Für Frauen gelten im Rap andere Maßstäbe. Das ist nichts Neues: Die Musik von weiblichen MCs wird schnell mit den Stempeln "Heilige" oder "H*re" versehen. Besonders im Atzen-Rap, in dem es viel um Exzess, Drogen und Party-Eskapismus geht, werden Frauen, die diese Themen aufgreifen, auf ihre Weiblichkeit und ihre Musik auf ein misogynes Branding reduziert. Das seien dann "Pornorapperinnen". Die Musik wird dann nicht mehr als eine wahrgenommen, die voller Widersprüche ist. Eine Rapperin, die oft diesen Stempel erhält, ist Yung FSK18. Dabei erzählt die Rapperin aus Halle an der Saale in ihren Tracks an vielen Stellen ungeschönt vom eigenen Weltschmerz, der Suche nach ihrem Platz in der Welt und den Schattenseiten des Exzesses. Deswegen wollten wir mit Yung FSK18 über diese Widersprüche sprechen.
MZEE.com: Heute soll es um Widersprüche gehen. Welche Widersprüche begleiten dich denn in deiner Musik und deinem Alltag?
Yung FSK18: Ich finde die Frage tatsächlich super, weil Widersprüche etwas sind, was mich in meinen Songtexten extrem beschäftigt. Das Leben ist einfach scheiße kompliziert. Ein Widerspruch, der mir da direkt einfällt, ist: Es macht viel Spaß, sich sexy anzuziehen, Aufmerksamkeit zu bekommen und etwas zu machen, was anderen gefällt.
MZEE.com: Aber?
Yung FSK18: Manche Leute verstehen das als Freibrief oder als Einladung. Ihre Reaktionen suggerieren, dass wenn eine Frau sich so anzieht, bedeute das automatisch, sie wolle angemacht werden und Sex haben. Das hat viele Nachteile und ist beschissen. Es ist schade, dass – auch wenn man die freie Entscheidung trifft, etwas zu tun, woran man Spaß hat – man dafür dann viele negative Reaktionen bekommt. Die möchte man nicht haben und die sucht man sich nicht aus. Es macht Spaß, sexy zu sein, aber es macht keinen Spaß, unfreiwillig objektifiziert oder sogar entmenschlicht zu werden.
MZEE.com: Hattest du, bevor du angefangen hast zu rappen, Angst vor solchen Reaktionen?
Yung FSK18: Nein, tatsächlich nicht. Ich kann nicht genau sagen, woran das liegt, dass ich da vielleicht manchmal naiv war oder einfach sehr angst- und schmerzfrei. Ich dachte mir oft, dass ich natürlich weiß, dass viele Leute und viele Männer scheiße sind. Ich möchte trotzdem machen, was ich will. Auch, wenn ich dann mit Belästigung oder Shitstorms rechnen kann. Am Anfang hab' ich gar nicht drüber nachgedacht, weil ich nie so ein "Frauen dürfen das nicht"-Mindset hatte. Was das angeht, hatte ich eine ganz gute Erziehung. Ich habe gelernt, dass der weibliche Körper nichts ist, wofür man sich schämen muss. Ich bin natürlich nicht in irgendeiner Utopie oder einem Paralleluniversum aufgewachsen, in dem es keine Geschlechterstereotype und keinen Sexismus gibt. Doch ich habe nicht beigebracht bekommen, dass der weibliche Körper irgendwas Schmutziges oder Böses ist, was man verstecken muss oder was Männern Sex suggeriert oder sie verführt. Bis auf, dass meine Babysitterin einmal zu mir meinte, ich solle nicht so tanzen wie Britney Spears, das würden Männer falsch verstehen – da war ich drei! Das ist eine meiner frühsten Erinnerungen.
MZEE.com: In einem Interview im Podcast von Edgar Einfühlsam hast du einen schönen Satz gesagt. Und zwar: "Das Leben ist halt widersprüchlich. Es ist schwierig, sich als Mensch, als Frau, als Rapperin in der Welt zurechtzufinden." – Was meinst du damit?
