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Interview

Kool Savas

"Ich habe manch­mal die Sehn­sucht, allei­ne zu sein." – Kool Savas im Inter­view über Fern­weh und Rei­sen, fol­gen­rei­che beruf­li­che Ent­schei­dun­gen sowie die Ent­wick­lung der deut­schen Rap­sze­ne seit den 90ern und in Zukunft.

Platin- und Gold­plat­ten an der Wand, die vor­re­ser­vier­te Eins in nahe­zu jeder Release­wo­che, zahl­rei­che Musikpreis-​Nominierungen und renom­mier­te Aus­zeich­nun­gen, der Sieg im Bun­des­vi­si­on Song Con­test und nicht zuletzt die Prä­gung einer kom­plet­ten Gene­ra­ti­on von Rapf­ans und MCs. Was es auch immer in der deut­schen Rap­sze­ne zu errei­chen gibt: Kool Savas hat es erreicht. In vie­len Fäl­len sogar dop­pelt und drei­fach. Seit er in den 90er Jah­ren zum Mic griff und sich als "Pim­ple­gio­när" vor­stell­te, ist der inzwi­schen 40-​jährige Erfolgs­rap­per aus der heu­ti­gen Sze­ne nicht mehr weg­zu­den­ken. Doch was will man von jeman­dem, der in gefühlt 1000 Inter­views bereits Posi­ti­on zu so ziem­lich jedem Aspekt sei­ner Musik bezo­gen hat, noch wis­sen? Wir dach­ten uns, dass es im Jah­re 2015 nicht nur an der Zeit wäre, mal ein kur­zes Resü­mee über die deut­sche Rap­sze­ne in ihrer Gesamt­heit zu zie­hen, son­dern auch, um etwas mehr über die Per­son hin­ter Kool Savas zu erfah­ren. Des­halb tra­fen wir uns mit Savaş Yur­de­ri per­sön­lich zum Inter­view – was dabei her­aus­ge­kom­men ist, erfahrt Ihr im Folgenden.

MZEE​.com: Fan­gen wir mit dem nahe­lie­gends­ten The­ma an: deut­scher Rap. Was ist dei­ner Mei­nung nach die posi­tivs­te Ent­wick­lung im deut­schen Rap seit Mit­te der 90er Jahre?

Kool Savas: Ich kann mich jetzt fast nur in die Kacke rei­ten. Ich wer­de bestimmt irgend­was sagen, was ganz vie­le Leu­te schei­ße fin­den und was auf vie­len Ebe­nen falsch ist und viel­leicht auf eini­gen rich­tig … (über­legt) Eine Ent­wick­lung, die mir immer wich­tig war: Dass die Kids, die jetzt damit auf­wach­sen, deut­schen Rap als ganz eige­ne Musik wahr­neh­men. Dass Rap nicht nur cool ist, wenn er von jeman­dem aus New York oder L.A. gemacht wird, son­dern dass sie sagen: "Krass, das ist ein gei­ler deut­scher Rap­per, das ist mein Lieblings-​MC." Bei mir ist es nach wie vor so: Wenn ich über mei­ne Lieblings-​MCs spre­che, dann sind das Amis. Ich bin aber auch nicht mehr klein und ich kann rap­pen. (grinst) Aber wenn ich jung wäre und nicht rap­pen wür­de, wür­de ich bestimmt eini­ge deut­sche Rap­per total abfei­ern. Ansons­ten fand ich es sehr posi­tiv, dass nach dem kras­sen Hype um das Jahr 2000 rum, wo alles gesignt wur­de, alle auf den Deckel bekom­men haben und unter­ge­gan­gen sind. Es gibt aber auch vie­le Sachen, die ich nicht so geil fin­de, des­we­gen wür­de ich sagen, es ist ein sehr aus­ge­gli­che­nes Ding. Ich wür­de auch gar nicht sagen, dass ich es heu­te viel gei­ler fin­de als frü­her. Die Qua­li­tät ist gestie­gen, das fin­de ich gut, aber das ist ja auch eine natür­li­che Entwicklung.

