Deutschrap-Journalismus. Schon über das Wort lässt sich streiten. Die einen meinen, "richtiger" Journalismus im deutschen Rap existiere doch gar nicht. Außerdem könne ja jeder selbst bessere Artikel schreiben als "diese Praktikanten". Die anderen finden, jeder, der im deutschen Rap journalistische Tätigkeiten ausführt, sei auch ein Journalist. Die nächsten führen auf: Ja, im deutschen Rap sind Redakteure unterwegs – aber keinesfalls Journalisten. Zusammenfassen lässt sich: Fast jeder hat zumindest eine Meinung dazu. Aber wie steht es um die Meinung der Journalisten selbst? Denn die hat kaum jemand mal gefragt. Und so startet unsere neue Serie – eine kleine Interviewreihe mit aktuell relevanten und aktiven Journalisten der deutschen Rapszene. Dabei möchten wir darüber reden, warum die Deutschrap-Medien von so vielen Seiten – auch von der der Künstler – immer wieder unter Beschuss stehen und wie die Journalisten diese Seitenhiebe persönlich empfinden. Wir besprechen, wie einzelne Journalisten ihren Platz in der Rapszene wahrnehmen und ob deutscher Rapjournalismus in Gossip-Zeiten noch kritisch ist. Wir möchten erfahren, ob sie die Szene noch unter dem Kultur-Begriff verstehen oder das Ganze für sie ausschließlich ein Beruf (geworden) ist. Es kommen Fragen auf, ob es vereinbar ist, in diesem Aufgabenbereich Geld zu verdienen und wie der aktuelle Deutschrap-Journalismus und seine Entwicklung gesehen wird. Und: Wie steht es überhaupt um die Entwicklung der Rapszene an sich? Das und vieles mehr werden wir in über zehn Interviews besprechen, in welchen es verständlicherweise immer nur um einen Teilbereich dieser großen Themenwelt gehen kann. Für das fünfte Interview unserer Reihe sprachen wir mit Daniel Schieferdecker, dem Chefredakteur der JUICE. Neben seiner dortigen Tätigkeit schrieb er als Freiberufler unter anderem schon für die Süddeutsche Zeitung, den Spiegel sowie DIE ZEIT und veröffentlichte zudem gemeinsam mit seiner Freundin ein Buch. Gerade dieser Facettenreichtum an journalistischem Arbeiten machte es für uns so interessant, ihn zum Gespräch zu bitten, um seine Meinung über deutschen Rapjournalismus zu erfahren.
MZEE.com: Fass mir zu Beginn unseres Interviews doch mal kurz die wichtigsten Stationen deiner journalistischen Karriere zusammen.
Daniel Schieferdecker: Stationen gab es so gesehen kaum. Ich habe vor 15 Jahren mal ein Praktikum beim BLONDE Magazin in Hamburg gemacht und bin dadurch in den Journalismus reingekommen. Dann bin ich zum Studieren nach Berlin und habe von da an immer nur freiberuflich als Journalist gearbeitet – das tue ich bis heute. Ich bin auch als JUICE-Chefredakteur nicht fest angestellt. Geschrieben habe ich in der Zwischenzeit für alles und jeden: von der Süddeutschen Zeitung bis ZEIT, vom Tagesspiegel bis Spiegel, von Spex bis zur Cosmopolitan und dem Lufthansa Magazin. Und ich habe letztes Jahr mit meiner Freundin ein Reisekochbuch über vegane chinesische Küche namens "Forever Yang" herausgebracht.
MZEE.com: Das deckt ein breites Spektrum ab. Gibt es denn journalistisch gesehen Ziele, die du dir gesetzt hattest oder hast? Und wenn ja, wie viele hast du davon bisher erreicht?