Yung FSK18: (überlegt) Neben dem, was ich schon gesagt habe, ist ein weiterer Widerspruch, dass es Spaß macht, 'ne Partymaus zu sein und sich die Nächte um die Ohren zu schlagen, aber Drogenmissbrauch definitiv sehr viele Risiken mit sich bringt. Drogen sind böse. Wenn Leute selber noch nie mit psychischen Problemen oder mit Suchtproblemen zu tun hatten und das in deren Freundeskreis keine Rolle spielt, können die sich sehr glücklich schätzen. Aber selbst die erleben das mit. Alleine durch den Alkoholmissbrauch, der in unserer Gesellschaft zur Kultur gehört und normal ist. Selbst diese Leute haben schon mal erlebt, wie es ist, wenn man eine Alkoholvergiftung hat, kotzen muss oder einen schlimmen Kater hat, am nächsten Tag alles schwarz sieht und infrage stellt. Einfach, weil das auf die Stimmung schlägt. Das beschäftigt mich. Ich will Drogen nicht verteufeln. Rauscherlebnisse können extrem viel Spaß machen, gemeinschaftsstiftend und bereichernd sein. Aber Drogenkonsum kann halt auch tödlich enden. Das ist was, worüber man aufklären sollte. Damit die Leute dann bewusste Entscheidungen treffen und zum Beispiel Safer Use betreiben und besser auf sich und ihre Freund:innen aufpassen. Ist halt nicht alles nur Spaß.
MZEE.com: Das kommt ja auch in deiner Musik vor. Es geht zwar viel um Sex, Hedonismus und Partyexzesse, aber gleichzeitig zeigst du immer wieder die Schattenseiten und dunklen Gefühle, die zu so einem Leben dazugehören. Wie sind sie dir aufgefallen?
Yung FSK18: Ich glaube, dass die Schattenseiten zum Leben und zum Menschsein von Anfang an dazugehören. Selbst, wenn in deiner Kindheit alles perfekt läuft, aber besonders, wenn man familiäre Probleme hat. Das ist in uns allen drin, dass man nicht nur glücklich ist. Angst, Wut und Aggressionen: Das sind Gefühle und Triebe, die in den Menschen einfach von Grund auf angelegt sind. Damit muss jeder umgehen. Wenn man jetzt nicht in einer kompletten Traumwelt lebt, dann kriegt man das von Anfang an mit. Zumal gesellschaftlicher Druck, Geldsorgen und Ungerechtigkeit es ja nicht besser machen.
MZEE.com: Wo in deiner Musik machst du solche Kontraste aus Emanzipation und persönlichen und gesellschaftlichen Abgründen auf? Wo sieht man Widersprüche?
Yung FSK18: Ich versuche das sowohl in meinen Texten als auch in meinen Videos. Die Beats und die Musikproduktion sind nicht von mir, sondern kommen meistens von Rattenjunge oder manchmal von anderen Kolleg:innen. Ich produziere nicht selbst, aber bei den Texten, die ich komplett im Alleingang schreibe, und den Videos, die ich in 99 % der Fälle mitkonzipiere und an deren Umsetzung ich immer beteiligt bin, oft auch was den Schnitt und die Effekte angeht, spielt das eine sehr große Rolle. Mir ist das wichtig, weil ich es gerne hätte, dass es diese aufklärerischen Aspekte gibt. Also, wenn ich darüber rappe, dass Drogenmissbrauch auf Partys Spaß machen kann, dass ich dann auch sage, dass das auch riskant ist. Auch, wenn es nur der Kater ist und nichts Schlimmeres. Oder wenn ich mich hübsch und sexy in Videos zeige, dass ich auch mal hässliche Seiten von mir durchblicken lasse, weil ich eben nicht nur eine Baddie bin, sondern vor allem ein Mensch: kein Objekt, kein Produkt, keine Kunstfigur. Das versuche ich, textlich zu verarbeiten, indem ich im selben Song sowohl die eine als auch die andere Seite explizit erwähne. Auch, wenn ich weiß, dass man nicht immer alle Facetten eines Themas in einem Song erwähnen kann, weil du es den Leuten dann zu schwer machst. Man muss auch mal beim Thema bleiben. Aber ich versuche zum Beispiel, wenn ich einen Party-Track mache, in dem es darum geht, einfach eine gute Zeit zu haben, trotzdem durch die Konnotation durchblicken zu lassen, dass auch ich schon die Nachteile davon erfahren habe und mich selbst davon abgefuckt fühle. Ich behalte im Hinterkopf, dass ich zwar gerade eine gute Zeit habe, aber aufpassen muss, weil ich weiß, dass es böse enden kann, wenn man das nicht tut. Selbst, wenn man aufpasst, heißt das nicht, dass man das Ganze jemals komplett unter Kontrolle hätte. Sucht ist der Teufel – die sagt dir ja, es wäre schon ok, "nur einmal noch".
MZEE.com: Hast du schon mal überlegt, ganz auf Drogen zu verzichten?
