Wenn es draußen langsam wieder kälter wird und sich das Jahr dem Ende neigt, blickt man selbst ja gerne mal zurück und lässt die vergangenen Tage Revue passieren. Wir möchten mit unserem diesjährigen Adventskalender einen Blick zurückwerfen – von heute bis hin zu den Anfängen von HipHop in Deutschland. Sprich: knapp ein Vierteljahrhundert deutscher Rap. Eine Szene, die Mitte der 90er unter anderem "direkt aus Rödelheim" kam, aus dem "Fenster zum Hof" kletterte, sich "vom Bordstein zur Skyline" aufschwang und "zum Glück in die Zukunft" reiste, um sich letztlich zwischen ein paar "Palmen aus Plastik" niederzulassen. Kein Element der hiesigen HipHop-Kultur dürfte in all den Jahren einen so gewaltigen Wandel, so viele Höhen und Tiefen, so viele Erfolge und Misserfolge durchlebt haben wie Rap. Genau diese Entwicklung innerhalb der letzten 24 Jahre möchten wir nun für Euch skizzieren, indem wir jedes Jahr anhand eines Albums darstellen, welches – unserer Meinung nach – nicht nur das entsprechende Veröffentlichungsjahr, sondern auch die Szene allgemein nachhaltig prägte.
2007: K.I.Z – Hahnenkampf
Brich die Schule ab, stich einen Schwulen ab.
Auch du kannst ein Künstler sein, bemal ein Judengrab.
Berlin, 2007: Aus dem Royal Bunker dröhnen verheißungsvolle Klänge. Denn nach M.O.R. und A.i.d.S. macht sich die nächste Generation des Untergrund-Labels daran, auf ganz eigene Weise ein Ausrufezeichen zu setzen.
Dies gelingt Tarek, Maxim und Nico von K.I.Z – damals noch zusammen mit DJ Craft – mit "Hahnenkampf" eindrucksvoll. Die Crew, bis zu diesem Zeitpunkt eher ein Insider-Tipp, überzeugt dabei vor allem durch ihre textliche Kreativität. So reiht sich die Szenebetrachtung auf "Geld essen" mühelos ein zwischen dem Berlin-Representer "Klassenfahrt", dem partytauglichen "Hurensohn"-Nachfolger "Spasst" oder gesellschaftskritischen Inhalten wie auf "Wenn es brennt". Die von Sarkasmus, Selbstironie und bissigen Pointen bestimmte Art, mit der die Berliner gerade ernstere Inhalte verpacken, ist zu diesem Zeitpunkt frisch und auch heute noch größtenteils unerreicht. So bekommt man zahlreiche Lines geboten, die nicht nur für Lacher sorgen, sondern auch mal aufhorchen und nachdenken lassen. Passend dazu knallen die Beats abwechslungsreich und zudem ausgefeilter als zuvor aus den Boxen. Die Scratches von Craft auf "Wenn es brennt", die Horrorcore-ähnliche Adaption von "House of the Rising Sun" für "Neuruppin", 90s-Europop- oder Punk-Anleihen – jedes Instrumental weist irgendein spezifisches Highlight auf, ohne dass es im Gesamteindruck der Platte stört. Bei 19 Titeln findet man daher null skipbares Material, dafür aber reihenweise technisch überzeugende Zeilen und Beats, die einige Tracks in der Folge zu Klassikern werden lassen.
Während sich für den Royal Bunker an diesem Punkt bereits langsam die Türen zu schließen beginnen, markiert "Hahnenkampf" mit einem ersten Charterfolg den Durchbruch für K.I.Z. Und der wird auch elf Jahre später noch gefeiert – spätestens dann, wenn auf irgendeiner Bühne die ersten vier Töne von "Ellenbogengesellschaft" erklingen und Kannibalen-Fans beim Beat-Drop innigen Körperkontakt zueinander suchen.
(Sascha Koch)
(Grafik von Daniel Fersch)