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Interview

Sichtexot

"Es ist ja ins­ge­samt die Fra­ge: Fickt der Main­stream den Unter­grund? Find' ich nicht. Spä­tes­tens seit dem Inter­net ist das nicht mehr so ein­fach." – Die Sichtexot-​Gang im Jubi­lä­ums­in­ter­view über fünf Jah­re Sicht­exot, selt­sa­me Biting-​Vorwürfe, die Fes­ti­valland­schaft in Deutsch­land und Liegestütze.

"Der Sicht­exothe­is­mus steht für Drums, Samples, Swing, re­flek­tie­rende Lyrics und we­sen­lose Batt­ler­aps auf Beats." – Mit die­sen Wor­ten be­schrei­ben die Jungs von Sicht­exot ih­ren Sound auf Face­book selbst ziem­lich tref­fend. Fünf Jah­re sind mitt­ler­weile seit der Label-​Gründung ver­gan­gen und in ebenje­nen fünf Jah­ren hat sich das Team im deut­schen Unter­grund­rap mehr als eta­bliert. Vor die­sem Hin­ter­grund sind Tufu, Luk&Fil, elo­Quent und Co. kürz­lich das ers­te Mal ge­mein­sam auf gro­ße Tour ge­gan­gen, wo sie un­ser Redak­teur Alex­an­der Hol­len­horst ei­nes schö­nes Abends zum Gespräch ­tref­fen durf­te. Er saß mit dem Groß­teil der Sichtexot-​Truppe zu­sam­men, um über ihre ge­mein­same Zeit, die Aus­wir­kun­gen des Main­streams auf den Unter­grund und selt­same Biting-​Vorwürfe zu sprechen.

MZEE​.com: Tufu, du bist von Anfang an da­bei, hast Sicht­exot mit ge­grün­det. Hät­test du über­haupt ge­dacht, dass die­ses Kol­lek­tiv so lan­ge Bestand hat? 

Tufu: Geplant oder ge­dacht hät­te ich das da­mals nicht. Aber es über­rascht auch nicht, weil es eine na­tür­lich ge­wach­sene Sache ist. Wir ken­nen uns ja alle schon jah­re­lang und sind auch au­ßer­halb da­von, dass wir zu­sam­men Sound ma­chen, be­freun­det. Das ist we­nig über­ra­schend und das wird auch noch lan­ge Zeit so wei­ter­ge­hen, weil es im na­tür­li­chen Umfeld statt­fin­det … Und da macht man halt einfach.

MZEE​.com: Was hat sich ver­än­dert, wenn du heu­te auf eure Situa­ti­on vor fünf Jah­ren zurückschaust?

Tufu: Es ist na­tür­lich ei­ni­ges an or­ga­ni­sa­to­ri­schem Auf­wand dazuge­kom­men. Vor al­lem Jens und Anton haben sich da als "Mana­ger" sehr zu den Strip­pen­zie­hern im Hin­ter­grund ge­mau­sert. Sie hel­fen uns bei Din­gen wie un­se­ren Tou­ren oder auch, wenn es um War­te­zei­ten im Press­werk geht oder dar­um, eine Plat­te ins Mas­te­ring zu ge­ben. Den Mehr­auf­wand mer­ken wir, die als Künst­ler auf dem Label ak­tiv sind, we­ni­ger und die bei­den mehr.

MZEE​.com: Was für ein Gefühl ist es, eine ei­gene Tour mit dem gan­zen Label auf­stel­len zu kön­nen und nicht nur auf ir­gend­wel­che Buchun­gen hof­fen zu müssen?

Tufu: Auch da hat­ten wir ja jetzt Hil­fe von ex­tern. Und dann ist es grund­sätz­lich na­tür­lich cool, dass das so klar­geht, dass man sich nur ins Auto set­zen muss und über­all ist was zum Pen­nen da … und Essen und Bier. Natür­lich gibt's auch mal Pro­ble­me und man regt sich auf über den ei­nen oder an­de­ren Zwi­schen­fall … aber na ja.

MZEE​.com: Wenn du auf fünf Jah­re Sicht­exot zu­rück­schaust – was war das High­light für dich?