Yung FSK18: Ich habe auf jeden Fall schon darüber nachgedacht, ob man nicht insgesamt glücklicher ist, wenn man nie extreme Highs und Lows durch Drogen erfährt. Gerade, wenn man es schon, seit man ein Kind ist, mit psychischen Problemen zu tun hat. Die Highs werden auf Dauer ja nicht nur geiler, zum Beispiel wenn Leute mit der Zeit einen Suchtdruck entwickeln. Irgendwann willst du nur noch dieses Suchtgefühl befriedigen und hast selbst, wenn du drauf bist, nicht mehr so eine gute Zeit. Ich würde definitiv sagen, dass ich eine Person bin, die ein großes Bedürfnis nach intensiven Erlebnissen hat. Aber ich habe eben auch die Nachteile erlebt und auch schon Freunde verloren. Deswegen habe ich schon gemerkt: Das ist es einfach nicht wert. Das meine ich, wenn ich sage, ich fände es gut, wenn man in den Texten auch die Schattenseiten erwähnen würde und versuchen würde aufzuklären, ohne dass ich damit Partys und Drogenkonsum irgendwie komplett verteufeln oder verurteilen möchte. Alle sollen machen, wie sie Bock haben. Aber überleg es dir, und du kannst es dir nur überlegen, wenn du die nötigen Informationen dazu hast. Wenn alle Rapper:innen immer nur die positiven Seiten betonen, fehlt den Fans oder auch anderen Rapper:innen in der Musikszene der Anstoß, mal zu sagen, dass wir eigentlich alle wissen, dass es eben diese Schattenseiten gibt. Ich sehe jedoch viel in der Musikszene, dass Rapper:innen, die stark mit ihrem Drogenproblem connected sind und damit identifiziert werden, so wie T-Low zum Beispiel, keine pure Verherrlichung betreiben. Auch die sprechen über die Schattenseiten. Aber ich weiß nicht, ob Musik überhaupt geeignet ist, so ernste Themen sachlich rüberzubringen, ohne sie dabei zu romantisieren.
MZEE.com: Hast du das Gefühl, dass sich da was in der Rapszene tut?
Yung FSK18: Mein Eindruck ist, dass in der Rapszene in Deutschland neben Alkohol mittlerweile mehr harte Drogen wie Koks, Opiate und Benzos im Umlauf und Thema der Songs sind, als das noch vor zehn Jahren der Fall war. Oder vielleicht habe ich das, als ich jünger war, bloß nicht so stark mitbekommen. Jedenfalls ist das echt beschissen und deswegen finde ich es wichtig, darüber zu reden. Damit ich sozusagen auch meinen kleinen Beitrag leiste und den Leuten einen Anstoß gebe. Meine Message ist dabei: Seid ehrlich zu euch selber und überlegt euch, ob ihr da Bock drauf habt, oder lasst es lieber einfach.
MZEE.com: Das letzte Jahr, 2023, war das Jahr des Atzen-Raps. Tiefbasskommando, Shoki oder Ikkimel sind immer mehr im musikalischen Mainstream angekommen. Viele feiern zum Beispiel auf TikTok vor allem den Drogenkonsum, den die Musik verkörpert. Was denkst du über diese Entwicklung?
Yung FSK18: Auch das ist widersprüchlich. (lacht) Einerseits finde ich, dass so eine Art von Rap einfach sehr viel Spaß macht. Ich rappe ja auch, weil Rap oft so was Pubertäres hat. Man kann Sachen, die vermeintlich böse oder verboten sind, einfach rausschreien. So schön in die Fresse. Das finde ich gut so. Ich bin überhaupt kein Fan davon, jemandem vorzuschreiben, was er oder sie zu rappen und welche Wörter man zu benutzen hat. Wenn Leute aber zum Beispiel sexistische Texte raushauen und sich wie so oft herausstellt, dass die auch im echten Leben Sexisten sind, oder dass sie nichts dagegen machen, wenn andere Männer eklig und gewalttätig werden, ist das scheiße. Artists, bei denen es viel um Drogenmissbrauch und Abgefucktheit geht, würde ich nicht die Verantwortung dafür geben, dass sie andere damit zu irgendwas anstiften. Doch zu sagen, das sei alles ironisch, eine Kunstfigur, Satire und gesellschaftskritisch, ist was, das ich fraglich finde. Ich glaube, das macht den Reiz an der Musik aus: Manchmal ist es übertrieben, damit es besonders krass klingt. Manchmal kommt es aber so heftig und überzeugend rüber, weil man weiß, da ist schon mehr als ein Funken Wahrheit dran. Das macht das Ganze ja erst so real und interessant, aber gleichzeitig eben auch traurig. Das ist manchmal was, wo ich dann überlegen muss: Geht's euch noch gut? Ich meine das nicht im besonderen Bezug auf die genannten Kollegen, sondern generell auf die Rapszene bezogen. Bestimmt haben sich das auch schon Leute gefragt, die sich meine Musik angehört haben. Mit Themen wie Sex, Partys und Drogen, die ich selbst in meiner Musik bediene und stark bedient habe, hab' ich teilweise auch Sachen verherrlicht, weil es sich in dem Moment cool angehört hat, Spaß gemacht hat und ein guter Party-Track bei rumkam. So was verkauft sich auch gut.
