In Deutschland schieben wohl genug Rapper Filme. Das dachte sich zumindest John Known, der sein musikalisches Schaffen seit dem neuesten Release in einen Serienmantel gehüllt hat. "Staffel 01 Episode 01" stellt als Pilotfolge den Start dieser Reihe dar und zeigt, wo John herkommt – sowohl musikalisch als auch geografisch. So berappt der Wahlberliner Kopfnicker-Beats von Producer Figub Brazlevič, die Heimat Hamburg findet sich ebenfalls im Sound und in den Texten wieder. Wie bei jeder guten Serie üblich, hat aber auch John Known noch einige Überraschungen parat – die nächsten Episoden sind schon so gut wie abgedreht. Im Interview sprachen wir deshalb mit ihm über den Sound der anstehenden EPs, seinen eigenwilligen Rapstil, die Ereignisse beim kürzlich stattgefundenen G20-Gipfel und eine niemals enden wollende Busfahrt von Hamburg in Johns Heimatdorf.
MZEE.com: Du hast mit deiner neuen Platte eine Serie gestartet. Ist der Hauptdarsteller John Known eher Held oder Antiheld?
John Known: Boah, dieser John Known … ist er Held, ist er Antiheld? Weder noch. Er ist so ein bisschen wie Gandalf. So ein mieser Motherfucker, der zwar nicht der Main Character ist, aber schon mehr weiß als die anderen und auch dementsprechend handelt. Er ist eher der erzählende Typ, der sowohl vom Helden als auch vom Antihelden erzählt.
MZEE.com: Gandalf ist ein sehr weiser Charakter. Ist Weisheit für dich eine wichtige Eigenschaft?
John Known: Würd' ich schon sagen. Wissen ist Macht, aber Wissen ist auch gleichzeitig ein Fluch. Das ist wie bei dem Helden- oder Antiheldending. Du bekämpfst das Böse – aber um was zu beschützen? Und inwieweit weißt du, ob das Gute gut ist? Ich hab' auf jeden Fall das Gefühl, dass vielen Leuten vieles entgeht. Dass die einfach geblendet sind von Dingen, die sie blenden sollen, damit sie nicht das große Ganze sehen. "Weise sein" klingt so eingebildet und hochgestochen. Ich bin ja bei Weitem kein Professor oder so, ich hab' noch nie 'ne Uni betreten. Aber ich seh' mich in meinem Serien-Kontext schon so als drittes Auge … zum Teil.
MZEE.com: Was genau ist denn der Inhalt der Serie? Geht es einfach um dein Leben oder hast du dir noch anderweitige Gedanken gemacht?
John Known: Die Tracks geben für mich immer eine gewisse Zeit wieder. "Episode 01" ist für meine Ohren hundert Prozent Hamburg, weil ich in der Zeit dort gelebt hab'. Eine Serie lebt ja davon, was die Charaktere erleben. Es sind Lebensabschnitte, die auf 'ner Audiospur landen. Kein "fake it till you make it", sondern einfach ehrlich.
MZEE.com: Du hast gerade schon deine Zeit in Hamburg angesprochen. Als es zu den Zwischenfällen beim G20-Gipfel kam, hast du dich auch bei Facebook dazu geäußert. Was für ein Gefühl hat es in dir ausgelöst, solche Szenen in deiner Stadt mitzuerleben?
John Known: Es ist schon komisch gewesen. Weißt du, bei den friedlichen Protesten wär' ich auch mitgelaufen, wenn ich da gewesen wäre. Das hat ja alles Gründe. Aber das, was dann passiert ist … Mittlerweile denk' ich mir natürlich auch: Leute, ein paar tausend Kilometer weiter erleben das die Leute jeden verfickten Tag. Und jetzt dreht ihr einmal durch, weil es hier gebrannt hat. Trotzdem: Dieses wahllose Zerstören von fremdem Eigentum, Kapitalismus hin, Kapitalismus her … es hat mir wehgetan. Ich hab' lange in der Schanze gewohnt, im Gefahrengebiet gelebt und viele Demonstrationen miterlebt. Ich bin auch mitgelaufen. Aber das war irgendwie noch lokal. Was mich wirklich aufregt, ist, dass Leute extra nach Hamburg kommen, nur um Sachen kaputt zu machen. Dieser Krawalltourismus. Das ist so derbe sinnlos. Die laufen mit ihrer North Face-Jacke für 200 Euro und ihren New Balance- oder Nike-Tretern made in China rum, zünden Autos an und plündern Läden. Ich hab' mit Leuten gequatscht, die gegenüber von einem Apple Store wohnen. Du hast die Leute gehabt, die MacBooks rausgeholt und auf der Straße angezündet haben. Und du hast da Leute gehabt, die mit den MacBooks verschwunden sind. Wäre ich dagewesen, wär' ich wahrscheinlich tagsüber bei den friedlichen Protesten mitgelaufen und hätte abends mein Viertel bewacht. So Darkwing Duck-mäßig.
