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Interview

Haszcara

"Ich lass' mir doch von einem Mann nicht sagen, dass ich rap­pen soll. Das mache ich, weil ich das geil fin­de." – Haszca­ra im Inter­view über ihr neu­es Album, Frau­en im Batt­ler­ap sowie Ursprün­ge und Aus­wir­kun­gen von Sexis­mus in Sze­ne und Gesellschaft.

Einen Inter­view­ter­min mit einem Rap­per oder einer Rap­pe­rin zu fin­den, ist oft­mals gar nicht so ein­fach – manch­mal, weil die Künst­ler viel beschäf­tigt, manch­mal, weil sie ein­fach kom­plett ver­peilt sind. Also setzt man sol­che Gesprä­che am bes­ten mög­lichst früh am Tag an. Das hin­dert den Gesprächs­part­ner dann zwar am Aus­schla­fen, aber man kriegt ihn auf jeden Fall ans Tele­fon. Auch Haszca­ra habe ich am frü­hen Mor­gen für ein Gespräch kon­tak­tiert und mit ihr direkt nach dem Auf­ste­hen über ihr Album "Pola­ris", Sexis­mus in Sze­ne und Gesell­schaft sowie die Fra­ge, ob es wirk­lich Män­ner braucht, die Frau­en zum Batt­ler­ap moti­vie­ren, geredet.

MZEE​.com: Es gibt sicher den ein oder ande­ren unse­rer Leser, dem du noch kein Begriff bist. Könn­test du des­halb zu Beginn unse­res Gesprächs ver­su­chen, dei­ne Musik in einem ein­zi­gen Satz zu beschreiben?

Haszca­ra: Mei­ne Musik macht aus, dass sie authen­tisch und ehr­lich ist.

MZEE​.com: Per­sön­lich bin ich durch dei­ne drei Jah­re alten VBT-​Runden auf dich gesto­ßen, in der Zwi­schen­zeit hat sich eini­ges getan. Wel­che ist dei­ner Mei­nung nach die größ­te Wei­ter­ent­wick­lung, die du musi­ka­lisch bis­her durch­lebt hast?

Haszca­ra: Rap­t­ech­nisch habe ich mich auf jeden Fall wei­ter­ent­wi­ckelt. Das war aber auch eine logi­sche Kon­se­quenz, weil mir zuvor ein­fach nicht bewusst war, was da so mög­lich ist, wenn es um Flow und Rei­me geht. Ich habe das qua­si erst nach und nach ent­deckt, als ich es bei ande­ren gese­hen oder gehört habe. Und dann dach­te ich mir: Boah, geil, das mach' ich auch!

MZEE​.com: Ent­stand die Ent­schei­dung, über­haupt mit dem Rap­pen anzu­fan­gen, denn eher aus dem Bauch her­aus oder direkt mit dem Hin­ter­ge­dan­ken, dass mehr dar­aus wer­den könnte?

Haszca­ra: Ich habe ja eigent­lich schon immer Musik gemacht und Rap war dann ein­fach ein Teil davon. Unter ande­rem, weil ich Rap gehört habe. Dem­nach war es irgend­wie logisch, das mit in mei­ne Musik ein­zu­bau­en. (lacht) Und als ich damals beim VBT mit­ge­macht habe … Da muss ich sagen, dass ich ein paar Jah­re zuvor ÈSMa­ticx ent­deckt hat­te und sie mich ziem­lich krass inspi­riert hat. Ich weiß gar nicht, ob sie das über­haupt weiß, wir ken­nen uns inzwi­schen ja auch. (lacht) Und dann woll­te ich da auch mit­ma­chen. Viel­leicht aber ein wenig anders, ein wenig kri­ti­scher. Denn sie hat ja ein­fach allein dadurch, dass sie eine Frau und dazu noch les­bisch ist, schon gezwun­ge­ner­ma­ßen gegen Sexis­mus und Homo­pho­bie gerappt. Sie ist ja nicht direkt aus einem queer-​feministischen Kon­text gekom­men und hat selbst Din­ge wie "Fag­got" gesagt. Den­noch war ich beein­druckt davon, dass das über­haupt mög­lich ist und dass jemand, der nicht aus der lin­ken Sze­ne ist, so coo­le Sachen macht. Das hat mich auf jeden Fall moti­viert und ich dach­te mir: Nice, die rasiert voll! Ich will das auch.

