Pöbel MC
Am 8. Februar 2019 veröffentlichte Pöbel MC sein "Pöbel Sports Tape" und präsentierte sich nach "Soli-Inkasso", seinem gemeinsamen Album mit Milli Dance, wieder solo. Für viele Fans dürfte vor allem der Sound eine Überraschung gewesen sein, denn auf der neuen Veröffentlichung hört man neben den bekannten Boom bap-lastigen Tracks auch Trap-Elemente. Zudem werden den Hörern wie üblich eine Portion Ironie und zahlreiche politische Botschaften geboten. Politik war auch in unserem Interview mit Pöbel MC Thema. Daneben legte er seine Sichtweise zu Sexismus in Raptexten dar und erläuterte, welche Grenzen es in den Lyrics gibt. Außerdem kamen wir einem ganz besonderen Geheimnis auf die Spur: Pöbel verriet uns den beschissensten Reim auf seinem neuen Release.
MZEE.com: Ich würde zu Beginn gerne einen Fan zitieren, der unter einem Video von dir kommentierte: "Endlich mal eine indoktrinierte Meinungsmache, mit der ich mich komplett identifizieren kann." – Würdest du sagen, das ist eine adäquate Beschreibung deiner Musik?
Pöbel MC: Kann sein, dass das vielleicht ein Nebeneffekt ist. Das hat aber wenig mit dem zu tun, was ich beabsichtige. Ich denke nicht, dass ich indoktrinieren möchte, und auch nicht, dass ich die Musik so machen würde, wie ich sie mache, wenn das mein vordergründiges Anliegen wäre. Nichtsdestotrotz hat Musik etwas Indoktrinierendes – wobei das ein ziemlich starkes Wort ist.
MZEE.com: Wie würdest du sonst deine Musik beschreiben, wenn das keine adäquate Charakterisierung ist?
Pöbel MC: Ich mach' halt einfach Musik und rappe über Dinge, die meiner Wahrnehmung, meinem Humor und sonstigen Faktoren, die ein künstlerisches Schaffen beeinflussen, entsprechen. Aber irgendeine Verfestigung von weltanschaulichen Gegebenheiten ist da bei Weitem nicht die Triebfeder.
MZEE.com: Du würdest also nicht sagen, dass man deine Musik in eine Schublade stecken könnte, die sie beschreibt?
Pöbel MC: Nur weil ich sage, dass meine Musik nicht vordergründig etwas Indoktrinierendes haben soll, heißt das nicht, dass man sie nicht kategorisieren kann. Es gibt da ja ganz viele verschiedene Möglichkeiten. Und natürlich kann man sie kategorisieren: Es ist halt Battlerap mit ein bis zwei progressiven Einschiebungen.
MZEE.com: Wiederum aus einem Song von dir stammt: "Wirr ist das Volk, doch der Pöbel bringt die Ordnung." – Was würde denn deiner Meinung nach wieder für Ordnung bei diesem wirren Volk sorgen?
Pöbel MC: Erst mal ging es mir nur um den Wortwitz, dass Pöbel und Volk in mancherlei Bedeutung oder Interpretation auch gleichgesetzt werden können. In dem Sinne ist es zunächst eine Battle-Line, die natürlich eine politische Konnotation hat. Bei PEGIDA-Demonstrationen und anderen rechts aufgeladenen Veranstaltungen wird irgendwie dieser eigentliche DDR-Freiheitsslogan "Wir sind das Volk" aufgegriffen, was mir ein bisschen absurd vorkommt.
MZEE.com: Den Wortwitz hat man natürlich verstanden, aber wenn wir bei der politischen Richtung bleiben: Was würde deiner Meinung nach für Ordnung sorgen?
Pöbel MC: Ich weiß nicht, was Ordnung auf so einer Ebene bedeuten soll. Im Battle-Kontext ist das quasi nur eine Analogie zwischen battleartigem Widerstand gegen schlechte Rapper und politischem Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit. Wie man das jetzt im Konkreten macht … Wenn ich das wüsste, würd' ich meine Zeit wahrscheinlich anderweitig verbringen. Aber ich glaube schon, dass die Wahrnehmung des Demonstrations- und des Meinungsäußerungsrechts und die Kanalisierung von irgendwelchen Kräften zur Arbeit für strukturell benachteiligte Menschen ein Schritt in die richtige Richtung sein kann.
