Ob nun Timi Hendrix, Casper oder FiST – die eigentlich überschaubare Bielefelder Rapszene hat schon verhältnismäßig viele Talente hervorgebracht. Zu ihnen gehört auch der 23-jährige Montez. Seit seiner Teilnahme bei einem Newcomer-Contest 2011 machte er unter anderem durch eine Kollabo-EP mit KaynBock sowie das vor zwei Jahren erschienene Album "Für immer und eh weg" von sich reden. Mit "So macht die Sonne das auch" veröffentlichte der Rapper nun ein Werk, welches komplett mit der Rückendeckung seines Labels "Über die Grenze" entstanden ist. Im Interview sprachen wir mit Montez darüber, wie sich seit dem Signing seine Arbeitsweise geändert hat, inwieweit er sich seit dem letzten Release weiterentwickelte und wieso er zusammen mit Kool Savas dessen Song "Candyman" in seiner Heimatstadt Bielefeld performen durfte.
MZEE.com: Zu Beginn werfen wir einen Blick zurück: Erstmalig hörte die breite Masse bei einem Newcomer-Wettbewerb 2011 von dir. Würdest du dieses Erlebnis als deinen Durchbruch benennen? Oder wartest du noch darauf?
Montez: Also, den großen Durchbruch würde ich das jetzt nicht nennen, den gab es auf jeden Fall noch nicht. Zu der Zeit hatte ich aber wohl den größten Hype. Das war quasi der Grundstein für alles, was ich bis heute je tat. Ohne den Newcomer-Wettbewerb wäre gar nichts gegangen. Dadurch habe ich Savas kennengelernt, er saß in der Jury, hat mich kontaktiert und mir alle Türen offengehalten, die ich bis dato auch geöffnet habe.
MZEE.com: Die Bindung zu Savas war immer schon ein Thema bei dir. Erinnerst du dich an einen besonderen Moment mit ihm?
Montez: Es gibt natürlich schon wahnsinnig viele Momente mit ihm. Klar, ich war ja auch schon vier Mal auf Tour dabei, sogar Urlaub in Kitzbühel haben wir mal zusammen gemacht. (lacht) Mit ihm gibt es auf jeden Fall extrem viele, witzige, verrückte Geschichten. Ich wüsste da gar nicht eine besondere.
MZEE.com: Was war denn die letzte Story mit ihm, an die du dich erinnerst?
Montez: Das ist noch gar nicht so lange her. Wir waren im Urlaub, dort hat er mir den Song "Candyman" von seinem späteren Mixtape "Essahdamus" gezeigt. Da rappt er auf Gitarren-Klängen und erzählt, wie er auch auf so einem Instrumental alle fickt. Ich war sofort geflasht davon, das war für mich der Song des Jahres. Ich fand den total witzig. Als wir anschließend im Januar auf Tour waren, hat er mich in Bielefeld zum letzten Song auf die Bühne geholt – ausgerechnet in meiner Heimatstadt! Ich stand bis dahin nur daneben und hab' mir eben die Show angeguckt, da bittet er mich raus und wir singen gemeinsam das Lied. Normalerweise macht er das mit Remoe oder so, aber für die Bielefelder Crowd hat er mich damit überrascht. Für so einen Spaß ist Savas immer gut.
MZEE.com: Wie hat das Publikum die Aktion aufgenommen?
Montez: Total gut! "Candyman" spielt er ja sowieso immer, aber eigentlich eben mit Backgroundsängern. Weil er wusste, dass es mein Lieblingssong ist und wir in meiner Heimat performen, hat er sich diese Aktion ausgedacht. Das war dann sowieso ein Heimspiel für mich.
MZEE.com: Dein Umfeld ist ja immer noch Bielefeld, die Heimat einiger Rap-Größen. Denkst du, eine andere Heimat würde sich auf dein Schaffen auswirken? Und was würde bei einem Umzug passieren?
Montez: Früher hatte hier wirklich jeder mit jedem etwas zu tun. Wir kennen uns alle untereinander, Timi Hendrix und so. Mittlerweile ist das aber gar nicht mehr so, ich mache auch keine Musik mehr in Bielefeld. Beim letzten Album befand sich mein Studio in Neuss, dieses Mal in Frankfurt. Deshalb sind meine Kontakte in der Musiklandschaft nicht so regional gebunden.
MZEE.com: Hat das produktionstechnische Gründe oder wieso nimmst du nicht direkt in der Heimat auf?
Montez: Das hat mehrere Ursachen. Die größte ist natürlich, dass in Bielefeld nicht sonderlich viel geht. Mit Casper ist ja auch schon das größte Zugpferd nach Berlin gezogen. Außerdem kamen meine Produzenten zuletzt eben aus Düsseldorf, bei "So macht die Sonne das auch" waren wir gemeinsam in den Labelstudios am Main. Da bietet sich das mehr an.
