Platin- und Goldplatten an der Wand, die vorreservierte Eins in nahezu jeder Releasewoche, zahlreiche Musikpreis-Nominierungen und renommierte Auszeichnungen, der Sieg im Bundesvision Song Contest und nicht zuletzt die Prägung einer kompletten Generation von Rapfans und MCs. Was es auch immer in der deutschen Rapszene zu erreichen gibt: Kool Savas hat es erreicht. In vielen Fällen sogar doppelt und dreifach. Seit er in den 90er Jahren zum Mic griff und sich als "Pimplegionär" vorstellte, ist der inzwischen 40-jährige Erfolgsrapper aus der heutigen Szene nicht mehr wegzudenken. Doch was will man von jemandem, der in gefühlt 1000 Interviews bereits Position zu so ziemlich jedem Aspekt seiner Musik bezogen hat, noch wissen? Wir dachten uns, dass es im Jahre 2015 nicht nur an der Zeit wäre, mal ein kurzes Resümee über die deutsche Rapszene in ihrer Gesamtheit zu ziehen, sondern auch, um etwas mehr über die Person hinter Kool Savas zu erfahren. Deshalb trafen wir uns mit Savaş Yurderi persönlich zum Interview – was dabei herausgekommen ist, erfahrt Ihr im Folgenden.
MZEE.com: Fangen wir mit dem naheliegendsten Thema an: deutscher Rap. Was ist deiner Meinung nach die positivste Entwicklung im deutschen Rap seit Mitte der 90er Jahre?
Kool Savas: Ich kann mich jetzt fast nur in die Kacke reiten. Ich werde bestimmt irgendwas sagen, was ganz viele Leute scheiße finden und was auf vielen Ebenen falsch ist und vielleicht auf einigen richtig … (überlegt) Eine Entwicklung, die mir immer wichtig war: Dass die Kids, die jetzt damit aufwachsen, deutschen Rap als ganz eigene Musik wahrnehmen. Dass Rap nicht nur cool ist, wenn er von jemandem aus New York oder L.A. gemacht wird, sondern dass sie sagen: "Krass, das ist ein geiler deutscher Rapper, das ist mein Lieblings-MC." Bei mir ist es nach wie vor so: Wenn ich über meine Lieblings-MCs spreche, dann sind das Amis. Ich bin aber auch nicht mehr klein und ich kann rappen. (grinst) Aber wenn ich jung wäre und nicht rappen würde, würde ich bestimmt einige deutsche Rapper total abfeiern. Ansonsten fand ich es sehr positiv, dass nach dem krassen Hype um das Jahr 2000 rum, wo alles gesignt wurde, alle auf den Deckel bekommen haben und untergegangen sind. Es gibt aber auch viele Sachen, die ich nicht so geil finde, deswegen würde ich sagen, es ist ein sehr ausgeglichenes Ding. Ich würde auch gar nicht sagen, dass ich es heute viel geiler finde als früher. Die Qualität ist gestiegen, das finde ich gut, aber das ist ja auch eine natürliche Entwicklung.
MZEE.com: Wie findest du es denn, dass die Szene so viel größer geworden ist?
Kool Savas: Das ist cool. Da entstehen ganz viele neue Möglichkeiten und Dinge passieren, die früher undenkbar gewesen wären. Zum Beispiel Kooperationen mit Firmen. Auf der einen Seite finde ich diese Kommerzialisierung gut für uns. Ich finde es cool, wenn man als Artist auch davon leben kann. Auf der anderen Seite wird es dafür für viele zum Job – und unsere Intention, das zu machen, war mal eine ganz andere. Ich spreche jetzt von uns als MCs, Produzenten und DJs. Das war damals komplett nur Leidenschaft. Man ist gar nicht davon ausgegangen, dass man damit mal Geld machen könnte. Und jetzt, wo Kids und Künstler mit der Option aufwachsen, dass man damit Geld machen kann, bleibt die Leidenschaft manchmal auf der Strecke. Das ist jetzt allerdings sehr allgemein gesprochen …
MZEE.com: Und wie empfindest du den aktuellen Zustand der deutschen Rapszene?