MZEE.com: Man muss sich nicht wirklich lange mit deiner Musik beschäftigen, damit einem klar wird, dass du dich deutlich links positionierst, für liberale Werte einstehst und unter anderem für die Rechte von Frauen und Homosexuellen einsetzt. Dennoch schwingt in deinem neuesten Tape manchmal der Unterton mit, dass dich bestimmte "wirre Sitten-Hobby-Polizisten" stören würden. Trifft dieser Eindruck zu? Geht dir die Kultur der "Political Correctness" selbst manchmal zu weit?
Pöbel MC: Was heißt "zu weit"? Ich finde einfach die Diskussions- und Abschottungskultur, die von manchen sich progressiv wähnenden Strukturen betrieben wird, nicht gut. Und darauf weise ich halt im heiteren Rahmen meiner musikalischen Schaffensform hin. Aber das ist immer irgendwie auf verschiedenen Ebenen zu betrachten. Ich glaube, um einen gesamtgesellschaftlichen Erfolg zu erzielen, ist es nützlich, sich zu öffnen. Auch, um Leute für progressive Ideen zu begeistern, die noch nicht von Derartigem überzeugt sind. Außerdem einen Umgang mit bestimmten Diskriminierungsformen und Positionen zu haben, der sich am jeweiligen Wissens- und Hintergrundstand orientiert. Denn ich glaube, wenn man immer von vornherein totale Reflektiertheit im harten Sinne einfordert und autoritär reagiert, wenn das nicht gegeben ist, schließt man sehr viele Menschen aus. Obwohl die sich eigentlich für grundlegende Gerechtigkeitsideen genauso stark machen würden. Umgekehrt ist es natürlich so, dass man auch Schutzräume braucht, in denen es möglich ist, weitreichende Diskriminierungsfreiheit zu leben und zu bewahren. Um der diskriminierenden Normierung des Alltags etwas entgegenzusetzen sowie gelebte Alternativen aufzuzeigen.
MZEE.com: Auch dein Umfeld ist politisch – beispielsweise dein Label Audiolith. Wie wichtig findest du es für einen Künstler, sich 2019 politisch zu positionieren?
Pöbel MC: Ich glaube, man kommt gar nicht drum herum, das zu tun. Egal, ob man jetzt aktiv eine politische Geste oder einfach nur was weiß ich was für Inhalte transportiert. Es gibt immer eine Art politischer Dimension. Ob man das nun vordergründig als eine Aufgabe begreifen sollte, würde ich verneinen. Ich glaube aber, dass es in mancherlei Hinsicht nicht schaden kann, wenn Figuren mit öffentlicher Aufmerksamkeit diese auch nutzen, um sich für Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit gerade zu machen, statt nur ihren persönlichen Erfolg zu feiern.
MZEE.com: Ich habe das Gefühl, dass dies mittlerweile immer mehr Leute tun. Gewisse Größen der Szene aber eben nicht. Hast du eine Vermutung, warum sich viele einflussreiche Personen aus dem Thema raushalten und sich nicht für gute Dinge einsetzen?
Pöbel MC: Erst mal ist ja gar nicht klar, was gute Dinge sind, und ich finde das auch schwierig auszumachen. Es ist teilweise zudem mit Skepsis zu betrachten, dass diverse Leute sich gefühlt eher opportunistisch statt tatsächlich überzeugt in derlei Zusammenhängen positionieren. Das nimmt eine übergeordnete Glaubwürdigkeit und hat dann einen negativen Effekt. Ansonsten gibt es vielleicht auch viele Leute, die individuell nicht so einen starken Zugang dazu besitzen. Beziehungsweise das Gefühl haben, etwas Falsches zu sagen oder sich mit jemandem gemein zu machen, mit dem sie das gar nicht wollen.
MZEE.com: Glaubst du, dass das teilweise auch einen kommerziellen Hintergrund hat, wenn man sich nicht äußert?
Pöbel MC: Ich weiß nicht, wie das bei Helene Fischer war, aber die hat sich auch mal in einem AfD-Kontext geäußert und ist dafür sehr stark kritisiert worden. Wahrscheinlich, weil sie unter ihren Hörerinnen und Hörern auch solche hat, die anders denken und dann solche Binsen kloppen: "Das muss alles unpolitisch gehalten sein." Was auch immer das sein soll. Umgekehrt versuchen auch Leute durch eine entsprechende politische Positionierung, ihren kommerziellen Interessen zu dienen. Teilweise taucht hier wieder der vorhin angesprochene Opportunismus auf, der halt – wenn er sich offenlegt – das Vertrauen in solche Positionierungen schwächen kann und dann einen negativen Effekt hat. Ich glaube, das ist eine Sache, die in beide Richtungen führen kann.
