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The 90s – eine Zeitreise durch eine vergangene Dekade (Teil 2)

Für vie­le Fans bil­den die 90er den abso­lu­ten Peak von Rap. In die­ser Deka­de hat sich musi­ka­lisch eini­ges ver­än­dert. Aber wer mach­te den Sound die­ser Zeit eigent­lich aus? Über Raple­gen­den und den Unter­grund – irgend­wo zwi­schen Lau­ryn Hill und Onyx.

Am 11. August 2023 fei­er­te die HipHop-​Kultur – mehr oder weni­ger offi­zi­ell – ihren 50. Geburts­tag. Eine der belieb­tes­ten Rap­de­ka­den seit 1973 sind die 90er Jah­re, die nicht umsonst von vie­len Fans auch als "Gol­den Age" oder "Gol­den Era" bezeich­net wer­den. Unzäh­li­ge Rapper:innen und Rap­crews, die mitt­ler­wei­le Legen­den­sta­tus besit­zen, gaben ihr Debüt in die­ser Zeit und es ent­stan­den gänz­lich neue Rap­sub­gen­res – ins­be­son­de­re in den ver­schie­de­nen US-Bundesstaaten.

Natür­lich kön­nen längst nicht alle Rapacts aus die­ser Zeit näher beleuch­tet wer­den, dafür sind in den 90ern zu vie­le Rapper:innen auf der Bild­flä­che auf­ge­taucht. Pas­send zur Zahl 50 stel­len wir euch also in einem Spe­cial eine Lis­te vor, in der min­des­tens 50 der Rapprotagonist:innen aus die­ser Zeit vor­kom­men. Doch anders als bei typi­schen Ran­kings gibt es hier kei­ne klas­si­schen Plat­zie­run­gen, die schein­ba­re Qua­li­täts­un­ter­schie­de sug­ge­rie­ren. Die hier genutz­ten Zah­len sind dem­entspre­chend auch nicht als Teil eines Ran­kings zu ver­ste­hen. Es folgt eine klei­ne Zeit­rei­se durch ver­gan­ge­ne HipHop-​Jahre, die sowohl an Legen­den als auch an Underground-​Acts erinnert.

Dies ist der zwei­te Teil des 90s-​Specials, der die Zah­len zwi­schen 26 und 50 abklap­pert. Pas­send zum Arti­kel fin­det Ihr hier unse­re Spotify-​Playlist mit den erwähn­ten Songs und Rap-Acts.

"Think back 26 years, be like, what if his birth was a mis­car­ria­ge and I never exis­ted?", rapp­te DMX 1998 nach­denk­lich auf sei­nem Debüt­al­bum. Trotz sei­nes plötz­li­chen Todes 2021 bleibt uns der durch­aus kri­tisch zu betrach­ten­de Rap­per durch sei­ne Musik ewig in Erin­ne­rung, denn mit die­sem Album setz­te er sich ein unver­gess­li­ches Denkmal.

Im Alter von 27 Jah­ren ver­öf­fent­lich­te Dr. Dre mit "The Chro­nic" 1992 im Ver­gleich zu ande­ren Rapper:innen rela­tiv spät sein Solo-​Debüt. Nichts­des­to­trotz avan­cier­te das Album zum Klas­si­ker und der Rap­per und Pro­du­cer wur­de zu einer der gefrag­tes­ten Per­sön­lich­kei­ten der Rap-Geschichte.

"It usual­ly hap­pens on the 28th day", rappt Q-​Tip auf dem Track "The Infa­mous Date Rape" und spricht 1991 gemein­sam mit sei­ner Band A Tri­be Cal­led Quest die Pro­ble­ma­tik sexu­el­ler Über­grif­fe an. Auch mit vie­len wei­te­ren poli­ti­schen und sozia­len The­men bil­de­te die Band ins­be­son­de­re in den 90ern einen Gegen­pol zu den vor­herr­schen­den sexis­ti­schen und gewalt­ver­herr­li­chen­den Texten.

Auf dem Song "Wicked" rappt Ice Cube "April 29th brought power to the peo­p­le" – und ver­weist damit auf den rie­si­gen Auf­stand in Los Ange­les 1992. Aus­ge­löst wur­de die­ser durch den Frei­spruch von vier Poli­zis­ten, die 1991 für das Aus­üben mas­si­ver Poli­zei­ge­walt gegen­über dem Afro­ame­ri­ka­ner Rod­ney King ange­klagt wur­den und führ­te sogar zu einer zwi­schen­zeit­li­chen Waf­fen­ru­he zwi­schen den ver­fein­de­ten Bloods und Crips.

