"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Anfang des Jahres veröffentlichte MIMII mit dem Re-Release von "Traum" die erste Single ihres Debütalbums. Mit dem Song konnte sie mich sofort für sich gewinnen, dafür reichten bereits die Freundeskreis-Hommage sowie ein EinsZwo- und elo-Vocalsample. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich allerdings noch nicht, dass mich das gesamte Album "Level H2O" nach dem Release Ende April komplett abholen würde.
Das Album durchziehen vielfältige Wasser-Metaphern, die man hier sicherlich aufgreifen könnte. Ich verzichte allerdings darauf, da MIMII diese bereits perfekt in Worte gefasst hat und es zudem den tiefgründigen Themen der Songs auch einfach nicht gerecht werden würde. Die gesamte Platte steckt voller einzelner kleiner Bilder, die sich in einem großen Mosaik malerisch zusammenfügen. Mit unfassbarer Ehrlichkeit beschreibt die Rapperin eigene Erfahrungen und zeichnet ihren Entwicklungsprozess authentisch nach – und zwar so, dass ich mich in einzelnen Zeilen auch selbst wiederfinden kann: "Wenn ich allein in meinem Zimmer sitz' und dieses Puzzle nicht zusammenkrieg', such' ich bisweilen händeringend nach meinem Traum, der nicht vollendet ist." Detailverliebt fusioniert sie dabei Lines über gesellschaftliche Probleme mit Aspekten der eigenen Selbstfindung und Psyche. Stellvertretend dafür steht "Blüte", ein Song, der in nicht mal drei Minuten so ziemlich alle emotionalen Zustände kombiniert – irgendwo zwischen Melancholie und positiver Energie. Die Beats, überwiegend produziert von Misc.Inc, akzentuieren dabei die nachdenklichen Lyrics von MIMII mit einem warmen und jazzigen Sound. Dieser hat sich bei mir festgesetzt und zwingt mich immer wieder dazu, auch einen energiegeladenen Song wie "Eiszeit" mitzurappen oder die Hook von "Ich bin du" krumm mitzusingen.
Seit es wieder regnerischer wird, erinnere mich manchmal an den Moment, in dem ich die ersten Ausschnitte des Albums hörte. Umso passender ist dementsprechend die Wasser-Metaphorik, die MIMII durch das gesamte Album fließen lässt. "Wellen ziehen mies durch die ganze Galaxie" – und dieses Album garantiert weiterhin durch meine Playlisten.
(Alec Weber)