MZEE.com: Kommen wir wieder zu deiner Musik. Im Intro der EP zählst du viele US-Legenden auf, das Werk ist im Oldschool-Boom bap-Gewand gehalten. Ist es dir wichtig, deine musikalischen Wurzeln zu verorten?
John Known: Total. Alleine aus dem Grund, dass es für mich damals mit 13 Jahren oder so mit dieser Mucke begonnen hat. Dieser dreckige East Coast- und New York-Sound hat mich damals schon fasziniert und süchtig nach dem Scheiß gemacht. Ich hatte zwischendurch auch mal 'ne kreative Pause, in der ich mich überhaupt nicht mit HipHop befasst habe. Da war dann Figub der erste Produzent, mit dem ich wieder angefangen hab', zu arbeiten. Auch darum war's mir wichtig, mit dieser boom bapigen EP als Erstes an den Start zu gehen. Gar nicht mal, um dem Zeitgeist "Fick dich!" zu sagen. Sondern vielmehr, um ganz unabhängig vom aktuellen Game und den Entwicklungen für mich meinen Startschuss zu setzen. Und danach geht's Step by Step weiter.
MZEE.com: Du hast auch viel mit dem IMMER.READY-Umfeld zu tun, das ja für einen ganz anderen Sound steht. Für die Jungs bist du auch schon als Support aufgetreten. Wie hat das Publikum bei den Konzerten auf deine Musik reagiert?
John Known: Na ja, Digger, ich hab' ja noch ein bisschen was in petto. (lacht)
MZEE.com: Also hast du nichts von der ersten Episode gespielt?
John Known: Ich hab' die Sachen zum Teil schon gespielt, aber ich hab' doch eher Tracks gebracht, die noch rauskommen werden. Also, klar hab' ich dann da mehr Trap rausgeholt. Die Auftritte waren aber eh vor dem Release von "Episode 01", es gab' also auch noch keinen großen Eindruck von mir. Da konnte ich dann eigentlich machen, was ich wollte – und hab' das dann auch auf die Spitze getrieben. (lacht) Ich hab' auch schon für MC Rene Support gespielt, da hab' ich mich natürlich mehr auf die Boom bap-Dinger konzentriert. Ich bin eh genrelos in diesem HipHop-Kosmos. Ich mach' die Mucke, die mir gefällt, auf die Beats, die mir gefallen. Das kann auch Klassik sein, wenn's sein muss.
MZEE.com: Du hast einen ziemlich eigenwilligen Rapstil. Kannst du irgendwie erklären, wie dieser sich entwickelt hat?
John Known: Danke, das weiß ich auf jeden Fall zu schätzen. Wie der sich entwickelt hat … Ich hab', glaube ich, so mit 15 die ersten mehrsilbigen Reime gedroppt. Davon ausgehend hab' ich es die nächsten Jahre immer weiter gefeiert, mich technisch weiterzuentwickeln. Mit 17 bin ich ganz mies auf Hiob und den Funkviertel-Tapes hängengeblieben. Diese alten V-Mann-Geschichten. Da haben mich die Phonetik und die Art und Weise des Erzählens total geflasht. Genauso hat mich Olli Banjo mit "Schizogenie" und "Sparring" geflasht. Samy hat mich geflasht. Irgendwann hab' ich dann nur noch House und UK Bass und so weiter gehört und angefangen, darauf zu freestylen und meinen Flow weiterzuentwickeln. Daraus kommst du dann irgendwann zurück zu Boom bap-Beats und kannst richtig ausrasten. Ich flow' nicht für den Otto Normal-deutschen Rap-Hörer. Ich möchte, dass ein Ami, Franzose, Russe oder Engländer das hört, kein Wort versteht, aber den Flow feiert. Das ist so meine Prämisse. Ich finde, dass die deutsche Sprache eine sehr schöne Sprache für Dichtkunst und so weiter ist. Das haben meiner Meinung nach nur sehr wenige verinnerlicht, um das mit ihrem Flow nach außen zu tragen. Der Querschnitt des aktuellen deutschen Raps hört sich für mich nur nach der Kopie der Kopie der Kopie an, technisch jedenfalls. Das machen die Amis, Franzosen oder Engländer besser, finde ich.