MZEE​.com: Wie fin­dest du es denn, dass die Sze­ne so viel grö­ßer gewor­den ist?

Kool Savas: Das ist cool. Da ent­ste­hen ganz vie­le neue Mög­lich­kei­ten und Din­ge pas­sie­ren, die frü­her undenk­bar gewe­sen wären. Zum Bei­spiel Koope­ra­tio­nen mit Fir­men. Auf der einen Sei­te fin­de ich die­se Kom­mer­zia­li­sie­rung gut für uns. Ich fin­de es cool, wenn man als Artist auch davon leben kann. Auf der ande­ren Sei­te wird es dafür für vie­le zum Job – und unse­re Inten­ti­on, das zu machen, war mal eine ganz ande­re. Ich spre­che jetzt von uns als MCs, Pro­du­zen­ten und DJs. Das war damals kom­plett nur Lei­den­schaft. Man ist gar nicht davon aus­ge­gan­gen, dass man damit mal Geld machen könn­te. Und jetzt, wo Kids und Künst­ler mit der Opti­on auf­wach­sen, dass man damit Geld machen kann, bleibt die Lei­den­schaft manch­mal auf der Stre­cke. Das ist jetzt aller­dings sehr all­ge­mein gesprochen …

MZEE​.com: Und wie emp­fin­dest du den aktu­el­len Zustand der deut­schen Rapszene? 

Kool Savas: Die Zeit, in der wir leben – Face­book, Twit­ter, Insta­gram – ist Selbst­dar­stel­lung hoch tau­send. Das beein­flusst die Leu­te natür­lich. Das Grund­ge­fühl Hip­Hop und das Grund­ge­fühl von Zusam­men­halt, "wir machen das gemein­sam", das ken­ne ich so gar nicht mehr. Wobei ich den­ke, dass man die Ver­ant­wor­tung hat, das den Jün­ge­ren wei­ter­zu­ge­ben und zu ver­mit­teln. Wir sind mit sehr viel Con­scious Rap auf­ge­wach­sen. Mit State­ments, die krass waren. Die unser Leben, die Poli­tik, unse­re sozia­len Kom­pe­ten­zen ange­spro­chen haben. Es gibt auch heu­te noch immer die­se Dia­man­ten dazwi­schen, wie einen Lupe Fias­co, der Sachen sagt, die krass sind. Es gibt einen J. Cole, der Songs macht, in denen viel mehr steckt. Aber du hast halt auch den Instagram-​Rap, bei dem ein Dra­ke auf eine ganz gei­le Art und Wei­se erzählt, wie fly und fresh er ist. Sei­nen Reich­tum und sei­ne Über­le­gen­heit dar­stellt. Dann hast du einen Kanye, der ein Misch-​Ding ist, der auf der einen Sei­te total kri­tisch und rebel­lisch ist und wo es auf der ande­ren Sei­te um Hype und Selbst­dar­stel­lung geht.

MZEE​.com: Du zählst gera­de inter­es­san­ter­wei­se nur Ami-​Rapper auf. Bist du kein Deutschrap-Nerd?

Kool Savas: Nö. Ich guck mir alles an, aber da gibt es nicht so viel, das mich über­trie­ben berührt. Das hat auch viel damit zu tun, dass man die Leu­te ken­nen­lernt. Oft ist es so, dass sie jün­ger sind und ich dann bei vie­len das Gefühl hab', deren Men­tor zu sein. Und wenn sie dann behin­dert sind und sich eklig ver­hal­ten, ist es sehr schwer für mich, ihre Musik zu fei­ern. Es kom­men aber auch jun­ge Leu­te, die mich über­ra­schen. Cr7z hat­te ich gar nicht auf dem Schirm, ein Freund hat mir das gezeigt. Ich hör' mir das an und denk' mir: "Wo kom­men denn die gan­zen Din­ger her, was erzählt er denn da die gan­ze Zeit?!" (grinst) Er hat Sachen, die ich Hip­Hop fin­de. Ich ver­ges­se aber auch immer wie­der Leu­te. Wir haben bald ein Fes­ti­val, das Rap4Good in Braun­schweig. Wir ver­su­chen, auf über 100.000 Euro Ein­nah­men zu kom­men, um damit Pro­jek­te für Kin­der in der Umge­bung zu för­dern. Da bin ich Schirm­herr und habe das Line Up gemacht – es kom­men KC Rebell, die Orsons und Gene­tikk, Cur­se, ich und Mon­tez … es ist ein bunt gemisch­ter Hau­fen. Ich sehe in jedem von denen etwas Coo­les. Ich hono­rie­re es, wenn jemand eine kras­se Live­show hat, ein guter Sän­ger oder beson­ders viel­sei­tig ist. Ach, RAF ist auch da – ich kann dir Sachen sagen, die ich bei ihm geil fin­de, aber wie­der­um auch Sachen, die ich an KC geil finde.

