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Interview

Juse Ju

"Hät­te ich mei­ne gan­ze Jugend über in Kirch­heim gelebt, hät­te man das viel­leicht in einem Song abfrüh­stü­cken kön­nen." – Juse Ju im Inter­view über das Leben in Japan, sein neu­es Album, Sexis­mus im Batt­ler­ap und "Dra­gon Ball".

Er ist in Japan auf­ge­wach­sen, hat eini­ge Zeit in El Paso ver­bracht und Hip­Hop hat sein Leben zer­stört. Den­noch über­treibt er nie sei­ne Rol­le und führt ein Autoren-​/​Rapper-​/​Moderatoren-​Leben irgend­wo zwi­schen Angst und Amor. Im Grun­de gibt es also mehr als genug, womit man auf den Prot­ago­nis­ten die­ses Inter­views hin­wei­sen könn­te. Den­noch könn­te es letzt­lich wohl auch aus­rei­chen, das Gespräch ein­fach als "beson­ders" zu bezeich­nen. Denn in eben­die­sem Gespräch zu sei­nem neu­en Album "Shi­bu­ya Crossing" erzähl­te "Spießer"-Juse Ju näm­lich unter ande­rem, war­um er sich selbst die­sen Spitz­na­men ver­lie­hen hat, wie er Ange­la Mer­kels Mus­ku­la­tur ein­schätzt und war­um er mitt­ler­wei­le anders über Vege­ta aus "Dra­gon Ball" denkt als frü­her. Außer­dem erklär­te er uns, was es für Rap bedeu­tet, dass die meis­ten Leu­te noch nie gese­hen haben, wie ein Auto explodiert.

MZEE​.com: Für dein neu­es Album "Shi­bu­ya Crossing" hast du dich erst­mals über einen lan­gen Zeit­raum nur auf dei­ne Musik kon­zen­triert und dir mehr oder weni­ger eine Aus­zeit von dei­nem Job genom­men. Wie­so hast du dich zu die­sem Schritt entschieden?

Juse Ju: Es hat sich sehr viel ver­än­dert in den letz­ten Jah­ren. Bis 2014 war ich halt ein Rap­per, der sehr tief im Unter­grund war und lan­ge nichts mehr raus­ge­bracht hat­te. Dann habe ich aber gemerkt, dass die Leu­te "Angst & Armor" und davor "Über­treib nicht dei­ne Rol­le" so krass auf­ge­nom­men haben und da ein­fach mies Bock drauf hat­ten. Also habe ich mir gedacht, dass ich ein­mal die­se gro­ße Plat­te mache, die ich schon immer machen woll­te. Ich hat­te schon immer die Idee, ein Album zu machen, das auto­bio­gra­fisch die Städ­te mei­ner Jugend auf­greift. Dafür brauch­te ich ein biss­chen mehr Zeit und des­we­gen habe ich mei­nen Job um die Hälf­te redu­ziert. Bei "Angst & Armor" habe ich das noch nicht gemacht, da habe ich ganz nor­mal Voll­zeit gear­bei­tet. Und ich arbei­te auch viel­leicht jetzt nach "Shi­bu­ya Crossing" wie­der Voll­zeit. (lacht) Musik ist halt kei­ne so gei­le Kar­rie­re­op­ti­on, weil man da ein­fach kein Geld ver­dient … also, da wird schon Geld ver­dient, aber halt von den Leu­ten, die wirk­lich im Pop oder in ande­ren Berei­chen aktiv und hyped sind. Aber ich sage jetzt mal, mit so Lyricist-​Mucke, wie ich sie mache, hat man bes­ser noch 'nen ande­ren Job. (lacht)

MZEE​.com: Auf der Plat­te kommst du hier und da aber zumin­dest dar­auf zu spre­chen, dass befreun­de­te Künst­ler inzwi­schen von ihrer Musik leben kön­nen. Wäre es für dich gar kein Ziel, dich ganz auf die Musik zu verlassen?

Juse Ju: Hm, nee. Ich bin ja mein eige­nes Label und mein eige­ner Mana­ger. Das heißt, ich ken­ne alle Zah­len und weiß daher auch, was das Album zum Bei­spiel gekos­tet hat. Und ich kann auch unge­fähr abse­hen, was das ein­spie­len wird. Und mit einer ganz nor­ma­len BWL-​Rechnung, wie viel Umsatz man hat und wie vie­le Aus­ga­ben … im Moment lebe ich aus­schließ­lich von mei­nem Beruf und nicht von der Musik. Die Musik ist gera­de auch nicht mein Neben­job, das ist, glau­be ich, ein Miss­ver­ständ­nis. Das kann schon noch bes­ser wer­den und das Album läuft schon sehr gut und auch viel bes­ser, als ich dach­te. Aber an dem Punkt, an dem ich sagen könn­te, ich kann davon leben, bin ich bei Wei­tem nicht. Nicht mal nah dran. Das liegt eben auch dar­an, dass ich sehr hohe Pro­duk­ti­ons­kos­ten habe. Ich inves­tie­re sehr viel Geld in Qua­li­tät für zum Bei­spiel Mischung, Mas­te­ring, Art­work und sowas. Damit es auch gut wird und klingt. Und unter dem Niveau will ich das gar nicht machen. Da ist es mir dann lie­ber, noch einen Beruf in der Hin­ter­hand zu haben, in dem ich ver­gleichs­wei­se nor­mal und gut bezahlt wer­de. Weißt du, die Leu­te sehen die Aus­ga­ben ja nicht. Die meis­ten wis­sen nicht mal, dass es sowas wie Mas­te­ring gibt. Und das ist auch nicht deren Pro­blem. Ich als Hörer muss mich ja nicht dafür inter­es­sie­ren, wie Metal­li­ca ihr Album auf­ge­nom­men haben. Also gut,  ich, als jemand, der weiß, was so ein Album für Arbeit ist: Ich kau­fe halt ger­ne Mal 'ne Vinyl, wenn das Leu­te sind, die ich gut fin­de. Weil ich fin­de, dass die das ein­fach ver­dient haben.