Kool Savas: Die Zeit, in der wir leben – Facebook, Twitter, Instagram – ist Selbstdarstellung hoch tausend. Das beeinflusst die Leute natürlich. Das Grundgefühl HipHop und das Grundgefühl von Zusammenhalt, "wir machen das gemeinsam", das kenne ich so gar nicht mehr. Wobei ich denke, dass man die Verantwortung hat, das den Jüngeren weiterzugeben und zu vermitteln. Wir sind mit sehr viel Conscious Rap aufgewachsen. Mit Statements, die krass waren. Die unser Leben, die Politik, unsere sozialen Kompetenzen angesprochen haben. Es gibt auch heute noch immer diese Diamanten dazwischen, wie einen Lupe Fiasco, der Sachen sagt, die krass sind. Es gibt einen J. Cole, der Songs macht, in denen viel mehr steckt. Aber du hast halt auch den Instagram-Rap, bei dem ein Drake auf eine ganz geile Art und Weise erzählt, wie fly und fresh er ist. Seinen Reichtum und seine Überlegenheit darstellt. Dann hast du einen Kanye, der ein Misch-Ding ist, der auf der einen Seite total kritisch und rebellisch ist und wo es auf der anderen Seite um Hype und Selbstdarstellung geht.
MZEE.com: Du zählst gerade interessanterweise nur Ami-Rapper auf. Bist du kein Deutschrap-Nerd?
Kool Savas: Nö. Ich guck mir alles an, aber da gibt es nicht so viel, das mich übertrieben berührt. Das hat auch viel damit zu tun, dass man die Leute kennenlernt. Oft ist es so, dass sie jünger sind und ich dann bei vielen das Gefühl hab', deren Mentor zu sein. Und wenn sie dann behindert sind und sich eklig verhalten, ist es sehr schwer für mich, ihre Musik zu feiern. Es kommen aber auch junge Leute, die mich überraschen. Cr7z hatte ich gar nicht auf dem Schirm, ein Freund hat mir das gezeigt. Ich hör' mir das an und denk' mir: "Wo kommen denn die ganzen Dinger her, was erzählt er denn da die ganze Zeit?!" (grinst) Er hat Sachen, die ich HipHop finde. Ich vergesse aber auch immer wieder Leute. Wir haben bald ein Festival, das Rap4Good in Braunschweig. Wir versuchen, auf über 100.000 Euro Einnahmen zu kommen, um damit Projekte für Kinder in der Umgebung zu fördern. Da bin ich Schirmherr und habe das Line Up gemacht – es kommen KC Rebell, die Orsons und Genetikk, Curse, ich und Montez … es ist ein bunt gemischter Haufen. Ich sehe in jedem von denen etwas Cooles. Ich honoriere es, wenn jemand eine krasse Liveshow hat, ein guter Sänger oder besonders vielseitig ist. Ach, RAF ist auch da – ich kann dir Sachen sagen, die ich bei ihm geil finde, aber wiederum auch Sachen, die ich an KC geil finde.
MZEE.com: Um noch mal zum Thema zurückzukommen: Wir wissen jetzt, was du über die Vergangenheit und die Gegenwart von deutschem Rap denkst. Wie sieht es denn mit der Zukunft aus?