MZEE.com: Kommen wir zu deinem aktuellen Release und einer ganz konkreten Zeile aus "Rammeln": "Nur die größten Toys halten Sexismus für ein Stilmittel." – Wo beginnt für dich Sexismus? Wo sind dabei die Grenzen in Raptexten?
Pöbel MC: Also, unter Sexismus verstehe ich die Ungleichbehandlung von Menschen aufgrund ihrer geschlechtlichen Zuordnung. Das ist erst mal ein sehr starkes Kriterium, laut dem unsere Gesellschaft per Definition an vielen Stellen sexistisch ist. (überlegt) Im künstlerischen Rahmen bin ich ein Verfechter von weitreichender Freiheit. Allerdings müssen heute viele auf entsprechende Gegenpositionen und Kritik vorbereitet sein. Wenn man im Rahmen seiner künstlerischen Freiheit entscheidet, nur noch davon zu rappen, wie man Frauen durchbumst, kann man das auf jeden Fall machen. Aber man muss sich dann nicht darüber wundern, dass das kritisch gesehen und auch tiefgründiger kritisiert wird, als es nur als Geschmacklosigkeit zu bezeichnen.
MZEE.com: Ich finde, im Rap gibt es – deswegen habe ich nach der Grenze gefragt – recht wenig Beschwerde darüber.
Pöbel MC: Das findet halt immer so blasenhaft statt. Es gibt im Mainstream einen sehr weitreichenden Bereich, der "je ekelhafter, desto besser" zu zelebrieren scheint. Dann gibt es auch das Gegenteil: irgendwelche Zecken-Rapstrukturen, die versuchen, besonders stark zu reflektieren. Da werden Begrifflichkeiten, die intuitiv von den meisten als unproblematisch eingestuft werden, aus irgendwelchen Gründen schadhaft herausgestellt. Sich da zu positionieren und seinen eigenen Weg zu finden, ist wiederum ein Teil der künstlerischen Herausforderung.
MZEE.com: Du positionierst dich nicht nur klar, sondern spielst zudem auch immer wieder mit Ironie. Hast du Angst, dass man dich falsch verstehen könnte beziehungsweise ist dir so etwas schon mal passiert?
Pöbel MC: Ja klar. Das ist der Regelfall. (lacht) Nein, das passiert des Öfteren, aber das macht das Ganze ja interessant. Also, dass man stellenweise genauer hinhören oder sich Sachen mehrfach reinziehen muss, um mehr zu durchdringen, was ich mir ursprünglich dabei gedacht habe. Aber letztendlich ist das nur eine Sichtweise der Musik. Es sagt ja niemand, dass die Musik genauso wahrzunehmen ist, wie derjenige sich das vorgestellt hat, als er sie gemacht hat. Es gibt immer diese Außenwahrnehmung, die etwas daraus macht, was man da fabriziert hat. Ironie ist vielleicht ein Mittel, damit zu spielen. Aber selten habe ich – wenn ich einen Text schreibe – das primäre Ansinnen, besonders irritierend zu sein oder irgendjemanden dazu zu bringen, es falsch zu verstehen. Sondern ich bedien' mich auch in meinem Alltag derartiger Mittel, wenn ich Witze mit Freunden oder Freundinnen mache. Das ist das, was meinem persönlichen Geschmack entspricht.
MZEE.com: Mit deinem aktuellen Release begibst du dich in neue Soundwelten und bedienst eher den Trap- als den Boom bap-Sound. Musstest du dir deswegen etwas anhören oder hattest du das Glück, eine dafür eher offene Fan-Base zu haben?
Pöbel MC: Och … (überlegt) Ich hab' eigentlich das Gefühl, dass das neue Tape sehr gut ankommt. Ich hab' viel positives Feedback dafür bekommen. Aber es gibt natürlich auch diese Traditionalisten. (lacht) Die wünschen sich alles so, wie es früher war und was weiß ich. Die lassen dann irgendwelche Kommentare da. Aber ehrlich gesagt interessiert mich das ziemlich am Rande, weil ich in letzter Zeit auch vorrangig Musik mit modernem Sound gehört habe. Ich sehe mich sowieso nicht als einen großen Teil der Super-HipHop-Subkultur. Vielmehr ist es umgekehrt und ich sehe es als künstlerisches Ideal an, neue Sachen auszuprobieren, etwas weiterzuentwickeln und darauf zu schauen, was man persönlich gerade interessant findet.