MZEE​.com: Wäre es für dich denn gar kei­ne Opti­on, zu einem grö­ße­ren Label oder gar einem Major zu gehen, auch wenn dir dann even­tu­ell etwas vor­ge­schrie­ben wird? 

Juse Ju: Ich bin mir gar nicht sicher, ob Majors einem wirk­lich was vor­schrei­ben. Ich war noch nie beim Major und weiß das daher nicht. Ich weiß aber auch nicht, inwie­fern die da so ein­fach mal grö­ße­re Bröt­chen backen dür­fen. Rein sta­tis­tisch gese­hen, flop­pen neun von zehn Major-​Artists. Also heißt Major ja noch lan­ge nicht, dass jemand erfolg­reich ist. Was meinst du, wie vie­le Leu­te ich ken­ne, die mal einen Major-​Vertrag hat­ten? Ich ken­ne vie­le Musi­ker, die mal einen hat­ten und jetzt nicht wesent­lich bes­ser oder schlech­ter ver­die­nen. Und es gibt sicher­lich Labels, die einem rein­quat­schen, aber solan­ge sie dir die Musik nicht vor­set­zen … also, ich glau­be schon, dass es das gibt, aber eher in ande­ren Bran­chen. Ich glau­be jetzt nicht, dass die zu einem Sido gehen und sagen: "Hey Sido, wir haben hier einen Song­wri­ter, der hat dir einen schö­nen Song geschrie­ben, rapp den doch mal". (lacht) Frü­her war das viel­leicht mal so, aber ich den­ke nicht, dass das immer noch der Fall ist. Und ich sag's ja auf "Fake it till you make it": Kein Label kam je für ein Sig­ning zu mir. Und das stimmt. Und es gibt auch einen Grund, war­um ich nie zu einem Label gehen und sagen wür­de: "Sign mich doch mal!" Wenn du dich denen auf­drängst und die neh­men dich, dann bist du ja in einer Scheiß­po­si­ti­on. Die sagen dann: "Du woll­test ja zu uns", und dann inves­tie­ren die even­tu­ell auch nichts in dich, son­dern schei­ßen drauf. Die Leu­te den­ken immer, die Mecha­nis­men wären so: Bist du beim Major, bist du groß; bist du Indie, bist du mit­tel; bis­te nir­gends, bis­te klein. Aber das ist doch Quatsch. Guck mal, Fato­ni ist grö­ßer als ganz, ganz vie­le Rap­per, die auf einem Major gesi­gnet sind. Und Fato­ni ist bei gar kei­nem Label gera­de. Das heißt doch alles gar nichts. Die Leu­te wol­len immer Struk­tu­ren und Regeln für irgend so 'nen komi­schen Markt haben. Die gibt es aber gar nicht. In Wirk­lich­keit ist alles Cha­os. (lacht)

MZEE​.com: Du warst schon immer scho­nungs­los ehr­lich, wenn es dar­um ging, in dei­ner Musik dei­ne Gefüh­le und Gedan­ken zu beschrei­ben. Die­ses Mal erzählst du aber auch ganz kon­kre­te Geschich­ten von dir. War das die Idee hin­ter dem Album, dem Hörer auch mal direk­te Ein­drü­cke aus dei­nem Leben zu vermitteln?