Daniel Schieferdecker: Ach, so richtige journalistische Ziele, die ich mal erreichen will oder wollte, hatte ich eigentlich nie. Wobei: Ich hab' früher tatsächlich mal gedacht, dass es bestimmt cool wäre, Chefredakteur der JUICE zu sein. (grinst) Spoiler: Es ist weit weniger spektakulär, als man vielleicht meinen würde. Und nun ja: Ich hatte immer mal vor, ein Buch zu schreiben und zu veröffentlichen. Das habe ich letztes Jahr geschafft. Dass es ein Reisekochbuch werden würde, hätte ich allerdings nie gedacht. Aber beim Journalismus ist es wie bei vielen anderen Berufen auch: Alles ist in Bewegung, verändert sich. Das sollte man im Auge behalten. Aber wer weiß, vielleicht mache ich irgendwann auch noch mal was ganz anderes, wenn sich was Spannendes ergibt. Es ist zumindest nicht so, dass der Journalismus mein Leben wäre. Aber beruflich fiele mir derzeit erst mal nichts anderes ein.
MZEE.com: Gab es in all den Jahren Momente oder Situationen, in denen du deine Arbeit innerhalb der Szene als unangenehm empfunden hast?
Daniel Schieferdecker: Was meinst du genau mit "deine Arbeit innerhalb der Szene"? Dass mich HipHop genervt hätte?
MZEE.com: Eher, dass du deine Arbeit innerhalb dieses "Kosmos" als unangenehm oder anstrengend empfunden hast. Vielleicht hat sie dich an einem Punkt demotiviert – ausgelöst durch eine Situation, Handlung, Zeit oder Ähnliches …
Daniel Schieferdecker: Ja, sicher. Nie so, dass ich mal ernsthaft darüber nachgedacht hätte, was anderes zu machen. Aber generell ist die Arbeit im Kulturjournalismus ziemlich schlecht bezahlt, das ist natürlich eine ziemliche Motivationsbremse. Da muss man Strategien entwickeln, damit man überhaupt davon leben kann. Und es ist auch kein Geheimnis, dass das Arbeiten mit Rappern bisweilen durchaus anstrengend sein kann – insbesondere dann, wenn keine professionellen Strukturen vorhanden sind. Das ist halt die Kehrseite einer DIY-Kultur. Und klar: Wenn du als HipHop-Journalist das erste Mal von einem Rapper bedroht oder beleidigt wirst, kriegst du auch erst mal einen kleinen Schreck. Aber man gewöhnt sich dran. (lächelt) Ist mir aber nur selten passiert.
MZEE.com: Du hattest Anfang des Jahres ein Interview mit unter anderem Ralf Kotthoff und Götz Gottschalk, welches sich um die Möglichkeit der Mitgestaltung der Szene gedreht hat. In Bezug auf HipHop-Journalismus – denkst du, dass auch da heutzutage noch jeder mitmachen kann?
Daniel Schieferdecker: Heute wahrscheinlich sogar noch mehr als früher. Damals gab es ja viel weniger Output-Möglichkeiten, nämlich nur ein paar wenige Magazine wie die Backspin, das MZEE Magazin et cetera. Man hätte natürlich jederzeit auch selbst ein Magazin an den Start bringen können, aber der Aufwand dafür war immens. Heute durch das Internet hat man viel mehr Möglichkeiten. Einerseits was entsprechende Medien angeht – mal abgesehen davon, dass ein eigener YouTube-Channel bisweilen ja schon reicht –, andererseits was den Aufwand angeht. Natürlich funktioniert auch heute nichts einfach so und man muss ein bisschen was dafür tun. Aber ich bin der Meinung, dass es heute viel leichter ist, da reinzukommen. Allerdings: Die Bedeutung von HipHop-Medien für die Szene hat abgenommen, weil viele Künstler ihre eigenen Medien stellen, über die sie berichten.
MZEE.com Ich sehe das stellenweise anders. Ja, durch das Internet und auch durch Social Media ist alles schnelllebiger und einfacher erreichbar. Aber wenn jemand Lust hat, aus der Liebe zur Sache für ein Magazin zu schreiben – egal, ob online oder Print –, dann gibt es nicht viele Anlaufstellen. Natürlich ist es da wie überall in der Arbeitswelt auch: Man muss sich seinen Platz "erkämpfen" und mit guter Arbeit überzeugen.
Daniel Schieferdecker: Aber heute gibt es doch viel mehr "Arbeitsstellen" als früher: JUICE, rap.de, Backspin.de, Splash!-Mag, ALL GOOD.de, HipHop.de, MZEE.com – mal abgesehen davon, dass auch andere Medien heute viel offener dafür sind, über HipHop zu berichten. Wie allerdings etwas weiter vorher schon erwähnt: Viel Geld zu holen ist bei den meisten Medien nicht. Als lukrative Berufsoption kann ich das jedenfalls nicht empfehlen.
