Der Kölner Tami hat gute zwei Jahre nach seinem Debüt "Habakuk" vor Kurzem ein zweites Album veröffentlicht. Doch schon vorher hatte der Rapper eine eigene Art, Dinge anzusprechen – und eckte damit gerne mal an. Vielleicht fand er deswegen nie richtig Anklang bei der breiten Masse. Sein neues Album "Traffic" spielt nun mit der Liebe zu Details und Querverweisen auf nicht nur die HipHop-, sondern auch Metal-Szene. Grund genug, uns das erste Mal mit ihm zusammenzusetzen und ein wenig über die Musikszene, Graffiti und den Grund, aus dem er mit Musik kein Geld verdienen will, zu reden.
MZEE.com: Mit "Traffic" hast du gerade dein zweites Album releast. Was ist für dich die bedeutendste Entwicklung, die du seit "Habakuk" gemacht hast?
Tami: Das ist eine gute Frage. Ich glaube, ich persönlich habe mich gar nicht so krass weiterentwickelt. Ich habe ein bisschen mehr darauf geachtet, dass die Sachen stimmiger und die Raps etwas entspannender sind. Ich habe mich auf jeden Fall in der Schreibe gesteigert und beim Aufnehmen ein bisschen mehr darauf geachtet, was ich da so mache. "Habakuk" habe ich mehr zwischen Tür und Angel gemacht als "Traffic".
MZEE.com: Im Gegensatz zum Debüt hattest du dieses Mal mit J-JD einen Produzenten an der Seite, der dein ganzes Projekt begleitet hat. Wie macht sich das für dich auf dem Album bemerkbar?
Tami: Es klingt für mich total rund. Alles geht ineinander über und hat auch A- und B-Teile – das ist für mich erst mal ein krasser Unterschied zu "Habakuk". Ich hatte auch immer die Bestrebung, ein Album wie "Traffic" zu machen, wo die Tracks auch wirklich etwas miteinander zu tun haben, sowohl musikalisch als auch im Übergang. Das war aber nie möglich, weil es nie den einen Produzenten gab, der diese Arbeit machen wollte, die Zeit oder das Können dafür hat und mit dem ich mich auch so gut verstehe. Mit J-JD ist das verrückt gewesen, weil es einfach so gut zusammengepasst hat. Für ihn war das auch so. Er macht ja ansonsten ganz anderen Kram, aber wie er "Traffic" produziert hat – das ist Wahnsinn. Ich bin sehr stolz auf diese Zusammenarbeit.
MZEE.com: "Habakuk" ist noch im Kontext der Sektorwestbüdchengang entstanden. J-JD hat mit diesem Umfeld ja nichts zu tun.
Tami: Erst mal muss ich dazu sagen, dass "Habakuk" nicht den Stempel der Sektorwestbüdchengang hatte.
MZEE.com: Stimmt, aber die Produzentenauswahl …
Tami: Ja, okay. Also, da waren Mels, Dufsen, Spexo und YOURZ drauf. Was die Produzenten angeht, war das auf jeden Fall ein SWBG-Ding, wobei auch da schon Fremdproduktionen drauf waren. Mels hat ja auch auf "Traffic" produziert. Es ist mir ganz wichtig, zu sagen, dass das keine bewusste Entscheidung war. Ich hatte auch Beats von den anderen, aber das hat einfach nicht gepasst. Es war sehr cool von allen, die Beats abgegeben haben, dass J-JD auch noch mal sagen konnte: "Okay, das muss weg, ich mach' einen Neuen." Das ist nicht selbstverständlich und muss man erst mal mit sich machen lassen. Das ist auch das Geile an dem Album. Wenn jemand zu mir sagt, dass eine Zeile kacke ist, nehme ich die auch raus, weil das Lied nachher besser wird.
MZEE.com: Wie kam die Zusammenarbeit mit J-JD denn zustande?
Tami: Ich kannte ihn über Tatwaffe. J-JD hat immer seine ganzen Sachen produziert. Das denkt man gar nicht, wenn man "Traffic" hört. Für das letzte Tatwaffe-Album "Sternenklar" hatte ich einen Feature-Part aufgenommen und da habe ich J-JD zwangsläufig getroffen. Da hat er Beats vorgespielt, die letztendlich sogar auf meinem Album gelandet sind, glaube ich. Daraufhin haben wir connectet und dann lief das.
MZEE.com: Dein Album-Cover wurde von Jeks, der auch in der Trainwriting-Szene bekannt ist, gezeichnet und ist stark an den Death Metal-Bereich angelehnt. In deiner Insta-Story sagtest du diesbezüglich, dass Death Metal viel mit HipHop zu tun habe. Wie meinst du das?