Tufu: Also, nur ei­nen di­cken Moment gibt es ei­gent­lich nicht. Wir ha­ben vie­le gei­le Gigs zu­sam­men ge­spielt. Die alle auf­zu­zäh­len, wär' Quatsch. Aber es pas­sie­ren an­dau­ernd ir­gend­wel­che Momen­te, in de­nen ir­gend­wer mit 'nem neu­en Track, den er ges­tern Abend auf­ge­nom­men hat, um die Ecke kommt oder ir­gend­wer plötz­lich 'ne Plat­te fer­tig hat und man hört die dann durch und denkt nur: "What the fuck?!" …

Loki: (ruft rein) Oder wenn John­ny Moto Lie­ge­stüt­ze macht.

Tufu: Oder wenn John­ny Lie­ge­stüt­ze macht.

Loki: Das sind ei­gent­lich die Momente.

Tufu: Also, es sind dau­ernd Sachen. Und ich glaub', es ist auch ir­gend­wie wich­tig, dass die­ser Kick, die­ser Impact da ist, den man selbst auch spürt und der ei­nen so eu­pho­risch macht und am Ball blei­ben lässt. Die gan­ze Zeit wer­den sich die Bäl­le hin und her ge­spielt und da jagt ei­gent­lich ein coo­ler Moment den nächsten.

MZEE​.com: Loki, gab's auch ei­nen Tief­punkt? Ein Moment, bei dem ihr euch nur denkt: "Das war echt Scheiße"?

Loki: Ja, aber das darf man ja nicht ver­öf­fent­li­chen. (lacht) Wird das hier ei­gent­lich aufgenommen?

MZEE​.com: Auf­ge­nom­men und dann ab­ge­tippt als Textinterview.

Loki: Ah, okay. Sonst hätt' ich mich an­stren­gen müs­sen, da­mit ich coo­ler klin­ge. (lacht) Mei­ne Stim­me hat beim Kon­zert ges­tern ganz schön ge­lit­ten. Also klar, es bleibt nicht aus, dass man mal streitet …

MZEE​.com: Ich mein­te jetzt gar nicht un­be­dingt bei euch in der Crew, son­dern im All­ge­mei­nen. Fal­sche Ver­spre­chun­gen von Ver­an­stal­tern oder Ähnliches. 

Loki: Ach so! (alle la­chen) Ja, klar. Gibt's. Viel. Wenn man zum Bei­spiel nach dem Auf­tritt kein Hotel hat. Und dann muss man durch die Stadt hust­len und ir­gend­ei­nen Fall­schirm­sprung ma­chen, um an ein Bett zu kom­men. Das gab's schon und das ist nicht so schön. Aber na ja … ist auch nicht schlimm.

MZEE​.com: Kannst du denn ein paar po­si­tive Mei­len­stei­ne für dich nennen?

Loki: Hip Hop Kemp war über­trie­ben, als wir da ge­spielt ha­ben, das war sau­wit­zig. Ein Mei­len­stein war auf je­den Fall der Ein­tritt von DJ UWE (Mak Simay, Anm. d. Red.) in un­sere klei­ne Run­de, weil wir live jetzt viel do­per sind. Und auch ab­seits von Büh­nen sind wir jetzt viel do­per. Jedes Album ist na­tür­lich ein Mei­len­stein … Mei­len­stei­ne in die­sem Sin­ne pas­sie­ren ja auch voll oft nur re­tro­spek­tiv. Man haut ei­nen Track raus und dann wird der halt be­kann­ter, als man dach­te – und dann wird der zu ei­nem Mei­len­stein, ich weiß nicht. Aber je­des Album für sich war schön und ein Mei­len­stein, wenn man das so nen­nen will.

MZEE​.com: Ich habe das Gefühl, dass ihr mit der Zeit im­mer noch mehr Arbeit und Lie­be in die Musik und das Drum­her­um steckt. Zuletzt kam von dir, Knows­um aka Nepu­muk, eine LP mit 100 hand­be­mal­ten Covern. Seid ihr noch de­tail­ver­ses­se­ner geworden?

