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Plattenkiste

jolle – schwarzes wasser

Egal, ob Album, Gratis-​Mixtape oder Lieb­lings­song – in unse­rer "Plat­ten­kis­te" stel­len wir Euch regel­mä­ßig die Per­len unse­rer redak­ti­ons­in­ter­nen Samm­lun­gen vor. Die­ses Mal: jol­le mit "schwar­zes wasser".

"Was?! Du kennst das nicht? Sekun­de, ich such' dir das mal raus." Und schon öff­net sich die Plat­ten­kis­te. Wer kennt die­sen Moment nicht? Man redet über Musik und auf ein­mal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzu­fan­gen weiß. Und plötz­lich hagelt es Lob­prei­sun­gen, Hass­ti­ra­den oder Anek­do­ten. Gera­de dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwär­men ver­fällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das The­ma wich­tig ist, bit­tet man nicht all­zu sel­ten um eine Kost­pro­be. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Per­son so sehr am Her­zen zu lie­gen scheint. In die­sem Fall – was uns so sehr am Her­zen liegt: Ein Aus­zug aus der Musik, mit der wir etwas ver­bin­den, die wir fei­ern, die uns berührt. Ein Griff in unse­re Plat­ten­kis­te eben.

 

Im Som­mer 2023 ent­deck­te ich jol­le im Zuge ihres Sig­nings bei 365XX mit ihrer Sin­gle "gros­se frei­heit". Ihr ener­ge­ti­scher Sound in Kom­bi­na­ti­on mit den stim­mungs­vol­len Lyrics catch­te mich sofort und wur­de zum pas­sen­den Sound­track für die son­ni­ge Jah­res­zeit. Kurz dar­auf fiel ich dann aber in "schwar­zes wasser".

Mit ihrer drit­ten Solo-​Single dreh­te sich die Musi­ke­rin stim­mungs­tech­nisch um 180 Grad. Fas­zi­nie­ren­der­wei­se bleibt dabei der Som­mer jedoch trotz­dem meta­pho­risch kurz­zei­tig erhal­ten: "Son­ne scheint, doch ich hab' Angst vor Regen." So lau­ten die ers­ten Wor­te einer emo­tio­na­len Tal­fahrt. Mit sanf­ter Stim­me beschreibt jol­le das dif­fu­se Gefühl, kurz bevor sie von einer depres­si­ven Wel­le mit­ge­nom­men wird. Es erscheint fast wider­sprüch­lich, mit welch male­ri­schen Bil­dern sie die aus­weg­lo­se Situa­ti­on beschreibt. Gemein­sam mit Der Buttler ent­stan­den Lyrics, von denen sich mir ganz vie­le Lines direkt ins Hirn gebrannt haben. Dabei bie­tet das Instru­men­tal den per­fek­ten Rah­men für jol­les nah­ba­re Zei­len. Der melan­cho­li­sche Beat von Leon Wolf und can't be bought spielt sich zu kei­nem Zeit­punkt zu sehr in den Vor­der­grund, sodass man stets den Schil­de­run­gen der Musi­ke­rin folgt. Und die­se sind, im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes, düs­ter. Es ist die Erzäh­lung von Aus­sichts­lo­sig­keit bei der Demon­ta­ge des eige­nen Daseins. Hier ist der Fall in "schwar­zes was­ser" vorprogrammiert.

"Mich hat nie­mand gefragt, ob ich's hier über­haupt mag. Kein Gefühl mehr für Far­ben, ich sehe über­all schwarz." – Dank Künstler:innen wie jol­le fühlt man sich in sol­chen Momen­ten weni­ger allein und emo­tio­nal ver­stan­den. Es zeugt von gro­ßer Stär­ke, wenn Musiker:innen abseits der eige­nen Posi­ti­vi­tät und der Par­ty­songs auch ande­ren Facet­ten des Lebens in ihrer Musik Raum geben.

(Alec Weber)