MZEE​.com: Und das war ver­mut­lich die abso­lut rich­ti­ge Ent­schei­dung, schließ­lich bist du inzwi­schen beim Debüt­al­bum und mit Audio­lith sogar bei einer Label­hei­mat ange­kom­men. Sind das nicht bei­des fast schon Schrit­te hin zur Berufs­mu­si­ke­rin? Käme das für dich über­haupt in Frage?

Haszca­ra: Ja, auf jeden Fall. Ich mache neben­bei zwar noch Work­shops, wür­de das auch ger­ne wei­ter­hin machen und habe noch ande­re Hob­bies. Aber ich könn­te mir das schon vorstellen.

MZEE​.com: Lass uns mal auf dein Album "Pola­ris" ein­ge­hen. Im Intro rappst du: "Ich brin­ge euch nicht um, son­dern brin­ge euch was bei." – Ist das die Idee hin­ter dei­ner Musik? Den Hörern etwas beizubringen?

Haszca­ra: Voll, ja. Und zwar egal in wel­cher Hin­sicht. Sei es jetzt, dass sie ihre eige­nen Tex­te reflek­tie­ren in Bezug auf Dis­kri­mi­nie­rung, aber auch in Bezug auf sich selbst. Nicht nur gesell­schaft­lich, son­dern auch persönlich.

MZEE​.com: Also erhoffst du dir, mit dei­ner Musik tat­säch­lich auch die Men­schen zu errei­chen, die du ansprichst und die du mit dei­nen Tex­ten kri­ti­sierst? Oder geht es dir eher um Leu­te, die das ähn­lich sehen wie du und sich in dei­ner Mei­nung wiederfinden?

Haszca­ra: Bei­des. Aber ich habe mehr Lust, mich aus die­ser Kom­fort­zo­ne zu bewe­gen. Das ist ja wie so eine Bla­se, in der man sich bewegt, wenn man so ein Ja-​Sager-​Publikum hat. Das ist zwar schön, dank­bar und wich­tig und gibt auch Kraft, aber eigent­lich will ich ande­re Leu­te errei­chen. Die­je­ni­gen, die dar­über noch nicht so wirk­lich nach­ge­dacht haben. Ich habe aber auch fest­ge­stellt, dass ein wohl­wol­len­des Zusam­men­sein wich­tig ist und man nicht jeden gleich in eine Schub­la­de ste­cken soll­te. In einem Batt­le­track kann schon mal was vor­kom­men, was mir jetzt nicht so zusagt. Ich habe beim Ree­per­bahn­fes­ti­val bei­spiels­wei­se gehört, dass Fler in einem Inter­view mein­te, es gäbe kei­ne Frau­en, die geil rap­pen, und wenn es eine gäbe, wür­de er die signen. Und dann wur­de ihm mein Album auf den Tisch gehau­en. (lacht) Ich weiß bis heu­te nicht, ob er sich das mal ange­hört hat. Aber sowas fin­de ich halt krass. Dass jemand, der so groß ist, so denkt. MC Bom­ber sagt sol­che Din­ge ja auch in Inter­views. Das fin­de ich ein­fach rich­tig schei­ße und dumm. Bei sol­chen Ein­stel­lun­gen ist ja allein schon die eige­ne Exis­tenz ein Angriff. Und ich bin ja nicht die ein­zi­ge Frau, die gut rap­pen kann. Da gibt es rich­tig, rich­tig viele.

