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Interview

Scotch und Tamo-​Flage – ein Gespräch über das VBT

"Ich kann heu­te sagen, dass ich auf nichts in mei­nem Leben jemals so viel Bock hat­te wie auf Batt­len zu der Zeit." ‒ Scotch und Tamo-​Flage im Inter­view über das VBT und den Ein­fluss, den Batt­le­tur­nie­re auf ihr Leben hatten.

Als ich im redak­ti­ons­in­ter­nen Chat erklär­te, ich wol­le ein Inter­view rund um das VBT machen, kam kei­ne Minu­te spä­ter prompt die ers­te Ant­wort: "Geil. Hast du Eis?" Ein Insider-​Witz aus einer Battle-​Runde von Weekend, den keine:r ver­steht, die:der die Ära von Video­b­att­le­tur­nie­ren auf You­Tube nicht selbst mit­er­lebt hat, und der mir doch ein Grin­sen abver­lang­te – sat­te zwölf Jah­re, nach­dem ich ihn das ers­te Mal gehört hat­te. Damals klick­te ich selbst erst­mals auf die Web­site von rap​pers​.in und stieß dort auf ein For­mat, das mich für Jah­re nicht los­las­sen soll­te: Rapper:innen wur­den in einer Turnierbaum-​Logik ein­an­der gegen­über­ge­stellt, um sich auf krea­tivs­te Art und Wei­se zu belei­di­gen. Nach Jury- und Publi­kums­vo­te zog die Per­son eine Run­de wei­ter, die die meis­ten Men­schen von sich über­zeu­gen konn­te und das bes­se­re Pro­dukt aus Song und Video ablie­fer­te. Ein Battle-​Konzept, wel­ches rap­fer­ne Men­schen meist eher irri­tiert zurück­lässt, begeis­ter­te zeit­wei­se Mil­lio­nen von Zuschauer:innen und bescher­te Rapper:innen wie 3Plusss, Lan­ce But­ters oder Weekend einen ers­ten Hype, Plat­ten­ver­trä­ge und splash!-Auftritte. Mit Scotch und Tamo-​Flage, zwei ehe­ma­li­gen Teil­neh­mern des VBT und Hosts ihres gemein­sa­men Pod­casts "Mund­mi­sche", schwelg­te ich in Erin­ne­run­gen und ging der Fra­ge nach, was Video­b­att­le­tur­nie­ren zu ihrem Hype ver­half. Außer­dem woll­te ich von den bei­den erfah­ren, was die­se Fas­zi­na­ti­on für das For­mat eigent­lich auslöste.

MZEE​.com​: Ihr bei­de seid qua­si Vete­ra­nen des VBT – dem wohl bekann­tes­ten und lang­jäh­rigs­ten Video­b­att­le­tur­nier, das zwi­schen 2007 und 2018 statt­fand. Kenner:innen beschrei­ben Außen­ste­hen­den das Gan­ze oft als "etwas ganz Beson­de­res" und "etwas, das man nur so rich­tig ver­steht, wenn man Teil davon war". Könnt ihr ein­mal erklä­ren, was dar­an so fas­zi­nie­rend war?

Scotch: Ich glau­be, die­se Fas­zi­na­ti­on ent­stand über die Zeit hin­weg. Am Anfang ver­stand man über­haupt nicht, was alles aus dem VBT wer­den wür­de. Als ich mich erst­mals 2010 anmel­de­te, ent­stand das nur aus dem Gefühl her­aus, batt­len und Vide­os dre­hen zu wol­len. Kurz zuvor erschien mein aller­ers­tes Musik­vi­deo und ich hat­te den Drang, noch mehr machen zu wol­len. Dass das so groß und lebens­ver­än­dernd wird, konn­te kei­ner ahnen.