Knows­um: Das weiß ich nicht ge­nau. Das mit den Covern war eher eine spon­tane Idee, ich hab' mir da gar nicht so vie­le Gedan­ken drü­ber ge­macht. Ich fand' die Bil­der von be.truu (Künst­le­rin aus Ber­lin, Anm. d. Red.) schön. Sie hat das ge­macht und echt gut durch­ge­zo­gen – ist ja auch mega­viel Arbeit, 100 Cover zu ma­len. Aber im Gesam­ten weiß ich das nicht. Man wird halt äl­ter ir­gend­wie und dann macht man sich noch mehr Gedan­ken über al­les, das geht da­mit einher.

MZEE​.com: Ist man vor die­sem Hin­ter­grund noch ab­ge­fuck­ter, wenn ei­nige Rap­per mit hin­ge­klatsch­ten Alben un­fass­bar viel verkaufen?

Tufu: Ich glau­be, dass sich kei­ner von uns da­von ir­gend­wie tan­giert fühlt oder sich denkt: "Boah, bei uns könn­te mehr ge­hen, wenn wir jetzt die und die Moves ma­chen!" Da wür­den wir uns auch selbst rein­grät­schen, denn da­für macht die Sache ge­rade viel zu viel Spaß. Der Pro­zess fin­det zwi­schen uns ja rein mu­si­ka­lisch statt und nicht groß auf ei­ner or­ga­ni­sa­to­ri­schen oder Ver­triebs­ebe­ne. Die Ener­gie geht halt kom­plett in die Musik.

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MZEE​.com: Ist es aus Künst­ler­sicht auch mal amü­sant zu se­hen, mit was für ein­fach ge­strick­ten Beats oder Tex­ten Künst­ler rie­si­gen Erfolg ha­ben? Denkt man sich dann: "Hat der jetzt echt die­sen Scheiß raus­ge­bracht und macht da­mit so eine Riesenwelle?"

Tufu: Ja, das denkt man oft. "Was ist das denn für ein kras­ser Scheiß?" – ei­gent­lich dau­ernd. Aber wie ge­sagt: Das ist so weit weg, dass es mit mei­nem Rap oder mei­ner Musik gar nichts zu tun hat. Das ist noch­ mal ein ganz an­de­rer Kosmos.

Loki: Ich fin­de, das ist erst­ mal voll der Irr­glau­be, dass wir ir­gend­wie mehr hand­werk­lich könn­ten oder so. Also, da kann ich auf je­den Fall für Knows­um und mich spre­chen. Ich glau­be gar nicht, dass da bei uns viel mehr Gef­ri­ckel ist und das un­be­dingt kras­ser ist als so Pop-​Kram. Ich wür­de auch den Men­schen, die die­se Musik ma­chen, nicht ab­spre­chen, dass sie es auch mit Lie­be zu ma­chen … Den meis­ten auf je­den Fall nicht. Ich fahr' da nicht so ei­nen strai­gh­ten, dog­ma­ti­schen Untergrund-​Film. Wir alle, glau­be ich, nicht. Bei man­chen kann man dar­an zwei­feln, ob in de­ren Musik ir­gend­wie Lie­be da­bei ist, ob de­nen das noch Spaß macht oder es halt ein­fach nur ein Job ist – aber ich den­ke, beim Groß­teil ist es an­ders. Es gibt auf je­den Fall auch pop­pige Sachen, die ich feier'.

MZEE​.com: Was hältst du zum Bei­spiel von ei­nem Kol­le­gah, der im Moment in der Öffent­lich­keit als der gro­ße Ver­tre­ter für Rap gilt?

Loki: Der ist ja ge­nau so ein Bei­spiel. Dem wür­de ich nie ab­spre­chen, das, was er macht, to­tal gut zu ma­chen. Es ist ein­fach nur et­was an­de­res als das, was wir ma­chen. Und da muss man ja auch über­haupt nicht wer­ten. Der legt halt Wert auf kras­se Tech­nik, eine kras­se Spra­che und kras­se Rei­me und per­fek­tio­niert das. Das ist hand­werk­lich su­per­krass und mit Lie­be ge­macht Sonst wür­de er das ja nicht so krass vor­an­trei­ben. Genau das mein­te ich. Der macht das mit dem glei­chen Feu­er wie wir, nur anders.

