Sich für eine Tätowierung zu entscheiden, kann verschiedene Beweggründe haben. Einige entstehen aufgrund persönlicher Erfahrungen, die man mit einem Tattoo auf dem Körper festhalten will, andere aus einer Laune heraus oder um eine Facette der eigenen Persönlichkeit zu betonen. Doch Tattoos können auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ausdrücken, wie man es beispielsweise von Gangmitgliedern kennt. Auch außerhalb davon werden bestimmte Symbole wie beispielsweise Tränen mit einem Straßen-Lebenstil assoziiert und erzeugen ein bestimmtes Image. Gruppenzugehörigkeit, Loyalität und Image sind Aspekte, die nicht nur in der Tattoo-Szene, sondern auch in der HipHop-Kultur als wichtig gelten. Zudem sind es zwei Kunstformen, die für Rebellion und Selbstausdruck stehen können. Ein Künstler, der sowohl in den Welten von Graffiti und Rap als auch des Tätowierens zu Hause ist, ist der Kreuzberger Mach One. Ein Blick auf sein Instagram-Profil zeigt, dass der Berliner nicht nur am Mic und der Sprühdose, sondern auch an der Tätowiermaschine talentiert ist. Grund genug, um mit ihm darüber zu sprechen, wie er seinen Weg über Graffiti und Rap hin zum Tätowieren gefunden hat. Es ging außerdem darum, welche Tattoo-Aufträge ihn besonders berührt haben und was in seinen Augen zur Verantwortung von guten Tätowierer:innen gehört.
MZEE.com: Du bist in Berlin Kreuzberg aufgewachsen, einem Stadtteil, in dem Tags und Graffiti omnipräsent sind, und hast schon als Kind gern gezeichnet. Daher ist es naheliegend, dass du irgendwann den Weg zum Graffiti gefunden hast. Dann kam Anfang der 2000er Rap dazu, ein weiteres Element der Kultur. Mittlerweile arbeitest du seit elf Jahren als Tätowierer. Ist dieser Job für dich mit der HipHop-Kultur verknüpft?
Mach One: In der osmanischen Armee haben sich die Soldaten schon tätowiert und in Gefängnissen sowie unter Seeleuten haben Leute durch Tätowierungen ihre Zugehörigkeit zu verschiedenen Gruppen ausgedrückt. Eine Tätowierung zeigt, dass man außerhalb der gesellschaftlichen Norm existiert, und signalisiert, dass man anders ist. Inzwischen tätowieren viele, die wie ich aus der Graffiti-Szene kommen. Als Writer macht man, wenn man es ernsthaft betreibt, im Grunde eine Grafikausbildung, denn man beschäftigt sich mit Formen und Farben. Viele gute Künstler, die ich kenne, sind mindestens so gut wie ausgebildete Grafiker, wenn nicht besser. Dann ist Tätowieren auch nur noch eine Technik.
MZEE.com: Wie würdest du den Beruf Tätowierer:in am ehesten einordnen?
Mach One: Als Tätowierer bist du rechtlich gesehen Dienstleister. Ich finde das eine Schweinerei. Man müsste wenigstens die Möglichkeit haben, sich irgendwie beweisen zu können, weil es unterschiedliche Tätowierer gibt. Es gibt Leute, die zu Hause sitzen, sich im Internet eine Maschine bestellt haben, sich mit Keta zuballern, ihre Leute tätowieren und noch Promo übers Internet machen, weißt du? Gefühlt ist es so, dass du ein Tattoo-Studio aufmachen kannst, sobald du dir eine Maschine kaufst. Dann gibt es natürlich Tätowierer, die tätowieren dir das, was du ihnen vorlegst. Das ist sehr unkreativ und eine Art Drucker-Arbeit. Dann gibt es Leute wie mich und viele andere, die sich mit Kalligraphie beschäftigen und ihr Leben verschiedenen Techniken der Kunst gewidmet haben. In meinem Leben als Künstler war Tätowieren einfach so unfassbar großartig, denn Kunst wollen alle haben, aber keiner will sie bezahlen. Beim Tätowieren kommen Leute mit ihren Vorstellungen zu dir, die meistens visuell nicht besonders stark sind. Sie sind dann sehr begeistert, wenn ihnen jemand die richtigen Fragen stellt, bis er versteht, was sie gerne hätten. Manchmal weiß man es als Tätowierer besser als die Leute, die tätowiert werden wollen. Die sind glücklich, wenn du ihnen ein Design vorstellst, was denen gefällt, denn es bleibt für immer auf der Haut. Daher bezahlen sie es unfassbar gern, wenn es gute Arbeit ist. Darum ist es für mich eine Kunstform. In der Hinsicht ist Sprühen im Gegensatz zum Tätowieren undankbar.