Kool Savas: Ich hab' keine Ahnung. Wir haben ja diese Zyklen. Gerade gab es eine Oldschool-Welle, die mir persönlich sehr gut gefallen hat. Es war auf eine gewisse Art und Weise stumpf und ein bisschen Recycling, aber es war schön, dass die alten Sachen wieder ausgepackt wurden. Andererseits werden die Leute natürlich immer wieder nach was Neuem suchen, weil die Musiker hier nicht so viel Nerv haben, an etwas, was man mal angefangen hat, lange weiterzuarbeiten. Ich denke, die Leute, die Rock machen, sind da viel klassischer unterwegs. Die bauen auf klassischen Konzepten und Melodien auf. Zumindest erscheint es mir so als Außenstehender, der nicht in der Rock-Szene drin ist. Bei Rap hingegen ist es so: Es muss immer fresh sein, fly sein, up-to-date. Deshalb gibt es jetzt auch diese housigen Einflüsse und dass die Amerikaner jetzt glauben, dass sie House, Electro und EBM entdeckt haben. Sorry, das haben Technotronic in den Achtzigern gemacht. Das ist eigentlich komplett Game over und das jetzt so zu verarbeiten, feier' ich nicht so krass. Für mich gibt es zwei Rap-Hauptcharaktere: Der eine ist Boom bap-ig, damit meine ich erdig und rough, und der andere ist das Westcoast-Ding. Ich respektier' beide. Der eine ist mehr auf Soul, der andere mehr auf Funk aufgebaut. Ich finde es schön, das Ganze im Rahmen dessen weiterzuentwickeln. Und natürlich gibt es auch neue Sachen, die abgespaced sind, aber für mich trotzdem dieses Feeling rüberbringen können. Ein Kanye, der schafft es immer wieder … Zum Beispiel ein Song wie "Stronger", der erst mal gar nicht nach Boom bap klingt, aber trotzdem so ein Rap-Feeling hat.
MZEE.com: Du hast ja schon einiges mit deiner Musik erreicht. Gibt es noch etwas, von dem du innerhalb der Szene träumst?
Kool Savas: Das, was ich erreichen möchte, das werde ich nicht mehr mitkriegen. Natürlich würde ich innerhalb der Szene gerne unsterblich werden. Es wäre eine große Ehre, wenn ich keine Mucke mehr mache und nach 30, 40 Jahren Leute sagen würden: "Wow, das war unser MC. Das war unser Tupac, unser Biggie". Es wird sich zeigen, ob es dann am Ende so sein wird oder nicht. Ich jage einem nicht greifbaren Traum hinterher. Die ganze Zeit. Immer, wenn ich auf die Bühne gehe und selber eine Gänsehaut kriege, diesen Energieschub, wenn die Crowd mitmacht …
MZEE.com: Hast du das Gefühl, immer mehr zu wollen, ohne genau zu wissen, wohin die Reise geht? So nach dem Motto: "Der Status ist super, ich hab' kein konkretes Ziel, aber es muss immer noch ein Stück weiter gehen"?
Kool Savas: Ich glaube, das hat nicht jeder, aber das steckt in vielen Menschen. Und die, die das haben, haben dann diesen Trieb – wie auch immer du das nennen willst: Perfektionismus, Ehrgeiz … vielleicht auch krankhafter Ehrgeiz. Ich sehe da nichts, wo ich hin will. Wenn ich total kommerziell wäre, würde ich sagen: 500.000 verkaufen – wenn ich das schaffe, bin ich total happy. Ich habe da aber gar nichts bei empfunden. Ich feier' es, wenn wir Gold gehen oder mit Xavier Platin. Aber ich habe nichts dabei gespürt. Es hat sich nicht anders angefühlt als "John Bello Story 3", das sich nur 37.000 Mal verkauft hat.
MZEE.com: Wenn man so lange in der Szene unterwegs ist: Gibt es noch Momente, die einen wirklich berühren?
Kool Savas: Hm. Ja, schon. Ich kann das nicht an vielen Punkten festmachen, aber allgemein kann ich dir sagen: Wenn ich Musik von anderen Leuten höre, die sehr persönlich ist, dann berührt mich das sehr. Ein Freund von mir, der auch rappt, hat mir einen Song gezeigt, den er für seinen kranken Sohn geschrieben hat. Da sind mir schon die Tränen gekommen, das geb' ich auch ehrlich zu. Das hat mich sehr berührt. Natürlich gibt es auch andere Momente, die mich positiv berühren. Zum Beispiel, dass ich so viel Liebe von den Leuten kriege. Man stumpft auch etwas ab, weil es ein bisschen normal wird. Aber es gibt immer wieder solche Situationen auf der Bühne, auf Tour …
MZEE.com: Lass uns mal über das Thema "Zeit" sprechen: Hat Zeit für dich in den letzten Jahren eine andere Bedeutung bekommen?