Tamo-​Flage: Mich haben ver­schie­de­ne Din­ge fas­zi­niert: Erst mal konn­te man bei den ers­ten VBTs sehen, dass es deutsch­land­weit sehr vie­le Men­schen gab, die rap­t­ech­nisch auf ähn­li­chem Level waren. Die­sen Ein­blick hat­test du in dei­ner eige­nen Bubble mit Homies ein­fach nicht – da kann­test du dei­nen Kreis und die gro­ßen, nicht zu grei­fen­den Stars, dazwi­schen war wenig. Außer­dem fas­zi­nier­te mich immer schon das kom­plet­te Selfmade-​Ding. Man mach­te ein­fach, hat sich eine Kame­ra orga­ni­siert und gerappt. Das ist heut­zu­ta­ge kaum noch nach­zu­voll­zie­hen, weil jeder ein Han­dy und Tik­Tok oder Schnitt­pro­gram­me besitzt. Damals war das ein biss­chen schwie­ri­ger – mit gelie­he­nem Cam­cor­der von Mut­ti und einer gecrack­ten Schnittsoftware.

Scotch: Das hat in jedem so ein Feu­er ent­facht. Man hat sich damit gegen­sei­tig ange­steckt. Ich kann heu­te sagen, dass ich auf nichts in mei­nem Leben jemals so viel Bock hat­te wie auf Batt­len zu der Zeit. Mit der posi­ti­ven Reso­nanz hat sich das auch verselbstständigt.

MZEE​.com​: Wie ent­stand die­se Moti­va­ti­on, die­ses Feu­er bei euch? War es nur die posi­ti­ve Reso­nanz oder auch der Gedan­ke, bes­ser als der:die ande­re batt­len zu können?

Scotch: Ich glau­be, mit "bes­ser als die ande­ren sein" hat­te das wenig zu tun. Man wuss­te aber natür­lich, dass es da rich­tig kras­se Rap­per gab, und es war ein­fach cool, sich mit denen zu mes­sen – egal, ob man gewann oder ver­lor. Für mich hat­te das natür­lich auch etwas mit Selbst­dar­stel­lung zu tun … Viel­leicht sogar mit ein biss­chen zu viel Selbst­dar­stel­lung. (Tamo lacht)

Tamo-​Flage: Der Gedan­ke, bes­ser zu sein, hat mich auch nicht getrie­ben. Das VBT hat für uns in dem Moment eine Eigen- und Grup­pen­dy­na­mik ange­nom­men, als wir als Crew gemein­sam beschlos­sen, da mit­zu­ma­chen. Wir woll­ten das ein­fach machen und es hat­te auch einen posi­ti­ven Effekt auf uns. Als Stoney Styles-​Crew haben wir vor­her schon län­ger Musik gemacht, aber erst das VBT hat uns rich­tig zusam­men­ge­schweißt und eine ganz ein­zig­ar­ti­ge Syn­er­gie geschaffen.

Scotch: Das Crew-​Ding war auch super­wich­tig. Die meis­ten waren mit ihren Homies unter­wegs. Ich mit Bes­tes von Town, Tamo mit den Stoneys, dazu SML, die Rei­me­bu­de, Eypro, KWU … Die wenigs­ten haben das kom­plett allein gemacht. Wenn man sich dann sah, hat­te das was von einer gro­ßen Fami­lie. Eine gro­ße Fami­lie, die wäh­rend der Batt­les gna­den­los auf Mut­ter geht. (alle lachen)

MZEE​.com​: Die­se posi­ti­ve Reso­nanz, die ihr für eure Run­den erhal­ten habt, mul­ti­pli­zier­te sich spä­tes­tens im Jahr 2011, als Rap­per wie Lan­ce But­ters, 3Plusss oder Batt­le­boi Bas­ti auf den Plan tra­ten. Da gin­gen die Klick­zah­len in die …

Scotch: (unter­bricht) Ich hab' mich wäh­rend einer VBT-​Jam 2011 mit Alli­ga­to­ah unter­hal­ten, der völ­lig fas­sungs­los war, dass ich auf einer VBT-​Runde erst­mals die Mar­ke von einer Mil­li­on Klicks hat­te. Der war kom­plett vor den Kopf gesto­ßen. Kein Wun­der, er macht die gan­ze Zeit Kunst und wir VBT-​Rapper machen eben sowas! (lacht)

MZEE​.com​: Das ist aber auch absurd im Nach­hin­ein. Könnt ihr nach­voll­zie­hen, wo die­ser plötz­li­che Hype herkam?

