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Plattenkiste

Wort und Totschlag – WUT

Egal, ob Album, Gratis-​Mixtape oder Lieb­lings­song – in unse­rer "Plat­ten­kis­te" stel­len wir Euch regel­mä­ßig die Per­len unse­rer redak­ti­ons­in­ter­nen Samm­lun­gen vor. Die­ses Mal: Wort und Tot­schlag mit "WUT".

"Was?! Du kennst das nicht? Sekun­de, ich such' dir das mal raus." Und schon öff­net sich die Plat­ten­kis­te. Wer kennt die­sen Moment nicht? Man redet über Musik und auf ein­mal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzu­fan­gen weiß. Und plötz­lich hagelt es Lob­prei­sun­gen, Hass­ti­ra­den oder Anek­do­ten. Gera­de dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwär­men ver­fällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das The­ma wich­tig ist, bit­tet man nicht all­zu sel­ten um eine Kost­pro­be. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Per­son so sehr am Her­zen zu lie­gen scheint. In die­sem Fall – was uns so sehr am Her­zen liegt: Ein Aus­zug aus der Musik, mit der wir etwas ver­bin­den, die wir fei­ern, die uns berührt. Ein Griff in unse­re Plat­ten­kis­te eben.

 

Hardcore-​Rap ist ein Gen­re, das – wie der Name schon sagt – beson­ders extrem ist: schnel­le Beats, der­be Wort­wahl und vie­le Schimpf­wor­te. Bekann­te Ver­tre­ter sind unter ande­rem N.W.A oder Chuck D von Public Ene­my. Anfangs waren Tex­te auf Boom bap-​Beats mit Scrat­ches die Regel, mitt­ler­wei­le gibt es auch ande­re Pro­duk­ti­ons­ar­ten. Der Ein­fluss von die­ser Musik auf die Band Wort und Tot­schlag ist unver­kenn­bar und durch ihr Album "WUT" habe ich mich erst­mals bewusst damit aus­ein­an­der gesetzt.

Das Album steht für mich für Hardcore-​Rap. Auf dem Cover sieht man das auf­ge­ris­se­ne Maul eines Mandrill-​Affen, dar­un­ter steht das Wort "WUT", wobei in das "U" ein Schlag­ring inte­griert ist. Ein ers­ter Hin­weis dar­auf, was musi­ka­lisch zu erwar­ten ist: kraft­vol­le Beats und aggres­si­ve Tex­te. Exem­pla­risch hier­für steht der Track "Faust". Die Hook sam­pelt Kriss Kross' ein­gän­gi­gen Song "Jump" sowie Necros expli­zi­ten Track "Fuck Com­mer­cial Rap". Dar­aus resul­tiert eine ein­drucks­vol­le Hook, die mir immer wie­der Gän­se­haut berei­tet. Jede Men­ge Wut trans­por­tiert auch der Track "Kol­laps", auf dem man DJ Mir­ko Machi­ne an den Cuts sowie Stunt­man Mike rap­pen hört. Letz­te­rer bringt Lines wie: "Wie ein Press­luft­ham­mer, der durch Est­rich wan­dert, wird dein Fress­brett behan­delt, wenn es Drecks­raps stam­melt." Es folgt ein Rap-​Part von Flo Mega, eigent­lich als Sän­ger bekannt. Die Wut in den Parts wür­de man ange­sichts sei­ner Soul-​lastigen Dis­ko­gra­fie zwar weni­ger erwar­ten – doch er über­zeugt mich rap­pend fast noch mehr als auf sei­nen sonst über­wie­gend gesun­ge­nen Soul-​Tracks. Musik als Ven­til für auf­ge­stau­te Emo­tio­nen und Kri­tik an der Kom­mer­zia­li­sie­rung der Sze­ne durch­zie­hen das Album wie ein roter Faden, wes­halb es auch fünf Jah­re nach sei­ner Ver­öf­fent­li­chung immer noch bei mir rauf und run­ter läuft.

In dem Album steckt viel Lie­be zum Detail: Die Beats, Scrat­ches und Samples stam­men aus ver­schie­de­nen Äras und Sti­len – ein Zei­chen dafür, wie lie­be­voll sie aus­ge­wählt wur­den. Für Old School-​Fans ist die­ses Werk eine wah­re Gold­gru­be mit span­nen­den Refe­ren­zen zu alten Hits, die sonst leicht auf­grund der Flut der Neu­erschei­nun­gen untergehen.

(Malin Tee­gen)