MZEE.com: Glaubst du, es ist ein Phänomen der Rapszene, dass Leute Schwierigkeiten damit haben, wenn nicht alles so bleibt, wie es ist?
Pöbel MC: Also, ich kenn' das auch aus anderen Genres. Zum Beispiel gibt es im Metal-Bereich klare Kategorien, was jetzt Black Metal, Hardcore oder Punk zu sein hat. Insofern gibt es da im künstlerischen Schaffen schon immer dienstleisterische Vorstellungen, was ein Künstler darf, nachdem er schon etwas anderes gemacht hat. Aber im Rap kommt natürlich dieser Realness-Gedanke zum Vorschein. Der hat manchmal, so wie er vorgetragen wird – obwohl er das im Ursprung gar nicht beinhaltet –, schon etwas Rückwärtsgewandtes. Da wird irgendetwas zelebriert, das sich über einen längeren Zeitraum einen Wert erarbeitet hat und an den will man anknüpfen, wenn man auf seine Realness und vermeintliche Kredibilität pocht. Das wird halt missverstanden als Art der Gleichschaltung dessen, wie HipHop praktiziert werden darf. Ich denke, so ist es nicht gemeint. Ich glaube, es geht um Authentizität und dass die Leute nicht anfangen, nach kommerziellen Interessen und sonstigen externen Einschätzungen ihre eigene Kunst zu gestalten. Und ich denke, das ist bei mir jetzt nicht der Fall. Ich hab' eher das Gefühl, dass ich mit dem "Pöbel Sports Tape" – obwohl es jetzt nur ein kleines Tape mit acht Tracks ist – dichter an den Sound und die Soundvielfalt herangerückt bin, die ich im Sinn habe.
MZEE.com: Das heißt, in diese Richtung wird es sich auch in Zukunft mehr entwickeln?
Pöbel MC: Ja, ich plan' für nächstes Jahr, ein Album zu machen. Und ich denke, das wird eine breite Mischung aus Styles, die ich auch feier'. Das ist es ja im Grunde genommen beim "Pöbel Sports Tape" auch. Ich mein', es hat jetzt überwiegend den trappigen Sound, aber zum Beispiel "Autoritäres Jugendzentrum" oder "Rammeln" sind eher Boom bappige Tracks, die sich auch mehr in der vorherigen Soundästhetik bewegen. Und das würde ich dann eben in alle Richtungen ausbauen. Wieder ein bis zwei intensivere Boom bap-Nummern haben, die Trap-Schiene noch etwas weiter ausbauen und andere Stilistiken ausprobieren. Da gibt es so viele coole Sachen, die man dem Klangspektrum hinzufügen kann. Da will ich mich nicht festlegen.
MZEE.com: Das heißt, du willst dich viel ausprobieren. Gibt es auch Dinge, die du gar nicht machen würdest?
Pöbel MC: Ja, so eine dicke EDM-Granate ist jetzt erst mal nicht in Planung. Aber auch da: Wenn man jetzt mit irgendwelchen Leuten zusammensitzt, da was Geiles bastelt und etwas hat, das superviel Spaß macht – warum nicht. Es ist auch unwahrscheinlich, dass ich einen Singer-Songwriter-Track mache und mir mit Gitarre am Lagerfeuer einbilde, singen zu können. Aber alles dazwischen vielleicht schon. Metal-Tracks wahrscheinlich auch nicht, weil die ja noch mal so ein spezielles Genre sind.
MZEE.com: Milli Dance hat in unserem letzten Interview über dich gesagt: "Und außerdem kenne ich keinen anderen, der 'Pool' auf 'cool' reimen kann, ohne dass sich das scheiße anhört." – Was ist deiner Meinung nach der beschissenste Reim auf deinem "Pöbel Sports Tape", der sich aber am besten anhört?
Pöbel MC: Oha. Da müsste ich jetzt erst mal im Kopf den Fundus an beschissenen Rhymes durchgehen. Er ist sehr groß. (lacht) Ich glaube – und das ist ja da auch bewusst ein wenig hängengeblieben gemacht –, ich reime Gucci auf Louis und es reimt sich nicht. Ich spreche es aber so aus, damit es ein bisschen so klingt. Ich sag': "Siehst du die Roli, siehst du hier Gucci, head to toe, Digga, alles von Louis." Aber eigentlich ist es nur das "i" von Gucci und Louis, das den Reim macht. (lacht) Im Grunde genommen also nichts. Ich glaube, das ist schon ein amtlich hängengebliebener Reim, aber die Stelle klingt trotzdem gut und macht Spaß. Deswegen ist das meine Wahl.