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MZEE​.com: Um noch mal zum The­ma zurück­zu­kom­men: Wir wis­sen jetzt, was du über die Ver­gan­gen­heit und die Gegen­wart von deut­schem Rap denkst. Wie sieht es denn mit der Zukunft aus?

Kool Savas: Ich hab' kei­ne Ahnung. Wir haben ja die­se Zyklen. Gera­de gab es eine Oldschool-​Welle, die mir per­sön­lich sehr gut gefal­len hat. Es war auf eine gewis­se Art und Wei­se stumpf und ein biss­chen Recy­cling, aber es war schön, dass die alten Sachen wie­der aus­ge­packt wur­den. Ande­rer­seits wer­den die Leu­te natür­lich immer wie­der nach was Neu­em suchen, weil die Musi­ker hier nicht so viel Nerv haben, an etwas, was man mal ange­fan­gen hat, lan­ge wei­ter­zu­ar­bei­ten. Ich den­ke, die Leu­te, die Rock machen, sind da viel klas­si­scher unter­wegs. Die bau­en auf klas­si­schen Kon­zep­ten und Melo­dien auf. Zumin­dest erscheint es mir so als Außen­ste­hen­der, der nicht in der Rock-​Szene drin ist. Bei Rap hin­ge­gen ist es so: Es muss immer fresh sein, fly sein, up-​to-​date. Des­halb gibt es jetzt auch die­se housi­gen Ein­flüs­se und dass die Ame­ri­ka­ner jetzt glau­ben, dass sie House, Elec­t­ro und EBM ent­deckt haben. Sor­ry, das haben Tech­notro­nic in den Acht­zi­gern gemacht. Das ist eigent­lich kom­plett Game over und das jetzt so zu ver­ar­bei­ten, fei­er' ich nicht so krass. Für mich gibt es zwei Rap-​Hauptcharaktere: Der eine ist Boom bap-​ig, damit mei­ne ich erdig und rough, und der ande­re ist das Westcoast-​Ding. Ich respek­tier' bei­de. Der eine ist mehr auf Soul, der ande­re mehr auf Funk auf­ge­baut. Ich fin­de es schön, das Gan­ze im Rah­men des­sen wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Und natür­lich gibt es auch neue Sachen, die abge­spa­ced sind, aber für mich trotz­dem die­ses Fee­ling rüber­brin­gen kön­nen. Ein Kanye, der schafft es immer wie­der … Zum Bei­spiel ein Song wie "Stron­ger", der erst mal gar nicht nach Boom bap klingt, aber trotz­dem so ein Rap-​Feeling hat.

MZEE​.com: Du hast ja schon eini­ges mit dei­ner Musik erreicht. Gibt es noch etwas, von dem du inner­halb der Sze­ne träumst?

Kool Savas: Das, was ich errei­chen möch­te, das wer­de ich nicht mehr mit­krie­gen. Natür­lich wür­de ich inner­halb der Sze­ne ger­ne unsterb­lich wer­den. Es wäre eine gro­ße Ehre, wenn ich kei­ne Mucke mehr mache und nach 30, 40 Jah­ren Leu­te sagen wür­den: "Wow, das war unser MC. Das war unser Tupac, unser Big­gie". Es wird sich zei­gen, ob es dann am Ende so sein wird oder nicht. Ich jage einem nicht greif­ba­ren Traum hin­ter­her. Die gan­ze Zeit. Immer, wenn ich auf die Büh­ne gehe und sel­ber eine Gän­se­haut krie­ge, die­sen Ener­gie­schub, wenn die Crowd mitmacht …

MZEE​.com: Hast du das Gefühl, immer mehr zu wol­len, ohne genau zu wis­sen, wohin die Rei­se geht? So nach dem Mot­to: "Der Sta­tus ist super, ich hab' kein kon­kre­tes Ziel, aber es muss immer noch ein Stück wei­ter gehen"?