MZEE​.com: Vie­le füh­ren den sexis­ti­schen Affen­zir­kus, der Rap ja viel zu häu­fig noch ist, auf eine Art "Schul­hof­men­ta­li­tät" zurück, in der alle sich dazu gedrängt füh­len, den Größ­ten zu haben und die ande­ren "zu ficken". Bist du auch der Mei­nung, dass der Sta­tus quo der Sze­ne vor allem durch die­se spät­pu­ber­tä­ren Ansich­ten vie­ler Künst­ler ent­steht? Oder siehst du das Pro­blem anderswo?

Haszca­ra: Hm, eine sehr inter­es­san­te The­se … Es kommt halt immer ein biss­chen dar­auf an, wen man sich da anhört, fin­de ich. Und es ist auch alles eine Sache von Ange­bot und Nach­fra­ge. Das ist ja über­haupt der Grund, war­um das funk­tio­niert. Denn die Leu­te könn­ten das ja auch ein­fach nicht kau­fen oder fei­ern. Aber anschei­nend wird mit die­ser Art von Musik in den Men­schen etwas berührt, das ihnen gefällt oder gut tut. Aber ich fin­de der Begriff "Schul­hof­men­ta­li­tät" spielt es ein biss­chen run­ter. Nach dem Mot­to: "Ja, das sind noch klei­ne Jungs, die sind ja nicht erwach­sen." Aber eigent­lich sind es erwach­se­ne Män­ner, die damit ihr Busi­ness machen. Und ich fin­de, dass sie so ein­fach zu sehr in Schutz genom­men wer­den. Es ist letzt­lich ja viel eher eine Ent­schei­dung. Eine Ent­schei­dung, wie man sich ver­hält und wel­che Tex­te man schreibt. Man­che reflek­tie­ren da halt mehr, haben viel­leicht sogar stu­diert oder ein Umfeld, das ihnen sagt, dass das eigent­lich nicht so cool ist – machen es aber trotz­dem. Und man­che ken­nen es viel­leicht ein­fach nicht anders. Ist am Ende ein­fach ein Zusam­men­spiel von Künst­ler und Publi­kum. Da muss man sich halt die Fra­ge stel­len: War­um gibt es Sexis­mus? War­um gibt es Ras­sis­mus? Ganz all­ge­mein. Das ist ja nicht nur im Rap so. Da gibt es natür­lich kras­se­re Geschlech­ter­bil­der, die repro­du­ziert wer­den, aber auch da ist es nicht über­all so. Leu­te wie K.I.Z, Zuge­zo­gen Mas­ku­lin oder Jui­cy Gay – um jetzt mal ein paar Män­ner zu nen­nen – bre­chen das zum Teil auf. Das funk­tio­niert ja auch. Ich glau­be, es ist ein­fa­cher, zu erfül­len, was wir an Geschlech­ter­rol­len ken­nen. Das ist ja dann kei­ne Grenz­ver­let­zung. In einem mei­ner Tracks sage ich auch, dass "Gangs­ter sein" für die meis­ten bedeu­tet, ein­fach nur ein paar Geset­ze zu bre­chen. Aber Geschlech­ter­nor­men zu bre­chen, das traut sich von denen keiner.

MZEE​.com: Siehst du die­se Hal­tung auch als Haupt­grund dafür, dass wir hier­zu­lan­de noch viel zu weni­ge Rap­pe­rin­nen haben?

Haszca­ra: Ja, auf jeden Fall. Ich wür­de aber gar nicht unbe­dingt sagen, dass es weni­ge gibt, sie sind ein­fach nur weni­ger sicht­bar. Oder sie wer­den weni­ger sicht­bar gemacht. Denn wer wird gebucht für gro­ße Fes­ti­vals? Wer wird auf Kon­zer­te ein­ge­la­den? Wer kriegt bei der Cypher das Mic? Wer rappt drei Beats lang und wer nur einen? Das sind halt alles Ver­hal­tens­wei­sen, die unsicht­bar machen, dass es auch Frau­en gibt, die rap­pen. Das ist für vie­le natür­lich abschre­ckend, wobei ich den­ke, dass das sogar noch viel frü­her anfängt und man nicht mal so 'nen wirk­li­chen Zugang dazu kriegt. Das ist in den meis­ten Sub­kul­tu­ren so. Das war frü­her beim Yu-Gi-Oh!-Karten spie­len genau­so. Das war so ein Jungs-​Ding und wenn da ein Mädel dazu kommt, wird es erst mal komisch ange­guckt. Bis es dann beweist, dass es mega­gut Yu-​Gi-​Oh! spie­len kann – oder halt rap­pen. (lacht)