Scotch: Ich wür­de sagen: Der Hype hat sich schon im Jahr zuvor ange­kün­digt, also 2010. Da gab es die ers­ten Run­den mit 100 000 Klicks und die­ses sehr erns­te und emo­tio­na­le Fina­le zwi­schen Djin und GeOT. Das gab den Start­schuss für 2011 und hat die gan­zen Rap­per um Weekend oder Batt­le­boi Bas­ti erst dazu moti­viert, teil­zu­neh­men und damit das gesam­te Tur­nier auf ein ganz ande­res Level zu heben.

Tamo-​Flage: Das stimmt. Ich kann ansons­ten auch nur mut­ma­ßen, wie­so das so plötz­lich sol­che Dimen­sio­nen annahm. Ich kann mir einen ande­ren Aspekt zusätz­lich gut vor­stel­len: Damals gab es Social Media in der Form ja noch nicht – nur You­Tube und Face­book. Die Rap­per, die damals teil­nah­men, hat­ten einen ähn­li­chen Effekt auf die Leu­te, wie es heu­te Influen­cer auf Insta­gram haben. Man mag sie, man fin­det sie wit­zig. Es waren nor­ma­le­re und greif­ba­re­re Men­schen als bei­spiels­wei­se Kool Savas, der mit Eko Fresh Beef hat­te. Die­se Nah­bar­keit, die­ser Selfmade-​Charakter – das hat­te schon etwas von einer Serie, die du gern ver­folgst. Jede Woche hast du in Form der Run­den auch neue Fol­gen bekom­men. Das war schon qua­li­ta­tiv recht hoch­wer­ti­ges Enter­tain­ment für die Zeit.

Scotch: Die­ser Ver­gleich mit Influen­cern ist gar nicht so ver­kehrt. Das VBT hat ja eine gan­ze Sub­kul­tur her­vor­ge­bracht mit Trol­len, Meme-​Seiten wie "Kat­zens­hizz­le" und so wei­ter. Wir als Rap­per hin­ge­gen haben alle schon unse­re ers­ten Merch-​Artikel an Fans ver­kauft. Das alles, bevor der Begriff "Influen­cer" über­haupt ent­stan­den ist.

MZEE​.com​: Man kann sich kaum vor­stel­len, wie merk­wür­dig es ist, inner­halb weni­ger Wochen und Mona­te plötz­lich sechs- bis sie­ben­stel­li­ge Klick­zah­len mit Batt­ler­ap zu errei­chen. Was hat das mit euch gemacht? 

Scotch: (über­legt) Das hat alles ver­än­dert. (lacht) In mei­ner Hei­mat­stadt war es für mich zeit­wei­se kaum mög­lich, durch die Innen­stadt zu lau­fen, ohne ein Foto schie­ßen zu müs­sen. Das macht etwas mit einem, wenn man 18, 19 Jah­re alt ist. Es ver­än­der­te sich auch die Art und Wei­se, wie man an Batt­les ran­ging – mir ging die Leich­tig­keit und Unbe­schwert­heit bestimmt ein Stück weit abhanden.

Tamo-​Flage: Man war durch die­sen Hype gezwun­gen, inner­halb kür­zes­ter Zeit künst­le­risch enorm zu wach­sen. Ich wäre nie­mals so gut gewor­den oder im Tur­nier so weit gekom­men, wenn ich die­sen Druck nicht gehabt hät­te. Man muss­te wahn­sin­nig viel schrei­ben und mit Kri­tik umge­hen ler­nen, was nicht immer leicht ist. Arbeits­mo­ral, Krea­ti­vi­tät, wie man mit Feed­back umgeht – das wur­de alles bei mir geformt.

MZEE​.com​: Bei dir, Tamo, kam auch eine ganz beson­de­re Form von Druck auf, weil du 2011 in das VBT-​Finale gegen Weekend ein­ge­zo­gen bist. Damals woll­ten vie­le Anhänger:innen eigent­lich ein Fina­le zwi­schen Batt­le­boi Bas­ti und Weekend sehen.

