Es ist kaum vorstellbar, wie traurig das Leben ohne die Liebsten an unserer Seite wäre. Was für einen hohen Stellenwert zwischenmenschliche Beziehungen haben, kann man nicht zuletzt daran erkennen, wie oft sie in der Musik thematisiert und verarbeitet werden. Bartek hat in den vergangenen Jahren immer wieder unterstrichen, dass er nicht nur für lustige Wortspiele zu haben ist – er ist auch ein sehr aufmerksamer Beobachter, der seine Wahrnehmungen gerne zu Songs verarbeitet. Sein erstes Soloalbum "Knäul" schlägt eine solche Richtung ein und beleuchtet dabei sowohl schöne als auch sehr schmerzhafte Erfahrungen. Im Interview sprach Bartek unter anderem darüber, wie er seine langjährigen Beziehungen pflegt und aufrechterhält. In diesem Zusammenhang erzählte er uns außerdem, wie es die Orsons trotz unterschiedlichster Charaktere schaffen, so gut miteinander klarzukommen.
MZEE.com: Ich würde gerne mit dir über unterschiedliche Arten von Beziehungen sprechen. Mir ist nämlich aufgefallen, dass deine Musik oft von dir und einer anderen Person handelt. Wann hast du dir das erste Mal bewusst Gedanken über zwischenmenschliche Beziehungen gemacht?
Bartek: Ich hatte früher immer ältere Freundinnen. Mit zwölf Jahren war ich das erste Mal in einer Beziehung. Sie war 16 und ich habe mir da nie wirklich groß Gedanken drüber gemacht. Als ich dann etwas älter war, hatte ich eine Partnerin, die sich von heute auf morgen einfach nicht mehr gemeldet hat. Sie war einfach weg. Das Ganze habe ich auf dem Track "Mars" verarbeitet. Ab diesem Moment habe ich gemerkt, wie krass es ist, wenn man sich einem Menschen öffnet und dann verletzt wird. Nach diesem Vorfall hab' ich eine Weile gebraucht, um mich wieder Menschen öffnen zu können.
MZEE.com: Beim Hören deiner Musik kann man nur schwierig einschätzen, wie persönlich deine Texte sind. Wie viel eigene Erfahrungen stecken in deinen Songs, wenn es um dieses Thema geht?
Bartek: Ich würde sagen, dass diese Songs alle persönlicher Natur sind. Ich habe für mein erstes Soloalbum eine Arbeitsweise gefunden, die aus meinem Unterbewusstsein heraus kommt. Da geht es viel um meine eigenen Beobachtungen. Als Teil der Orsons kommt es aber auch mal vor, dass ich die Geschichten und Erzählungen von anderen Menschen verarbeite. Ich glaube, dass viele Songs in allen Menschenleben stecken und ich bin froh, dass ich das alles mit einfließen lassen darf.
MZEE.com: Bringt dir deine musikalische Verarbeitung manchmal auch Lösungsansätze, die du vorher gar nicht auf dem Schirm hattest?
Bartek: Ich kann gar nicht genau sagen, ob zuerst der Lösungsansatz oder der Song da ist. Das ist alles ein großer Prozess. Natürlich kommt es beim Musikmachen vor, dass man plötzlich einen anderen Blick auf die Dinge hat – aber eben nicht immer.
MZEE.com: Werden wir mal etwas konkreter: Auf deiner Single "Weg" von deinem neuen Album unterstreichst du, was für eine große Lücke Menschen hinterlassen können, wenn sie nicht mehr da sind. Wie gehst du persönlich mit solchen Verlusten um?
