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Interview

Pöbel MC

"Ich glau­be, dass es in man­cher Hin­sicht nicht scha­den kann, wenn Figu­ren mit öffent­li­cher Auf­merk­sam­keit die­se nut­zen, um sich für Gerech­tig­keit und Mit­mensch­lich­keit gera­de zu machen, statt ihren per­sön­li­chen Erfolg zu fei­ern." – Pöbel MC im Inter­view über Poli­tik, Sexis­mus und sei­nen neu­en Sound.

Am 8. Febru­ar 2019 ver­öf­fent­lich­te Pöbel MC sein "Pöbel Sports Tape" und prä­sen­tier­te sich nach "Soli-​Inkasso", sei­nem gemein­sa­men Album mit Mil­li Dance, wie­der solo. Für vie­le Fans dürf­te vor allem der Sound eine Über­ra­schung gewe­sen sein, denn auf der neu­en Ver­öf­fent­li­chung hört man neben den bekann­ten Boom bap-​lastigen Tracks auch Trap-​Elemente. Zudem wer­den den Hörern wie üblich eine Por­ti­on Iro­nie und zahl­rei­che poli­ti­sche Bot­schaf­ten gebo­ten. Poli­tik war auch in unse­rem Inter­view mit Pöbel MC The­ma. Dane­ben leg­te er sei­ne Sicht­wei­se zu Sexis­mus in Rap­tex­ten dar und erläu­ter­te, wel­che Gren­zen es in den Lyrics gibt. Außer­dem kamen wir einem ganz beson­de­ren Geheim­nis auf die Spur: Pöbel ver­riet uns den beschis­sens­ten Reim auf sei­nem neu­en Release.

MZEE​.com: Ich wür­de zu Beginn ger­ne einen Fan zitie­ren, der unter einem Video von dir kom­men­tier­te: "End­lich mal eine indok­tri­nier­te Mei­nungs­ma­che, mit der ich mich kom­plett iden­ti­fi­zie­ren kann." – Wür­dest du sagen, das ist eine adäqua­te Beschrei­bung dei­ner Musik?

Pöbel MC: Kann sein, dass das viel­leicht ein Neben­ef­fekt ist. Das hat aber wenig mit dem zu tun, was ich beab­sich­ti­ge. Ich den­ke nicht, dass ich indok­tri­nie­ren möch­te, und auch nicht, dass ich die Musik so machen wür­de, wie ich sie mache, wenn das mein vor­der­grün­di­ges Anlie­gen wäre. Nichts­des­to­trotz hat Musik etwas Indok­tri­nie­ren­des – wobei das ein ziem­lich star­kes Wort ist.

MZEE​.com: Wie wür­dest du sonst dei­ne Musik beschrei­ben, wenn das kei­ne adäqua­te Cha­rak­te­ri­sie­rung ist?

Pöbel MC: Ich mach' halt ein­fach Musik und rap­pe über Din­ge, die mei­ner Wahr­neh­mung, mei­nem Humor und sons­ti­gen Fak­to­ren, die ein künst­le­ri­sches Schaf­fen beein­flus­sen, ent­spre­chen. Aber irgend­ei­ne Ver­fes­ti­gung von welt­an­schau­li­chen Gege­ben­hei­ten ist da bei Wei­tem nicht die Triebfeder.

MZEE​.com: Du wür­dest also nicht sagen, dass man dei­ne Musik in eine Schub­la­de ste­cken könn­te, die sie beschreibt?

Pöbel MC: Nur weil ich sage, dass mei­ne Musik nicht vor­der­grün­dig etwas Indok­tri­nie­ren­des haben soll, heißt das nicht, dass man sie nicht kate­go­ri­sie­ren kann. Es gibt da ja ganz vie­le ver­schie­de­ne Mög­lich­kei­ten. Und natür­lich kann man sie kate­go­ri­sie­ren: Es ist halt Batt­ler­ap mit ein bis zwei pro­gres­si­ven Einschiebungen.

MZEE​.com: Wie­der­um aus einem Song von dir stammt: "Wirr ist das Volk, doch der Pöbel bringt die Ord­nung." – Was wür­de denn dei­ner Mei­nung nach wie­der für Ord­nung bei die­sem wir­ren Volk sorgen?