MZEE.com: Ein Bekannter von mir hat mal gesagt: "Graffiti ist ein Hobby, bei dem man richtig viel draufzahlt." – Würdest du dem zustimmen?
Mach One: Graffiti ist kein Hobby. Graffiti ist etwas, für das du deine Freiheit riskierst. Es ist etwas, für das du sehr viel Abenteuer auf dich nimmst. Es hat einen eigenen Geruch. Das ist eine eigene Welt mit sehr vielen unterschiedlichen und verrückten Menschen. Den Ausdruck "Szene" finde ich zu klein. Graffiti ist eine eigene Welt. Es gibt Leute, die von außen draufschauen, aber innerhalb sind Menschen, die rausgehen und U-Bahn-Linien auschecken. Sie fahren die Lines hoch und runter, gehen in die U-Bahn-Schächte und planen gemeinsame Aktionen. Es ist Vandalismus, aber es ist auch Kunst. Sprüher sind so wie Ninja-Kämpfer. Manchmal kennt man nur das Pseudonym und die bürgerliche Identität ist nicht bekannt. Als Sprüher ist man zu etwas zugehörig. Man existiert plötzlich in einer Welt, die man nur versteht, wenn man Teil davon ist.
MZEE.com: Das ist ja das Spannende an deinem Werdegang: Du malst, tätowierst, rappst, produzierst und sprühst. Und das alles tatsächlich auf professionellem Niveau.
Mach One: Ich wurde mal im Rahmen einer ARTE-Doku über Street Art interviewt und vorab saß ich in einer Runde mit verschiedenen Künstlern und Leuten aus der Grafik-Szene zusammen. Einer hat mich gefragt, was ich mache. Ich habe ihm gesagt, ich mache Musik, Grafik und komme aus dem Graffiti-Bereich. Damals habe ich noch nicht tätowiert. Der hat mich dann als "Universaldilettant" betitelt. Wenn ich Leuten erzähle, was ich alles mache, dann kommt das als normale und völlig nachvollziehbare Reaktion. Es ist immer sehr kompliziert, mich hinzusetzen und zu erklären, dass ich das wirklich gut kann. Weißt du, was ich meine? Ohne mich jetzt selbst abzufeiern, aber ich habe noch niemanden getroffen, der in so vielen Bereichen auf einem so hohen Niveau arbeitet. Ich habe viele Menschen kennengelernt, die in jedem einzelnen Bereich, den ich tief erforscht habe, teilweise beeindruckend viel besser sind als ich. Ich will mich überhaupt nicht zum Maß aller Dinge machen. Es gibt so viele Bereiche, die mich interessieren und wenn mich etwas fängt, dann werde ich manisch. Ich schlafe dann auch nicht mehr. Es gab mal eine Situation, in der ich fast drei Nächte nicht geschlafen habe, bis ich Illustrator (Anm. d. Red.: Designsoftware) "besiegt" habe. Ich habe mir alles angeeignet, was mich als Künstler visuell interessiert.
MZEE.com: Ist es bei dir so, dass dir schnell langweilig wird und du dann neue Herausforderungen brauchst?