Bartek: Ich habe den Song absichtlich so geschrieben, als würde es um eine Beziehung mit einer Frau gehen. Eigentlich handelt er aber von meinem Dad, der vor anderthalb Jahren gestorben ist. Ich habe den Text bewusst etwas allgemeiner gehalten, sodass es am Ende einfach um eine Person geht, die man verloren hat. In dieser Zeit habe ich so viel Musik gemacht wie nie zuvor. Ein zweites Soloalbum von mir ist bereits fertig geschrieben und ich bin megadankbar, dass ich diese Möglichkeit habe, um meine Gefühle zu kanalisieren. Ohne die Musik wäre ich einfach verrückt geworden. Es kann auch helfen, sich ein kleines Büchlein anzulegen, in welches man Gedanken und Eindrücke reinschreibt oder einfach Kleinigkeiten malt. Das würde ich jedem ans Herz legen. Ich selbst habe bereits viele solcher Notizbücher gefüllt. (lacht)
MZEE.com: Wie du bereits kurz erwähnt hast, bist du seit eh und je Teil der Orsons – einer Gruppe, die man durch ihre vielfältige Art nur schwer greifen kann. Wie würdest du die Beziehungen innerhalb eures Quartetts beschreiben?
Bartek: Mit Maeckes habe ich eine sehr spezielle Beziehung, weil ich ihn schon so lange kenne. Wir machen ja seit 2004 gemeinsam Musik. Allgemein entsteht immer ein völlig anderer Spirit, wenn unterschiedliche Orsons zusammen im Studio sind. Wir haben ein richtig gutes Verhältnis, was wohl daran liegt, dass wir immer ehrlich zueinander waren. Wir sprechen alles ganz offen an. Nur so kann eine Beziehung lange halten. Es gibt ja auch Bands, die in unterschiedlichen Tourbussen herumfahren, weil sich die Mitglieder untereinander nicht leiden können. Ich habe kürzlich eine Doku über a-ha gesehen. Die reden während ihrer Freizeit kein Wort miteinander und stehen nur noch zusammen auf der Bühne. Wir sind auf jeden Fall froh, dass wir eine Familie und keine Zweckgemeinschaft sind. Diese Ehrlichkeit hilft mir immer wieder in Beziehungen. Wenn ich merke, dass es nur funktioniert, wenn ich mich verstelle, lasse ich es sein. Seitdem ich diese Einstellung habe, laufe ich geil durchs Leben.
MZEE.com: Als Orsons verbringt ihr viel Zeit zusammen. Bist du jemand, der Probleme damit hat, alleine zu sein, oder brauchst du regelmäßig deinen Freiraum?
Bartek: Ich liebe es, alleine zu sein. Ich nehme mir einen Tag in der Woche bewusst frei und beschäftige mich nur mit mir selbst – und ich würde allen raten, das auch zu tun. Die Seele ist für solche Tage dankbar. Man muss aber erst lernen, alleine sein zu können.
MZEE.com: Mit Maeckes, Tua und KAAS bist du schon seit vielen Jahren befreundet. Wie ist es für dich, neue Menschen kennenzulernen? Bist du jemand, der sich schnell darauf einlassen kann?
Bartek: Ja, vielleicht sogar etwas zu schnell – obwohl ich diesbezüglich noch keine schlechten Erfahrungen gemacht habe. Die anderen Orsons brauchen da auf jeden Fall länger als ich.
MZEE.com: Passend zum Thema haben wir ein Zitat von der Spätromantik-Schriftstellerin Henriette Hanke herausgesucht: "In jeder neuen Beziehung ist neben der Realität ein wenig Illusion, deren Verlust zur ersten Bewährungsprobe wird." – Würdest du der Aussage zustimmen?
Bartek: Ich selbst bin bei neuen Bekanntschaften sehr intuitiv. Nach zwei bis drei Abenden mit tiefgehenden Gesprächen kann ich meistens schon einschätzen, ob es passt oder der Kontakt auf einer entfernten Bekanntschaftsebene bleibt. Das ist aber auch völlig in Ordnung. Ich muss in diesem Zusammenhang sagen, dass ich niemand bin, der sich von selbst oft meldet. Wenn ich meine Leute dann aber mal wieder treffe, ist es so, als hätte man die ganze Zeit Kontakt gehabt. Auch das macht eine gute Beziehung für mich aus.
MZEE.com: Lass uns noch mal spezifisch über die Partnerschaft zwischen zwei Menschen sprechen. Man hört oft, dass es toxisch sein kann, sich zu sehr auf einen Menschen zu fokussieren. Wie viel Egoismus ist in einer gesunden Beziehung wichtig, damit sie langfristig funktioniert?