MZEE.com: Ich verstehe, was du meinst. Ich denke beispielsweise, dass diese ganze Szene sich aus Leidenschaft entwickelt hat. Wie sehr geht es deiner Meinung nach aktuell noch im Deutschrap-Journalismus um die Liebe zur Sache?
Daniel Schieferdecker: Ganz ehrlich: Niemand macht den Job des Geldes wegen. Ich wage die Behauptung, dass jeder, der über ein Praktikum hinaus im Deutschrap-Journalismus arbeitet, das aus Liebe zur Sache macht. Mir würde zumindest kein anderer sinnvoller Grund einfallen. Oder kennst du jemanden, bei dem das nicht der Fall ist?
MZEE.com: Ich glaube, dass viele aus der Liebe zur Sache angefangen haben, aber dieser Punkt sich stellenweise verschoben hat. Man muss dazu auch bedenken, was diese Liebe beinhaltet. Sind es die Werte, für die HipHop steht? Die Ursprünge, warum sich dieses Genre entwickelt hat? Oder doch die Kultur, die alles irgendwie verbindet? Aktuell ist HipHop rein vom Erfolg her ganz anders zu bemessen als vor 15 Jahren. Das große Geld macht man damit vielleicht nicht, aber man kann stellenweise das ein oder andere rausholen.
Daniel Schieferdecker: Jetzt machst du direkt verschiedene Baustellen auf. Für welche Werte steht HipHop denn heute noch? Mal abgesehen davon, dass die jeder HipHopper natürlich für sich selbst definiert, hat ein junger Straßenrapper auf Autotune heute vermutlich andere HipHop-Werte im Kopf als ein Boom bap-Conscious-Rapper von vor zwanzig Jahren – wenn überhaupt. Ich bezweifle auch, dass sich junge Rapper heute noch wahnsinnig viele Gedanken über die Ursprünge der Kultur machen – ohne das jedem jungen Rapper von vornherein absprechen zu wollen. Und klar, die Kultur verbindet, hat sich mittlerweile aber auch so sehr verzweigt, dass sich künstlerische Ansätze und Wege nicht mehr zwangsweise kreuzen und vollkommen unabhängig voneinander parallel existieren können. Und natürlich kann man mit HipHop-Journalismus auch heutzutage Geld verdienen, das tue ich ja auch. Aber wenn ich nicht noch andere Sachen machen würde, wäre das Monat für Monat ein ziemlicher Hustle. Wenn ich es mal ganz plakativ formuliere und ohne jetzt theatralisch wirken und Mitleid erheischen zu wollen: Ich muss auch noch andere Sachen machen, um mir den Job "HipHop-Journalist" überhaupt leisten zu können.
MZEE.com: Gerade der letzte Teil deiner Antwort ist sehr ehrlich, was sich viele vielleicht gar nicht öffentlich eingestehen würden. Im Zuge deiner Aussagen würde ich aber auch gerne über Inhalte sprechen: Kannst du einen konkreten Punkt benennen, an dem Recherche und das kritische Auseinandersetzen mit der Szene und Kultur zurücktreten und Gossip den Vortritt lassen mussten?
Daniel Schieferdecker: Ich bin mir nicht sicher, ob ich deiner These zustimme, dass eine kritische Auseinandersetzung dem Gossip den Vortritt lassen musste. Zum einen, weil die journalistische Auseinandersetzung mit der Szene "damals" auch nie so kritisch war, wie heute gerne mal behauptet wird, zum anderen, weil es ja auch heute immer noch kritische Auseinandersetzungen gibt. Mal abgesehen davon, dass ich nicht der Meinung bin, dass HipHop-Journalismus per se eine kritische Komponente besitzen muss. Aber ich würde dir zustimmen, dass es heute mehr HipHop-Gossip gibt als früher. Das wiederum hat meiner Meinung nach mit dem gestiegenen Interesse an Rap zu tun, das auch von Leuten kommt, die lediglich an einer oberflächlichen Auseinandersetzung und eben Gossip interessiert sind. Es hängt aber auch damit zusammen, dass die Einstiegsbarrieren für Journalisten in meinen Augen heute niedriger sind als früher und dadurch möglicherweise auch weniger gute Leute eine bessere Chance haben, Fuß zu fassen. Und denen fällt eine kritische Auseinandersetzung möglicherweise schwerer. Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Den ersten HipHop-Gossip gab es vermutlich im Zuge des ersten Deutschrap-Hypes 1998, als die BRAVO damals deutsche Rapper für sich entdeckt hat. Stichwort: "Exklusivinterview" von Max Herre & Afrob.