Kool Savas: Ich glau­be, das hat nicht jeder, aber das steckt in vie­len Men­schen. Und die, die das haben, haben dann die­sen Trieb – wie auch immer du das nen­nen willst: Per­fek­tio­nis­mus, Ehr­geiz … viel­leicht auch krank­haf­ter Ehr­geiz. Ich sehe da nichts, wo ich hin will. Wenn ich total kom­mer­zi­ell wäre, wür­de ich sagen: 500.000 ver­kau­fen – wenn ich das schaf­fe, bin ich total hap­py. Ich habe da aber gar nichts bei emp­fun­den. Ich fei­er' es, wenn wir Gold gehen oder mit Xavier Pla­tin. Aber ich habe nichts dabei gespürt. Es hat sich nicht anders ange­fühlt als "John Bel­lo Sto­ry 3", das sich nur 37.000 Mal ver­kauft hat.

MZEE​.com: Wenn man so lan­ge in der Sze­ne unter­wegs ist: Gibt es noch Momen­te, die einen wirk­lich berühren? 

Kool Savas: Hm. Ja, schon. Ich kann das nicht an vie­len Punk­ten fest­ma­chen, aber all­ge­mein kann ich dir sagen: Wenn ich Musik von ande­ren Leu­ten höre, die sehr per­sön­lich ist, dann berührt mich das sehr. Ein Freund von mir, der auch rappt, hat mir einen Song gezeigt, den er für sei­nen kran­ken Sohn geschrie­ben hat. Da sind mir schon die Trä­nen gekom­men, das geb' ich auch ehr­lich zu. Das hat mich sehr berührt. Natür­lich gibt es auch ande­re Momen­te, die mich posi­tiv berüh­ren. Zum Bei­spiel, dass ich so viel Lie­be von den Leu­ten krie­ge. Man stumpft auch etwas ab, weil es ein biss­chen nor­mal wird. Aber es gibt immer wie­der sol­che Situa­tio­nen auf der Büh­ne, auf Tour …

MZEE​.com: Lass uns mal über das The­ma "Zeit" spre­chen: Hat Zeit für dich in den letz­ten Jah­ren eine ande­re Bedeu­tung bekommen?

Kool Savas: Ja, man merkt immer mehr, wie schnell sie ver­geht. Mit Sicher­heit. Unse­re Eltern sagen doch auch: "Och, ein Jahr ist gar nichts". Es ist ja erwie­sen: Die Zeit von null bis 18 fühlt sich für den Men­schen so an wie von 18 bis zum Tod. Die Zeit regt einen schon zum Den­ken an. Zum Bei­spiel, was in kur­zer Zeit pas­siert – oder über einen lan­gen Zeit­raum hin­weg halt auch nicht pas­siert. Oder wenn man sich fragt: "Krass, Alter, hat sich echt so viel ver­än­dert an mir?!"

MZEE​.com: Hast du das Gefühl, dass du mehr als frü­her einen Plan brauchst für einen Tag, eine Woche oder ein Jahr, weil dir sonst die Zeit davonrennt?

Kool Savas: Nee, aber ich ver­su­che mir immer Zeit frei­zu­schau­feln, damit ich in die Shisha-​Bar gehen und chil­len kann. Ich brau­che Momen­te, in denen alles still steht. Ich bin mit mei­nem Han­dy so mega abge­lenkt die gan­ze Zeit. Ich bin non-​stop am Kom­mu­ni­zie­ren und mer­ke, dass mir mei­ne pri­va­te Zeit fehlt. Ich habe viel zu vie­le Sachen, die drum­her­um pas­sie­ren und mir dau­ernd die Zeit rau­ben. Zumin­dest glau­be ich das, wobei ich halt ein­fach auch Ver­ant­wor­tun­gen habe, denen ich nach­kom­men muss. Ich wün­sche mir viel mehr ruhi­ge Zeit zum Besin­nen, um viel­leicht auch ein­fach mal ein Buch in die Hand zu nehmen.