MZEE​.com: Wür­dest du dich denn selbst als Teil der Sze­ne bezeich­nen oder nimmst du davon lie­ber bewusst Abstand? 

Haszca­ra: Nee, ich wür­de schon sagen, dass ich Teil der Sze­ne bin. Man kann ja auch inner­halb einer Sze­ne Kri­tik aus­üben. Anein­an­der. Und dann auch anein­an­der wachsen.

MZEE​.com: Jetzt haben wir viel über "die ande­ren" gespro­chen und auch wenn die immer ein wich­ti­ger Teil dei­ner Tex­te sind, fin­de ich, dass "Pola­ris" sich beson­ders um Haszca­ra selbst dreht. Du redest in vie­len Tex­ten von depres­si­ven Pha­sen, Kon­troll­ver­lust und davon, ande­re, aber auch sich selbst zu lie­ben. Stellt das Album damit dei­ne aktu­el­le Situa­ti­on dar oder ist es eine Auf­ar­bei­tung dei­nes gan­zen bis­he­ri­gen Lebens?

Haszca­ra: Sowohl als auch. Ich glau­be schon, dass sich Men­schen in ihrem Leben wei­ter­ent­wi­ckeln, aber das, was sie erlebt haben, ist nie kom­plett abge­streift oder vor­bei. Es kommt immer wie­der – mal mehr, mal weni­ger – als The­ma auf und mal kann man bes­ser damit umge­hen, mal wie­der nicht. Die meis­ten Lie­der sind jetzt schon ein, zwei Jah­re alt und nicht unbe­dingt aktu­ell. Da kam es auch schon vor, dass ich in der letz­ten Zeit eines die­ser Lie­der gehört habe und mir dach­te: Puh, so fühlst du dich nicht mehr. Das wür­de ich dann wahr­schein­lich auch nicht mehr so schrei­ben, aber in dem Moment war es auf jeden Fall rich­tig und es ist eben eine Art der Ver­ar­bei­tung, es damals so gemacht zu haben. Und das ist das Aller­wich­tigs­te. Das macht einen Song authen­tisch. Und dann kann man manch­mal auch live die Wut und die Trau­er, die man damals gespürt hat, wie­der spü­ren. Selbst wenn es vor­bei ist, war es eben mal so und dann ist es irgend­wie doch nicht ganz vor­bei. (lacht)

MZEE​.com: Wenn du gera­de schon von Live-​Auftritten sprichst: Auf "Han­nah Mon­ta­na" unter­schei­dest du zwi­schen Haszca­ra als Rap­pe­rin, die auf Büh­nen steht und ihre Mei­nung laut­hals zum Aus­druck bringt, und der Stu­den­tin, die in Vor­le­sun­gen lie­ber wort­los in der Mas­se unter­geht. Wel­che der bei­den Sei­ten wür­dest du eher als dei­ne "ech­te" Per­sön­lich­keit bezeichnen?

Haszca­ra: Also, ich bin auf jeden Fall bei­des. Weil bei­des ja auch irgend­wie durch­ein­an­der bedingt ist. Aber natür­lich bin ich lie­ber auf der Büh­ne. Ich ler­ne zwar ger­ne, aber in der Uni füh­le ich mich halt nicht wohl und bin des­we­gen auch unger­ne dort. (lacht)

MZEE​.com: Vor Kur­zem hat DLTLLY ein Live Bars-​Video von dir ver­öf­fent­licht, man konn­te dich auch bei eini­gen Batt­les schon im Publi­kum erspä­hen. Ver­folgst du die Written-​Battle-​Szene? Und ziehst du es in Betracht, selbst mal zu battlen?