MZEE.com: Was genau hältst du von Clickbaiting? Ist es heutzutage möglicherweise sogar notwendig?
Daniel Schieferdecker: Von Clickbaiting als solches halte ich persönlich nicht so viel. Aber der Versuch, eine sogenannte "curiosity gap" entstehen zu lassen, um einen Leser neugierig zu machen, ist ja ein vollkommen normaler und etablierter journalistischer Kniff. Man muss sich allerdings nichts vormachen: Jedes HipHop-Medium, sofern es nicht als Fanzine oder Hobby betrieben wird, ist auch ein Wirtschaftsunternehmen, das sich finanziell tragen muss. Welche Wege ein Medium beschreitet, um seine Existenz zu gewährleisten, muss dann eben jedes für sich entscheiden. Letztlich ist es wie immer: Der Konsument entscheidet.
MZEE.com: Diesen wirtschaftlichen Teil, den du gerade erwähnt hast, würde ich später noch mal aufgreifen. Jetzt möchte ich gerne konkreter auf deine Arbeit zu sprechen kommen: Interviews. Was macht ein interessantes Interview für dich aus? Wann bleibst du dabei und wann schaltest du ab? Welchen Mehrwert ziehst du eventuell auch daraus?
Daniel Schieferdecker: Das ist schwer allgemeingültig zu beantworten. Aber generell finde ich ein Interview dann spannend, wenn ich daraus etwas erfahre, das ich bisher noch nicht wusste. Dazu gehört auch, dass ich den Interviewten von einer bisher unbekannten Seite kennenlerne. Mich persönlich interessieren gerade im HipHop eher auf die Musik und Technik fokussierte Interviews weniger. Da habe ich schnell das Gefühl, alles schon hundert Mal bei anderen Leuten genau so gelesen zu haben. Ich versuche daher oft, möglichst persönliche Gespräche mit Künstlern zu führen, ohne deshalb zu privat werden zu müssen. Mich interessiert häufig mehr der Mensch hinter der Kunstfigur. Und einen Mehrwert ziehe ich vor allem dann aus Interviews, wenn mir interessante Perspektiven aufgezeigt werden, die mich Dinge in einem neuen Licht sehen lassen und die ich möglicherweise auch auf mein Leben übertragen kann.
MZEE.com: Bist du damit auch schon mal gegen verschlossene Türen gelaufen? Eine Kunstfigur ist ja stellenweise bewusst gewählt, zum Beispiel um sich von seiner eigenen Person und Persönlichkeit abzukapseln.
Daniel Schieferdecker: Ja, natürlich. Das funktioniert nicht bei jedem Künstler. Insgesamt habe ich aber den Eindruck, dass Künstler durchaus dankbar sind, wenn sie merken, dass man sich erstens vorbereitet und mit ihnen beschäftigt hat und zweitens sie nicht zum x-ten Mal Fragen wie "Warum heißt dein neues Album so?" und "Welche Features sind auf der Platte?" beantworten müssen. Ein Paradebeispiel dafür, wie das bei mir mal komplett in die Hose gegangen ist, war ein Interview mit Jochen Distelmeyer, dem ehemaligen Sänger der Band Blumfeld. Mit ihm habe ich mich im Zuge der Veröffentlichung seines Soloalbums "Heavy" getroffen, bei dem ich der Meinung war – und nach wie vor bin –, dass es darauf an vielen Stellen um das Thema "Scheitern" geht. Also wollte ich mit ihm in erster Linie darüber sprechen, aber er hat das absolut nicht so gesehen und war, weil ich ihn immer mal wieder darauf angesprochen und Beispiele dafür genannt habe, irgendwann schon genervt davon. Ich habe aus der Not dann eine Tugend gemacht und im Text darauf hingewiesen, dass ich am Scheitern gescheitert bin.