Juse Ju: Die­ses Geschich­ten­er­zäh­len liegt mir ein­fach. Ich war ja frü­her auch lan­ge Zeit Dreh­buch­au­tor. Und ich lie­be ein­fach gute Geschich­ten. Ich fin­de außer­dem, dafür, dass ich noch nicht so alt bin – ich bin jetzt 35 –, habe ich ver­gleichs­wei­se viel in mei­ner Jugend erlebt. Hät­te ich mei­ne gan­ze Jugend über in Kirch­heim gelebt, hät­te man das viel­leicht in einem Song abfrüh­stü­cken kön­nen. Aber in mei­nem Fall ist es halt so, dass da Orte wie Japan und El Paso und ein­fach die­se vie­len Ein­drü­cke waren, die doch sehr unter­schied­lich sind. Das woll­te ich immer mal in so ein Album packen und das habe ich jetzt end­lich mal gemacht. Ich find's cool, dass du fin­dest, dass ich schon immer einen emo­tio­na­len Zugang hat­te. Ich glau­be, vie­le Leu­te haben mich immer so als den zynisch-​ironischen Pun­ch­li­ne­ty­pen gese­hen. Aber ich hab' auf den Alben schon immer sehr per­sön­lich und von mei­nen Gefüh­len erzählt. Ich glau­be, das geht auch nicht anders. Ich bin kein Gangs­ter. Das heißt, ich kann kei­ne Sachen erzäh­len, die per se Auf­re­ger sind. Ich kann kei­nen Action­film dre­hen. Klar, wenn ein Action­film im Fern­se­hen läuft, explo­diert da ein Auto und da guckt man erst mal hin. Aber erzähl mal 'nen Arthaus-​Film, 'ne nor­ma­le Geschich­te von 'ner nor­ma­len Fami­lie – von Leu­ten wie dir und mir – so, dass sie span­nend und emo­tio­nal wird. Das geht. Die Leu­te den­ken immer, das ist der Inhalt. Aber die Form bestimmt, was du machst. Guck dir Cas­per an: Der ist halt irgend­wie in Ame­ri­ka gewe­sen, aber die meis­te Zeit hat er ja im Hin­ter­land gelebt – wie er das sel­ber sagt. Aber genau das sind die inter­es­san­ten Emo­tio­nen. Die Emo­tio­nen, die wir alle haben. Nicht das explo­die­ren­de Auto. 99,99 Pro­zent der Leu­te sehen in ihrem Leben nie ein Auto explo­die­ren. (lacht) Das pas­siert nur im Film. Ich habe auch das Gefühl, dass das ein biss­chen 'ne Alters­fra­ge ist. Die gan­zen Teen­ager kannst du jagen mit so 'ner Plat­te. Die hören sich kein auto­bio­gra­fi­sches Album an. Klar gibt es immer wie­der Leu­te, die das machen, aber die meis­ten Teen­ager wol­len Action. Die sind halt so ein biss­chen ADHS-​Style drauf und wol­len, dass die gan­ze Zeit was pas­siert, dass sich Leu­te strei­ten, auf die Fres­se hau­en und schie­ßen – und ich kann das bis zu 'nem gewis­sen Grad auch ver­ste­hen. Als ich 15 war, woll­te ich auch lie­ber die Action­se­rie gucken und das ist voll­kom­men in Ord­nung. Wobei ich mit 15 halt auch sowas wie Eins Zwo gehört habe. Das war ja eher so wie ich selbst. Es gibt sicher­lich auch Teen­ager, die genau das wol­len, aber ich kann den­noch ver­ste­hen, dass ein Groß­teil ein­fach auf die Kacke hau­en will und sich nicht groß für die Lebens­ge­schich­te eines Mitt­drei­ßi­gers inter­es­siert. Aber ich glau­be, dass das für jeden mal inter­es­sant wird, sobald man erwach­sen wird, nicht mehr zu Hau­se lebt und sich mit der Welt und dem eige­nen Leben beschäf­tigt und dann auch mal auf das eige­ne Leben zurück­blickt – also alles, was Teen­ager eben nicht machen. Dann kann man auch einen Zugang fin­den. Ich per­sön­lich fin­de das wahn­sin­nig inter­es­sant, wenn Künst­ler so einen Ein­blick in ihr Leben, ihre Geschich­te und ihre Gefüh­le geben und das in gute Wor­te packen können.

MZEE​.com: Dann lass uns doch mal auf dein Leben und auf dei­ne Zeit in Japan zurück­bli­cken: Wel­che ist denn dei­ne schöns­te Kind­heits­er­in­ne­rung an das Land?

Juse Ju: Ich glau­be, so der ers­te Som­mer in Tokio, das war schon krass. Da hörst du immer die­se Zika­den, Semi hei­ßen die. Die sind auch am Anfang vom Song "Shi­bu­ya Crossing" zu hören. Und die­se ande­re Luft, die­ser asia­ti­sche Som­mer und die­se gan­zen neu­en, kras­sen Ein­drü­cke. Ich weiß, dass mich das auch mas­siv geprägt hat und ich mich in die­sem ers­ten Som­mer sofort in Japan ver­liebt habe.

MZEE​.com: Also warst du auch direkt von der japa­ni­schen Kul­tur eingenommen? 

Juse Ju: Na ja, ich mei­ne, Japan war schon ein biss­chen gei­ler als Deutsch­land in den 80ern. Also so anime- und man­ga­mä­ßig waren wir ein­fach weit vor­aus. Und auch was Süßig­kei­ten und Snacks angeht, was ja für Kin­der sehr wich­tig ist. (lacht) Eines ist in Japan total krass: Die­se engen Stra­ßen in den Wohn­ge­gen­den sind halt super­si­cher. Das hat zur Fol­ge gehabt, dass mei­ne Mut­ter gesagt hat: "Eigent­lich kannst du spie­len, wo du willst." Die Men­schen tun dir nichts zulei­de und die Stra­ßen sind so eng, dass da kei­ne Autos so schnell fah­ren könn­ten, dass die Fah­rer die Kin­der über­se­hen. Du kannst halt nicht durch die­se Stra­ßen hei­zen. Die sind so breit wie das Auto sel­ber, da fährst du dir höchs­tens irgend­wann in der Kur­ve den Spie­gel ab. Die­se Frei­heit, die ich da als Kind hat­te, war schon krass.

MZEE​.com: Du hast gra­de Man­ga und Ani­me ange­spro­chen. Mir sind da auf der Plat­te auch zwei oder drei "Dra­gon Ball"-Anspielungen auf­ge­fal­len. Inter­es­sierst du dich nach wie vor für Ani­me und Man­ga oder zumin­dest für "Dra­gon Ball" speziell?

Juse Ju: Vie­le Leu­te wis­sen ja nicht, dass "Dra­gon Ball" erst viel spä­ter in Deutsch­land ange­kom­men ist. Das waren zehn oder noch mehr Jah­re Ver­spä­tung. Und als ich 1988 in Japan ange­kom­men bin, da lief "Dra­gon Ball" schon. Noch nicht "Dra­gon Ball Z", aber die nor­ma­le Serie. Und das war natür­lich sofort mei­ne Lieb­lings­se­rie. Ich hab' das am Anfang natür­lich gar nicht ver­stan­den, weil ich kein Japa­nisch konn­te, aber die Serie erklärt sich irgend­wie auch ein biss­chen von selbst. Ich hab' das sofort geguckt, die Kar­ten gesam­melt und T-​Shirts davon haben wol­len – aber nie bekom­men. "Dra­gon Ball" war so mei­ne aller­ers­te Lieblings-​Animationsserie. Und ich hab' tat­säch­lich auf der letz­ten Fatoni-​Tour, wo man viel durch das Land fährt und ein­fach sehr viel im Tour­bus sitzt, ein­fach noch mal alle 42 Bän­de von "Dra­gon Ball" gele­sen. Das könn­te durch­aus Ein­fluss auf den Album­schreib­pro­zess gehabt haben. (lacht)

MZEE​.com: Die soll­te man aber auch immer mal wie­der lesen. Wel­cher ist dein Lieb­lings­cha­rak­ter aus der Serie?