Haszca­ra: Joa … Also ich ver­fol­ge nicht jedes Batt­le, aber sehe mir man­che schon ganz ger­ne mal an. Ob ich da sel­ber mal batt­len wür­de … viel­leicht. (lacht) Also geplant ist da jetzt nichts, aber klar, ich hät­te schon Bock. Ich hab' Respekt davor, aber auch Bock.

MZEE​.com: In dem Bereich ist die weib­li­che Betei­li­gung aktu­ell ja noch viel, viel gerin­ger und ich könn­te mir vor­stel­len, dass das auch damit zu tun hat, dass es in so einer Cypher oder in Batt­les stel­len­wei­se noch aso­zia­ler zugeht. Da wer­den im Eifer des Gefechts mal Zei­len gebracht oder gefei­ert, die auf einem Track gar nicht klar­ge­hen würden.

Haszca­ra: Ich hab' mich auch recht viel mit Batt­ler­ap beschäf­tigt. Das Ding beim Dis­sen ist halt, dass das meis­tens über sol­che Hier­ar­chie­struk­tu­ren pas­siert. Man batt­let anhand von Posi­tio­nen und anhand davon, dass das Gegen­über in einer gesell­schaft­lich nied­ri­gen Posi­ti­on steht. Also, da wäre dann ganz platt gesagt der hete­ro­se­xu­el­le Mann die höhe­re Posi­ti­on, wohin­ge­gen dann "Frau" oder zum Bei­spiel "schwarz" eine ver­meint­lich nied­ri­ge­re Posi­ti­on dar­stellt, was gera­de in Zei­ten von PEGIDA und Co. teil­wei­se noch mal ganz anders genutzt wird. Aber es gibt auch Batt­les, in denen das gar nicht statt­fin­det. Zum Bei­spiel bei einem Kara­te Andi, der dann eher so einen "Hartz IV"-Rap gemacht hat und damit erfolg­reich war. Das wäre ein Bei­spiel, bei dem man abseits einer Herr­schafts­struk­tur – in die­sem Fal­le arbeits­tüch­tig – batt­len kann. Dar­um wür­de ich sagen, dass man es als Frau da noch schwe­rer hat, weil man allein aus die­ser "Posi­ti­on Frau" her­aus ohne­hin immer gebatt­let wird, selbst, wenn man nicht mal teil­nimmt. Wenn dem Geg­ner gesagt wird, er sei nicht männ­lich genug und er so qua­si als Frau belei­digt wird – war­um ist es eine Belei­di­gung, eine Frau zu sein? Zum ande­ren habe ich das Gefühl, dass das anders­her­um irgend­wie gar nicht funk­tio­niert. Da gab es ja vor eini­ger Zeit die­ses Pilz-​Battle, bei dem sie danach ultra­krass zer­fleischt wur­de wegen ihrer Lines. Das fin­de ich halt hef­tig, weil Män­ner andau­ernd irgend­wel­che grenz­wer­ti­gen Lines brin­gen. Aber bei ihr heißt es plötz­lich: "Oh mein Gott, was traut sie sich?" Und dann hat sie dafür teil­wei­se auch Mord­dro­hun­gen erhal­ten. Das ist schon heftig.

MZEE​.com: Kann viel­leicht aber genau die­se gene­rel­le Pro­vo­ka­ti­on als Frau auch der Aus­lö­ser sein, erst recht an einem Batt­le teil­zu­neh­men? Ich habe vor eini­ger Zeit mal ein Inter­view mit Rino Man­din­go geführt, der ja das ers­te DLTLLY-​Battle gegen eine Frau, Bree­ze, hat­te. Er mein­te, dass er sol­che grenz­wer­ti­gen Zei­len brin­ge, um Frau­en dazu zu moti­vie­ren, sich dage­gen zu weh­ren. Kaufst du Rap­pern sowas ab?