MZEE​.com: Das seh' ich ähn­lich, nur kom­men mir die Umstän­de oft ko­misch vor. Ich habe zum Bei­spiel das Gefühl, dass vie­le Künst­ler ihre Fans re­gel­recht in­dok­tri­nie­ren, die nächs­te Box für 50 Euro zu kau­fen – und fin­de das oft eher uncool.

John­ny Moto: Der Künst­ler kann ja nichts für sei­ne Fans. Ich find' das ers­te "Zuhäl­ter­tape" auch geil. Und jetzt hat Kol­le­gah halt die Nische ge­fun­den, die er be­die­nen will und sein Image dann ge­pusht. Und wenn es Leu­te gibt, die das fei­ern, dann kann man sich dar­über ab­fu­cken, aber ich tu's nicht.

Loki: Wer ist man denn, zu sa­gen, dass das nicht cool sei?

Tufu: Es kommt halt im­mer auf die Aus­le­gung an. Zum ei­nen gibt's Aktio­nen wie hand­ge­malte Cover, das ist un­sere Art und Wei­se. Das ist ja qua­si un­sere Amazon-​Super-​Box. Und an­dere ha­ben halt eine an­dere Maschi­ne­rie und die ma­chen dann halt fet­te Boxen, sind dar­auf aber am Ende viel­leicht ge­nauso stolz. Also mich nervt das über­haupt nicht. Ich krieg's na­tür­lich auch mit, dass es ein Rie­sen­ge­schäft ist und su­per boomt mit Mehrfach-​Vinyl-​Boxen und so wei­ter. Aber am Ende freu­en sich die­se Künst­ler, glaub' ich, ge­nauso wie wir dar­über, ihr Pro­dukt in der Hand zu hal­ten. Das ist ja bei uns nicht anders.

MZEE​.com: Was für eine Rol­le spielt das The­ma "Ver­kauf" bei euch denn mittlerweile?

Tufu: Das hat noch nie eine gro­ße Rol­le ge­spielt und tut es auch im­mer noch nicht. Es ist im­mer schön, wenn Sachen mal nach­ge­presst wer­den und wenn man das im Kopf mal nach­rech­net, denkt man sich mitt­ler­weile schon mal: "Boah, krass." Es ist im­mer noch ein klei­ner Rah­men, aber es ist ein schö­ner Gedan­ke, dass meis­tens al­les weggeht.

MZEE​.com: Nach fünf Jah­ren soll­te das The­ma ei­gent­lich durch sein, aber ich hab' mich vor­hin ge­fragt, ob es wie zur Anfangs­zeit im­mer noch Men­schen gibt, die Tufu vor­wer­fen, Retro­gott zu biten.

Tufu: Also, es kann be­stimmt sein, dass es da im­mer noch Leu­te gibt. Ich höre es gar nicht mehr. Ich hab' mir auch, bis du es ge­rade an­ge­spro­chen hast, gar kei­ne Gedan­ken mehr dar­über ge­macht. Abge­se­hen da­von ken­nen wir die Dudes mitt­ler­weile ja auch alle und wir ver­ste­hen uns gut. Das ist kein The­ma mehr.

MZEE​.com: Ich konn­te die Vor­wür­fe da­mals über­haupt nicht ver­ste­hen. Was hast du dir da­mals gedacht?

Tufu: Ich hab' wei­ter Sound ge­macht. Was willst du auch sonst ma­chen? Das gibt's im­mer, dass Leu­te ei­nem ir­gend­was ab­spre­chen wol­len, ge­rade im Rap. Damals hab' ich halt die Klat­sche ge­kriegt. Sowas lässt ei­nen na­tür­lich nicht ganz un­be­rührt, aber ir­gend­wann checkt man halt, dass man dar­auf nichts ge­ben kann. Schon gar nicht, wenn das ir­gend­wel­che Leu­te un­ter YouTube-​Videos posten.

MZEE​.com: Was habt ihr an­de­ren schon für ab­struse Biting-​Vorwürfe bekommen?