Ice Cube - Wicked (Offi­ci­al Music Video)

 

"Da Dir­ty 30" heißt das ein­zi­ge Stu­dio­al­bum, das die Grup­pe Cru gemein­sam ver­öf­fent­lich­te. Es erschien 1997. Das Trio lös­te sich bereits Ende der 90er auf und die Mit­glie­der ver­such­ten sich auf Solo­pfa­den, die aller­dings eher unter dem Radar lie­fen und wenig neue Musik her­vor­brach­ten. 2023 ver­öf­fent­lich­te der Rap­per The One Cha­dio jedoch ein neu­es Album und erin­ner­te mit einem Song wie "Gol­den Era Memo­ries" an die 90er.

"31 Bum­rush" ist ein Song des Duos Arti­facts aus dem Jahr 1997. Es soll­te 25 Jah­re dau­ern, bis sich die Crew 2022 dazu ent­schloss, gemein­sam mit Buck­wild ein drit­tes Stu­dio­al­bum zu ver­öf­fent­li­chen. Die Band aus New Jer­sey steht mit ihren Lyrics immer wie­der für die klas­si­schen vier HipHop-​Säulen ein und befasst sich vor allem mit Graffiti.

"32 shots inser­ted in Glock's, you heard it for blocks" ist nur eine Line des Rap­pers Fre­dro Starr der Crew Onyx. Im Ver­gleich zu den Arti­facts lie­fern sie seit 1993 Alben am Fließ­band. Die Hardcore-​Rapper mit der unver­gleich­li­chen Ener­gie brach­ten 2023 ein Studio- sowie ein Live­al­bum her­aus und kol­la­bo­rier­ten in der Ver­gan­gen­heit auch mit deut­schen Acts wie ASD, Eko Fresh und Mor­lockk Dilemma.

Das Album "Wan­ted: Dead or Ali­ve" von Kool G Rap & DJ Polo fei­er­te im August sei­nen mitt­ler­wei­le 33. Geburts­tag. Immer­hin bis 1995 ging es für die bei­den gemein­sam durch die "Streets from New York", ehe sich ihre Wege trenn­ten. Ins­be­son­de­re Kool G Rap ver­öf­fent­lich­te danach noch unzäh­li­ge Alben und ist ein belieb­ter Fea­ture­gast, so tauch­te er 2009 auch auf einem Album von Azad auf.

Rapper:innen offen­ba­ren bekann­ter­ma­ßen oft in Songs, woher sie stam­men und wie sie auf­ge­wach­sen sind. Dies gilt auch für Ma$e, der 1999 mit in sei­ne Hood nimmt: "Been through a lot of shit so I'm glad to be grown. But yo', whe­re were the­se freaks when I had no jeeps? Livin' on 34th street and we ain't have no heat."

"Smo­kin' on a dime, more than a quar­ter, what's that, a 35? Hig­her than a mile abo­ve the moon, on the black haven side. Stur­dy inha­lin' on some Satan, the Lord knows I can’t live wit­hout it." – Der Marihuana-​Konsum ist ein wei­te­res The­ma, das in Rap-​Songs defi­ni­tiv nicht zu kurz kommt. Hier stell­ver­tre­tend zitiert aus dem Track "Ridin' N' Da Che­vy" der Three 6 Mafia aus dem Jahr 1999. Die Crew, die seit 1991 aktiv ist, ver­lor bereits meh­re­re Mit­glie­der: Gangs­ta Boo, Lord Infa­mous und Koops­ta Knic­ca ver­star­ben alle inner­halb der letz­ten zehn Jah­re und so besteht die Grup­pe aktu­ell nur noch aus DJ Paul und Jui­cy J.

Wenn man sich mit den 1990ern beschäf­tigt, kommt man an "Enter the Wu-​Tang (36 Cham­bers)" vom Wu-​Tang Clan nicht vor­bei. Das Debüt­al­bum der Crew setz­te Dank der Pro­duk­ti­on von RZA und den ein­zig­ar­ti­gen Rap-​Styles der zehn MCs Maßstäbe.