Tami: Ich meine damit das Kunstverständnis in der Metal-Szene. Das ist auch eine krasse Nerd-Szene. Im HipHop ist es so, dass ein Hörer oft ganz viel Verständnis von dem Handwerk hat. Ein geschulter Rap-Hörer hört zum Beispiel die Reime raus, auch wenn sie gerade stumm oder im Satz verschachtelt sind. Und ein richtiger Metal-Fan hört das in seiner Musik auch. Soweit der Vergleich. Aber im Metal ist es halt so, dass total viel Wert auf Handwerk, Aufwand, Ideen und Darstellung gelegt wird. Es gibt ein paar Parallelen, aber ich wollte einfach zum Ausdruck bringen, dass ich kein bestimmtes Cover machen muss, damit man sieht, dass es HipHop ist. Es gab durchaus Kritik aus der Marketing-Ecke, dass sie das Cover nicht so machen würden. Deswegen kam auch der Post. Es ist mir doch latte, ob man das als HipHop erkennt. Ich habe lieber ein Metal-Cover als so ein standardisiertes Drecks-HipHop-Cover, das total uninteressant ist. Das Cover ist schon genau richtig für die Platte. Was ich damit sagen wollte, ist, dass die HipHop-Szene aus ziemlichen Kunstbanausen besteht. Um mal ein bisschen auszuholen … Wir gehen auf die nächsten 20er-Jahre zu, Geschichte wiederholt sich und wir leben in so einer verschwenderischen Zeit. Es geht nur um Party und darum, möglichst billige Sachen zu kriegen. Du verstehst, worauf ich hinauswill. Und vielleicht habe ich mir deswegen gedacht: "Ach, leckt mich doch, ich mache jetzt einfach ein Metal-Cover."
MZEE.com: Du meinst den Nihilismus dieser Generation.
Tami: Ja, voll. Ich habe gar nichts gegen Belanglosigkeit und Party. Ich finde es aber schwierig für eine Jugendkultur und Gesellschaft, wenn das Gleichgewicht nicht stimmt. Wir haben uns damals auch Westberlin Maskulin oder M.O.R. reingezogen, aber ich habe ein Curse-Album genauso gefeiert. Ich habe mir so richtig stumpfen Kram gegeben und mir trotzdem mal Gedanken gemacht. Vielleicht tue ich der Jugend auch Unrecht, aber ich habe das Gefühl, dass die Leute sich keine Gedanken mehr machen und eher auf Party sind, weil die Zeiten so düster sind.
MZEE.com: Ich würde gerne noch mal den Bogen zum Cover und zu etwas, das du öfter thematisierst, schlagen – nämlich Graffiti. Der Albumtitel "Traffic" bedeutet, dass ein vollgesprühter Zug nicht aus dem Verkehr gezogen wird, sondern weiter durch die Stadt fährt. Du hast während deiner Promophase auch gerne mal gebombt. Welchen Stellenwert nimmt Graffiti bei dir ein?
Tami: Bei mir persönlich gar nicht so einen großen, muss ich sagen. Ich habe früher mal gemalt und bin noch Teil einer Crew, das schon. Aber ich bin gerade nicht aktiv. Ich bin schon noch involviert und war auch letztens mit den Jungs unterwegs, aber eben nicht mehr so häufig. Dennoch ist Graffiti für mich eine Vorgabe, wie ich Kunst und HipHop verstehe, weil es unkontrollierbar und wild ist. Das kannst du nicht kaufen, es ist einfach da – ob du es magst oder nicht. Du kannst nichts dagegen machen. Graffiti ist selbstlos, aber auch selbstzerstörend und einfach pure Leidenschaft. Und so will ich auch meinen Rap behandeln. Ich will niemals Geld damit verdienen und davon abhängig sein, sondern meine Musik so frei machen können, wie ich das möchte. Die Zensur soll nur durch mich geschehen. Ich wurde gerade in einem anderen Interview auch gefragt, wo ich damit hin möchte. Ich möchte genau dahin, wo ich jetzt bin – es ist alles cool so. Ich finde es schön, dass Leute mich hören, aber ich habe keine finanziellen Ambitionen. Deswegen auch der Vergleich mit Graffiti. Ich finde es schön, wenn mich jemand sieht und das mag, aber wenn es jemandem nicht gefällt, dann ist mir das egal. Mir ist ganz wichtig, dass ich niemandem gefallen muss, um meine Musik machen zu können.
MZEE.com: Auf dem Freetrack "Hört mich hier wer" thematisierst du auch, wie seitens der HipHop-Medien und Teilen der Szene mit dir umgegangen wurde. Was, glaubst du, ist der Grund dafür, dass du von vielen Seiten zunächst ignoriert wurdest?