Tamo-​Flage: Genau. Dank mir muss­te rap​pers​.in die VBT splash!-Edition über­haupt erst erfin­den, um das nach­zu­ho­len. (lacht) Aus heu­ti­ger Sicht muss ich sagen, dass ich damals eini­ger­ma­ßen ver­blen­det war. Ich habe wahn­sin­nig viel nega­ti­ves Feed­back bekom­men und trotz­dem wei­ter­hin gedacht, ich sei der Kras­ses­te. Das hat mir in der Situa­ti­on ein Stück weit gehol­fen, damit klar­zu­kom­men. Ab und an hat­te die Kri­tik aber auch Hand und Fuß und bestand nicht ein­fach nur aus Belei­di­gun­gen – seit dem Fina­le gegen Weekend mach' ich nicht mehr so vie­le Wie-​Vergleiche zum Bei­spiel. (lacht) Das spiel­te sich aber alles im Nach­hin­ein ab. In der Situa­ti­on selbst war man im Tun­nel. Danach hat mich die­se Situa­ti­on durch­aus noch mal geerdet.

Scotch: Da gab es aber auch immer einen Reality-​Check: Wenn man bei VBT-​Jams dann so sah, wer sich die Run­den wirk­lich so inten­siv rein­fährt, dann wuss­te man, wor­an man ist – und bekam die Erkennt­nis, dass es Inter­net­ram­bos schon immer gab und wie jung die teil­wei­se sind. "Der klas­si­sche YouTube-​Kommentarmensch" hat Per­s­teasy das, glaub' ich, mal genannt.

MZEE​.com​: Bevor wir zu tief in eben­je­ne Kom­men­tar­spal­ten abrut­schen, gibt es noch einen ande­ren Aspekt: Inner­halb von zwei Wochen einen Song auf­neh­men, ein­rap­pen, Video dre­hen – immer und immer wie­der – und ab Zeit­punkt X sogar in Hin- und Rück­run­den mit einem Geg­ner mes­sen. Das VBT ging schon mit einem enor­men Zeit­auf­wand ein­her. Wie war das über­haupt machbar?

Scotch: Für mich war das damals kein Pro­blem, weil das VBT den Lebens­mit­tel­punkt gebil­det hat. Das Hob­by war "Batt­len" und die­ses Hob­by hat man auch mit all sei­nen Freun­den und Bekann­ten geteilt. In der Schu­le war ich super­schlecht dar­in, Voka­beln aus­wen­dig zu ler­nen – aber den eige­nen Text für einen Video­dreh aus­wen­dig zu ler­nen, war nur kur­ze Zeit spä­ter gar kein Pro­blem. Das ging mit die­sem enor­men Spaß einher.

Tamo-​Flage: (über­legt) Zu 80 Pro­zent geh' ich d'accord mit dem, was Mal­te sagt. Zu den rest­li­chen 20 Pro­zent will ich sagen: Es gab immer mal wie­der Wochen, in denen gefühlt alles gegen einen war. Man muss­te län­ger arbei­ten, das Foo­ta­ge des Vide­os ging ver­lo­ren, die Audio-​File wur­de nicht ordent­lich ver­ar­bei­tet und so wei­ter. Es gab schon eine Men­ge Strugg­le, aber im Gro­ßen und Gan­zen hat die gan­ze Crew an einem Strang gezo­gen. Was ich rück­bli­ckend auch fas­zi­nie­rend fin­de in dem Zusam­men­hang: Man hat zu Beginn qua­si kein Geld für die­ses Hob­by aus­ge­ge­ben. Jeder kann­te jeman­den, der eine Lam­pe für den Dreh hat­te, eine Kame­ra stell­te oder eine Idee für die Loca­ti­on hatte.

Scotch: Man hat gelernt, Din­ge zu orga­ni­sie­ren. Das nimmt man fürs Leben mit. Hin­ter so einem semi­pro­fes­sio­nel­len Video steck­te immer eine Men­ge Orga­ni­sa­ti­on und man hat das so auto­di­dak­tisch gelernt.