Juse Ju: Ich mag Yam­chu – der übri­gens auf Japa­nisch Yamu­cha aus­ge­spro­chen wird –, weil er ein nor­ma­ler Mensch ist, der ein­fach die­se Wolfs­tech­nik hat und nicht so gott­gleich irgend­wel­che komi­schen Abstam­mun­gen braucht. Die ande­ren müs­sen Say­a­jin oder Name­kus­ei­jin sein, aber er ist ein­fach ein nor­ma­ler Mensch, der kras­se Moves drauf hat. Vor allem ist er auch ein Mensch mit Schwä­chen und Gefüh­len. Und ich weiß, dass er im Inter­net gemobbt wird. (lacht) Es gibt da so ein gan­zes Arse­nal an "War­um Yamacha der größ­te Loser ist, den's gibt"-Sprüchen. Aber ich mag Yam­chu und Kril­lin, der im Ori­gi­nal auf Japa­nisch übri­gens Kur­i­rin heißt. Die sind cool. Die spie­len zwar in den spä­te­ren "Dra­gon Ball Z"-Episoden kei­ne so gro­ße Rol­le mehr, aber das sind eigent­lich gei­le, locke­re, nor­ma­le Homie­ty­pen. Die könn­ten auch ein­fach so mei­ne Freun­de sein, weißt du? (lacht) Mit Trunks wür­de ich doch nicht rum­hän­gen. Der ist ein komi­scher Schlei­mer mit einer Nick Carter-Frisur.

MZEE​.com: Er hat tat­säch­lich die schlimms­te Fri­sur der Serie.

Juse Ju: Und war­um hat er über­haupt ein Schwert, wenn er ein Super­say­a­jin ist? Das ist doch auch irgend­wie Quatsch. Goku ist schon auch ein sym­pa­thi­scher Typ, aber der ist mir ein­fach zu ein­fäl­tig. Und Gohan ist halt so ein Stre­ber, den mag ich nicht. Also der ist schon in Ord­nung, aber … Vege­ta zum Bei­spiel: Den habe ich mir für die eine Zei­le auch aus­ge­sucht, denn Vege­ta mag man als Kind halt, weil er so cool ist. Aber er ist eigent­lich auch rela­tiv ein­falls­los und hat eine abso­lu­te Pro­fil­neu­ro­se. Weil er immer der King sein muss, es aber eigent­lich nie schafft, weil er fak­tisch nie Kaka­rott besiegt. Man muss halt auch sagen, dass Vege­ta ein­fach ein kras­ser Sadist ist. Ich mei­ne, allein wie vie­le Pla­ne­ten er aus­ge­rot­tet hat. Er ist für mich auf jeden Fall ein grenz­wer­ti­ger Charakter.

MZEE​.com: Dafür steht er dann ja unter Bul­mas Fuch­tel, das gleicht das viel­leicht irgend­wie aus.

Juse Ju: Ja, da glau­be ich aber irgend­wie auch nicht, dass ihm da nie­mals die Hand aus­rutscht und er sie mit so einem Rie­sen­blast ins Jen­seits pus­tet. Aber das ist eben so krass. Irgend­wann wird ein­fach über­gan­gen, dass er eigent­lich so ein Kil­ler ist. Manch­mal wird drü­ber gere­det, weil er ja zum Bei­spiel so ein Namekuseijin-​Dorf aus­ge­löscht hat. Als sie sich dann alle wie­der ins Leben wün­schen, die Free­zer getö­tet hat, fällt auf, dass die­ses Dorf fehlt, weil Vege­ta sie alle getö­tet hat und eben nicht Freezer.

MZEE​.com: Ich wer­de jetzt mal ganz dreist wie­der auf dei­ne Plat­te zu spre­chen kom­men, sonst fragt Lupa mich spä­ter, wenn sie das liest, ob ich eigent­lich bescheu­ert bin.

Juse Ju: Wir kön­nen auch ein rei­nes Inter­view über "Dra­gon Ball" füh­ren. Mit allem, was dar­in vorkommt.

MZEE​.com: Ja, ich hät­te damit kein Pro­blem. (lacht) Aber lass uns den­noch noch mal auf "Shi­bu­ya Crossing" zurück­kom­men. Was macht die­sen rie­si­gen Platz in Shi­bu­ya für dich aus, sodass du dich dazu ent­schie­den hast, das Album danach zu benennen?

Juse Ju: Ich habe halt ein Bild gesucht, das zeigt, wie mei­ne Jugend war. Mit dem Kom­men und dem Gehen und vie­len Leu­ten, die an dir vor­bei­zie­hen, das fand ich auf jeden Fall sehr pas­send. Ich woll­te auch unbe­dingt einen Platz in Japan wäh­len, um das Album danach zu benen­nen. Als ich ein Kind war, war es immer so: Mein Bru­der war der Teen­ager und ich das Kind. Ich war in Japan von sechs bis elf und mein Bru­der von 12 bis 17. Also, so rich­tig die­se Teenie-​Zeit. Und da woll­te mein Bru­der immer nach Shi­bu­ya. Shi­bu­ya war cool, weißt du? Da gab's die coo­len Kla­mot­ten und die Skate­boards, die Läden mit den CDs und eben alles, was Teen­ager cool fin­den. Und des­halb hat sich das in mei­ner Kind­heit für mich so ent­wi­ckelt, dass ich dach­te, Shi­bu­ya sei der kras­ses­te, geils­te Ort. Heu­te sehe ich das natür­lich ein biss­chen dif­fe­ren­zier­ter. Ich hab' als Erwach­se­ner auch noch mal in Shi­bu­ya gear­bei­tet, ein hal­bes Jahr als Ser­vice­kraft in einem Café. Nur auf Japa­nisch. Nur mit Japa­nern zusam­men. Und das ist halt so ein Sze­ne­vier­tel. So wie … viel­leicht wie Kreuz­berg. Aber Kreuz­berg ist halt dre­ckig, Shi­bu­ya nicht. Dar­um wür­de ich heu­te auch sagen, dass es da bes­se­re Vier­tel gibt. Das Video zu "Shi­bu­ya Crossing" beginnt zum Bei­spiel auch in Shi­mo­ki­ta­za­wa, was zwar ein Teil von Shi­bu­ya ist, aber eben schon fast wie­der ein ganz ande­rer Ort.