Mach One: Es gab vor einigen Jahren ein Gespräch, in dem ich versucht habe, das zu ergründen. Mein kleiner Bruder Flo Bodenhammer ist ein unfassbarer Skateboarder. Ich bin auch sechs Jahre lang sehr intensiv Skateboard gefahren. Die Skaterszene war allerdings sehr elitär. An der National Gallery, wo wir skaten gegangen sind, waren Pro Skater wie Sami Harithi und seine Gang. Wir haben ihn bewundert und er hat uns immer nur wie Scheiße behandelt. Wir haben uns dann von unten nach oben gekämpft, bis mein Bruder und ich zwei Sponsoren hatten. Du hast mich gefragt, ob mich Sachen schnell langweilen. Das dachte ich auch immer. Aber es war eher so, dass ich zum Nächsten gesprungen bin, wenn etwas gut lief. Als Nächstes habe ich mit der Graffiti-Scheiße angefangen, was auch sehr intensiv war. Meine Crew und ich sind in Frohnau unterwegs gewesen und haben herausgefunden, wie man Züge malt. Damals gab es noch Graffiti-Magazine wie zum Beispiel "Overkill". Die Wände, auf denen wir unsere Bilder gemalt haben, waren in den Magazinen abgedruckt, allerdings mit allen Bildern außer unseren. Wir hatten das Gefühl, wir werden unten gehalten. Also haben wir uns hochgekämpft, bis wir in jedem Magazin waren und uns jede Crew kannte. Als ich das erreicht hatte, habe ich mit Musik angefangen. Damals stand Berlin für Graffiti und Breakdance, aber nicht für Rap. Es gab Leute aus Hamburg und Stuttgart, die fette Sachen produzierten und krasse Studios hatten. Am Anfang hatten wir gar nichts. Ein Vierspurgerät, eine Playstation und einen komischen DJ-Sampler. Akte (Anm. d. Red.: Akte One) und ich haben uns dann ein Achtspurgerät geholt. "Aus Scheiße Bonbon machen", hat meine Oma immer gesagt. Das ist Kunst. Auch da haben wir uns wieder durchgesetzt, bis über uns berichtet wurde. Mit "Meisterstück 2" hätte ich meinen Durchbruch haben können. Wir haben eine erfolgreiche Tour und Konzerte vor 2 000 Leuten im Postbahnhof gespielt, ohne Vorgruppe und Bühnenshow. Wir hatten nur schwarzen Molton, einen DJ und zwei Mics. Dann habe ich angefangen zu tätowieren.
MZEE.com: Wie hat sich das dann für dich entwickelt?
Mach One: Da habe ich auch wieder die gleiche Erfahrung gemacht. Am Anfang haben die Leute sich gefragt, warum man zu einem Rapper und nicht zu einem richtigen Tätowierer geht. Auch da habe ich mich hochgearbeitet und bin inzwischen ein respektierter und guter Tätowierer. Ich kenne in Berlin nur wenige Bessere. An dieser Stelle würde ich gerne Neon Judas und Knisterfuchs erwähnen. Letzterer ist auch ein Sprüher und beide sind unfassbar gute Tätowierer.
MZEE.com: Und was hast du dir als Nächstes angeeignet?
Mach One: Das habe ich mich auch gefragt, aber es kam nichts. Ich habe ausgelernt. (lacht) Ich könnte einen kompletten Film drehen, ohne dass ich dafür jemals eine Ausbildung gemacht habe. Obwohl ich schon mit Profis zusammengearbeitet habe, habe ich in meinem Leben wenige Menschen getroffen, die meine Ansprüche übertreffen. Nils Faller ist einer davon. Er ist ein Genie, was Mixing und Mastering angeht. Ich bin auch ein Engineer, habe ein sehr gutes Ohr und war eine Weile maßgeblich am Sound von Berlins Rap beteiligt. Gerade deshalb fiel es mir schwer, die eigenen Sachen aus der Hand zu geben. Am Anfang habe ich ihm widerwillig Tracks von mir geschickt. Als die zurückkamen, hatte ich das Gefühl, dass er nicht die gleichen Spuren hatte wie ich. Als hätte er ein Instrument dazu gespielt. Er hat auch mein letztes Album gemischt und gemastert und dabei wieder meine Ansprüche übertroffen. So etwas passiert mir sehr selten. Wie ich mich hier die ganze Zeit selbst feier' … (lacht) Aber darüber zu reden, wie gut ich bin, habe ich mir in den letzten Jahren sehr hart erarbeitet.
MZEE.com: Das sieht man auch daran, dass du in drei unterschiedlichen Kunstformen, die alle viel Zeit beanspruchen, sehr versiert bist. Wie findest du die Energie dafür?