Bartek: Egoismus ist sehr wichtig! Es gibt Menschen, die sich für eine Beziehung komplett selbst aufgeben. Dabei sollte man unabhängig von anderen glücklich sein können. Wer sich wegen seines Partners immer mehr einschränkt, wird am Ende nicht glücklich. Deshalb hilft ein gesunder Egoismus, den man aber offen kommunizieren muss. Außerdem sollte man regelmäßig nachfragen, ob die andere Person mit ihren Freiheiten zufrieden ist oder ob etwas geändert werden muss. Ein großer Fehler, den viele machen, ist, einfach abzuhauen, wenn man sich eingeengt fühlt. Die ersten drei Jahre in einer Beziehung sind mit Arbeit verbunden, aber danach wird es im Optimalfall richtig schön. Ich selbst bin jetzt schon achteinhalb Jahre mit meiner Freundin zusammen.
MZEE.com: Auf "Post" von deiner aktuellen Platte rappst du darüber, wie wichtig es ist, auf seine bessere Hälfte einzugehen und die Sichtweise der anderen Person zu verstehen. Wie hält man diesbezüglich am besten das Gleichgewicht, ohne dass jemand das Gefühl hat, zu kurz zu kommen?
Bartek: Auch hier ist Kommunikation das A und O. Oft möchte man es nicht ansprechen, wenn man sich vernachlässigt fühlt, weil man denkt, dass die andere Person das schon irgendwie merkt. Ich selbst bin jemand, der so etwas oft nicht mitbekommt und dem gesagt werden muss, wenn gerade etwas nicht passt. Um noch mal auf den Song zurückzukommen: Allgemein geht es darum, dass eine Beziehung nur mit Teamwork funktioniert. Wenn die eine Person sagt, dass ihr gerade alles zu viel ist und sie nicht genug in die Partnerschaft investieren kann, dann ist die andere Person da und fängt sie auf.
MZEE.com: Gegen Ende würde ich gerne noch auf einen älteren Song von dir eingehen. Auf "Wasserburgen" mit Mine thematisierst du eine Liebesbeziehung, die zu stagnieren scheint und in der es nicht mehr weitergeht. Was würdest du Paaren raten, die sich aktuell in einer solchen Phase befinden?
Bartek: (schließt die Augen) Ich versuche gerade, mich an den Track zu erinnern. Ich glaube, dass "Wasserburgen" ein Nachtrag zu "Mars" sein sollte. Für mich war die Beziehung zu diesem Zeitpunkt bereits vorbei und all die Versuche, sie zu erneuern, waren gescheitert. Wenn die Beziehung aber noch nicht verloren ist, muss man versuchen, wieder frischen Wind hineinzubekommen. Man kann zum Beispiel wieder richtige Date Nights ausrufen. Man sieht sich zwar jeden Tag, aber an diesem Abend zieht man sich etwas cooler an als sonst und geht miteinander aus. Das hilft dabei, die Beziehung lebendig zu halten. Ich persönlich finde es auch wichtig, die Person an seiner Seite regelmäßig zu fragen, ob es ihr gut geht und ob sie glücklich ist.
MZEE.com: Zu guter Letzt: Was ist bis heute das größte Rätsel für dich, wenn es um Beziehungen geht?
Bartek: Wir haben es noch gar nicht raus. Ich checke zum Beispiel überhaupt nicht, wie man andere Menschen töten kann. Was ist denn da los? Als Menschheit haben wir noch ganz viel zu lernen, was Beziehungen angeht – nicht nur untereinander, sondern zum Beispiel auch, wenn es um die Beziehung zur Natur geht.
MZEE.com: Wo fängt man da am besten an?
Bartek: Man schließt die Augen, geht in sich und macht sich leer. Und aus dieser Leere entsteht dann etwas. Das klingt jetzt vielleicht wie so ein blöder Postkartenspruch, aber wenn man sich mit sich selbst und seinem eigenen Bewusstsein beschäftigt, dann ist das schon mal ein Anfang. Eigentlich müssten wir uns als Menschheit alle zusammen hinsetzen und meditieren – das wäre mein Traum.
(Moritz Friedenberg)
(Fotos von Lars Brinkmann)