MZEE.com: "Staffel 01 Episode 01" ist ja nur Beginn deiner Serie. Kannst du schon einen Ausblick auf die folgenden Episoden geben? Mit welchen Produzenten hast du gearbeitet, in welche Richtungen geht der Sound?
John Known: Ich kann auf jeden Fall ein paar Produzentennamen droppen. Figub wird nicht dabei sein. Da uns eine besondere, innige Liebe verbindet, lassen wir uns etwas Zeit für die nächste EP zusammen. Ich hab' mit Sugaboy aus Berlin zusammengearbeitet. Ich hab' mit Dr. Zorn gearbeitet, ehemalig aus der KunstWerkStadt, der hat auch für Samy ein paar Sachen produziert. Schoolboy aus Hamburg ist dabei. KAZ vom District 96 aus Berlin ist dabei. Und natürlich – das muss man zuletzt sagen, aber ganz groß betonen – mit Yunis. Der ist in der HipHop-Szene noch nicht ganz so bekannt, hat aber dieses Jahr auch auf dem Splash! gespielt. Der kommt aus dem für mich persönlich "echten" Trap. Also, nicht so die Weiterentwicklung des Dirty South, wie es der berappte Trap ja eigentlich ist, sondern eher dieser Trap, der sich aus Dubstep, Drum and Bass und so weiter entwickelt hat. Mit dem hab' ich viel gearbeitet und verschiedene Sounds entwickelt. Und ich glaube, wenn man sich die Produzenten mal gibt, kann man schon erahnen, was da kommt.
MZEE.com: Hast du dich dann jeweils pro EP mit einem Produzenten zusammengetan oder wie kann man sich das vorstellen?
John Known: Nee, das hatten wir kurz überlegt, aber im Endeffekt nicht gemacht. Die verschiedenen Sounds auf den EPs variieren schon sehr. Mit der ersten, zweiten, dritten, vierten Episode wird der Bogen gespannt und man hat eine gewisse Vorstellung davon, was man vom Album erwarten kann.
MZEE.com: Das kommt also auch noch.
John Known: Das kommt auch noch irgendwann. Dieses Jahr nicht mehr, da kommen nur Episoden. Der "Film" kommt dann nächstes Jahr. EP-technisch kommt definitiv in diesem Jahr noch etwas, wenn nicht sogar schon in den nächsten paar Wochen. Wer weiß. Eine gute Serie braucht ja ein bisschen Vorlauf und wir haben schon ein bisschen vorgedreht. Jetzt heißt es nur noch strukturieren, finalisieren und schneiden. Ich bin sehr fleißig, wenn ich Lust habe. (lacht)
MZEE.com: Der Track "M3" handelt von einer Buslinie in Hamburg. Kannst du eine besondere Anekdote aus dem Bus erzählen?
John Known: Erst mal ist das Busfahren in dem Track eine Metapher dafür, einfach die kleinen Dinge im Leben zu schätzen zu wissen. Wie so eine kleine Atemübung, der Kaffee am Morgen, der Sonnenuntergang am Hafenufer – einfache Dinge, die ich zu schätzen gelernt habe. Ich glaube, die sind für uns alle sehr wichtig. Dafür steht der Track. Zum anderen bin ich diese Strecke früher Tag für Tag gefahren. Und ich hab' tatsächlich eine ziemlich abgefuckte Anekdote über die öffentlichen Verkehrsmittel. (lacht)
MZEE.com: Ich bin gespannt.