Pöbel MC: Erst mal ging es mir nur um den Wort­witz, dass Pöbel und Volk in man­cher­lei Bedeu­tung oder Inter­pre­ta­ti­on auch gleich­ge­setzt wer­den kön­nen. In dem Sin­ne ist es zunächst eine Battle-​Line, die natür­lich eine poli­ti­sche Kon­no­ta­ti­on hat. Bei PEGIDA-​Demonstrationen und ande­ren rechts auf­ge­la­de­nen Ver­an­stal­tun­gen wird irgend­wie die­ser eigent­li­che DDR-​Freiheitsslogan "Wir sind das Volk" auf­ge­grif­fen, was mir ein biss­chen absurd vorkommt.

MZEE​.com: Den Wort­witz hat man natür­lich ver­stan­den, aber wenn wir bei der poli­ti­schen Rich­tung blei­ben: Was wür­de dei­ner Mei­nung nach für Ord­nung sorgen?

Pöbel MC: Ich weiß nicht, was Ord­nung auf so einer Ebe­ne bedeu­ten soll. Im Battle-​Kontext ist das qua­si nur eine Ana­lo­gie zwi­schen batt­le­ar­ti­gem Wider­stand gegen schlech­te Rap­per und poli­ti­schem Enga­ge­ment gegen Frem­den­feind­lich­keit. Wie man das jetzt im Kon­kre­ten macht … Wenn ich das wüss­te, würd' ich mei­ne Zeit wahr­schein­lich ander­wei­tig ver­brin­gen. Aber ich glau­be schon, dass die Wahr­neh­mung des Demonstrations- und des Mei­nungs­äu­ße­rungs­rechts und die Kana­li­sie­rung von irgend­wel­chen Kräf­ten zur Arbeit für struk­tu­rell benach­tei­lig­te Men­schen ein Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung sein kann.

MZEE​.com: Man muss sich nicht wirk­lich lan­ge mit dei­ner Musik beschäf­ti­gen, damit einem klar wird, dass du dich deut­lich links posi­tio­nierst, für libe­ra­le Wer­te ein­stehst und unter ande­rem für die Rech­te von Frau­en und Homo­se­xu­el­len ein­setzt. Den­noch schwingt in dei­nem neu­es­ten Tape manch­mal der Unter­ton mit, dass dich bestimm­te "wir­re Sitten-​Hobby-​Polizisten" stö­ren wür­den. Trifft die­ser Ein­druck zu? Geht dir die Kul­tur der "Poli­ti­cal Cor­rect­ness" selbst manch­mal zu weit?

Pöbel MC: Was heißt "zu weit"? Ich fin­de ein­fach die Diskussions- und Abschot­tungs­kul­tur, die von man­chen sich pro­gres­siv wäh­nen­den Struk­tu­ren betrie­ben wird, nicht gut. Und dar­auf wei­se ich halt im hei­te­ren Rah­men mei­ner musi­ka­li­schen Schaf­fens­form hin. Aber das ist immer irgend­wie auf ver­schie­de­nen Ebe­nen zu betrach­ten. Ich glau­be, um einen gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Erfolg zu erzie­len, ist es nütz­lich, sich zu öff­nen. Auch, um Leu­te für pro­gres­si­ve Ideen zu begeis­tern, die noch nicht von Der­ar­ti­gem über­zeugt sind. Außer­dem einen Umgang mit bestimm­ten Dis­kri­mi­nie­rungs­for­men und Posi­tio­nen zu haben, der sich am jewei­li­gen Wissens- und Hin­ter­grund­stand ori­en­tiert. Denn ich glau­be, wenn man immer von vorn­her­ein tota­le Reflek­tiert­heit im har­ten Sin­ne ein­for­dert und auto­ri­tär reagiert, wenn das nicht gege­ben ist, schließt man sehr vie­le Men­schen aus. Obwohl die sich eigent­lich für grund­le­gen­de Gerech­tig­keits­ideen genau­so stark machen wür­den. Umge­kehrt ist es natür­lich so, dass man auch Schutz­räu­me braucht, in denen es mög­lich ist, weit­rei­chen­de Dis­kri­mi­nie­rungs­frei­heit zu leben und zu bewah­ren. Um der dis­kri­mi­nie­ren­den Nor­mie­rung des All­tags etwas ent­ge­gen­zu­set­zen sowie geleb­te Alter­na­ti­ven aufzuzeigen.