Kool Savas: Ja, man merkt immer mehr, wie schnell sie vergeht. Mit Sicherheit. Unsere Eltern sagen doch auch: "Och, ein Jahr ist gar nichts". Es ist ja erwiesen: Die Zeit von null bis 18 fühlt sich für den Menschen so an wie von 18 bis zum Tod. Die Zeit regt einen schon zum Denken an. Zum Beispiel, was in kurzer Zeit passiert – oder über einen langen Zeitraum hinweg halt auch nicht passiert. Oder wenn man sich fragt: "Krass, Alter, hat sich echt so viel verändert an mir?!"
MZEE.com: Hast du das Gefühl, dass du mehr als früher einen Plan brauchst für einen Tag, eine Woche oder ein Jahr, weil dir sonst die Zeit davonrennt?
Kool Savas: Nee, aber ich versuche mir immer Zeit freizuschaufeln, damit ich in die Shisha-Bar gehen und chillen kann. Ich brauche Momente, in denen alles still steht. Ich bin mit meinem Handy so mega abgelenkt die ganze Zeit. Ich bin non-stop am Kommunizieren und merke, dass mir meine private Zeit fehlt. Ich habe viel zu viele Sachen, die drumherum passieren und mir dauernd die Zeit rauben. Zumindest glaube ich das, wobei ich halt einfach auch Verantwortungen habe, denen ich nachkommen muss. Ich wünsche mir viel mehr ruhige Zeit zum Besinnen, um vielleicht auch einfach mal ein Buch in die Hand zu nehmen.
MZEE.com: Kannst du das denn, dein Handy mal ausschalten und die Ruhe genießen? Oder bist du der Typ: "Heute handyfreier Tag, geil" – und sitzt dann nach fünf Minuten am Laptop?
Kool Savas: (grinst) Ja, genau. Ich versuche manchmal schon, die Kommunikation zu kappen, aber dann suche ich mir schon wieder Sachen, die mich ablenken …
MZEE.com: Wie ist das, wenn man so viel unterwegs ist – hast du trotzdem noch den Drang, manchmal wegzufahren und Neues zu sehen? Kennst du noch das Gefühl des "Fernwehs"?
Kool Savas: Ich reise eigentlich nicht gerne, aber ich bin gerne innerhalb von Deutschland unterwegs. Dazu muss ich sagen, ich habe manchmal die Sehnsucht, alleine zu sein. Und auch mal zu frusten und depri zu sein. Aber für mich alleine. Denn: Wenn ich depri bin und meine Frau neben mir ist, dann kriegt sie das voll ab. Ich sag' es ihr auch immer wieder – es ist für mich so eine krasse Umstellung hin zu dem Leben, das wir jetzt haben, im Vergleich zu dem, das ich davor hatte, als ich allein war. Ich wünsche es mir nicht wieder zurück, aber ich merke, dass ich stellenweise Zeit für mich brauche, um klar zu kommen. Ich flüchte dabei nicht vor ihr, sondern suche mich selber und dafür brauche ich das manchmal. Deshalb ist es ganz gut, dass mein Studio in Bamberg ist. Selbst wenn ich da nur einen Song oder einen Beat in der Woche mache, mache ich das alleine und nur für mich.
MZEE.com: Gibt es dennoch Orte, die du mal sehen möchtest, auch wenn du nicht gerne verreist?
Kool Savas: Ja, ich würde gerne mal die skandinavischen Länder sehen. Da würde ich dann eine kalte Winterkreuzfahrt machen. Oder Alaska. Vietnam. Es gibt zwei, drei Orte, die ich echt sehen möchte. Und jetzt habe ich mir überlegt, dass ich gerne zum Burning Man Festival fahren würde. Ich hab' gehört, dass es krass sein soll …
MZEE.com: Ich glaube, man kriegt die Krise, wenn man nicht auf den Film klar kommt, den da alle fahren.