MZEE​.com: Du mein­test gera­de, dass im Ver­gleich zu Kreuz­berg Shi­bu­ya sehr sau­ber sei. Mich hat kürz­lich auch eine Kol­le­gin dar­auf hin­ge­wie­sen, dass Japa­ner ein ganz eige­nes Kon­zept der Müll­ent­sor­gung haben und ihren Müll mit nach Hau­se neh­men. Wird dort wirk­lich so peni­bel dar­auf geachtet?

Juse Ju: Na ja, das Ding ist: Japa­ner geben ein­fach weni­ger kei­nen Fick. Die schmei­ßen ihren Müll halt nicht auf die Stra­ße und es gibt ein­fach kei­ne Müll­ei­mer. Du hast also nur die Mög­lich­keit, ihn selbst mit­zu­neh­men. Und es funk­tio­niert. Das Kon­zept mit der Müll­ei­gen­ver­ant­wor­tung wird ja auch in Deutsch­land immer mehr umge­setzt. Viel­leicht ist dir auf­ge­fal­len, dass in den S-​Bahnen kei­ne Müll­ei­mer mehr sind. Es kos­tet ein­fach viel Geld und Per­so­nal, die sau­ber zu machen. Und wenn es kei­ne Müll­ei­mer gibt, dann neh­men die Leu­te ihren Scheiß halt sel­ber mit. (lacht) Und das ist in Japan genau­so – nur halt über­all. Ins­ge­samt habe ich in Japan ein­fach das Gefühl, dass die Gesell­schaft weni­ger ego­is­tisch ist. Da gibt es ein­fach nicht die­ses "Ich par­ke jetzt über drei Behin­der­ten­park­plät­ze und feie­re mich dafür noch". Die­se Art von Men­ta­li­tät ist in Japan nicht so hoch ange­se­hen. Weißt du, in Deutsch­land wür­de man so sagen: "Ja, du gei­ler Typ! Hast sie wie­der alle gefickt und den Schwa­chen ins Gesicht getre­ten! Geil! Du bist geil!" Das wür­de man in Japan nicht sagen.

MZEE​.com: Wür­dest du dir das für Deutsch­land wün­schen? Dass man sich die­se Ver­hal­tens­wei­se viel­leicht ein wenig mehr aneig­net und weni­ger "kei­nen Fick gibt"?

Juse Ju: Ich glau­be, dass die­ses "auf nichts einen Fick geben", das sich hier­zu­lan­de immer mehr ein­bür­gert, eben auch Fol­gen hat. Dass Zwi­schen­mensch­li­ches nicht mehr so funk­tio­niert und dass man den Leu­ten ein­fach nicht mehr ver­trau­en kann. Die Gesell­schaft funk­tio­niert ja nicht nach Geset­zen, also indem du Leu­ten sagst, was man nicht darf. Eine Gesell­schaft funk­tio­niert so, wie eine Gesell­schaft funk­tio­niert. Es gibt da Sachen, die ein­fach Kon­sens sind. Eini­ge Sachen, wie, dass man sich in einer Schlan­ge anstellt, sind mir ja sogar egal, da scheiß' ich drauf. Es geht mir zum Bei­spiel eher um Geschäfts­be­zie­hun­gen. Wenn ich einen Hand­wer­ker bit­te, mei­ne Küche zu repa­rie­ren, will ich nicht den­ken müs­sen: "Dem muss ich jetzt krass auf die Hän­de gucken und alles spä­ter noch mal kon­trol­lie­ren, damit der mir nicht irgend­ei­nen Bil­lig­scheiß ein­baut. Damit der nicht irgend­wie ver­sucht, mich die gan­ze Zeit übers Ohr zu hau­en." Am Ende fickt das halt jeden und vor allem fickt es dei­nen Kopf, wenn du nie­man­dem mehr ver­trau­en kannst. Gera­de in der Musik­bran­che kannst du nie­man­dem ver­trau­en. Die Leu­te bau­en Schei­ße und es ist ihnen halt egal. Und ich hab' das Gefühl, dass die Leu­te in Japan das ein­fach erns­ter neh­men. Das klingt jetzt viel­leicht wie so ein ganz, ganz furcht­ba­rer Appell für Arbeits­mo­ral – aber das mei­ne ich gar nicht. Son­dern ein­fach, dass man mag, was man tut, und so ganz alt­mo­di­sche Sachen, wie dass man Leu­te, die einen bezah­len, nicht übers Ohr haut. Wenn ich in Japan jeman­den enga­gie­re und dem Geld gebe, dann bin ich mir ziem­lich sicher, dass das ein­wand­frei läuft, und muss mir kei­nen Kopf mehr machen. In Deutsch­land sehe ich das ein­fach gar nicht. Da wird jeder irgend­wie ver­su­chen, einen Vor­teil aus der Sache zu zie­hen. Die HipHop-​Szene fei­ert das ja total, aber die Leu­te ver­ste­hen nicht, dass die auch alle kopf­ge­fickt sind. Oder? Wenn du nur Miss­trau­en und eine "Wer den Nächs­ten fickt, ist der Geilste"-Mentalität an den Tag legst, ist das ein­fach anstren­gend. In Japan habe ich das Gefühl, wenn die was machen, dann machen sie's rich­tig. Ein­fach aus Prinzip.