MZEE​.com: Kannst du das denn, dein Han­dy mal aus­schal­ten und die Ruhe genie­ßen? Oder bist du der Typ: "Heu­te han­dy­frei­er Tag, geil" – und sitzt dann nach fünf Minu­ten am Laptop?

Kool Savas: (grinst) Ja, genau. Ich ver­su­che manch­mal schon, die Kom­mu­ni­ka­ti­on zu kap­pen, aber dann suche ich mir schon wie­der Sachen, die mich ablenken …

MZEE​.com: Wie ist das, wenn man so viel unter­wegs ist – hast du trotz­dem noch den Drang, manch­mal weg­zu­fah­ren und Neu­es zu sehen? Kennst du noch das Gefühl des "Fern­wehs"?

Kool Savas: Ich rei­se eigent­lich nicht ger­ne, aber ich bin ger­ne inner­halb von Deutsch­land unter­wegs. Dazu muss ich sagen, ich habe manch­mal die Sehn­sucht, allei­ne zu sein. Und auch mal zu frus­ten und depri zu sein. Aber für mich allei­ne. Denn: Wenn ich depri bin und mei­ne Frau neben mir ist, dann kriegt sie das voll ab. Ich sag' es ihr auch immer wie­der – es ist für mich so eine kras­se Umstel­lung hin zu dem Leben, das wir jetzt haben, im Ver­gleich zu dem, das ich davor hat­te, als ich allein war. Ich wün­sche es mir nicht wie­der zurück, aber ich mer­ke, dass ich stel­len­wei­se Zeit für mich brau­che, um klar zu kom­men. Ich flüch­te dabei nicht vor ihr, son­dern suche mich sel­ber und dafür brau­che ich das manch­mal. Des­halb ist es ganz gut, dass mein Stu­dio in Bam­berg ist. Selbst wenn ich da nur einen Song oder einen Beat in der Woche mache, mache ich das allei­ne und nur für mich.

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MZEE​.com: Gibt es den­noch Orte, die du mal sehen möch­test, auch wenn du nicht ger­ne verreist?

Kool Savas: Ja, ich wür­de ger­ne mal die skan­di­na­vi­schen Län­der sehen. Da wür­de ich dann eine kal­te Win­ter­kreuz­fahrt machen. Oder Alas­ka. Viet­nam. Es gibt zwei, drei Orte, die ich echt sehen möch­te. Und jetzt habe ich mir über­legt, dass ich ger­ne zum Bur­ning Man Fes­ti­val fah­ren wür­de. Ich hab' gehört, dass es krass sein soll …

MZEE​.com: Ich glau­be, man kriegt die Kri­se, wenn man nicht auf den Film klar kommt, den da alle fahren.

Kool Savas: Ja. Stell dir mal vor: Wenn man am Anfang voll eupho­risch ist und dann im Lau­fe des Fes­ti­vals merkt, dass es einen voll abturnt und man anfängt zu haten, bis man das Gan­ze am Ende ein­fach sabo­tiert. Und am Ende ver­brennst du nicht die­sen Mann, son­dern ver­brennst das gan­ze Fes­ti­val. (lacht)

MZEE​.com: Um noch mal zum The­ma "Rei­sen" zurück­zu­kom­men: Gibt es einen Ort, an den du immer wie­der zurück­kehrst, weil er eine beson­de­re Bedeu­tung für dich hat? 