MZEE.com: Ich bin der Überzeugung, dass es sowohl für Künstler als auch für Journalisten eine Interviewfrage gibt, die sie nicht mehr hören oder stellen wollen. Sind das die oben erwähnten für dich oder gibt es noch ganz andere?
Daniel Schieferdecker: Es gibt natürlich die "Klassiker", dazu gehören auch die oben erwähnten, die oft gestellt werden und die man als Künstler beim zehnten Mal sicher nicht mehr hören möchte. Trotzdem können die auch wichtig sein und/oder Türen zu weiteren Fragen und Erkenntnissen aufmachen. In der Regel steigt man ja auch nicht mit der krass ausgefuchsten Frage in ein Interview ein – obwohl auch das mal Sinn machen kann –, sondern beginnt sachte, baut Vertrauen auf, findet eine Ebene, um dann auch etwas gehaltvoller über bestimmte Themen sprechen zu können.
MZEE.com: Auch im Deutschrap-Journalismus muss man mit der Zeit gehen. Wenn du heute als Chefredakteur auf die Zeit als Leser der JUICE zurückblickst: Inwieweit haben sich Kernwerte, Strukturen und Herangehensweisen des Magazins und der Arbeit verändert?
Daniel Schieferdecker: Über die damalige Arbeit kann ich nur bedingt etwas sagen, denn die habe ich nicht direkt mitbekommen. Das gilt auch für die Kernwerte, denn die der damaligen Chefredakteure kenne ich nicht. Ich habe aber den Eindruck, dass sich an der Grundausrichtung nicht allzu viel geändert hat – von der zunehmenden Professionalisierung, gerade bei den ersten Heften, einmal abgesehen. Der JUICE geht es immer noch darum, im Rahmen der Möglichkeiten über spannende Künstler und Entwicklungen der aktuellen HipHop-Szene zu berichten. Aber allein in Sachen Aktualität kann ein alle zwei Monate erscheinendes Magazin natürlich nicht mit dem Internet mithalten. Und klar: Die Heftverkäufe und damit auch das Anzeigenvolumen sind in den letzten Jahren überall eingebrochen, das hat auch vor der JUICE nicht haltgemacht. Glücklicherweise sind unsere Zahlen aber seit langer Zeit konstant – sicherlich haben wir da auch vom anhaltenden HipHop-Hype profitiert. Wir versuchen nach wie vor, möglichst gute Arbeit zu machen: Interviews zu führen, die qualitativ besser sind als die der Konkurrenz, und Themen aufzugreifen, die man anderswo so nicht zu lesen bekommt.
MZEE.com: Kommen wir zu einem Thema, das für viele ein kleiner Traum ist: Wie geht man an als größtes deutsches Printmedium im Rap an die Vergabe des Covers heran?
Daniel Schieferdecker: Das weiß doch jeder: Wer den größten Batzen auf den Tisch legt, gewinnt.
MZEE.com: Oder glaubt das nur jeder zu wissen?
Daniel Schieferdecker: (grinst) Manchmal würde ich mir wünschen, dass es so einfach wäre. Vom Prinzip ist die Herangehensweise immer ähnlich: Zuerst schauen wir redaktionsintern, was an relevanten Releases ansteht, und diskutieren die Möglichkeiten. Dann werden die ersten Gespräche geführt, Musik gehört, Vorstellungen ausgetauscht, Mehrwerte ausgelotet et cetera. Wir kriegen ja häufig solche Sätze zu hören wie: "Rapper XY war noch nie auf dem JUICE-Cover. Wie kann das sein?" Dazu muss man sagen, dass es verschiedene Kriterien gibt, nach denen man da schauen muss. Sicher gibt es Rapper, bei denen es von ihrem heutigen Standing her komisch anmutet, dass die noch nie auf dem JUICE-Cover waren. Aber manchmal hat im selben Zeitraum halt immer ein "größerer" Rapper releast, der dann das Cover bekommen hat. Oder der VÖ-Termin des Rappers lag weit vor dem Erscheinen des Heftes. Das hat manchmal tatsächlich so vermeintlich blöde Gründe. Aber ein schönes Beispiel ist RAF Camora, der in der März/April-Ausgabe bei uns auf dem Cover war – endlich! Auch bei ihm hatte es in der Vergangenheit nie geklappt. Aber die Zeit war einfach reif und so haben wir ihn auch releaseunabhängig aufs Cover gepackt. Und das hat – ich glaube, für beide Seiten – super geklappt. RAF hat nie ein Cover eingefordert, aber als es dann so weit war, ist etwas Gutes daraus entstanden. Was mich mittlerweile oft nervt: Einige Rapper wollen heutzutage nur noch mit der JUICE sprechen, wenn sie auch das Cover bekommen – auch wenn sie gerade mal seit zwei Jahren überhaupt erst rappen. Dass man mal nach der Möglichkeit fragt, finde ich vollkommen okay. Aber das als Bedingung an ein Interview zu knüpfen, hat schon etwas Erpresserisches und das machen wir natürlich nicht mit. Das ist auch keine Basis für eine gute Zusammenarbeit.
