"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Das letzte Jahr war insgesamt enorm krisenbehaftet. Generell waren positive Momente 2023 eher Wunschdenken und Utopien, die mit dem kosmopolitischen Status quo nicht viel gemeinsam hatten. Kein Wunder also, dass sich das auch in meinem Hörverhalten widerspiegelte. Düsterer Sound schallte aus den Boxen auf Anschlag.
Eine Künstlerin belieferte mich damit das ganze Jahr lang durchgehend: Sazou. Stellvertretend für ihren gesamten Output 2023 steht hier "Sazou 14". In nicht mal zwei Minuten gelingt es der Rapperin, jegliche Schönfärberei der Welt zu demaskieren. "Sazou zu echt" eben. Auch wenn die Suche nach Authentizität in Musik eigentlich ein irreführendes Unterfangen ist, ist diese Echtheit genau das, was für mich hier perfekt funktioniert. Mit ehrlicher Attitude flowt sich die Kölnerin quer durch ihre Gedanken und Gefühle, wodurch ich direkt in Sazous Welt eintauchen kann. Hier gibt es kein großes Songkonzept, das krampfhaft ein Thema in ein bis zwei Strophen presst. "Muss Abfucks rauslassen, bevor wieder Hass kommt!" Ein Einstieg, der ihre Lyrics perfekt beschreibt: dreckig und direkt. Hier verschmelzen Sozialkritik, die Aufarbeitung depressiver Episoden, italienischer Slang, Storys von der Straße und ignorante Punchlines zu einem Kampf gegen alle Autoritäten, die versuchen, Sazou aufzuhalten. Und diese Autoritäten sind manchmal auch die eigenen inneren Dämonen: "Ich hab' geseh'n, wie aus Ohnmacht dann Sucht wird. Wie schnell es geh'n kann, bis Droge zur Flucht wird." Solche Lines rotzt die Rapperin aber derart offensiv ins Mic, dass es sich stets so anfühlt, als würde man sie auf einem Rachefeldzug begleiten.
Ich hoffe, dass Sazou ihren Kampf auch 2024 weiterführen und uns dabei mit ihrem unvergleichlichen Sound versorgen kann. Ihre ehrliche Stimme wirkt wie eine Bastion gegen die Schönfärberei dieser oft so dystopischen Welt.
(Alec Weber)