MZEE.com: In unserem letzten Interview hast du erzählt, wie du zu deiner Labelheimat "Über die Grenze" gekommen bist. Damals hast du auch viel über den Druck gesprochen, der auf "Für immer und eh weg" lag. Hat sich das bei der neuen Platte geändert, weil du jetzt über die gesamte Produktionszeit hinweg die "Rückendeckung" des Labels hattest?
Montez: Für diese Platte habe ich direkt losgelegt. Ich hab' auch zum ersten Mal eine Deadline bekommen, sowas gab es bisher noch nie bei mir. Dann haben wir binnen eines halben Jahres das komplette Album fertig gemacht, was für mich ziemlich schnell ist. Sonst brauche ich ja immer so zehn Jahre. (lacht) Das ist der größte Unterschied eigentlich: die Regelmäßigkeit meiner Studio-Besuche, meine tägliche Arbeit an den Songs und unser schnelles Vorankommen.
MZEE.com: Würdest du sagen, du brauchst solch eine Deadline bei deinem Schaffen?
Montez: Für mich ergibt das viel mehr Sinn. Auch, weil man dann den Druck hat, etwas hinzukriegen und sich quasi dazu quält, häufiger etwas aufzunehmen. Dadurch machst du einfach viel mehr Musik. Früher bin ich alle zwei Monate mal ins Studio gefahren und hab' gechillt – dann dauert das eben Ewigkeiten. Wenn man aber weiß, die Platte muss dann und dann fertig sein … Da gibt es keine andere Möglichkeit, dann muss man sich zwingen. Im absolut positiven Sinne – man ist ja produktiver.
MZEE.com: Hat sich sonst noch irgendetwas an deiner Arbeitsweise geändert seit dem Signing?
Montez: (überlegt) Nicht wirklich. Es ist eigentlich dasselbe wie vorher. Es ist immer noch die Musik, die ich geil finde und auf die ich Bock habe. Das toleriert bei "Über die Grenze" auch jeder und wenn ich etwas abgebe, finden sie es meistens auch cool – wir haben ja sowieso oft den gleichen Geschmack.
MZEE.com: Dein neues Album trägt den Titel "So macht die Sonne das auch". Was genau macht die Sonne denn auch und wie kam es zur Entscheidung, sie in deinen Titel aufzunehmen?
Montez: Ich mag es nicht, wenn ein Album nur ein Wort als Titel hat. Ich will, dass der Name Platz für Interpretation und Wortspielereien hat. Hier habe ich einfach drauflos gearbeitet, irgendwann stand die Zeile und dann hat es auch schon Klick gemacht. Ich wusste, genau so muss das Album heißen. Auf "Für immer und eh weg" war es schon der gleiche Prozess.
MZEE.com: In welchem Zusammenhang zum Album steht die Zeile denn?
Montez: Einerseits heißt eben das Outro so, weil ich keine klassischen Anfänge und Enden mag. Mein Intro ist ja auch schon der Feature-Song mit Vega, ebenso ungewöhnlich. Andererseits habe ich schon beim Schreiben des Songs gemerkt, wie gut die Message auf das Album passt. Die Platte ist ebenso fröhlich wie dunkel und straight Montez. So macht die Sonne das auch. Sie geht auf und ab mit dieser Regelmäßigkeit.
MZEE.com: Von "Für immer und eh weg" zu "So macht die Sonne das auch": Inwieweit hast du dich musikalisch und menschlich seitdem weiterentwickelt?
Montez: Schwer zu sagen. Ich habe vier Jahre am letzten Album gearbeitet, bin dabei durch meine wichtigsten Jugendjahre gegangen. Ich habe mit 16 angefangen, daran zu schreiben. Mit 20 war ich fertig. Da habe ich immer gesagt, dass ich mit der Platte erwachsener geworden bin, auch wenn das eine sehr harte und selbstkritische Zeit war. Dieses Mal war das doch ein bisschen anders, weil ich freier Musik gemacht habe und mittlerweile auch tatsächlich erwachsen bin. (lacht) Das hat dazu geführt, dass die Songs irgendwie positiver und fröhlicher klingen als noch vor ein paar Jahren.
MZEE.com: Das fällt auch bei den Videosingles auf. War es eine bewusste Entscheidung, mehr in die musikalische Richtung zu gehen, anstatt auf die ausgefeilte Technik zu setzen?