Kool Savas: Ja. Stell dir mal vor: Wenn man am Anfang voll euphorisch ist und dann im Laufe des Festivals merkt, dass es einen voll abturnt und man anfängt zu haten, bis man das Ganze am Ende einfach sabotiert. Und am Ende verbrennst du nicht diesen Mann, sondern verbrennst das ganze Festival. (lacht)
MZEE.com: Um noch mal zum Thema "Reisen" zurückzukommen: Gibt es einen Ort, an den du immer wieder zurückkehrst, weil er eine besondere Bedeutung für dich hat?
Kool Savas: Das variiert. Eine Zeit lang war das Heidelberg, weil die Stadt ein krasser Befreiungsschlag für mich war – nach meiner Berlin-Zeit, die so eng war und in der ich mich so krass eingesperrt gefühlt hab'. Die Zeit in Heidelberg war für mich eine der besten Zeiten meines Lebens. Doch dann gewöhnst du dich an die Stadt, lernst ein paar Leute kennen und merkst: Es ist doch nicht alles Gold, was glänzt. Aber es hatte für mich auf jeden Fall eine krasse Bedeutung. Ich bin immer wieder nach Heidelberg zurück, auch wenn ich woanders gewohnt habe, und hab' da ein, zwei Tage gechillt. Paderborn hat bei mir auch sowas hinterlassen. Ich glaube, vielleicht gibt es nicht diesen einen konkreten Ort. Es gibt vielleicht Situationen, die diese Bedeutung haben. Zum Beispiel habe ich das Sprühen vor ein paar Jahren wieder für mich entdeckt. Bei diesem „An-die-Wand-zurückkehren“ – der Geruch, da werden so viele Erinnerungen wieder wach. Und wenn ich das mache, merke ich schon: "Krass, du bist dir selber treu geblieben. Du machst immer noch HipHop, du liebst das immer noch. Egal, was du sagst, du feierst es, auf einer Jam zu sein …"
MZEE.com: Kommen wir noch mal auf deine Karriere zu sprechen: Was war die schlimmste, folgenreichste oder unangenehmste Entscheidung, die du in deiner Rapkarriere je getroffen hast?
Kool Savas: Sehr gute Frage. Das hat mich wirklich noch nie jemand gefragt. (überlegt) Da gibt es ganz viele Entscheidungen. Unangenehm und gut zugleich war zum Beispiel, Optik zu schließen. Sich einzugestehen: "Scheiße, Alter, es hat nicht geklappt" – und geil, weil es danach einfach super gelaufen ist. Und ich mich total befreit gefühlt hab'. "Jungs, ab jetzt ist jeder für sich selbst verantwortlich. Ob Mietwagen oder alltägliche Dinge – jeder muss das jetzt in Eigenverantwortung regeln." Ich geh' auf Tour und muss nicht um jeden Preis 20 Leute mitnehmen. Im gleichen Atemzug war es auch unangenehm, dass Mel und ich uns musikalisch emanzipieren mussten. Jeder in seine Richtung. Das schmerzt jetzt noch manchmal. Es wurde musikalisch zwar einfacher und vielleicht freier für mich, doch vom Gefühl her fand ich es manchmal einfach schade, dass wir nicht mehr so viel miteinander zu tun hatten, aber wir haben uns auch echt auseinandergelebt. Was Trennungen angeht, denke ich: Wenn du Schmerzen hast, dann fühlst du dich danach, wenn du wieder gesund bist, viel, viel besser. Jede unangenehme Erfahrung hat auch oft sehr positive Sachen mit sich gebracht.
MZEE.com: Apropos "Optik": Hast du noch Kontakt zu den Künstlern, die damals bei Optik gesignt waren beziehungsweise verfolgst du heute noch von jedem die Karriere?