MZEE​.com: Auch dein Umfeld ist poli­tisch – bei­spiels­wei­se dein Label Audio­lith. Wie wich­tig fin­dest du es für einen Künst­ler, sich 2019 poli­tisch zu positionieren?

Pöbel MC: Ich glau­be, man kommt gar nicht drum her­um, das zu tun. Egal, ob man jetzt aktiv eine poli­ti­sche Ges­te oder ein­fach nur was weiß ich was für Inhal­te trans­por­tiert. Es gibt immer eine Art poli­ti­scher Dimen­si­on. Ob man das nun vor­der­grün­dig als eine Auf­ga­be begrei­fen soll­te, wür­de ich ver­nei­nen. Ich glau­be aber, dass es in man­cher­lei Hin­sicht nicht scha­den kann, wenn Figu­ren mit öffent­li­cher Auf­merk­sam­keit die­se auch nut­zen, um sich für Gerech­tig­keit und Mit­mensch­lich­keit gera­de zu machen, statt nur ihren per­sön­li­chen Erfolg zu feiern.

MZEE​.com: Ich habe das Gefühl, dass dies mitt­ler­wei­le immer mehr Leu­te tun. Gewis­se Grö­ßen der Sze­ne aber eben nicht. Hast du eine Ver­mu­tung, war­um sich vie­le ein­fluss­rei­che Per­so­nen aus dem The­ma raus­hal­ten und sich nicht für gute Din­ge einsetzen?

Pöbel MC: Erst mal ist ja gar nicht klar, was gute Din­ge sind, und ich fin­de das auch schwie­rig aus­zu­ma­chen. Es ist teil­wei­se zudem mit Skep­sis zu betrach­ten, dass diver­se Leu­te sich gefühlt eher oppor­tu­nis­tisch statt tat­säch­lich über­zeugt in der­lei Zusam­men­hän­gen posi­tio­nie­ren. Das nimmt eine über­ge­ord­ne­te Glaub­wür­dig­keit und hat dann einen nega­ti­ven Effekt. Ansons­ten gibt es viel­leicht auch vie­le Leu­te, die indi­vi­du­ell nicht so einen star­ken Zugang dazu besit­zen. Bezie­hungs­wei­se das Gefühl haben, etwas Fal­sches zu sagen oder sich mit jeman­dem gemein zu machen, mit dem sie das gar nicht wollen.

MZEE​.com: Glaubst du, dass das teil­wei­se auch einen kom­mer­zi­el­len Hin­ter­grund hat, wenn man sich nicht äußert?

Pöbel MC: Ich weiß nicht, wie das bei Hele­ne Fischer war, aber die hat sich auch mal in einem AfD-​Kontext geäu­ßert und ist dafür sehr stark kri­ti­siert wor­den. Wahr­schein­lich, weil sie unter ihren Höre­rin­nen und Hörern auch sol­che hat, die anders den­ken und dann sol­che Bin­sen klop­pen: "Das muss alles unpo­li­tisch gehal­ten sein." Was auch immer das sein soll. Umge­kehrt ver­su­chen auch Leu­te durch eine ent­spre­chen­de poli­ti­sche Posi­tio­nie­rung, ihren kom­mer­zi­el­len Inter­es­sen zu die­nen. Teil­wei­se taucht hier wie­der der vor­hin ange­spro­che­ne Oppor­tu­nis­mus auf, der halt – wenn er sich offen­legt – das Ver­trau­en in sol­che Posi­tio­nie­run­gen schwä­chen kann und dann einen nega­ti­ven Effekt hat. Ich glau­be, das ist eine Sache, die in bei­de Rich­tun­gen füh­ren kann.