Loki: Wir klin­gen alle wie der Retro­gott, auf je­den Fall – au­ßer elo­Quent. Den Retrogott-​Vorwurf be­kom­men Knows­um und ich auch oft. Kann ich auch ein biss­chen ver­ste­hen: Es ist ein ähn­li­cher Sound, es sind ähn­li­che Gedan­ken. Retro­gott hat mich auf je­den Fall auch in­spi­riert, aber wir sind ja alle kei­ne Ori­gi­na­le. So ent­ste­hen Men­schen. Man lässt sich von der Welt be­ein­flus­sen und her­aus kommt halt, was man selbst macht. Hat mich aber auch nie ge­stört. Manch­mal fin­de ich so­gar selbst, dass ich ein we­nig wie der Kurt klin­ge und den­ke mir dann: "Ja, okay, du musst mal ein biss­chen an­ders rap­pen." (lacht) Aber ei­gent­lich ist es mir auch scheißegal.

John­ny Moto: Ich habe schon ge­hört, dass ich mich an­hö­ren wür­de, wie … Ich will das ei­gent­lich gar nicht sa­gen. (alle la­chen) Prinz Por­no, ja. Da gibt's auch Anek­do­ten, die ich nicht er­zäh­len möch­te. Aber es gibt da noch eine an­dere Geschich­te: Auf You­Tube hab' ich über ei­nen Beat von Kevoe West mal ge­le­sen, es sei eine ab­so­lute Frech­heit, der wär kom­plett von Ame­wu ge­klaut. (alle la­chen) Und ich les' das und … Das ist ein­fach ein kom­plett an­de­rer Beat und es war nie die Absicht, ir­gend­was zu biten.

(elo­Quent kommt dazu)

MZEE​.com: elo­Quent, du hast zu­letzt eine Plat­te mit Hulk Hodn ge­macht und auch schon Hiob ge­fea­turet. Was für ein Gefühl ist es, jetzt mit Leu­ten Musik zu ma­chen, von de­nen man frü­her nur Fan war?

elo­Quent: Auf je­den Fall ist das ein be­son­de­res Gefühl. Wie du schon sag­test, bin ich auf je­den Fall Fan von bei­den. Das ist na­tür­lich ein gu­tes Gefühl, die ken­nen­zu­ler­nen und die Mög­lich­keit zu ha­ben, mit de­nen zu arbeiten.

MZEE​.com: Hät­test du dir das vor Jah­ren schon vor­stel­len können?

elo­Quent: Es ist jetzt schwie­rig, mich in die­se Lage hin­ein­zu­ver­set­zen, aber ich glau­be, ich hät­te es mir vor­stel­len kön­nen. Es wäre jetzt nicht total ab­we­gig ge­we­sen Es ist ja ein ähn­li­cher mu­si­ka­li­scher Kos­mos, in dem wir uns alle bewegen.

MZEE​.com: Wie denkt ihr über die Ent­wick­lung der Fes­ti­valland­schaft in Deutsch­land? Ihr wart zum Bei­spiel Stamm­gäs­te auf der Tape­fa­brik. Die konn­te sich zu­letzt nicht mehr fi­nan­zi­ell über Was­ser hal­ten, auch, da zu viel Kon­kur­renz auf­kam. Lei­den klei­nere Rap-​Festivals un­ter dem Rap-​Boom, durch den vie­le Fes­ti­vals aus dem Boden ge­stampft werden?

elo­Quent: Zum The­ma "Tape­fa­brik" muss ich sa­gen: Ich mag den Max (Ver­an­stal­ter der Tape­fa­brik, Anm. d. Red.), wir ken­nen uns und ich hab' ei­nen Rie­sen­re­spekt vor Leu­ten, die so et­was auf die Bei­ne stel­len und sich den gan­zen Stress ge­ben. Es war im­mer cool und wir hat­ten je­des­ Mal ei­nen Rie­sen­spaß. Aber ich fin­de, die Tape­fa­brik hat ein biss­chen selbst da­für ge­sorgt, dass es so ge­kom­men ist. Das ist nichts, was von au­ßen kommt, da kann kein an­de­res Fes­ti­val et­was da­für. Die ha­ben sich selbst an die Wand ge­fah­ren. Mit dem Fes­ti­val in Ber­lin ha­ben sie sich über­ho­ben, das war nicht zu Ende ge­dacht. Und schon vor Ber­lin konn­te man se­hen, dass sie ver­su­chen, so groß wie mög­lich zu sein und al­les ab­zu­de­cken. Die woll­ten ja je­den Aspekt ab­de­cken, am bes­ten hät­te es noch eine Beatbox-​Bühne ge­ge­ben. Das war in so ei­ner kur­zen Zeit­span­ne, den­ke ich, ein­fach too much.