Kool Savas: Ja. Natürlich. Verfolgen sowieso. Amar war ja im Knast. Mit ihm hatte ich die ganze Zeit Kontakt. Bei einem seiner Freigänge hat er mich zum Beispiel auf meinem Konzert in Stuttgart besucht. Er hat seine Tochter mitgenommen, sie hat ihn das erste Mal auf der Bühne gesehen. Da waren 4000 Menschen. Das war für ihn und mich ein wunderschöner Moment. Mit Erc hab' ich Kontakt. Mit Moe hab' ich Kontakt, er ist ganz positiv und gechillt und ich freu' mich voll, dass er sein Leben so gut im Griff hat. Mit einigen habe ich keinen Kontakt und richtig schade ist es halt bei Mel, dass wir nichts mehr großartig miteinander zu tun haben.
MZEE.com: Wir wissen, was du für einen Bekanntheitsstatus innerhalb der deutschen Rapszene hast, aber wie sieht es im normalen Leben aus?
Kool Savas: Bei Erwachsenen glaub' ich nie, dass sie mich erkennen, die lassen sich das oft auch nicht anmerken. Bei Kids ist es das Gegenteil: Wenn sie irgendwas mit Mucke zu tun oder einen Internetanschluss haben, dann … Letztens war ich mit meiner Frau einkaufen und wir sahen beide voll geschrottet aus. Genau da hatte eine Schule Pause und zehn Leute sind gekommen. Ich hab' danach auch zu ihr gesagt: "Wir dürfen nie wieder so aus dem Haus gehen." Wir sahen beide aus wie Leichen. Nicht, dass sie nicht hübsch ist, aber wir müssen fresh aussehen. (lacht) Wir waren vollkommen im Eimer. Aber ja, es ist so: Die jungen Leute sprechen einen schon an und das ist okay. Ich kann damit leben. Aber ich lasse mir auch nicht auf den Füßen rumtrampeln. Wenn einer unverschämt ist, dann sage ich schon: "Stopp, ich bin jetzt privat hier, das muss nicht sein." Aber ansonsten … Too Short hatte damals ein paar Regeln und eine davon war: "Jeder Fan bekommt ein Foto".
MZEE.com: Kannst du dich noch an den Moment erinnern, in dem du zum ersten Mal auf der Straße erkannt oder nach einem Autogramm gefragt wurdest?
Kool Savas: Nö, aber ich hab' einen ähnlichen Moment. Ich war damals am Hackeschen Markt und da hatte ich meine Tischlerklamotten an, einen Blaumann oder so. Ich war überhaupt nicht fame, das war alles auf Underground-Basis. Da ist einer gekommen und hat mich erkannt. Er hat mich nach dem Weg gefragt und die ganze Zeit angegrinst und komisch angeguckt. Erst später hab' ich gemerkt, dass er mich halt erkannt hat. Er hat nichts dazu gesagt und das war richtig komisch. Wenn mich heute jemand so anguckt, dann gucke ich entweder die ganze Zeit weg oder grüß' direkt und nehme sofort die Luft raus. Aber wenn einer zum Beispiel beim Einkaufen neben mir steht und mich zwei Minuten anstarrt, bin ich extra ignorant und rede gar nicht.
MZEE.com: Zum Abschluss würden wir nun noch eines gerne wissen: Was ist der unterschätzteste Track, den du je veröffentlicht hast?
Kool Savas: Ich würde sagen, das ist "Nichts bleibt mehr" – wegen all der Komponenten, die in dem Song stattfinden. Das Gedicht von meinem Vater, das mir so viel bedeutet. Der Scala-Chor, den ich dafür aktiviert hab', was teuer und aufwändig war, weil einfach 20 Leute ins Studio gehen mussten. Der Beat … und dass ich thematisch sowas gemacht hab'. Das ist gleichzeitig auch einer meiner Lieblingstracks. Ich hätte mir da mehr Feedback gewünscht.
(Florence Bader & Laila Drewes)
(Fotos von Kai Bernstein)