MZEE​.com: Kom­men wir zu dei­nem aktu­el­len Release und einer ganz kon­kre­ten Zei­le aus "Ram­meln": "Nur die größ­ten Toys hal­ten Sexis­mus für ein Stil­mit­tel." – Wo beginnt für dich Sexis­mus? Wo sind dabei die Gren­zen in Raptexten?

Pöbel MC: Also, unter Sexis­mus ver­ste­he ich die Ungleich­be­hand­lung von Men­schen auf­grund ihrer geschlecht­li­chen Zuord­nung. Das ist erst mal ein sehr star­kes Kri­te­ri­um, laut dem unse­re Gesell­schaft per Defi­ni­ti­on an vie­len Stel­len sexis­tisch ist. (über­legt) Im künst­le­ri­schen Rah­men bin ich ein Ver­fech­ter von weit­rei­chen­der Frei­heit. Aller­dings müs­sen heu­te vie­le auf ent­spre­chen­de Gegen­po­si­tio­nen und Kri­tik vor­be­rei­tet sein. Wenn man im Rah­men sei­ner künst­le­ri­schen Frei­heit ent­schei­det, nur noch davon zu rap­pen, wie man Frau­en durch­bumst, kann man das auf jeden Fall machen. Aber man muss sich dann nicht dar­über wun­dern, dass das kri­tisch gese­hen und auch tief­grün­di­ger kri­ti­siert wird, als es nur als Geschmack­lo­sig­keit zu bezeichnen.

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MZEE​.com: Ich fin­de, im Rap gibt es – des­we­gen habe ich nach der Gren­ze gefragt – recht wenig Beschwer­de darüber.

Pöbel MC: Das fin­det halt immer so bla­sen­haft statt. Es gibt im Main­stream einen sehr weit­rei­chen­den Bereich, der "je ekel­haf­ter, des­to bes­ser" zu zele­brie­ren scheint. Dann gibt es auch das Gegen­teil: irgend­wel­che Zecken-​Rapstrukturen, die ver­su­chen, beson­ders stark zu reflek­tie­ren. Da wer­den Begriff­lich­kei­ten, die intui­tiv von den meis­ten als unpro­ble­ma­tisch ein­ge­stuft wer­den, aus irgend­wel­chen Grün­den schad­haft her­aus­ge­stellt. Sich da zu posi­tio­nie­ren und sei­nen eige­nen Weg zu fin­den, ist wie­der­um ein Teil der künst­le­ri­schen Herausforderung.

MZEE​.com: Du posi­tio­nierst dich nicht nur klar, son­dern spielst zudem auch immer wie­der mit Iro­nie. Hast du Angst, dass man dich falsch ver­ste­hen könn­te bezie­hungs­wei­se ist dir so etwas schon mal passiert?

Pöbel MC: Ja klar. Das ist der Regel­fall. (lacht) Nein, das pas­siert des Öfte­ren, aber das macht das Gan­ze ja inter­es­sant. Also, dass man stel­len­wei­se genau­er hin­hö­ren oder sich Sachen mehr­fach rein­zie­hen muss, um mehr zu durch­drin­gen, was ich mir ursprüng­lich dabei gedacht habe. Aber letzt­end­lich ist das nur eine Sicht­wei­se der Musik. Es sagt ja nie­mand, dass die Musik genau­so wahr­zu­neh­men ist, wie der­je­ni­ge sich das vor­ge­stellt hat, als er sie gemacht hat. Es gibt immer die­se Außen­wahr­neh­mung, die etwas dar­aus macht, was man da fabri­ziert hat. Iro­nie ist viel­leicht ein Mit­tel, damit zu spie­len. Aber sel­ten habe ich – wenn ich einen Text schrei­be – das pri­mä­re Ansin­nen, beson­ders irri­tie­rend zu sein oder irgend­je­man­den dazu zu brin­gen, es falsch zu ver­ste­hen. Son­dern ich bedien' mich auch in mei­nem All­tag der­ar­ti­ger Mit­tel, wenn ich Wit­ze mit Freun­den oder Freun­din­nen mache. Das ist das, was mei­nem per­sön­li­chen Geschmack entspricht.

