Inflabluntahz – Director's Cut
"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Erwacht aus einem schönen Traum – unsanft geweckt – realisiere ich, dass es Zeit ist, in die Welt hinauszugehen. Mein Begleiter ist ein musikalisches Werk, das für mich persönlich genau dieses Gefühl verkörpert: eine Reise mit Höhen und Tiefen und jeder Menge Emotion.
Kilometerweit ist sie unter dem Mainstream-Radar geflogen, in den Tiefen des Untergrunds. Eine Platte, welche nie die Anerkennung bekam, die sie verdient hat. Und so möchte ich an dieser Stelle noch einmal an ein verkanntes Meisterwerk erinnern, das im Jahr 2007 das Licht der Welt erblickte: das Album "Director's Cut" von der Rapcrew Inflabluntahz, bestehend aus Beatproduzent Nicoist und Lyriker Franksta. Die beiden Protagonisten nehmen mich mit in ihre ganz eigenen Instrumental- und Gefühlswelten. Mal kraftvoll, mal melancholisch – aber in jedem Fall mit viel Atmosphäre. Nicoist schafft es auf eindrucksvolle Weise, eine Soundkulisse zu kreieren, die sich durch das gesamte Album zieht und bis heute keinen Staub angesetzt zu haben scheint. Es sind klangvolle Instrumental-Samples mit einer guten Portion Soul und einer Prise Gospel – perfekt eingefangen und ergänzt durch Frankstas markante, melancholisch bis traurig wirkende Stimme und die unglaublich tiefgründigen Lyrics, die erst nach mehrmaligem Hören ihre volle Wirkung entfalten. Inflabluntahz bestätigen wieder einmal eindrucksvoll, dass MC-Produzenten-Duos etwas Besonderes an sich haben und ein gänzlich anderes Klangbild erzeugen können. Diese Magie ist auf dem gesamten Album zu spüren, das nicht nur soundtechnisch, sondern auch inhaltlich dem sprichwörtlichen roten Faden folgt.
"Director's Cut" ist für mich der perfekte Soundtrack für die einsamen und melancholischen Momente des Lebens: ein guter Begleiter durch die verregneten Straßen der Stadt, während die Häuserfassaden langsam im Nebel verschwinden. Und bei allem Herzschmerz gibt es am Ende immer Hoffnung: Der Nebel lichtet sich und die Sonne kommt zum Vorschein.
(Ray Huebel)