Im Out­ro des Songs "Geto Boys and Girls" der Geto Boys ist ein Tele­fon­mit­schnitt des ver­ur­teil­ten Lar­ry Hoo­ver, einem Gangs­ter und Stra­ßen­gang­grün­der, zu hören, in wel­chem er sich dar­über echauf­fiert, dass 37 Pro­zent der ame­ri­ka­ni­schen Häft­lin­ge Schwar­ze sind, die­se aber gera­de mal zwölf Pro­zent der gesam­ten US-​Bevölkerung ausmachen.

"I got a .38 hid­den up the slee­ve and it's rea­dy to go to war 'cau­se that's what it's here for", rappt MC Ren auf dem N.W.A-Track "Appe­ti­te for Des­truc­tion", der ers­ten Sin­gle ihres zwei­ten Stu­dio­al­bums "Efil4zaggin". Auch wenn Tei­le der Band bereits auf­tauch­ten, muss sie hier noch mal geson­dert genannt wer­den, da die Crew spe­zi­ell zu Beginn der 90er Jah­re Gangs­ter­rap stark prägte.

"Coat for broad­way. Hundred and 39th all day", heißt es auf dem Raekwon-​Track "100 Rounds". Der MC gehört zu den abso­lu­ten Lieb­lings­rap­pern der Wu-​Tang Clan-​Fans. Mit sei­nem unver­kenn­ba­ren Flow füll­te der Rap­per bereits in den 90s zwei Solo­al­ben und fes­tig­te damit sei­nen eige­nen Status.

Kurz vor der Jahr­tau­send­wen­de ver­öf­fent­lich­te der Rap­per Xzi­bit sein Album "40 Dayz & 40 Nightz". Obwohl der Rap­per auch danach wei­ter­hin flei­ßig Musik releas­te, ist er bei eini­gen auch als Schau­spie­ler bekannt, da er seit Beginn der 2000er in meh­re­ren US-​Filmen und Seri­en mit­wirk­te sowie als Mode­ra­tor der legen­dä­ren Sen­dung "Pimp My Ride" tätig war.

Xzi­bit - What U See Is What U Get (Video)

 

"I spit a .41 revol­ver on New Year's Eve", heißt es im Track "Black­out" des ers­ten und gleich­na­mi­gen Kollabo-​Albums von Method Man und Red­man. Es ist für bei­de Rap­per bis heu­te eine der wich­tigs­ten Ver­öf­fent­li­chun­gen ihrer Dis­ko­gra­phie. Seit­dem bil­den die bei­den ein unschlag­ba­res Duo, das ins­be­son­de­re live zu über­zeu­gen weiß.

DJ Quick rapp­te 1995 unter ande­rem die Line "We cara­va­nin' fast pace to 42nd place" – und tat­säch­lich ver­lief sei­ne Kar­rie­re ein wenig so. Wäh­rend er dank der Musik nicht mehr auf die Tätig­keit als Dro­gen­händ­ler ange­wie­sen war und in den 90ern sogar gol­de­ne Schall­plat­ten für sei­ne Musik erhielt, kann er seit Beginn der 2000er nicht mehr wirk­lich an die­sen Erfolg anknüp­fen. Das hin­dert ihn aller­dings nicht dar­an, auch wei­ter­hin Musik zu produzieren.

Ähn­lich wie Quick ist auch Cani­bus ein Rap­per, der irgend­wie immer etwas unter dem Radar lief. Selbst unzäh­li­ge Alben und Fea­tures mit wesent­lich bekann­te­ren Rapper:innen brach­ten ihm nie den ganz gro­ßen Erfolg. Von die­sem träum­te er aber bereits 1998: "Then when I'm on the sce­ne, I do shows to get the green. Then I take the green, buy a auto­mo­bi­le machi­ne. For that thing on page 43 in Jet Maga­zi­ne Cani­bus is the ulti­ma­te executioner's dream."

"Kick in the door, wavin' the .44", rapp­te Big­gie auf dem Juni­or M.A.F.I.A.-Track "Get Money". Die Line wur­de unzäh­li­ge Male gesam­pelt, unter ande­rem von Big­gie selbst. Neben ihm konn­te sich ins­be­son­de­re Lil' Kim noch einen gro­ßen Namen in der Rap-​Szene machen, wäh­rend der Rest der Crew nach der ers­ten Auf­lö­sung 1997 nahe­zu in der Ver­sen­kung verschwand.