MZEE​.com: Mit dei­nem aktu­el­len Release begibst du dich in neue Sound­wel­ten und bedienst eher den Trap- als den Boom bap-​Sound. Muss­test du dir des­we­gen etwas anhö­ren oder hat­test du das Glück, eine dafür eher offe­ne Fan-​Base zu haben?

Pöbel MC: Och … (über­legt) Ich hab' eigent­lich das Gefühl, dass das neue Tape sehr gut ankommt. Ich hab' viel posi­ti­ves Feed­back dafür bekom­men. Aber es gibt natür­lich auch die­se Tra­di­tio­na­lis­ten. (lacht) Die wün­schen sich alles so, wie es frü­her war und was weiß ich. Die las­sen dann irgend­wel­che Kom­men­ta­re da. Aber ehr­lich gesagt inter­es­siert mich das ziem­lich am Ran­de, weil ich in letz­ter Zeit auch vor­ran­gig Musik mit moder­nem Sound gehört habe. Ich sehe mich sowie­so nicht als einen gro­ßen Teil der Super-​HipHop-​Subkultur. Viel­mehr ist es umge­kehrt und ich sehe es als künst­le­ri­sches Ide­al an, neue Sachen aus­zu­pro­bie­ren, etwas wei­ter­zu­ent­wi­ckeln und dar­auf zu schau­en, was man per­sön­lich gera­de inter­es­sant findet.

MZEE​.com: Glaubst du, es ist ein Phä­no­men der Rap­sze­ne, dass Leu­te Schwie­rig­kei­ten damit haben, wenn nicht alles so bleibt, wie es ist?

Pöbel MC: Also, ich kenn' das auch aus ande­ren Gen­res. Zum Bei­spiel gibt es im Metal-​Bereich kla­re Kate­go­rien, was jetzt Black Metal, Hard­core oder Punk zu sein hat. Inso­fern gibt es da im künst­le­ri­schen Schaf­fen schon immer dienst­leis­te­ri­sche Vor­stel­lun­gen, was ein Künst­ler darf, nach­dem er schon etwas ande­res gemacht hat. Aber im Rap kommt natür­lich die­ser Realness-​Gedanke zum Vor­schein. Der hat manch­mal, so wie er vor­ge­tra­gen wird – obwohl er das im Ursprung gar nicht beinhal­tet –, schon etwas Rück­wärts­ge­wand­tes. Da wird irgend­et­was zele­briert, das sich über einen län­ge­ren Zeit­raum einen Wert erar­bei­tet hat und an den will man anknüp­fen, wenn man auf sei­ne Real­ness und ver­meint­li­che Kre­di­bi­li­tät pocht. Das wird halt miss­ver­stan­den als Art der Gleich­schal­tung des­sen, wie Hip­Hop prak­ti­ziert wer­den darf. Ich den­ke, so ist es nicht gemeint. Ich glau­be, es geht um Authen­ti­zi­tät und dass die Leu­te nicht anfan­gen, nach kom­mer­zi­el­len Inter­es­sen und sons­ti­gen exter­nen Ein­schät­zun­gen ihre eige­ne Kunst zu gestal­ten. Und ich den­ke, das ist bei mir jetzt nicht der Fall. Ich hab' eher das Gefühl, dass ich mit dem "Pöbel Sports Tape" – obwohl es jetzt nur ein klei­nes Tape mit acht Tracks ist – dich­ter an den Sound und die Sound­viel­falt her­an­ge­rückt bin, die ich im Sinn habe.

MZEE​.com: Das heißt, in die­se Rich­tung wird es sich auch in Zukunft mehr entwickeln?

Pöbel MC: Ja, ich plan' für nächs­tes Jahr, ein Album zu machen. Und ich den­ke, das wird eine brei­te Mischung aus Styl­es, die ich auch fei­er'. Das ist es ja im Grun­de genom­men beim "Pöbel Sports Tape" auch. Ich mein', es hat jetzt über­wie­gend den trap­pi­gen Sound, aber zum Bei­spiel "Auto­ri­tä­res Jugend­zen­trum" oder "Ram­meln" sind eher Boom bap­pi­ge Tracks, die sich auch mehr in der vor­he­ri­gen Sound­äs­the­tik bewe­gen. Und das wür­de ich dann eben in alle Rich­tun­gen aus­bau­en. Wie­der ein bis zwei inten­si­ve­re Boom bap-​Nummern haben, die Trap-​Schiene noch etwas wei­ter aus­bau­en und ande­re Sti­lis­ti­ken aus­pro­bie­ren. Da gibt es so vie­le coo­le Sachen, die man dem Klang­spek­trum hin­zu­fü­gen kann. Da will ich mich nicht festlegen.