Tami: Ich glaube, es liegt schon daran, dass ich so bin, wie ich eben bin. In meiner Situation müsste ein Künstler eigentlich anders agieren. Ich müsste mich zum Beispiel mehr in Berlin aufhalten, auf irgendwelchen Partys rumturnen und auch aktiver auf Instagram sein. Das hat jetzt noch nichts mit den Medien zu tun, aber die achten natürlich darauf, wer eine gewisse Reichweite generiert – und das passiert eben mit solchen Geschichten. Ich habe erst mal keine Zeit dafür, mich irgendwo rumzutreiben, weil ich arbeiten gehe und abseits davon auch etwas Besseres zu tun habe. Dennoch denke ich, dass manche Medien mittlerweile teilweise eher vom Künstler abhängig sind und nicht mehr umgekehrt. Ich mache aber Nischenmusik und betreibe einen unfassbaren Aufwand für Videos, Cover, Sound und dafür, dass sich alle innerhalb dieses Kreises auch wohlfühlen. Wenn man dann am Ende etwas Cooles abgibt und es dann schwierig ist, Gehör zu finden – dann macht man so einen Track. Aber am Ende des Tages ist das nur eine Momentaufnahme. Es ist schade, aber am wenigsten für mich persönlich. Ich finde es eher schade für die Personen, die daran mitgearbeitet und total geile Arbeit geleistet haben – die sollte gewürdigt werden. Darum ging es mir und deswegen sage ich auch: "Der Aufwand war es wirklich nicht wert." Am Ende des Tages ist er es natürlich wert, weil es ja nicht verloren geht. Man kann das nachgucken, wenn man möchte, und das nimmt uns auch keiner weg. Ich bin stolz auf das Album und auf die Leute, die daran gearbeitet haben.
MZEE.com: Das mediale Echo war ja schon zu "Habakuk" nicht allzu überschwänglich …
Tami: Aber es war schon besser! Damals habe ich ein Video rausgehauen und die Medien waren direkt da. Das war dieses Mal ein bisschen schwieriger. Ich weiß nicht, woran es lag. Die Zeiten haben sich geändert. Ich vermisse aber so ein bisschen die Einstellung: "Ich habe hier etwas gefunden und das will ich euch zeigen". Vielleicht habe ich aber auch einen blöden Monat erwischt.
MZEE.com: Vielleicht, weil Lance Butters am selben Tag releast hat …
Tami: Ja, aber auch bei dem fand ich es nicht so krass. Das hat mich ziemlich gewundert.
MZEE.com: Prinz Pi hat dich damals bei seiner "Im Westen nix Neues"-Tour als Support mitgenommen. Wie war die Erfahrung für dich, direkt auf so große Bühnen gehievt zu werden?
Tami: Das war auf jeden Fall super. Ich habe damals Beatfabrik gehört und war Fan – da ist es eine schöne Bestätigung, wenn Prinz Pi dich fragt, ob du die halbe Tour mitspielen willst. Die Größe war aber nicht so wichtig. Ich sage es noch mal: Es geht mir nicht um eine Karriere. Ich fand es persönlich schön, weil ich mich bestätigt gefühlt habe. Die Konzerte zu spielen, war natürlich voll geil. Und ich muss sagen, dass die Prinz Pi-Fans unfassbar coole Menschen sind. Das sind in erster Linie zwar 16-jährige Mädchen, aber auch die Älteren waren super. Auch wenn die manchmal etwas verstrahlt aussehen und ganz verliebt in ihren Prinz Pi sind, haben die wahnsinnigen Respekt vor Texten und mehr Kunstverständnis als die halbe deutsche Rapszene.
MZEE.com: Du machst deinem Unmut über die Szene häufiger Luft. Ein Zitat von dir lautet etwa: "Und die Szene ist so unpolitisch, ich versteh' sie nicht trotz Untertitel. Sie gibt mir täglich einen Grund zum Dissen." An welchem Punkt setzt deine Kritik vor allem an?
Tami: Belanglosigkeit. Ich finde die Szene langweilig und an gewissen Punkten ist sie einfach unpolitisch. Sie formiert sich nicht richtig und haut nicht auf die Kacke. Und wenn sie es vermeintlich tut, dann geht es ums Wegballern. Aber das ist nicht auf die Kacke hauen, sondern einfach. Ich finde, es gibt ein Haltungsproblem.
MZEE.com: Inwieweit vertrittst du selbst deine politischen Ansichten mehr in Songs als andere?
