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Sazou – Sazou 14

Egal, ob Album, Gratis-​Mixtape oder Lieb­lings­song – in unse­rer "Plat­ten­kis­te" stel­len wir Euch regel­mä­ßig die Per­len unse­rer redak­ti­ons­in­ter­nen Samm­lun­gen vor. Die­ses Mal: Sazou mit "Sazou 14".

"Was?! Du kennst das nicht? Sekun­de, ich such' dir das mal raus." Und schon öff­net sich die Plat­ten­kis­te. Wer kennt die­sen Moment nicht? Man redet über Musik und auf ein­mal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzu­fan­gen weiß. Und plötz­lich hagelt es Lob­prei­sun­gen, Hass­ti­ra­den oder Anek­do­ten. Gera­de dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwär­men ver­fällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das The­ma wich­tig ist, bit­tet man nicht all­zu sel­ten um eine Kost­pro­be. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Per­son so sehr am Her­zen zu lie­gen scheint. In die­sem Fall – was uns so sehr am Her­zen liegt: Ein Aus­zug aus der Musik, mit der wir etwas ver­bin­den, die wir fei­ern, die uns berührt. Ein Griff in unse­re Plat­ten­kis­te eben.

 

Das letz­te Jahr war ins­ge­samt enorm kri­sen­be­haf­tet. Gene­rell waren posi­ti­ve Momen­te 2023 eher Wunsch­den­ken und Uto­pien, die mit dem kos­mo­po­li­ti­schen Sta­tus quo nicht viel gemein­sam hat­ten. Kein Wun­der also, dass sich das auch in mei­nem Hör­ver­hal­ten wider­spie­gel­te. Düs­te­rer Sound schall­te aus den Boxen auf Anschlag.

Eine Künst­le­rin belie­fer­te mich damit das gan­ze Jahr lang durch­ge­hend: Sazou. Stell­ver­tre­tend für ihren gesam­ten Out­put 2023 steht hier "Sazou 14". In nicht mal zwei Minu­ten gelingt es der Rap­pe­rin, jeg­li­che Schön­fär­be­rei der Welt zu demas­kie­ren. "Sazou zu echt" eben. Auch wenn die Suche nach Authen­ti­zi­tät in Musik eigent­lich ein irre­füh­ren­des Unter­fan­gen ist, ist die­se Echt­heit genau das, was für mich hier per­fekt funk­tio­niert. Mit ehr­li­cher Atti­tu­de flowt sich die Köl­ne­rin quer durch ihre Gedan­ken und Gefüh­le, wodurch ich direkt in Sazous Welt ein­tau­chen kann. Hier gibt es kein gro­ßes Song­kon­zept, das krampf­haft ein The­ma in ein bis zwei Stro­phen presst. "Muss Abfucks raus­las­sen, bevor wie­der Hass kommt!" Ein Ein­stieg, der ihre Lyrics per­fekt beschreibt: dre­ckig und direkt. Hier ver­schmel­zen Sozi­al­kri­tik, die Auf­ar­bei­tung depres­si­ver Epi­so­den, ita­lie­ni­scher Slang, Sto­rys von der Stra­ße und igno­ran­te Pun­ch­li­nes zu einem Kampf gegen alle Auto­ri­tä­ten, die ver­su­chen, Sazou auf­zu­hal­ten. Und die­se Auto­ri­tä­ten sind manch­mal auch die eige­nen inne­ren Dämo­nen: "Ich hab' geseh'n, wie aus Ohn­macht dann Sucht wird. Wie schnell es geh'n kann, bis Dro­ge zur Flucht wird." Sol­che Lines rotzt die Rap­pe­rin aber der­art offen­siv ins Mic, dass es sich stets so anfühlt, als wür­de man sie auf einem Rache­feld­zug begleiten.

Ich hof­fe, dass Sazou ihren Kampf auch 2024 wei­ter­füh­ren und uns dabei mit ihrem unver­gleich­li­chen Sound ver­sor­gen kann. Ihre ehr­li­che Stim­me wirkt wie eine Bas­ti­on gegen die Schön­fär­be­rei die­ser oft so dys­to­pi­schen Welt.

(Alec Weber)