MZEE.com: Du hast gerade in Bezug auf deine Musik in der Vergangenheit gesprochen. Hat sich dein Anspruch an dich selbst verändert?
Yung FSK18: Ich habe entschieden, dass ich mich mit drogenverherrlichenden Party-Tracks allein aktuell nicht wohlfühle. Auch, wenn ich weiß, dass das die Tracks sind, die mir Spaß machen und sich besser verkaufen. Doch die Widersprüche, die sich da aufmachen, sind etwas, was ich nicht ignorieren kann und will, sondern etwas, was ich spannend finde und womit ich selber privat meinen Umgang finden möchte. Weil ich klarkommen möchte. Weil ich nicht nur eine gute Rapperin sein will, sondern eben auch ein gutes Leben führen und anderen nichts vormachen will. Mir ist es deswegen auch wichtig, da dranzubleiben, und deswegen habe ich dieser Art von Atzen-Rap selber ein bisschen abgeschworen. Ich will auch nicht behaupten, dass Leute nicht auch einfach beides können: "In die Fresse"-Texte machen, wenn es um Drogenkonsum geht, aber privat trotzdem voll klarkommen. Das ist ja nicht komplett unmöglich. Aber für mich ist das was, wo ich sagen muss, dass meine Musik und meine Texte zu sehr mit meinem persönlichen Denken Hand in Hand gehen. Die sind mit meinem Leben so verbunden, dass es für mich keine Option ist, eine Kunstfigur zu sein und die von mir abzugrenzen.
MZEE.com: Inwiefern?
Yung FSK18: Also, ich finde es geil, die sexy Maus zu sein und zu wissen, dass Leuten das gefällt oder dass andere Frauen sich dadurch empowered fühlen, sie sich dann auch sexy Outfits anziehen und ihren Spaß haben. Man muss sich aber eingestehen, dass wir nicht nur in unserer sexpositiven Feminismus-Blase leben, sondern ich bekomme halt auch viel Hate ab. Ich habe nicht mehr nur Bock, Tracks zu machen, die da so eine Angriffsfläche bieten. Nicht, weil ich klein beigebe oder Schiss habe oder so. Aber da bin ich auch einfach ehrlich: Das ist natürlich die Welt, in der wir leben und wie ich damit umgehe. Ich merke zwar, dass ich viele Frauen erreicht habe, die einen ähnlichen Lifestyle haben wie ich. Mittlerweile habe ich eine größere weibliche Fanbase. Die verstehen meine Musik genau so, wie sie gemeint ist. Aber ich merke auch, ich kann Männer, die diese sexistische Denke drinnen haben, auch nicht zum Umdenken bewegen. Sondern die sind weiterhin so "Frau im knappen Outfit bedeutet Sex" und schicken ungefragt Dickpics oder belästigen dich anderweitig. Ich habe keinen pädagogischen Anspruch, bei dem ich mir denken würde, ich könnte jetzt die ganzen sexistischen Macker aufklären. Aber ich denke mir schon, wenn ihr es nicht auf die Reihe kriegt, mir zuzuhören, wenn ich was Freizügiges anhabe, weil ihr dann so abgelenkt seid und denkt "Sex, Sex, Sex", dann versuche ich es noch mal mit ein bisschen klareren Worten und fühle mich manchmal in Baggy-Pants und Bomberjacke einfach wohler. Süß und sexy, aggro und abgefuckt – das schließt sich für mich nicht gegenseitig aus und findet alles parallel zueinander statt. Bei dem einen Track mach' ich so und bei dem anderen so. Ich bin zwar eine Rapperin und das ist natürlich teilweise durchgestylt und ästhetisiert. Aber auch ich bin ein echter Mensch mit verschiedenen Seiten. Frauen sind halt auch Menschen, die unterschiedliche Facetten haben, und für die meisten bin ich ja immer noch einfach eine Fremde. Aber manche denken, weil sie in 'nem Musikvideo meinen Arsch nackt gesehen haben, dass wir jetzt verlobt sind. Ganz so ist es ja nicht. (lacht)
MZEE.com: Du hast ja gesagt, dass Frauen sich durch deine Musik empowered fühlen. Deine Musik wird oft als sexpositiv und empowernd gelabelt. Was hältst du von solchen Labels?