Tamo-​Flage: Druck ist in dem Zusam­men­hang auch gar nicht schlecht. Die meis­ten Rap­per, mich ein­ge­schlos­sen, hät­ten nie­mals so unglaub­lich viel neue Musik ver­öf­fent­licht, wenn man nicht die­sen Druck dazu gehabt hät­te. Das hat einen sogar eine gewis­se Arbeits­mo­ral gelehrt.

Scotch: … und das alles als ver­klatsch­ter 20-​Jähriger, das ist das eigent­li­che Wun­der! (alle lachen) Das VBT hat einem auch immer neue Con­nec­tions ein­ge­bracht, also Din­ge zu orga­ni­sie­ren, wur­de auch ein­fa­cher. Irgend­wann wuss­te ich, wo ich mir ein Fahr­rad lei­hen kann. Oder ich habe eine Frau im Nach­bar­dorf ken­nen­ge­lernt, die mir ihre Schlan­ge für den Video­dreh um den Hals gehan­gen hat. Ein­mal haben wir für den Dreh eine Kis­te Ben­ga­los von Fuß­ball­fans orga­ni­siert bekom­men. Am Ende wuss­te man nie, wie­so das alles funk­tio­niert hat, aber irgend­wie hat es das meistens.

MZEE​.com​: "Und? Was hast du vom VBT mit­ge­nom­men?" – "Joa, ich ken­ne jetzt 'ne Frau mit 'ner Schlan­ge und 'nen Kerl, der spon­tan eine Kis­te Ben­ga­los ver­schenkt." (alle lachen)

Tamo-​Flage: Es gab da gute und schlech­te Erfah­run­gen. Irgend­je­mand mein­te mal, dass ich unbe­dingt eine ver­gol­de­te Uhr im Video tra­gen müs­se. Er hat mir dann sehr freund­schaft­lich dazu gera­ten, sei­ne zu tra­gen und mein­te: "Kei­ne fal­sche Beschei­den­heit! Du darfst das!" (lacht) Dan­ke, dass ich das darf, aber ich will eigent­lich gar nicht. Man lernt auch, wie Din­ge gut aus­se­hen und bekommt ein unge­ahn­tes Gefühl für Ästhe­tik. In einem Club zu dre­hen, klang zum Bei­spiel super und erst spä­ter merkt man, wie lame das tags­über eigent­lich ist.

Scotch: Das hat auch beruf­li­che Mög­lich­kei­ten im Hin­ter­grund erschlos­sen. Mein Video­pro­du­zent hat sich im Nach­hin­ein selbst­stän­dig gemacht. Sol­che Kar­rie­ren haben oft mit dem VBT begonnen.

Tamo-​Flage: Ab einem gewis­sen Level gab es nur noch weni­ge Leu­te, die kom­plett eigen­stän­dig unter­wegs waren. Eini­ge Skills hat man sich zu Beginn selbst drauf­ge­schafft, aber Unter­stüt­zung gab es von ande­ren eigent­lich immer.

Scotch: Voll. Mei­ne Beats habe ich von Neek bekom­men, Cal­li hat sich meis­tens um mei­ne musi­ka­li­schen Hooks geküm­mert, mein Video­pro­du­zent war da – ohne die wär' das in der Form kaum mög­lich gewesen.

MZEE​.com​: Die meis­ten Rap­per hat­ten eine Crew hin­ter sich, die sie unter­stütz­te. Auch unter­ein­an­der schätz­te man sich zumeist. Mit wie vie­len ande­ren Crews hal­tet ihr denn bis heu­te Kontakt?

Scotch: Mein nähe­rer Freun­des­kreis besteht immer noch aus die­ser Zeit, obwohl ich selbst kaum noch Musik mache. Ob es jetzt mein Pod­cast mit Tamo ist, Streams bei Kico, den ich aus dem VBT ken­ne, mei­ne frü­he­re WG mit MC Baum oder zahl­lo­se Leu­te, mit denen man regel­mä­ßig Kon­takt hält – die­se VBT-​Zeit haben wir alle gemein und die hat uns verbunden.