Mach One: Ich nehme sie alle sehr ernst und bin einer der glücklichen Menschen, die auf die Welt gekommen sind und einfach wussten, wofür sie da sind. Ich bin ein Künstler-Freak. Ich mache das nicht, weil ich das kann oder will. Sondern weil ich muss. Ich könnte auch nicht in den Urlaub fahren und am Strand sitzen. Ich würde dort anfangen, Sandfiguren zu bauen. Weil ich da bin, um etwas zu schaffen. Wäre ich plötzlich Millionär, würde ich nichts anders machen, sondern immer noch in meinem Kabuff sitzen und Leute umsonst tätowieren. Ich liebe das. Das ist nicht übertrieben. Das Schlimme ist, dass das niemand versteht. Als Künstler musst du dich gegen deine Familie, dich selbst und das Finanzamt durchsetzen. Alle meine Beziehungen sind daran gescheitert, trotzdem hat Kunst mir immer den Arsch gerettet. Ich rede nur noch mit meinem Vater und meinem kleinen Bruder, sonst mit fast keinem mehr aus meiner Familie. Meine Familie versteht meine Kunst nicht und will, dass ich "was Richtiges" mache. Mir sind diese gesellschaftlichen Ansprüche egal. Meine Oma hat an meinem 30. Geburtstag zu mir gesagt, dass ich früher so talentiert gewesen sei, aber nichts aus mir gemacht hätte. Zu dem Zeitpunkt war ich erfolgreicher Musiker. Wäre ich mit meinem Talent in Amerika gewesen, wäre es vielleicht anders gelaufen. In Deutschland peilen die Leute es nicht, wenn du keinen Schein in der Hand hältst.
MZEE.com: Beim Tätowieren geht es auch um den künstlerischen Anspruch. Gibt es Dinge, die du satt hast zu stechen?
Mach One: Es kamen schon Frauen in meinem Alter zu uns ins Studio, die ein Arschgeweih wollten. Davon haben wir ihnen abgeraten. Ich tätowiere Arschgeweihe umsonst, aber nur Kerlen und die haben dann kein Mitspracherecht. Dann gibt es ein richtig klassisches Tribal-Arschgeweih. Wenn ein Kerl das durchzieht, respektiere ich ihn. Kennst du den Rapper Taha? Der ist cool. Dem tätowiere ich zum Beispiel demnächst eins.
MZEE.com: Gibt es beim Tätowieren Trends, die du beobachtest?
Mach One: Gerade kommt dieses Dark-Thema wieder. Dann gab es eine Zeit lang diese "Buenavista Tattoo Club"-Motive. Die sind charakteristisch rot-schwarz. Momentan ist der Ignorant Style (Anm. d. Red.: scheinbar unsinnige Motive) sehr beliebt. Die Leute sollen machen, was sie wollen. Ich persönlich mache gern Comic- und realistische Tattoos, gerne auch bunt. Es gibt im Grunde nichts, was ich nicht gerne mache. Okay, eine liegende Acht oder Eule muss es nicht sein. Wenn Leute sich ein Tattoo stechen lassen wollen, dann googlen manche "Tattoo". Weißt du, wie dumm das ist? Überleg dir doch einfach, was du geil findest. Denn tätowieren kann man alles. Dann musst du dir auch nicht das tätowieren lassen, was alle anderen schon haben.
MZEE.com: Mittlerweile ist jeder achte Mensch in Berlin tätowiert. Ist ein Tattoo zu haben somit eine Form der Anpassung?
Mach One: Es gibt Leute, bei denen das tatsächlich so ist. Die denken, wenn sie tätowiert sind, kommen sie besser an und wirken "cooler". Ich habe letztens einem Freund von mir die Brust tätowiert. Ein ziemlich großes, radikales Ding. Das macht ihn aber einfach aus und gehört zu seinem Erscheinungsbild. Es ist eine Körpererweiterung. Tätowieren bedeutet: Du holst dir deinen Körper zurück und entscheidest darüber. Es bedeutet auch, das, was in dir ist, aus dir rauszuholen. An dem Körper, mit dem du geboren wurdest, kannst du nichts ändern, doch wer du drinnen bist, sieht ja keiner. Ich hatte selbst die Schnauze voll davon, dass mich Leute angucken und denken zu wissen, wen sie sehen. Vor 20 Jahren habe ich mir das Joker-Lachen aus meinem Lieblings-Batman-Comic stechen lassen. In Form eines roten "HaHaHaHa". Es sieht aus wie aufgeschnitten. Das habe ich gemacht, um die Oberfläche zu stören und mehr ich zu sein. Ich glaube, die Frage, die du gestellt hast, ist nicht so leicht zu beantworten. Man kann sich aus den richtigen und aus den falschen Gründen tätowieren lassen. Du kannst zum Tätowierer gehen und ein Tattoo bestellen wie beim Bäcker irgendein Gebäck. Du kannst aber auch mit einer sehr genauen Vorstellung von dem, was du haben willst, da hingehen.