John Known: Also, ich hab' eine sehr lange Zeit lang regelmäßig aufgelegt, mach' ich heute auch noch ab und zu. Damals hab' ich House- und Bassmusik aufm Kiez aufgelegt. In einem total kleinen Schuppen, in dem es sonst gerne mal bis neun Uhr morgens oder so ging. In diesem Fall waren wir so gegen sechs Uhr durch, es war Anfang Dezember und arschkalt. Meine dicke Winterjacke wurde mir an dem Abend geklaut und ich lief nur im T-Shirt rum. Ich war also mit meinen Kollegen unterwegs und einer von denen ging mir wirklich mies auf den Sack. (lacht) Ich hab' noch auf dem Dorf gewohnt, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln brauchte ich von Hamburg aus so zwei Stunden nach Hause. Als kleine Gruppe rufst du dir dann halt ein Taxi. Das war auch schon gerufen, aber der Typ ging mir so auf den Sack, dass ich in die nächste U-Bahn gestiegen bin. Ich bin dann in der U-Bahn eingepennt und wurde am Jungfernstieg rausgeworfen. Ich torkel' hoch und schaffe es mit dem nächsten Bus gerade so zum Hauptbahnhof. Von da wollte ich dann mit der Metro in die nächste Kleinstadt, um mit dem nächsten Bus in mein noch kleineres Dorf zu kommen. Ich bin dann wieder eingepennt und in Bremen aufgewacht. Dann hab ich erst mal zu Hause angerufen, dass ich später komme – ich hatte so fünf oder sechs Termine an dem Tag, die ich hätte wahrnehmen sollen. Nach einer Stunde krieg' ich in Bremen die nächste Bahn in mein Dorf, penne natürlich wieder ein und wache in Hamburg auf. Ich bin dann mit der anderen Metro nach Lüneburg gefahren, einfach um nicht wieder die gleiche Strecke zu nehmen und wieder einzupennen. Ich hab' Lüneburg tatsächlich verpasst und bin im nächsten Dorf gelandet, wo ich dann eine Stunde rumgestanden habe. Im Endeffekt war ich neun Stunden unterwegs, bis ich zu Hause angekommen war. Ich hab' natürlich von jedem den Blick des Todes bekommen. Ich hatte aber gar keinen Bock, mich zu erklären und bin einfach pennen gegangen. (lacht) Nie wieder, Alter.
MZEE.com: Die Story wäre zwar auch definitiv geeignet, trotzdem wollen wir zum Abschluss noch etwas von dir wissen: Was sind deine drei Alltime-Favourite-Serien?
John Known: Also, eine davon hat gerade wieder neue Folgen rausgehauen: "Adventure Time". Mit Finn the human und Jake the dog. Das ist 'ne Comic-Serie im Fantasieland Candy Kingdom. Einfach nur geil. Die schaffen es in zehn Minuten, Geschichten mit so einer tiefen Moral zu erzählen … Das ist, glaube ich, eigentlich 'ne Kinderserie. Aber die hat so viel Tiefgang auf so eine simple Art und Weise, dass es mich immer wieder fasziniert. Als zweites würde ich "Rick and Morty" nennen. Ich bin echt so ein Comic-Kind. Supergeile Serie und total abgespacet. Vor allem die Interviews mit dem Autor sind interessant, weil tatsächlich sehr viel Sinn dahintersteckt. Und dann kommt auch schon "South Park". Classic. Die hat ja nur leider der Schlag getroffen, denn was sollen sie jetzt noch drehen? Die ganze Welt nimmt sich ja selber hoch.
MZEE.com: Die letzten Worte gehören dir.
John Known: Fette Grüße gehen raus an Figub Brazlevič, an Benne von Krekpek Records, an Yunis, Kaz, District 96, an Wilson, Ilan, Jakob, Jan, Till. Shouts gehen raus an Bamboo, an Marius und Crackup & Snack – Normaler Film, Finn und Phil, Rene aka Ego, one Love. Ich glaub', dann hab ich sie fürs Erste. (lacht)
(Alexander Hollenhorst)
(Fotos von Finn Jäger)