Tamo-​Flage: Mit Neek, dem VBT-​Produzenten von Scotch, habe ich zuletzt erst Musik gemacht. Auch die Jungs aus der Roy­al Fami­ly waren neu­lich erst wie­der bei uns. Man bleibt also wirk­lich ver­bun­den. Natür­lich kann man sich mit Rap­pern auch immer auf eine Kon­stan­te wirk­lich einigen.

Scotch: Mit Mit­te 20 war es natür­lich auch toll, in ganz Deutsch­land einen Freun­des­kreis und plötz­lich fast über­all eine Couch zum Pen­nen zu haben. Das war auch immer nett. Es gab wirk­lich weni­ge Arsch­lö­cher in dem Kreis.

MZEE​.com​: Über zehn, teils zwölf Jah­re spä­ter hat man immer noch so enge Bezie­hun­gen zu Men­schen aus die­sem Battlerap-​Kosmos. Ihr sprecht ja auch immer mal wie­der in eurem gemein­sa­men Pod­cast "Mund­mi­sche" über die­se Zeit. Was sind die prä­gends­ten Erin­ne­run­gen, die euch sofort ein­fal­len, wenn ihr an das VBT denkt?

Scotch: Das Ende vom VBT 2010. Da habe ich die­se gan­zen Rap­per erst­mals im ech­ten Leben ken­nen­ge­lernt, bei­spiel­wei­se mit den Jungs von Eypro ein Wochen­en­de ver­bracht oder mit Kico und Pimf, die eine Woche spä­ter bei mir waren. Es fühl­te sich wirk­lich gut an, auf Men­schen zu tref­fen, mit denen man sofort auf einer Wel­len­län­ge ist … und die genau­so Bock hat­ten zu sau­fen. Ein­fach toll. (alle lachen)

Tamo-​Flage: Schö­ne Com­mu­ni­ty, alle Bock auf sau­fen! Ich wür­de das splash! 2011 ergän­zen, als ich die­se Leu­te erst­mals ken­nen­ge­lernt habe. Das hat sich wie ein Klas­sen­tref­fen ange­fühlt. Damals wur­den die Run­den­fris­ten sogar noch ver­län­gert, weil eben das splash! war und alle ein wenig län­ger Zeit brauchten.

Scotch: Ja, das splash! war irre. 2010 oder 2011 saß ich gemein­sam mit den Eypro-​Jungs auf dem Zelt­platz, als die mein­ten, ich sol­le mein Zelt spä­ter auf­bau­en, wir müss­ten jetzt zum JAW-​Auftritt als Sta­tis­ten. Da beka­men wir dann alle eine wei­ße Zwangs­ja­cke ange­zo­gen und waren die Zel­len­in­sas­sen bei sei­ner Show, als er "Mei­ne Fans" gespielt hat. Das ist völ­lig abstrus im Nach­hin­ein, aber auch eine so wun­der­ba­re Erinnerung.

Tamo-​Flage: Ja, aber die eige­nen Auf­trit­te waren auch so krass. VBT-​Jam in Aurich vor über 1 000 Men­schen, die dei­ne Tex­te mit­rap­pen. Was für ein Gefühl.

Scotch: (über­legt) Im Nach­hin­ein könn­te das aber auch ein Kipp­punkt gewe­sen sein. Wir waren alle Anfang, Mit­te 20 und dann pras­selt plötz­lich so ein rie­si­ger Hype auf einen ein. Das hat einen abhe­ben las­sen. Das hät­te auch rich­tig in die Hose gehen kön­nen. Ich wür­de heu­te auf jeden Fall sagen, dass ich mein dama­li­ges Ich auch nicht so cool fin­den wür­de. (lacht) Man hat ja ein Ego gebraucht, um über­haupt am VBT teil­zu­neh­men. Das wur­de natür­lich auch noch mal ordent­lich geför­dert durch all die Resonanz.