Haszca­ra: Ich lass' mir doch von einem Mann nicht sagen, dass ich rap­pen soll. Das mache ich, weil ich das geil fin­de. Über­tra­gen wir das mal auf das Batt­le von Pilz: Sie hat ja ein paar – wenn man so will – anti­mus­li­mi­sche Lines gebracht. Wie wäre das, wenn sie jetzt sagen wür­de: "Das war eine Ein­la­dung an alle Mos­lems, dass die jetzt mal batt­len sol­len." What the fuck? Also sor­ry, ich ver­ste­he zwar die Idee dahin­ter und es kann auch eine Moti­va­ti­on sein, aber ich find's schwach, das als Mann selbst zu sagen. Sich so inklu­siv hin­zu­stel­len und zu tun, als wür­de er Frau­en da einen rie­si­gen Gefal­len tun.

MZEE​.com: Es gibt auf jeden Fall sicher­lich sinn­vol­le­re Wege, da eine Ver­än­de­rung her­bei­zu­füh­ren. Mal ange­nom­men, wir füh­ren in 15 Jah­ren noch mal ein Inter­view, was wür­dest du dann ger­ne über die Wei­ter­ent­wick­lung von Rap in Deutsch­land sagen können?

Haszca­ra: Boah … Ich wür­de mir gar nichts aus­schließ­lich für die Ent­wick­lung von Rap wün­schen, son­dern für die gesam­te Gesell­schaft. Rap ist mir schon irgend­wo wich­tig, aber eine Ver­än­de­rung muss halt auch in der Gesell­schaft statt­fin­den, beson­ders, weil sich das bei­des immer so ein biss­chen spie­gelt. Da wür­de ich mir wün­schen, dass es ein grö­ße­res Bewusst­sein für alle Geschlech­ter gibt und jeder Mensch sich so ent­fal­ten darf und kann, wie er, sie, was auch immer, will. Das ist heu­te halt noch ein wahn­sin­nig gro­ßes Pro­blem. Man hat das jetzt kürz­lich erst wie­der gese­hen mit dem Ver­schwin­den von Dani­el Küb­lböck. Ist jetzt natür­lich kein Rap, aber eine Per­son, die sich in der Öffent­lich­keit bewegt hat. Und letzt­lich ein Mensch, einer von vie­len Que­ers, die mas­siv dar­un­ter lei­den, dass sie nicht in ein bestimm­tes Bild von Männ­lich­keit oder Hete­ro­se­xua­li­tät pas­sen. Er ist sicher nicht der ein­zi­ge, bei dem das alles so einen tra­gi­schen Ver­lauf genom­men hat. Ich wür­de mir wün­schen, dass es da mehr Bewusst­sein und Offen­heit für­ein­an­der gibt. Das kann man natür­lich auf alles Mög­li­che über­tra­gen – gibt ja aller­lei Kack­schei­ße in der Welt. Und da tra­gen wir alle Mit­ver­ant­wor­tung. Als Per­so­nen der Öffent­lich­keit, als Per­so­nen, die Musik machen, als Leu­te, die Tex­te schrei­ben, als Freun­din­nen, Freun­de, Töch­ter, Söh­ne, als Müt­ter, Väter, Leh­re­rin­nen und Lehrer.

MZEE​.com: Zum Schluss wür­de ich die Fra­ge gern noch auf dich selbst über­tra­gen. Was wünschst du dir in den nächs­ten 15 Jah­ren für Haszcara?

Haszca­ra: Ein gei­les Auto. (lacht) Und dass ich ent­spannt von der Musik leben kann und auch, wenn das jetzt voll platt klingt, dass ich auch machen kann, was ich will. Inklu­si­ve aus­schla­fen. (lacht)

(Dani­el Fersch)
(Fotos von Nora Lueders)