MZEE​.com: Klar, da geht es dann eben auch dar­um, dass jemand das für sich selbst rich­tig macht und nicht nur für den jewei­li­gen Arbeitgeber.

Juse Ju: Das schwingt aber natür­lich auch öfter mal ins Gegen­teil um. Der Leis­tungs­druck in Japan ist enorm. Da kann man eben gar nicht locker mit Sachen umge­hen. So wird das natür­lich zu einem nega­ti­ven Aspekt, wenn man's über­treibt. Den­noch ist es gene­rell eher posi­tiv, wenn du weißt, dass sich die Leu­te anstren­gen, mit denen du zu tun hast. Weil jeder von uns tag­täg­lich mit Leu­ten zu tun hat und wenn die grund­sätz­lich einen Fick geben, dann ist das Schei­ße. Weißt du, ges­tern zum Bei­spiel bin ich Taxi gefah­ren. Da hab' ich ein Taxi geru­fen und das kam ein­fach nicht. Ich muss­te sehr drin­gend zu einem Ter­min, wo ich live in einer Sen­dung sein muss­te – und das Taxi kam nicht. Dann hab' ich irgend­wann nach zehn Minu­ten gesagt, ich kann jetzt nicht mehr war­ten, hab' ein ande­res Taxi ange­hal­ten und bei der Zen­tra­le ange­ru­fen: "Hey, ich hab' mir ein Taxi geru­fen, bin jetzt aber in ein ande­res gestie­gen, weil es nicht kam. Ihr könnt das stor­nie­ren." Und dann hat die Frau am Tele­fon mich ange­schnauzt! Die hat so gesagt: "Ja, das ist seit fünf Minu­ten da!" Wo ich mir dach­te: "Sag mal, geht's noch? Ich hab' gesagt, wo ich ste­he, da ist der Taxi­fah­rer nicht hin­ge­kom­men. Sei doch froh, dass ich sogar noch absa­ge." Das wür­de dir halt in Japan nicht pas­sie­ren. Da käme die Taxi­zen­tra­le nicht dar­auf, dich anzu­schnau­zen. Und jetzt kann man sagen: "Mim­im­i­mi, armer Juse" und ich bin ein biss­chen wie ande­re Rap­per, die sich über die Post ärgern oder so. Aber ich ver­ste­he das schon auch. Man kann in Deutsch­land irgend­wie immer dem die Schuld geben, der eigent­lich was bekom­men soll­te und dafür bezahlt hat. Und das ist auch schei­ße. Das muss ja nicht sein. (lacht) Spießer-​Juse ist am Start. "Spießer-​Juse", schreib das auf jeden Fall, bitte!

MZEE​.com: Klar, wird genau­so in der Head­line ste­hen. Aber noch­mal zurück zur Rap­sze­ne: Den Track "7Eleven" eröff­nest du mit den Wor­ten "Scheiß auf Sexis­mus – ich hass' alle Men­schen gleich" und zitierst damit eine alte Line von dir selbst, die mit "Scheiß auf Ras­sis­mus" begann. War­um, glaubst du, sind bei­de The­ma­ti­ken nach wie vor so stark in der Rap­sze­ne verankert?

Juse Ju: Das ist ein­fach kom­plett in die­ser Rap­sze­ne ver­an­kert. Rein fak­tisch. Ich könn­te dir jetzt 20 Songs und Typen nen­nen, die sowohl Ras­sis­mus als auch Sexis­mus leben. Gut, Ras­sis­mus viel­leicht tat­säch­lich ein biss­chen weni­ger, aber für mich ist in dem Fall auch Anti­se­mi­tis­mus Ras­sis­mus und den gibt es natür­lich auch in der Rap­sze­ne. Und über Sexis­mus brau­chen wir gar nicht zu reden. Wol­len wir ernst­haft dar­über reden, ob es Sexis­mus in der HipHop-​Szene gibt? Es gibt ja auch Sexis­mus in der Gesell­schaft, aber in der HipHop-​Szene ist Sexis­mus ja der Normalzustand.

MZEE​.com: Es ging auch weni­ger um das "Ob", als dar­um "war­um" der Sexis­mus nach wie vor so einen gewal­ti­gen Teil der Sze­ne prägt und Tei­le der Sze­ne gar nicht erst ver­su­chen, sich davon aktiv loszulösen.