Tamo-​Flage: Dir wur­de damals sogar noch ein biss­chen mehr Honig ums Maul geschmiert als mir. Für mich war es, egal ob live oder in den Mona­ten danach, eine sehr erden­de Erfah­rung, mit all dem Hate umzu­ge­hen. All­ge­mein ist der Stel­len­wert und die Inten­si­tät der VBT-​Zeit als Erin­ne­rung fast schon absurd.

MZEE​.com​: Hat­tet ihr jemals Inter­es­se, auch an ande­ren Battle-​Formaten teil­zu­neh­men, bei­spiels­wei­se A cappella-​Battles wie Rap am Mitt­woch oder DLTLLY?

Tamo-​Flage: Gejuckt hat es mich schon. Die kamen aber zur fal­schen Zeit hoch, da war ich gera­de in Aus­tra­li­en unter­wegs und danach hat­te ich das Gefühl, dass das Kapi­tel für mich abge­schlos­sen ist.

Scotch: Es gab mal einen Abend, an dem ich in Ham­burg mit der Rei­me­bu­de und vie­len wei­te­ren Leu­ten zusam­men­saß, als der Chief von DLTLLY anrief und frag­te, ob einer von uns ein DLTLLY-​Battle auf dem splash! bestrei­ten möch­te. Da waren wir alle im Voll­rausch ziem­lich moti­viert, bis ich am Mor­gen gemerkt habe, dass ich das auf gar kei­nen Fall tun soll­te. (lacht) Irgend­wo auf dem splash!, am bes­ten noch am zwei­ten oder drit­ten Tag. Ich bin heu­te noch so glück­lich, dass ich die­se Ein­sicht früh genug hat­te, wenn ich mir rück­bli­ckend das Batt­le von Hap­py Beck­mann und 4tune gegen Jus­kah und Pet­schi­no anschaue. (lacht) Genau so hät­te das bei mir auch aus­ge­se­hen! Ganz viel Lie­be an die Jungs – aber ich muss­te die gan­ze Zeit in den Pul­li einer Freun­din vor mir bei­ßen, weil ich live vor Ort damals nur noch woll­te, dass es endet.

MZEE​.com​: Im Jahr 2018 fand sich der letz­te, offi­zi­el­le VBT-​Gewinner, ehe 2020 noch ein Nachfolger-​Turnier namens "1Battle" auf den Plan trat. Viel Auf­merk­sam­keit wur­de damit aber nicht gene­riert. Sind die Leu­te nach all den Jah­ren satt von Batt­les? Man könn­te ja mei­nen, dass die Pan­de­mie­jah­re ide­al gewe­sen wären für ein For­mat, das man über­wie­gend allein von zu Hau­se aus gestal­ten kann.

Scotch: Ich fand, im Ver­hält­nis zu der Zeit hat das "1Battle" sogar noch eini­ger­ma­ßen Auf­merk­sam­keit bekom­men. Ich glau­be aber, dass die meis­ten ein­fach ande­re Sor­gen hat­ten und das Kon­zept irgend­wann durch war. Tamo und ich haben selbst in den Hoch­zei­ten der Pan­de­mie bei Twitch vie­le Batt­les noch mal geguckt und bei­de gemerkt, wie durch wir mit dem The­ma sind. Wir kön­nen kei­ne Batt­le­run­den mehr hören, das The­ma ist aus­er­zählt. Das ist bestimmt scha­de, weil es auch 2018 noch sehr kras­se Rap­per wie Frank Hemd oder Engi­ne Ita­no gab, aber die Zeit ein­fach nicht mehr dafür war. Es wur­de auch zu viel gebattlet.

Tamo-​Flage: Ich weiß nicht ein­mal, ob es zu viel war. Ich glau­be, die Zeit war ein­fach vor­bei. Alle, die frü­her das VBT geguckt haben, sind inzwi­schen raus­ge­wach­sen und neue Leu­te hat es zu wenig ange­zo­gen. Es lag nicht an den Rap­pern, man hat sich irgend­wann ein­fach satt­ge­se­hen. Ich kann mir aber vor­stel­len, dass die Zeit irgend­wann wie­der reif dafür ist.