Montez: Ich habe ja schon immer gesungen. Ich höre das auch gerne privat und nutze es deswegen als Stilmittel. Mein Ziel war es schon immer, das mit HipHop zu verbinden. Auf "Für immer und eh weg" habe ich das noch dezent angedeutet, hier habe ich mich mehr getraut und es noch melodischer werden lassen.
MZEE.com: Inwieweit war das ein Experiment für dich?
Montez: Ich hatte schon öfters Songs wie "Nie mehr schreiben" im Kopf, die viel poppiger sind als normale Rap-Tracks. Das habe ich bis dato eigentlich eher vermieden, aber dieses Mal wollte ich das einfach mal ausprobieren – auch, wie das zu mischen ist, wie es aufgenommen klingt und Ähnliches. Das hatte ich mich zuletzt eben nicht getraut, da blieb alles viel raplastiger.
MZEE.com: Was genau hast du dich nicht getraut und wieso?
Montez: Es ist für meine Fans überfordernd, wenn die seit zehn Jahren nur deepe Rapsongs von mir kennen und plötzlich so viel Gesang reingebracht wird. Damit habe ich mich immer sehr schwergetan. Am Ende des Tages habe ich jetzt aber einfach das gemacht, was ich richtig fand und worauf ich Bock hatte – das hat bis heute immer funktioniert. Wenn dann "Nie mehr schreiben" sehr poplastig und "Stein zu Gold" melancholisch auf einem Piano-Beat daherkommt, dann weil ich das in dem Moment so gefühlt hab'. Da müssen meine Leute jetzt leider durch. (lacht)
MZEE.com: Welche Art von Songs gehen dir denn beim Schreiben leichter von der Hand?
Montez: Nach wie vor fällt es mir immer noch leichter, deepe Tracks zu machen – vor allem, wenn die Stimmung passt. Das hängt auch damit zusammen, dass ich bisher immer nur total tiefgründige Sachen geschrieben habe und gar nicht wusste, wie man anders an einen Song rangehen kann. Diese positive Ader musste ich mir erst einmal anlernen.
MZEE.com: Wie lernt man, positiver zu sein beziehungsweise positiver zu schreiben?
Montez: (lacht) Das hat viel mit meiner persönlichen Entwicklung zu tun. Wie gesagt, beim letzten Album war auch meine Lebensphase relativ hart und düster. Mittlerweile ist das nicht mehr so. Ich fühle mich wohl und habe soweit alles im Griff. Dann fällt man vielleicht sogar unterbewusst schon die Entscheidung, andere Texte zu schreiben. Das ist eine Entscheidung aus dem Moment heraus, vor allem, wenn ich im Studio bin. Da bin ich meistens auch am kreativsten. Ich kann zuhause eben gar keine Musik machen, wie erwähnt. Dafür muss ich erst einmal zwei Stunden von dort weg sein.
MZEE.com: Zum Abschluss habe ich noch ein Zitat für dich vorbereitet, von einem meiner persönlichen Highlights auf dem Album: "Meerjungfrau". Da rappst du …
Montez: (unterbricht) Echt? Der? Krass.
MZEE.com: Wieso krass?
Montez: Das ist der Song, vor dem ich am meisten Schiss hatte. (lacht) Ich hatte die Befürchtung, dass den alle zerpflücken würden. Einfach, weil der so extrem kitschig ist und nur wenig mit Rap zu tun hat. Wenn jetzt meine Fans aus der Ecke von Kool Savas oder Vega den hören, werden die sofort wieder abgeschreckt. Das würde sie so dermaßen überfordern. Ich habe jetzt aber schon von diversen Leuten gehört, dass das ihr Lieblingssong vom Album ist. Finde ich cool, hätte ich nicht so erwartet. Dann hat der Song etwas gebracht. "So macht die Sonne das auch" ist schließlich auch dazu da, die Fanbase zu erweitern.
MZEE.com: Mir hat auf dem Song eine Zeile besonders gefallen, nämlich: "Du nimmst mich in deine Arme und du ziehst mich unter Wasser und zeigst mir dein Atlantis." – Wie soll dein Atlantis, dein perfekter Ort, an dem dich wohlfühlst, denn aussehen?
Montez: Gute Frage. Diesen Ort habe ich noch nicht gefunden. Der perfekte Platz, an dem man sein kann, ist vermutlich der, an dem man einfach existieren kann. Ohne Druck von außen, vielleicht sogar ohne Handynetz und da, wo man Verstand und Sinne schärfen kann. Dort muss man auch in Ruhe mit den richtigen Leuten seine Zeit verbringen, weg von der Großstadt und einfach mal im Hier und Jetzt leben können. Das ist der Ort, den ich nach den Albumarbeiten definitiv mal finden sollte. (lacht)
(Sven Aumiller)
(Fotos von Robert Maschke)