Tufu: Mir fällt jetzt auch ne­ben der Tape­fa­brik kein an­de­res klei­ne­res Fes­ti­val ein, das auf­hö­ren muss­te. Ich seh' das ähn­lich wie elo­Quent. Ich hal­te uns selbst für ein recht klei­nes Label und trotz­dem fra­gen uns so vie­le Fes­ti­vals an, ob wir da spie­len wol­len. Ich weiß nicht, wie das sonst ge­we­sen ist, aber ich den­ke, dass die Fes­ti­vals ih­ren Kos­mos eher auf klei­nere Acts er­wei­tert ha­ben und das ist ja positiv.

Loki: Es ist ja ins­ge­samt die Fra­ge: Fickt der Main­stream den Unter­grund? Find' ich nicht. Spä­tes­tens seit dem Inter­net ist das nicht mehr so ein­fach. Auch in der Zeit, in der wir le­ben, in der die Leu­te alle in­di­vi­du­ell sein wol­len und Angst vor Ein­heits­brei ha­ben. Man sieht ja auch, dass es den Majors nicht so gut geht und dass die mit dem Inter­net nicht so gut zu­recht­kom­men. (lacht) Die kön­nen das nicht so gut mit dem Inter­net. Da sit­zen be­stimmt echt so 60-​jährige Typen, ich stell' mir das schon ein biss­chen so vor. (alle la­chen)

John­ny Moto: Die Leu­te kom­men ja auch nicht mehr aufs Splash!, um da Rap zu hören.

Loki: Die woll­ten ei­gent­lich nach Mal­le, aber ha­ben sich halt verfahren.

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MZEE​.com: Loki und Knows­um, ihr seid in eu­ren Tex­ten ja durch­aus sehr spe­zi­ell un­ter­wegs. Wie oft hat­tet ihr beim Schrei­ben kei­ne Ahnung, was der je­weils an­dere mit sei­nem Part über­haupt sa­gen will?

Loki: Ich ver­steh' al­les, was er sagt. Immer. (grinst) Es geht ja auch nicht um per­fek­tes Nach­emp­fin­den der Inten­ti­on, son­dern dar­um, zu re­zi­pie­ren und selbst et­was dar­aus zu ma­chen. Den Anspruch ha­ben wir auch. Bezie­hungs­wei­se ist es kein Anspruch an den Hörer, son­dern Respekt vor dem Hörer, ihn sei­ner Fan­ta­sie zu über­las­sen. Aber da ich den Knows­um schon sehr lan­ge ken­ne, ver­stehe ich ei­gent­lich im­mer al­les, was er meint.

Knows­um: Joah, ist bei mir über­haupt nicht so. (alle la­chen) Doch, ge­nauso, klar. Ich ver­steh' auch im­mer, was er meint. Und wenn nicht eins zu eins, dann halt das Gefühl bei ei­ner Line. Und wenn nicht, dann fragt man halt ein­fach. Das kam auch schon mal vor. Gibt's ja alles.

MZEE​.com: Und wie sieht's bei Beats aus? Ist da schon mal was auf ei­ner Plat­te ge­lan­det, was dem an­de­ren über­haupt nicht ge­fal­len hat?

Knows­um: Nee. Wir schrei­ben ja erst, wenn wir den Beat geil fin­den. Der ist im­mer zu­erst da.

Loki: Aber es ist jetzt nicht so, dass wir al­les an­ein­an­der lie­ben. (lacht) Er macht halt auch 8 000 Beats am Tag.

MZEE​.com: Wie kam's jetzt über­haupt dazu, dass du als Nepu­muk mal eine Solo­plat­te ge­macht hast, Knowsum?