Tami: In jedem Track gibt es bei mir zwischendrin eine Haltung. Ich meine damit keine Realpolitik, die mit Zahlen hantiert. Das ist keine politische Haltung, die mich bei einem Menschen interessiert. Wenn einer mit so etwas zu mir kommt, soll er sich ficken. Das interessiert mich nicht. (schmunzelt) Mich interessiert die menschliche Ebene. Ist etwas unrecht oder recht – da rede ich auch von Moral und Selbstkritik. Ich weiß zum Beispiel, dass der Lebensstil, den ich pflege, nur möglich ist, weil er anderen verwehrt ist. Ich finde, man muss trotzdem eine Meinung dazu haben und kann sich auch selbstkritisch äußern. Wenn du ein ganzes Album von einem Künstler hörst, dann solltest du am Ende doch eine Ahnung davon haben, wo der so in der Welt steht. Und das vermisse ich gerade. Entweder ist die Musik total plakativ, kitschiger Kram oder eben belanglos. Ich habe die Wahrheit jetzt auch nicht mit Löffeln gefressen, aber darf ja trotzdem sagen, dass ich die anderen nicht so geil finde.
MZEE.com: Du hast gerade mit Nachdruck gesagt, dass du nicht von der Musik leben wollen würdest. Denkst du, dass deine Musik anders klingen würde, wenn du von ihr abhängig wärst?
Tami: Natürlich, deswegen will ich ja nicht davon leben. Die würde genauso klingen wie jedes zweite Album von einem anderen erfolgreichen Künstler. Die geilsten Alben von Künstlern sind meist die, die sie gemacht haben, als sie noch zur Schule gingen oder irgendeinen Struggle hatten. Also, wenn sie noch hungrig waren oder einfach ein Ventil von ihrem Alltag brauchten. Wenn du aber davon lebst und ein Album releast, ist das ein schmaler Grat, weil du einfach abliefern musst. Da kommen dir dann Gedanken wie: "Okay, das hat denen gefallen, das haben die gekauft. Da muss ich mal schauen." Da fängt es ja schon an. Das würde ich niemals aushalten. Ich habe das bei Freunden auch schon miterlebt und finde die künstlerische Entwicklung dann nicht so geil. Und das ist doch Blödsinn. Wenn ich mit meinem Beruf mehr verdiene als ein Top Ten-Rapper und nebenbei noch auf demselben Niveau Musik machen kann, ist das doch für mich erstrebenswert. Für mich ist es die größte Horrorvorstellung, damit Geld verdienen zu müssen.
MZEE.com: Ich würde dir in dem Rahmen gerne noch ein Zitat vorlegen. Es ist ein allseits bekanntes von Friedrich Nietzsche: "Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Was ist dein Antrieb, Musik zu machen?
Tami: Mein Antrieb ist es, ein Album in der Hand zu halten. Ein Album ist erst abgeschlossen, wenn ich es wirklich in der Hand halte. Wenn alles Künstlerische und Kreative an einem Album – Grafik, Videos, Fotos und alles drum und dran – umgesetzt ist, dann bin ich vollends befriedigt und kann mich an das nächste setzen. Wenn es dann gehört wird, freue ich mich, aber in erster Linie mache ich es des Machens Willen.
MZEE.com: Das ist also vor allem ein innerer Antrieb.
Tami: Genau. Das Machen macht mir am meisten Spaß. Ich beschäftige mich nebenbei aber auch mit anderen Sachen, zum Beispiel zeichne ich. Mit 19 hatte ich die Möglichkeit, über eine Begabtenprüfung Kunst zu studieren, aber ich hatte meinen Kopf damals woanders. Manchmal ärgere ich mich darüber, aber dann wäre mein Leben auch anders verlaufen … Jedenfalls habe ich jetzt wieder angefangen, mehr zu zeichnen. Es macht keinen Unterschied, ob man Mucke macht oder zeichnet – mir geht es darum, ein gewisses Level zu erreichen, mich zu pushen und besser zu werden. Das klingt so Prinz Pi-mäßig, was ich erzähle, aber wir sind da auch recht gleich in der Hinsicht. Das ist Kultur, macht Bock und ist einfach geil.
MZEE.com: Wir haben letztens ein Interview mit Conny von Der Plot geführt, der jetzt ein eigenes Theaterstück geschrieben hat. Du arbeitest im Theater. Hattest du mal den Gedanken, selbst als Autor aktiv zu werden?
Tami: Nee, aber als Bühnenbildner, weil mein Vater auch Bühnenbildner war. Deswegen bin ich auch im Theater gelandet. Für mich war das als kleines Kind schon klar, weil mein Vater künstlerisch immer mein größtes Vorbild war. Nicht Jay-Z oder Nas oder so, sondern mein Vater. Natürlich wäre es dementsprechend schön, wenn ich mal Bühnenbilder machen würde. Ob ich davon leben wollen würde, weiß ich aber nicht. Da greift dasselbe Prinzip wie bei der Musik. Vielleicht bin ich aber auch einfach ein Kontrollfreak und will nicht dafür verantwortlich sein, dass es zu Hause nichts zu essen gibt, weil ich gerade künstlerisch nicht so cool war.
(Sam Levin)
(Fotos von Fabian Stürtz)