MZEE​.com: Das heißt, du willst dich viel aus­pro­bie­ren. Gibt es auch Din­ge, die du gar nicht machen würdest?

Pöbel MC: Ja, so eine dicke EDM-​Granate ist jetzt erst mal nicht in Pla­nung. Aber auch da: Wenn man jetzt mit irgend­wel­chen Leu­ten zusam­men­sitzt, da was Gei­les bas­telt und etwas hat, das super­viel Spaß macht – war­um nicht. Es ist auch unwahr­schein­lich, dass ich einen Singer-​Songwriter-​Track mache und mir mit Gitar­re am Lager­feu­er ein­bil­de, sin­gen zu kön­nen. Aber alles dazwi­schen viel­leicht schon. Metal-​Tracks wahr­schein­lich auch nicht, weil die ja noch mal so ein spe­zi­el­les Gen­re sind.

MZEE​.com: Mil­li Dance hat in unse­rem letz­ten Inter­view über dich gesagt: "Und außer­dem ken­ne ich kei­nen ande­ren, der 'Pool' auf 'cool' rei­men kann, ohne dass sich das schei­ße anhört." – Was ist dei­ner Mei­nung nach der beschis­sens­te Reim auf dei­nem "Pöbel Sports Tape", der sich aber am bes­ten anhört?

Pöbel MC: Oha. Da müss­te ich jetzt erst mal im Kopf den Fun­dus an beschis­se­nen Rhy­mes durch­ge­hen. Er ist sehr groß. (lacht) Ich glau­be – und das ist ja da auch bewusst ein wenig hän­gen­ge­blie­ben gemacht –, ich rei­me Guc­ci auf Lou­is und es reimt sich nicht. Ich spre­che es aber so aus, damit es ein biss­chen so klingt. Ich sag': "Siehst du die Roli, siehst du hier Guc­ci, head to toe, Dig­ga, alles von Lou­is." Aber eigent­lich ist es nur das "i" von Guc­ci und Lou­is, das den Reim macht. (lacht) Im Grun­de genom­men also nichts. Ich glau­be, das ist schon ein amt­lich hän­gen­ge­blie­be­ner Reim, aber die Stel­le klingt trotz­dem gut und macht Spaß. Des­we­gen ist das mei­ne Wahl.

MZEE​.com: Zu guter Letzt noch mal eine Zei­le von dei­ner EP, die ich sehr inter­es­sant fand: "Trap ist wie Anti­style, man muss ihn sich ver­die­nen." – Wel­che deut­schen Genre-​Rapper haben sich das denn bereits verdient?

Pöbel MC: Hm. (über­legt) Zum Bei­spiel: Wenn man jetzt Haft­be­fehl nimmt, dann hat er schon eini­ge rela­tiv coo­le Mix­tapes und Boom bap-​Tracks raus­ge­knallt. Die haben mich lyrisch und atmo­sphä­risch so über­zeugt, dass ich ihm die dar­auf­fol­gen­den trap­pi­gen und pop­pi­gen Eska­pa­den nicht wei­ter ange­krei­det habe. Aber sonst ist es eher eine Aus­sa­ge, die sich kri­tisch auf Leu­te bezieht, die sich für die abso­lu­ten Rap­kings hal­ten. Obwohl sie sich mit dem eigent­li­chen MCeen, dem Anfer­ti­gen von Tex­ten, die auch ein biss­chen mehr Gehalt haben als Mar­ken­pro­duk­te auf­zu­zäh­len, nie beschäf­tigt haben. Da gibt es Struk­tu­ren inner­halb der Rap­sze­ne, die das skep­tisch sehen. Ich tei­le die­se Auf­fas­sung ein Stück weit. Aber letzt­end­lich ist das auch wie­der Unsinn, weil Rap kein Sport ist, kein Leis­tungs­ge­schäft, wo es um schnel­ler, mehr und was weiß ich was geht. Es geht um den Trans­port von Gefüh­len. Klar, die haben auch etwas mit Inhal­ten zu tun, das kann man nicht tren­nen. Aber letzt­end­lich gibt es kein Rezept, das sagt, was rich­tig und falsch ist.