Knows­um: Das ist 'ne gute Fra­ge. Das wa­ren ei­gent­lich vor al­lem die Songs, auf die Loki kei­nen Bock hat­te. Und dann hab' ich mir halt ge­dacht: Be­vor die nur rum­lie­gen, mach' ich noch ein paar neue dazu – und dann wur­de es halt 'ne Plat­te. Und ein­fach mal hun­dert­pro­zen­tig sein ei­ge­nes Ding zu ma­chen, ist ja auch schön.

MZEE​.com: elo­Quent, du hast zu­letzt auch Beats von dir selbst auf dei­nen Releases plat­ziert. Kann man da auch mal mit ei­ner Beat­plat­te oder ei­nem kom­plett von dir pro­du­zier­ten Album rechnen?

elo­Quent: Ich kenn' halt Leu­te, die viel, viel bes­sere Beats machen als ich. Und dann ist es im­mer schwie­rig, es nicht wack zu fin­den, was man selbst macht. Das ist im End­ef­fekt der Haupt­grund, war­um ich meist an­dere Beats neh­me, weil ich den do­pes­ten will. Es wär' cool, ir­gend­wann mal eine Plat­te zu ma­chen, die ich kom­plett selbst pro­du­ziere. Zusam­men mit Pano hab' ich ja so­gar vor Kur­zem eine Beat­plat­te ge­macht. Aber an­sons­ten ist das ähn­lich wie bei Loki: Es ist ein­fach schwie­rig, wenn man kom­plett auf sich selbst ge­stellt ist. Wobei er sich gar kei­ne Sor­gen ma­chen müss­te, er macht echt rich­tig gute Beats.

MZEE​.com: Letz­te Fra­ge: Was liegt release­tech­nisch bei euch in der nächs­ten Zeit an?

elo­Quent: Da kommt was. Es wer­den zwei Sachen sein, de­ren Release­da­ten nah bei­ein­an­der lie­gen wer­den. Das "DEMOS"-Ding mit den Dra­ma­digs kommt auf Plat­te raus, megali­mi­tiert auf 200 Stück im SXT-​Shop. Das hab' ich ja vor­her schon di­gi­tal raus­ge­hauen. Außer­dem hab' ich mit ei­nem Kum­pel von mir, Super­hin, eine Plat­te ge­macht. Der hat da pro­du­ziert. Eine Doppel-​LP na­mens "Im Auge des Wurms", die kommt am 27. Juni.

Loki: Von mir kommt auch eine Solo­plat­te. Die ist ei­gent­lich schon fer­tig und kommt be­stimmt auch bald raus, wenn die acht Mil­lio­nen David Bowie-​Represses mal ge­presst wur­den. (lacht) Dann ma­chen wir ein Luk&Fil-Album, das wird su­per … fun­ky. Wir hö­ren viel 80s-​Shit ge­rade, das hört man auch ein biss­chen. Dann ma­chen wir auch noch eine EP oder LP mit ei­nem an­de­ren Rap­per, das wird auch lus­tig. Was geht bei Uwe so?

DJ UWE: Ich trink' Bier.

Tufu: Wir ha­ben ja zur Tour jetzt erst­ mal "See­len­quan­ti­sie­rung" und "Mast­schwein" noch ­mal auf Plat­te ge­presst. Ansons­ten bin ich auch an ei­ner neu­en Solo­plat­te dran … Neben­her mach' ich noch Stuff mit dem Beat­vad­da aus der entbs-​Crew. Und in die­sem Jahr kommt auch noch die "Dum­mer Lump"-Platte vom Nepu­muk und vom Tufu. Die ist auch schon fer­tig und im Presswerk.

Knows­um: Ich hab' mit Sir Serch 'ne Plat­te ge­macht. Rap. Ansons­ten kommt auf Money Sex noch eine Knowsum-​Platte raus.

John­ny Moto: Es wird be­stimmt noch was kom­men, auf je­den Fall ein­zelne Songs. Und wenn ich viel­leicht end­lich mal wie­der al­leine woh­ne, wird da mehr ge­macht. Und dann könn­te es sein, dass nach dem "Moto­tape" auch mal eine "Moto­plat­te" kommt. Das ist schon ge­plant. Mal abwarten.

(Alex­an­der Hollenhorst)
(Fotos von Dani­el Hoffmann)