Juse Ju: Rap hat ein Sexis­mus­pro­blem, weil Rap halt so Lockerroom-​Talk ist, weißt du? Ich sag' jetzt mal: Wenn man über Sex rappt, ist das ja nicht gleich Sexis­mus. Man kann ja auch über Sexua­li­tät reden und das ist nicht per se sexis­tisch. Aber die­se alten Bil­der sind halt im Rap noch sehr prä­sent. Ich glau­be, das liegt dar­an, dass Rap noch kom­plett von Män­nern geprägt ist. Auch die Batt­ler­ap­sze­ne. Wie vie­le Batt­ler­ap­pe­rin­nen kennst du? Bree­ze ken­ne ich. Und Pilz hat mal gebatt­let. Aber sonst ist das ein­fach eine kom­plett männ­lich gepräg­te Sze­ne. Und in einer sol­chen haut halt manch­mal einer auf die Frau­en drauf. Das geht dann oft auch weit über das Ziel hin­aus und ist total bescheu­ert. Es ist auch immer die­sel­be Art von Sexis­mus, muss man dazu sagen. "Frau" ist "schwach" und des­halb schlecht. Im Batt­ler­ap ist das natür­lich noch­mal was ande­res, weil Schwä­che im Batt­le wie Schwä­che im Leis­tungs­sport ist. Und damit fak­tisch was Schlech­tes. Wobei ich Frau­en natür­lich nicht all­ge­mein als schwach anse­hen wür­de, das ist auch nur so eine archai­sche Mit­tel­al­ter­an­sicht. Auch, dass die­se kör­per­li­che Mus­kel­stär­ke das Ent­schei­den­de ist. Über die habe ich viel nach­ge­dacht. Und ich hab' so über­legt, wer die mäch­ti­gen Men­schen in unse­rer Gesell­schaft sind. Also Leu­te, die Vor­stands­mit­glie­der bei irgend­wel­chen DAX-​Unternehmen sind, Poli­ti­ker, Leu­te, die gro­ßen Ver­ei­nen oder Orga­ni­sa­tio­nen vor­ste­hen, oder Schau­spie­ler. Alles Leu­te, die man so als ein­fluss­reich und groß wahr­nimmt. Und mir ist auf­ge­fal­len, dass es, außer bei Rap­pern, nicht einen ein­zi­gen gibt, der gro­ße Mus­keln hat. (lacht) Es gibt kei­ne Bran­che, in der gro­ße Mus­keln von Vor­teil sind, weder in der Poli­tik noch in der Wirt­schaft. Gro­ße Mus­keln sind nur in einer ein­zi­gen Bran­che von Vor­teil und das ist deut­scher Rap. Ansons­ten sind Mus­keln nur in Bran­chen wich­tig, die wenig Macht haben: Möbel­pa­cker, Fit­ness­trai­ner. Und das sind ja Men­schen mit ganz nor­ma­lem Beruf. Ich mei­ne das nicht irgend­wie sozi­al­ver­ar­schend oder so. Ich ken­ne Leu­te, die Fit­ness­trai­ner sind, und da ist das wich­tig. Im Rap wer­den Mus­keln und Macht immer noch gleich­ge­setzt, obwohl das in der Gesell­schaft über­haupt nicht so ist. Eher im Gegen­teil. Solan­ge man jetzt nicht denkt, die Poli­tik ist irgend­wie kom­plett unter­wan­dert – so kom­plet­te Echsenmenschen-​Fantasien –, dann ist die mäch­tigs­te Per­son bei uns in der Poli­tik Ange­la Mer­kel. Und die ist mus­kel­tech­nisch ja jetzt kein Lauch, aber auf jeden Fall ein Schwabbel.

MZEE​.com: Viel­leicht arbei­tet sie ja jetzt dar­an, nach­dem sie wie­der im Amt ist. Aber du hast auf jeden Fall recht, dass die Rap­sze­ne sich immer noch sehr auf die­sen kör­per­be­ton­ten Aspekt fokussiert.

Juse Ju: Das ist halt so 'ne Schulhof-​Logik. Auf dem Schul­hof brin­gen dir Mus­keln viel­leicht noch was. Aber vie­le Leu­te, die die­se Musik hören, sind eben auch noch jün­ger und wis­sen nicht, dass das so ab Mit­te 20 kei­nen mehr inter­es­siert. Die Leu­te, mit denen ich zu tun habe, fän­den es eher affig, wenn ich mit Mus­keln ankom­men wür­de. Aber ich fin­de das ja auch nicht schlecht. Ich lie­be Sport. Ich hät­te auch gern ein paar mehr Mus­keln, aber auch eher, um mich gut zu füh­len und mich gut bewe­gen zu kön­nen, weißt du? Wie sind wir da noch mal drauf gekom­men? Ach ja, wegen des archai­schen Männ­lich­keits­bilds in der Rap­sze­ne. Na ja, Rap funk­tio­niert halt wie Wrest­ling. Und Rap und Wrest­ling darf man, gera­de wenn es eher von Teen­agern kon­su­miert wird, ein­fach auch nicht über­be­wer­ten in sei­ner Bos­haf­tig­keit. Damit will ich Sexis­mus und Ras­sis­mus in unse­rer Gesell­schaft nicht schmä­lern, aber nicht jeder Scheiß, der von irgend­wel­chen Jungs aus sexu­el­ler Frus­tra­ti­on gefei­ert wird, hat auch direkt mit der Erwach­se­nen­welt zu tun.

MZEE​.com: Wie ist das denn mit Teen­agern, die "Shi­bu­ya Crossing" fei­ern, oder gene­rell mit Leu­ten, die bis­her nur dein neu­es Album gehört haben und mehr von Juse Ju wol­len? Wür­dest du denen emp­feh­len, auch die alten Sachen zu hören, oder wäre es dir lie­ber, wenn sie auf neu­es Zeug warten?