Scotch: Man kann das Gefühl von damals auch nicht repro­du­zie­ren oder neu auf­le­ben las­sen. Aktu­ell guckt zum Bei­spiel Kico ganz vie­le Batt­les noch mal auf Twitch und da schau­en auch immer ein paar hun­dert Men­schen zu, die mit ihm in Nost­al­gie schwel­gen wol­len. Den Moment noch mal auf­le­ben zu las­sen, ist aber deut­lich schwieriger.

MZEE​.com​: Zum Abschluss wol­len wir noch ein klei­nes Gedan­ken­spiel ver­an­stal­ten: Ange­nom­men, im Jahr 2024 wür­de das VBT wie Phö­nix aus der Asche stei­gen. Was müss­ten für euch Rah­men­be­din­gun­gen sein, damit ihr selbst wie­der Lust hät­tet mit­zu­ma­chen? Ist das kom­plett aus­ge­schlos­sen oder wür­de es euch noch mal in den Fin­gern jucken?

Tamo-​Flage: Darf ich für Scotch ant­wor­ten? Nein, nie­mals wür­de er das machen. (lacht) Hab' ich recht?

Scotch: Jap. Auf gar kei­nen Fall. Ich habe mich im Lau­fe der Jah­re so sehr ver­än­dert, ich könn­te das nicht mehr. Den Hun­ger, den ich bräuch­te, um das durch­zu­zie­hen, brin­ge ich mitt­ler­wei­le für ande­re The­men viel eher auf. Die­se Lei­den­schaft bünd­le ich mitt­ler­wei­le in ande­ren Tätig­kei­ten. Ich wür­de es auch pein­lich fin­den, als Mit­te 30-​Jähriger bei irgend­ei­nem Frem­den gott­los auf Mut­ter zu gehen. (lacht)

Tamo-​Flage: Ich wür­de sagen, zu 80 Pro­zent nein. Ich könnte …

Scotch: (unter­bricht) Du hast ja sogar noch mal mitgemacht!

Tamo-​Flage: Stimmt, 2018 war ich noch mal dabei. Ich war damals eigent­lich auf dem Weg ins Stu­dio, um etwas ganz ande­res zu machen, aber durch rei­nen Zufall habe ich eine uralte Run­de von Mikzn gese­hen. Das wur­de aber als aktu­el­le Bewer­bung ein­ge­reicht. Das hat mich so sehr an die alte Zeit erin­nert, dass ich sofort wie­der Bock hat­te. Als ich im Stu­dio ankam, habe ich mal ganz, ganz, ganz hypo­the­tisch in den Raum gefragt, wer noch Bock hät­te. (lacht) Es war auch nicht mehr das, was es mal war, aber Spaß hat es trotz­dem noch gemacht. Es kam auch aus dem Aspekt her­aus, wie man sol­che Run­den so vie­le Jah­re spä­ter ange­hen wür­de. Natür­lich hat­te ich damals vie­le unan­ge­neh­me Zei­len, die ich nicht mehr so machen wür­de. Das ist ein Gedan­ke, der mich auch heu­te noch reizt, wenn auch nicht mehr so stark wie frü­her. Wie wür­de ich heu­te jeman­den belei­di­gen, ohne eben auf die Mut­ter zu gehen, und trotz­dem einen Scotch zum Schmun­zeln brin­gen? Das ist aber das Ein­zi­ge, das einen reizt. Mein dama­li­ges Umfeld hat ja gar nicht mehr die Zeit, das heu­te noch zu tun.

Scotch: Statt­des­sen batt­len Tamo und ich uns heu­te eben auf ande­re Arten. Wer kann schnel­ler 200 km Fahr­rad­fah­ren oder irgend­ei­nen Megamarsch bes­ser bestrei­ten? Die Ener­gie, die frü­her im VBT steck­te, ste­cke ich heu­te in das Outdoor-​Thema. Dafür bren­ne ich zur­zeit. Inzwi­schen wür­de ich auch lie­ber einen Tamo-​Flage-​Song hören als eine gute Run­de von dir.

Tamo-​Flage: Kommt bald! Sogar noch vor dem nächs­ten VBT. (alle lachen)

(Sven Aumiller)