht alleine erreichen.
(Jens Paepke)
(Fotos: Arthur Rewak)