Juse Ju: Nö, die sol­len ger­ne die alten Sachen hören. Man muss da fai­rer­wei­se aber auch sagen, die ganz alten Sachen kön­nen die gar nicht hören. Das ältes­te, was man von mir bekommt, ist, glau­be ich, "Yo, Hip­Hop hat mein Leben zer­stört". Aber das muss man sich schon im Inter­net auf CD kau­fen. Mein ers­tes Solo­al­bum ver­kau­fe ich sogar immer noch auf Gigs. Und "Über­treib nicht dei­ne Rol­le" und "Angst & Armor" sind ja noch aktu­ell. Du musst mal über­le­gen, "Über­treib nicht dei­ne Rol­le" kam vor vier, "Angst & Armor" vor zwei Jah­ren und jetzt das. Ich drop­pe alle zwei Jah­re ein Album und daher ist das für mich alles noch rela­tiv aktu­ell. Das kann man ger­ne alles hören und muss nicht erst auf Neu­es war­ten. Das ist auch Quatsch. Ich bin nicht Money Boy, ich drop­pe nicht jede Woche ein Mix­tape. Das kann ich nicht leis­ten. Irgend­wann haben ja alle so die Ent­de­ckung ihres Lebens gehabt: Heu­re­ka! Man darf für einen Song nicht län­ger als 'ne Stun­de brau­chen, sonst ist er schei­ße. Und plötz­lich waren alle so: "Boah, das ist die neue Bibel! So muss man Songs schrei­ben", wo ich mir den­ke: "Ja, für ein paar weni­ge Künst­ler funk­tio­niert das, aber bei ganz vie­len Leu­ten kommt dann ein­fach nur noch Schmutz raus und ganz, ganz vie­le Leu­te wer­den dann ein­fach nur belie­big." Wenn du alle drei Mona­te ein Mix­tape raus­haust, hört dich doch kei­ner mehr. Ich geb' mir lie­ber Mühe. In jeden ein­zel­nen Song ste­cke ich so viel Arbeit wie manch ande­rer in ein Mix­tape. Und dann ist das am Ende viel­leicht doch inter­es­san­ter und durch­dach­ter und hat eben doch mehr Ideen. Ich hab' mal gehört, dass einer mein­te, dass es doch egal wäre, ob er ein Album in einem oder in drei Mona­ten macht. Da den­ke ich mir: "Nee, das ist doch so, als wür­de ich sagen, ich habe in einem Monat genau­so vie­le Ideen wie in drei Mona­ten oder in einem Jahr".

MZEE​.com: Heißt das dann, dass das nächs­te Juse-​Album auch wie­der in genau zwei Jah­ren erschei­nen wird?

Juse Ju: Ich pla­ne das nicht so, so darfst du dir das nicht vor­stel­len. Ich schrei­be Songs und habe auch jetzt schon Ideen, aber ich kann dir jetzt auch nicht sagen, was ich machen will. Mein Album ist seit ein paar Tagen drau­ßen und ich bin auch ganz froh, dass es jetzt da ist, aber rech­net bit­te nicht damit, dass von mir jetzt alle hal­be Jah­re ein neu­es Album kommt, das wird nicht pas­sie­ren. Ich glau­be auch, dass nie­mand das wirk­lich will. Denn wenn du in einem hal­ben Jahr das Album schon lang­wei­lig fin­dest, dann habe ich auch was falsch gemacht. Und klar, man hört jetzt auch nicht ein Album ein hal­bes Jahr lang durch, aber guck mal, wie alt ist das Trettmann-​Album? Das kam irgend­wann Ende letz­ten Jah­res und ich kann das immer noch ab und an hören. Viel­leicht nicht mehr so inten­siv wie am Anfang, aber das ist doch immer noch gut. Ich kann mir das immer noch geben. Es kann immer noch in die Play­list … Das ist mein Ziel! Dahin­zu­kom­men, dass man das auch in zwei, drei Mona­ten über mich sagt, weil man immer wie­der neue Songs vom Album fin­det, die einen inspi­rie­ren. Die Sin­gles sind irgend­wann durch, aber dann fin­det man einen neu­en Album­song. So waren Alben für mich frü­her. "Gefähr­li­ches Halb­wis­sen" von Eins Zwo oder "Jetzt schämst du dich" von Huss & Hodn oder das ers­te M.O.R.-Album. Da fin­det man dann auch immer wie­der neue Favo­ri­ten. So muss ein Album für mich sein. Das muss durch­dacht und gut sein und das muss man mehr als ein­mal hören wol­len. Die­se Mixtape-​Kacke, die ande­re da ablie­fern, hörst du doch nur ein­mal durch. Das ist dann aber doch die Arbeit nicht wert. Per­len vor die Säue.

MZEE​.com: Dann doch lie­ber etwas, das län­ger gebraucht hat, dadurch aber auch einen gewis­sen Wert erlangt hat.

Juse Ju: Nimm doch zum Bei­spiel mal die bei­den Klassiker-​Casper-​Alben "XOXO" und "Hin­ter­land" – ich kann mir die immer noch anhö­ren und fin­de da auch was Neu­es drauf. Weil man auch merkt, dass er ver­sucht hat, in jede Zei­le was rein­zu­ste­cken. Aber wenn dei­ne Zei­len immer nur "Baby, cra­zy" sind, dann ist man halt auch schnel­ler wie­der weg. Aber hey, ich sag' ja gar nix! Sol­len alle Leu­te den­ken, ein Mix­tape in einer Woche auf­zu­neh­men ist der abso­lu­te Shit und dabei kommt dann ganz, ganz, ganz, ganz, ganz gro­ße Kunst bei rum! Weißt du? Dann ist das so. Geil! Mach doch nur das! Ihr seid dann doch von Gott geseg­net und müsst nur eine Woche arbei­ten und habt ein Album fer­tig. Ich muss andert­halb Jah­re dafür arbei­ten. Mensch, seid ihr schlau und schnell. Das ist doch geil für die. Ich muss mir den Arsch auf­rei­ßen und die schie­ßen das ein­fach locker aus der Hüfte.

MZEE​.com: Ich fin­de, das ist ein sehr schö­nes Schluss­wort. Oder möch­test du dem noch etwas hinzufügen?

Juse Ju: Ich möch­te noch hin­zu­fü­gen: Hört euch ein­fach mal "Shi­bu­ya Crossing" an. Und wenn's euch nicht gefällt, schreibt mir ein­fach eine Hass­mail oder Drohung.

(Dani­el Fersch)
(Fotos von OH MY)