Yung FSK18: Also ich glaube, das Label ist einmal gut, weil mit den Worten, die da aktuell so im Trend sind, "sexpositiv" und "empowered", schon rüberkommt, wen ich gerne erreichen möchte, und das zeigt, dass meine Musik den Leuten Spaß machen soll. Aber auch bei diesem Thema gibt es einen Widerspruch. Sex ist geil und kann viel Spaß machen, und je weniger tabuisiert das ist, desto besser. Doch genauso wie bei der Drogenproblematik sehe ich auch bei Sex, dass der gefährlich sein kann. Gerade als Frau: Du machst dich auf eine Art und Weise angreifbar und leider leben wir halt noch nicht in der befreiten Gesellschaft, wo alle respektvoll miteinander umgehen und alle wissen, dass Sex immer konsensuell sein sollte. Deswegen würde ich mich in der Gänze nicht unbedingt immer als sexpositiven Menschen beschreiben. In unserer Gesellschaft gibt's nun mal Sexismus und deswegen geht vor allem Sex mit Männern oft mit Machtmissbrauch und Gewalt einher. Dann gibt es noch Risiken wie eine Schwangerschaft oder sexuell übertragbare Krankheiten und trotzdem wollen viele – oft Männer – keine Kondome benutzen. Das hört sich jetzt ziemlich pessimistisch an. (lacht) Sex kann ja auch sehr schön und befreiend sein, man kann verhüten und dann ist es geil. Also ich gehe mit den Labels am Ende schon d'accord, weil eben die Leute dann wissen, dass es in meiner Musik darum geht, dass Frauen befreit darüber sprechen können sollten, was ihnen Spaß macht und was nicht.
MZEE.com: Am 26. April ist deine neue EP "Libido" rausgekommen. Welche Facetten von Yung FSK 18 können wir da hören?
Yung FSK18: Ähnliche wie früher, aber ich bin auf jeden Fall ehrlicher und vielleicht ein bisschen radikaler. Früher hatte ich noch diese etwas trotzige Fassade. Ich dachte mir, wenn ihr mich unbedingt süß und sexy haben wollt, dann bitte. Jetzt hab' ich nicht mehr so sehr das Bedürfnis, damit irgendjemanden überzeugen zu wollen oder irgendwelchen Leuten etwas beweisen zu müssen, die eigentlich nicht meine Freund:innen sind, sondern irgendwelche Arschlöcher. Ich bin einfach ehrlich, so wie's mir und vielleicht noch paar anderen Bad Bitches, um die es mir da geht, gefällt.
MZEE.com: Wie kam es, dass du gemerkt hast, dass du das anders machen willst als bei älteren Releases?
Yung FSK18: Mit der Zeit und mit der Erfahrung. Früher dachte ich, dass Kollegen, die mich unterstützen und feiern, das uneingeschränkt und langfristig tun. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass das oft – jetzt hart ausgedrückt – Typen waren, die sich gedacht haben, dass sie mit mir ein Feature machen können, in dem sie den geilen Stecher geben und ich ein bisschen lasziv und sexy drin rumposiere. Dafür war es dann gut genug. Aber das waren keine Geschäftsbeziehungen oder Freundschaften, in denen man sich gegenseitig wirklich supportet hätte. Sondern nur für ein Feature oder was einem gerade so in den Kram passt. Zum Glück sind diese Kollabos am Ende auch nie wirklich zustande gekommen und releast worden. Ich will nicht nur als Rapperin, die sexy ist und die das Frauenbild von solchen Männern bestätigt, herhalten, sondern auch als Mensch und Kollegin respektiert werden. Ich habe dann gecheckt, dass das Beziehungen sind, in die man selber nicht so viel reininvestieren sollte, wenn die andere Seite nicht genauso dahintersteht. Dann hab ich mir gedacht: Warum will ich eigentlich, dass unbedingt diese Leute gut finden, was ich mache? Warum will ich diesen Leuten beweisen, wie gut ich bin und dass ich mein Ding mache? Das ist Quatsch, was geht die das an …
(Martha Blumenthaler & Alexander Hollenhorst)
(Fotos von Paulina Schroeder & Paul Günther)