Noto­rious B.I.G. & Lil' Kim (Juni­or M.A.F.I.A.) - Get Money [EXPLICIT]

 

Zwi­schen Big­gie und 2Pac gibt es bekannt­lich eini­ge Par­al­le­len. Auch Pac hat­te eine eige­ne Crew: Thug Life. Auf sei­nem Solo­tra­ck "Str8 Bal­lin'", zu hören auf dem ein­zi­gen Thug Life-​Album, rappt er "Got a 45, screa­ming out sur­vi­val". Die Crew wur­de bereits 1995 nach dem Tod des Grup­pen­mit­glieds Stretch aufgelöst.

Emi­nem war Teil des Duos Bad Meets Evil, das 1998 sei­ne ers­ten Sin­gles ver­öf­fent­lich­te. Sein Crew-​Kollege Roy­ce da 5'9" ist mitt­ler­wei­le 46 Jah­re alt und leg­te eine eben­falls beacht­li­che Rap-​Karriere hin – unzäh­li­ge Solo- und Kollabo-​Alben fin­den sich in sei­ner Dis­ko­gra­phie und es scheint kein Ende in Sicht zu sein.

Lan­ge wur­de behaup­tet, es gäbe kei­ne guten Fema­le MCs. Das dies nicht der Fall ist, bewei­sen Künst­le­rin­nen wie Divi­ni­ty Roxx bereits seit Jahr­zehn­ten. Die heu­te 47-Jäh­ri­ge grün­de­te bereits in den 90s die HipHop-​Gruppe DATBU. Heu­te ist sie nicht nur als Rap­pe­rin, son­dern auch als Sän­ge­rin und Bas­sis­tin, zwi­schen­zeit­lich unter ande­rem für Bey­on­cé, unter­wegs und lässt in ihre Musik ver­schie­dens­te Gen­res einfließen.

Eine wei­te­re Rap­pe­rin, an der kein Weg vor­bei­führt, ist Lau­ryn Hill. Die 48-Jäh­ri­ge präg­te die spä­ten 90er Jah­re mit ihrem Solo­de­büt und gemein­sam mit den Fugees wie sonst kaum ein ande­rer Rap-​Act. Unzäh­li­ge Aus­zeich­nun­gen und immense Ver­kaufs­zah­len, die sich bis heu­te anhäu­fen, spre­chen eine kla­re Sprache.

Im Ver­gleich dazu hat­te Ras Kass wesent­lich weni­ger Erfolg. Span­nen­der­wei­se star­te­te er zu einem ähn­li­chen Zeit­punkt wie Lau­ryn Hill sei­ne Kar­rie­re. Sie waren gemein­sam auf dem Posse-​Track "Wake Up Show Anthem '94" ver­tre­ten. Ras beteu­er­te dann eini­ge Jah­re spä­ter ganz Ame­ri­ka zu "besu­chen": "Say my name like Can­dy­man. Then I'm cree­pin' out the cut with a gal­lon in hand. I span 49 sta­tes, boun­ce rock skate." Die­ses Ver­spre­chen soll­te der Rap­per hal­ten, auch heu­te noch ist er auf Tour – nicht nur durch die USA, son­dern weltweit.

Wesent­lich tie­fer im Under­ground ver­wur­zelt ist das Duo All Natu­ral. Ihr Song­ti­tel "50 Years" aus dem Jahr 1998 gibt vor, wor­um es in die­sem Jahr gehen soll­te: 50 Jah­re HipHop-​Kultur zu zele­brie­ren. In ihrem Song geht es eigent­lich um eine Zeit­rei­se in die Zukunft ins Jahr 2044. Hof­fent­lich kann in die­ser noch fer­nen Zukunft auch wei­ter­hin Rap-​Musik gelauscht werden.

Damit endet auch der zwei­te Teil unse­res Spe­cials. An die­ser Stel­le könn­ten sicher­lich noch unzäh­li­ge wei­te­re Namen aus den 90ern erwähnt wer­den – aber dazu ist spä­tes­tens in 50 Jah­ren zum 100. Geburts­tag Zeit und Platz. Unse­re Play­list mit allen Songs aus bei­den Arti­keln fin­det Ihr hier.

(Alec Weber)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)