MZEE​.com: Die­ser Trend, Mar­ken­pro­duk­te auf­zu­zäh­len, hält sich ja schon recht hart­nä­ckig. Glaubst du, das ist irgend­wann vorbei?

Pöbel MC: Ich weiß nicht. Es ist gene­rell so eine Art Technologie-​Effekt, weil vie­les in Rich­tung der höhe­ren Effek­ti­vi­tät strebt und in die­ser Wei­se ist halt auch Rap­mu­sik von einem Effek­ti­vi­täts­kon­zept geprägt. Leu­te machen auch des­we­gen Trap­beats, weil es eben tech­nisch mög­lich ist, sehr viel Druck und Ener­gie für Live-​Shows auf­zu­bau­en. Was dann etwas anders wirkt als ein rump­li­ger Beat mit Schallplatten-​Sample aus den 90ern. Und ja, die­se Art von schnell­le­bi­gen Releases, Sin­gles mit Inhal­ten, die ein­fach kon­su­miert und mit­geg­röhlt wer­den kön­nen, ist schon etwas sehr Effek­ti­ves. Des­we­gen wird es schwer, sich von sol­chen Din­gen zu lösen. Aber es gibt ja im Deutschrap momen­tan eine Ten­denz dazu, sich zu ver­sach­li­chen. Nur fin­det das dann oft auf unter­schied­li­chen Ebe­nen statt. Es geht um star­ke Releases von halb­wegs ein­fluss­rei­chen Künst­lern – wie zum Bei­spiel Den­de­mann –, die dann auch für ein brei­te­res Publi­kum auf­zei­gen: "Ja, okay, man kann auch im Jahr 2019 halb­wegs erfolg­rei­chen Rap machen, in dem viel erzählt wird." Und dazu gibt es Medi­en, die das etwas steu­ern. Wenn jetzt halt die drei größ­ten Rap­me­di­en nur noch über Capi­tal Bra und drei ande­re Modus Mio-​Rapper berich­ten und alles damit auf­la­den – klar, dann fin­det das im Wesent­li­chen statt. Und man hat den Ein­druck: Das ist Deutschrap. Aber das ist a) nicht beson­ders reprä­sen­ta­tiv und b) könn­te es ja auch anders sein. Dass dann wie­der ande­re Din­ge in den Fokus gerückt werden.

MZEE​.com: Frü­her wur­de Rap von Außen­ste­hen­den mit Gangs­tern in Ver­bin­dung gesetzt und heu­te ist es halt die­ser Sound …

Pöbel MC: Ja, aber das ist eben auch mit sowas ver­bun­den. Die meis­ten kom­mer­zi­ell erfolg­rei­chen Rap­per in Deutsch­land koket­tie­ren ja auch mit die­sem Straßen- bezie­hungs­wei­se Gangs­ter­film und sind hin­ter­grün­dig von sol­chen Struk­tu­ren gespon­sert. Die sehen dar­in eine gute Geschäfts­mög­lich­keit und haben da natür­lich ganz ande­re tech­ni­sche Mit­tel. Sei es für Musik oder Vide­os als drei Ghetto-​Atzen, die ein­fach mal Bock haben, Mucke zu machen. Das bedient ja eine ganz ande­re Kapa­zi­tät, was sich dann auf die Sound­qua­li­tät, die Mög­lich­kei­ten, sich pro­mo­tech­nisch zu prä­sen­tie­ren, und die Optik der Vide­os aus­wirkt. Ich glaub', dass Geld in sol­chen Struk­tu­ren ein rela­tiv star­ker Fak­tor ist.

(Fabi­an Thomas)
(Fotos von Nina Krause)