MZEE.com: Muss man dabei auch wirtschaftlich denken?
Daniel Schieferdecker: Ja, natürlich. Das meine ich mit Relevanz, die eben nicht nur eine künstlerische, sondern auch eine wirtschaftliche Komponente hat. Wie oben bereits erwähnt ist ein Medium wie die JUICE eben auch ein Unternehmen, das Geld verdienen will und muss – nicht zuletzt, um unsere journalistischen Arbeitsplätze zu sichern. Daher ist einer von vielen Faktoren bei der Cover-Vergabe in der Tat auch immer die Frage danach, wie viele Hefte ein Cover mit Rapper XY möglicherweise verkauft. Die Gratwanderung zwischen künstlerischer und wirtschaftlicher Relevanz ist die Kunst bei jeder Cover-Entscheidung. Aber: Stellenweise wissen wir auch, dass ein bestimmtes Cover nicht viele Hefte verkaufen wird, machen es aber trotzdem. Manchmal muss man eben auch ein Statement setzen, gerade als eine Marke wie JUICE. Allerdings kann man sich das auch nur dann leisten, wenn die Verkäufe stabil sind. Denn es hat ja auch niemand was davon, außer Hatern und der Konkurrenz, wenn wir jetzt ein Jahr lang nur Untergrundrapper aufs Cover packen, die lediglich 500 Leute interessieren, und dann mit wehenden Fahnen untergehen.
MZEE.com: Du hast eben angesprochen, dass einige Künstler nur noch mit euch sprechen wollen, wenn sie auf das Cover kommen können, was ich sehr erschreckend finde. Ist es denn dabei schon zu Konfrontationen gekommen?
Daniel Schieferdecker: Meines Wissens gab es keine Konfrontationen, die eskaliert wären. Aber es gab durchaus Künstler, die beleidigt waren, weil sie ein Cover nicht bekommen haben. Ich verstehe ja auch, wenn ein Künstler deswegen traurig ist, weil ihm ein JUICE-Cover viel bedeutet hätte. Aber deswegen eingeschnappt zu sein, finde ich albern. Zum einen ist es hochgradig unprofessionell, zum anderen senkt das natürlich die Chancen, ein anderes Mal aufs Cover zu kommen, weil man erahnen kann, dass das keine angenehme Zusammenarbeit wird. Und klar, es gibt durchaus auch Künstler, die nicht mehr mit der JUICE sprechen wollen, weil sie ein – ihrer Meinung nach – verdientes Cover nicht bekommen haben. Aber dazu muss man ganz klar sagen: Wer auf ein JUICE-Cover kommt, das bestimmt die JUICE und nicht der Künstler. Wie gesagt, man kann immer vernünftig über alles reden, aber man muss dann eben auch mit einer Absage leben können. Wir schreiben einem Künstler schließlich auch nicht vor, welche Songs und Feature-Gäste er auf sein Album packen soll.
MZEE.com: Einige ehemalige Journalisten sind heute in PR- oder Managementbereichen unserer Szene unterwegs. Zu guter Letzt würde ich gerne von dir erfahren, ob man irgendwann zu alt ist, um Journalist innerhalb der deutschen Rapszene zu sein?
Daniel Schieferdecker: Die Frage musst du dem lieben Falk stellen. (grinst)
(Laila Drewes)
(Fotos von Tracy Pallmann)