Kool Savas: Das vari­iert. Eine Zeit lang war das Hei­del­berg, weil die Stadt ein kras­ser Befrei­ungs­schlag für mich war – nach mei­ner Berlin-​Zeit, die so eng war und in der ich mich so krass ein­ge­sperrt gefühlt hab'. Die Zeit in Hei­del­berg war für mich eine der bes­ten Zei­ten mei­nes Lebens. Doch dann gewöhnst du dich an die Stadt, lernst ein paar Leu­te ken­nen und merkst: Es ist doch nicht alles Gold, was glänzt. Aber es hat­te für mich auf jeden Fall eine kras­se Bedeu­tung. Ich bin immer wie­der nach Hei­del­berg zurück, auch wenn ich woan­ders gewohnt habe, und hab' da ein, zwei Tage gechillt. Pader­born hat bei mir auch sowas hin­ter­las­sen. Ich glau­be, viel­leicht gibt es nicht die­sen einen kon­kre­ten Ort. Es gibt viel­leicht Situa­tio­nen, die die­se Bedeu­tung haben. Zum Bei­spiel habe ich das Sprü­hen vor ein paar Jah­ren wie­der für mich ent­deckt. Bei die­sem „An-​die-​Wand-​zurückkehren“ – der Geruch, da wer­den so vie­le Erin­ne­run­gen wie­der wach. Und wenn ich das mache, mer­ke ich schon: "Krass, du bist dir sel­ber treu geblie­ben. Du machst immer noch Hip­Hop, du liebst das immer noch. Egal, was du sagst, du fei­erst es, auf einer Jam zu sein …"

MZEE​.com: Kom­men wir noch mal auf dei­ne Kar­rie­re zu spre­chen: Was war die schlimms­te, fol­gen­reichs­te oder unan­ge­nehms­te Ent­schei­dung, die du in dei­ner Rap­kar­rie­re je getrof­fen hast?

Kool Savas: Sehr gute Fra­ge. Das hat mich wirk­lich noch nie jemand gefragt. (über­legt) Da gibt es ganz vie­le Ent­schei­dun­gen. Unan­ge­nehm und gut zugleich war zum Bei­spiel, Optik zu schlie­ßen. Sich ein­zu­ge­ste­hen: "Schei­ße, Alter, es hat nicht geklappt" – und geil, weil es danach ein­fach super gelau­fen ist. Und ich mich total befreit gefühlt hab'. "Jungs, ab jetzt ist jeder für sich selbst ver­ant­wort­lich. Ob Miet­wa­gen oder all­täg­li­che Din­ge – jeder muss das jetzt in Eigen­ver­ant­wor­tung regeln." Ich geh' auf Tour und muss nicht um jeden Preis 20 Leu­te mit­neh­men. Im glei­chen Atem­zug war es auch unan­ge­nehm, dass Mel und ich uns musi­ka­lisch eman­zi­pie­ren muss­ten. Jeder in sei­ne Rich­tung. Das schmerzt jetzt noch manch­mal. Es wur­de musi­ka­lisch zwar ein­fa­cher und viel­leicht frei­er für mich, doch vom Gefühl her fand ich es manch­mal ein­fach scha­de, dass wir nicht mehr so viel mit­ein­an­der zu tun hat­ten, aber wir haben uns auch echt aus­ein­an­der­ge­lebt. Was Tren­nun­gen angeht, den­ke ich: Wenn du Schmer­zen hast, dann fühlst du dich danach, wenn du wie­der gesund bist, viel, viel bes­ser. Jede unan­ge­neh­me Erfah­rung hat auch oft sehr posi­ti­ve Sachen mit sich gebracht.

MZEE​.com: Apro­pos "Optik": Hast du noch Kon­takt zu den Künst­lern, die damals bei Optik gesignt waren bezie­hungs­wei­se ver­folgst du heu­te noch von jedem die Karriere?

Kool Savas: Ja. Natür­lich. Ver­fol­gen sowie­so. Amar war ja im Knast. Mit ihm hat­te ich die gan­ze Zeit Kon­takt. Bei einem sei­ner Frei­gän­ge hat er mich zum Bei­spiel auf mei­nem Kon­zert in Stutt­gart besucht. Er hat sei­ne Toch­ter mit­ge­nom­men, sie hat ihn das ers­te Mal auf der Büh­ne gese­hen. Da waren 4000 Men­schen. Das war für ihn und mich ein wun­der­schö­ner Moment. Mit Erc hab' ich Kon­takt. Mit Moe hab' ich Kon­takt, er ist ganz posi­tiv und gechillt und ich freu' mich voll, dass er sein Leben so gut im Griff hat. Mit eini­gen habe ich kei­nen Kon­takt und rich­tig scha­de ist es halt bei Mel, dass wir nichts mehr groß­ar­tig mit­ein­an­der zu tun haben.