MZEE.com: Zu guter Letzt noch mal eine Zeile von deiner EP, die ich sehr interessant fand: "Trap ist wie Antistyle, man muss ihn sich verdienen." – Welche deutschen Genre-Rapper haben sich das denn bereits verdient?
Pöbel MC: Hm. (überlegt) Zum Beispiel: Wenn man jetzt Haftbefehl nimmt, dann hat er schon einige relativ coole Mixtapes und Boom bap-Tracks rausgeknallt. Die haben mich lyrisch und atmosphärisch so überzeugt, dass ich ihm die darauffolgenden trappigen und poppigen Eskapaden nicht weiter angekreidet habe. Aber sonst ist es eher eine Aussage, die sich kritisch auf Leute bezieht, die sich für die absoluten Rapkings halten. Obwohl sie sich mit dem eigentlichen MCeen, dem Anfertigen von Texten, die auch ein bisschen mehr Gehalt haben als Markenprodukte aufzuzählen, nie beschäftigt haben. Da gibt es Strukturen innerhalb der Rapszene, die das skeptisch sehen. Ich teile diese Auffassung ein Stück weit. Aber letztendlich ist das auch wieder Unsinn, weil Rap kein Sport ist, kein Leistungsgeschäft, wo es um schneller, mehr und was weiß ich was geht. Es geht um den Transport von Gefühlen. Klar, die haben auch etwas mit Inhalten zu tun, das kann man nicht trennen. Aber letztendlich gibt es kein Rezept, das sagt, was richtig und falsch ist.
MZEE.com: Dieser Trend, Markenprodukte aufzuzählen, hält sich ja schon recht hartnäckig. Glaubst du, das ist irgendwann vorbei?
Pöbel MC: Ich weiß nicht. Es ist generell so eine Art Technologie-Effekt, weil vieles in Richtung der höheren Effektivität strebt und in dieser Weise ist halt auch Rapmusik von einem Effektivitätskonzept geprägt. Leute machen auch deswegen Trapbeats, weil es eben technisch möglich ist, sehr viel Druck und Energie für Live-Shows aufzubauen. Was dann etwas anders wirkt als ein rumpliger Beat mit Schallplatten-Sample aus den 90ern. Und ja, diese Art von schnelllebigen Releases, Singles mit Inhalten, die einfach konsumiert und mitgegröhlt werden können, ist schon etwas sehr Effektives. Deswegen wird es schwer, sich von solchen Dingen zu lösen. Aber es gibt ja im Deutschrap momentan eine Tendenz dazu, sich zu versachlichen. Nur findet das dann oft auf unterschiedlichen Ebenen statt. Es geht um starke Releases von halbwegs einflussreichen Künstlern – wie zum Beispiel Dendemann –, die dann auch für ein breiteres Publikum aufzeigen: "Ja, okay, man kann auch im Jahr 2019 halbwegs erfolgreichen Rap machen, in dem viel erzählt wird." Und dazu gibt es Medien, die das etwas steuern. Wenn jetzt halt die drei größten Rapmedien nur noch über Capital Bra und drei andere Modus Mio-Rapper berichten und alles damit aufladen – klar, dann findet das im Wesentlichen statt. Und man hat den Eindruck: Das ist Deutschrap. Aber das ist a) nicht besonders repräsentativ und b) könnte es ja auch anders sein. Dass dann wieder andere Dinge in den Fokus gerückt werden.
MZEE.com: Früher wurde Rap von Außenstehenden mit Gangstern in Verbindung gesetzt und heute ist es halt dieser Sound …
Pöbel MC: Ja, aber das ist eben auch mit sowas verbunden. Die meisten kommerziell erfolgreichen Rapper in Deutschland kokettieren ja auch mit diesem Straßen- beziehungsweise Gangsterfilm und sind hintergründig von solchen Strukturen gesponsert. Die sehen darin eine gute Geschäftsmöglichkeit und haben da natürlich ganz andere technische Mittel. Sei es für Musik oder Videos als drei Ghetto-Atzen, die einfach mal Bock haben, Mucke zu machen. Das bedient ja eine ganz andere Kapazität, was sich dann auf die Soundqualität, die Möglichkeiten, sich promotechnisch zu präsentieren, und die Optik der Videos auswirkt. Ich glaub', dass Geld in solchen Strukturen ein relativ starker Faktor ist.
(Fabian Thomas)
(Fotos von Nina Krause)