MZEE​.com: Wir wis­sen, was du für einen Bekannt­heits­sta­tus inner­halb der deut­schen Rap­sze­ne hast, aber wie sieht es im nor­ma­len Leben aus? 

Kool Savas: Bei Erwach­se­nen glaub' ich nie, dass sie mich erken­nen, die las­sen sich das oft auch nicht anmer­ken. Bei Kids ist es das Gegen­teil: Wenn sie irgend­was mit Mucke zu tun oder einen Inter­net­an­schluss haben, dann … Letz­tens war ich mit mei­ner Frau ein­kau­fen und wir sahen bei­de voll geschrot­tet aus. Genau da hat­te eine Schu­le Pau­se und zehn Leu­te sind gekom­men. Ich hab' danach auch zu ihr gesagt: "Wir dür­fen nie wie­der so aus dem Haus gehen." Wir sahen bei­de aus wie Lei­chen. Nicht, dass sie nicht hübsch ist, aber wir müs­sen fresh aus­se­hen. (lacht) Wir waren voll­kom­men im Eimer. Aber ja, es ist so: Die jun­gen Leu­te spre­chen einen schon an und das ist okay. Ich kann damit leben. Aber ich las­se mir auch nicht auf den Füßen rum­tram­peln. Wenn einer unver­schämt ist, dann sage ich schon: "Stopp, ich bin jetzt pri­vat hier, das muss nicht sein." Aber ansons­ten … Too Short hat­te damals ein paar Regeln und eine davon war: "Jeder Fan bekommt ein Foto".

MZEE​.com: Kannst du dich noch an den Moment erin­nern, in dem du zum ers­ten Mal auf der Stra­ße erkannt oder nach einem Auto­gramm gefragt wurdest? 

Kool Savas: Nö, aber ich hab' einen ähn­li­chen Moment. Ich war damals am Hacke­schen Markt und da hat­te ich mei­ne Tisch­ler­kla­mot­ten an, einen Blau­mann oder so. Ich war über­haupt nicht fame, das war alles auf Underground-​Basis. Da ist einer gekom­men und hat mich erkannt. Er hat mich nach dem Weg gefragt und die gan­ze Zeit ange­grinst und komisch ange­guckt. Erst spä­ter hab' ich gemerkt, dass er mich halt erkannt hat. Er hat nichts dazu gesagt und das war rich­tig komisch. Wenn mich heu­te jemand so anguckt, dann gucke ich ent­we­der die gan­ze Zeit weg oder grüß' direkt und neh­me sofort die Luft raus. Aber wenn einer zum Bei­spiel beim Ein­kau­fen neben mir steht und mich zwei Minu­ten anstarrt, bin ich extra igno­rant und rede gar nicht.

MZEE​.com: Zum Abschluss wür­den wir nun noch eines ger­ne wis­sen: Was ist der unter­schätz­tes­te Track, den du je ver­öf­fent­licht hast?

Kool Savas: Ich wür­de sagen, das ist "Nichts bleibt mehr" – wegen all der Kom­po­nen­ten, die in dem Song statt­fin­den. Das Gedicht von mei­nem Vater, das mir so viel bedeu­tet. Der Scala-​Chor, den ich dafür akti­viert hab', was teu­er und auf­wän­dig war, weil ein­fach 20 Leu­te ins Stu­dio gehen muss­ten. Der Beat … und dass ich the­ma­tisch sowas gemacht hab'. Das ist gleich­zei­tig auch einer mei­ner Lieb­lings­tracks. Ich hät­te mir da mehr Feed­back gewünscht.

(Flo­rence Bader & Lai­la Drewes)
(Fotos von Kai Bern­stein)