MZEE.com: Ein Kumpel von mir hat gesagt, dass du bekannt dafür bist, besonders gut Graffiti auf den Körper bringen zu können. Ist das für dich eine Art Alleinstellungsmerkmal?
Mach One: Nein, das stimmt nicht. Ein befreundeter Rapper hat sich von Dejoe, einem sehr krassen Berliner Sprüher, seinen Namen designen lassen, um ihn sich auf den Oberarm tätowieren zu lassen. Das Ergebnis sah katastrophal aus, weil der Tätowierer keine Linien stechen konnte. Leute, die nur realistische Sachen machen, vernachlässigen oft Linework-Techniken. Ich selbst brauchte drei Jahre, um keine Angst mehr vor Linien zu haben. Inzwischen kannst du mich in der Nacht wecken und ich tätowiere dir Linien auf den Arm. Ich habe ein Gefühl dafür, aber das ist wie ein Muskel, den man trainieren muss. Dazu kommt, dass Leute, die keine Ahnung von Graffiti haben, sich nie mit dieser Art, Buchstaben zu gestalten, auseinandergesetzt haben. Selbst wenn ich denen eine Stencil (Anm. d. Red.: eine Schablone) auf die Haut setze, schaffen sie es nicht, diese Linien so nachzustechen, dass sie authentisch sind. Um Graffiti zu tätowieren, musst du es verstehen. Ich musste dann diesen verhunzten Graffiti-Schriftzug korrigieren. Man, das war so schade, weil Dejoe eins meiner Vorbilder ist. Ich bin niemand, der bekannt dafür ist, besonders gut Graffiti zu stechen. Ich bin bekannt dafür, alles sehr gut zu stechen. (lacht) Ich komme aus der Ecke und verstehe das, aber finde meine Tags schlecht und bin nicht der Stärkste, was Buchstaben angeht. Ich bin ein sehr guter Charakter-Maler. Darin werde ich immer besser und arbeite sehr hart an mir. Würde mein Kumpel Akte tätowieren, würde er abreißen. Er ist eine Art Mathematiker und ich fühle das eher.
MZEE.com: Einige Fans lassen sich Songzitate oder Porträts von ihren Lieblingskünstler:innen stechen. Hast du dazu eine persönliche Geschichte erlebt, die du erzählen möchtest?
Mach One: Ich erzähle dir eine Geschichte, die passiert ist, als ich selbst erst frisch dabei war. Jemand kam zu mir und wollte ein Mach One-Tattoo über den ganzen Unterarm. Ich habe wirklich versucht, es ihm auszureden. Aber der Typ hat darauf bestanden. Ich habe gesagt: "Was, wenn als Nächstes mein Schlageralbum kommt?" Dann hat er gesagt, dass er das dann auch geil finden wird. Jetzt, Jahre später, hat er tatsächlich in unserem Studio angerufen und meinen Kollegen gefragt, ob er mich fragen könnte, das Tattoo zu covern. Dicker, ganz ehrlich, ich habe so intensiv versucht, es ihm auszureden, und er hat so hartnäckig darauf bestanden. Der soll sich jemand anderes suchen, um das zu covern. Hat er inzwischen auch. Aber hey, falls jemand ein Porträt von mir haben will, bin ich selbstverliebt genug, um das zu tun. (lacht)
MZEE.com: Was ist die schönste Tattoogeschichte, die du bisher erlebt hast?
Mach One: Ich hatte einen Termin mit jemandem, den ich vorher schon mal tätowiert hatte. Das erste Tattoo war sehr groß über den ganzen Rücken. Dann kam er erneut zu uns, aber wusste vorher noch nicht, was er haben wollte. Wir haben dann angefangen, Bilder anzuschauen. Jedes Mal, wenn eine einsame Figur im Wald zu sehen war, fand er das cool. Der Typ hatte eh eine sehr dunkle Ausstrahlung. Dann habe ich acht Stunden lang mit ihm darüber geredet, warum er seine Einsamkeit auf seinem Körper manifestieren will. Wenn sein ganzes Umfeld ihn für einen weirden Einzelgänger hält, ist es vielleicht keine gute Idee, sich ein düsteres Tattoo stechen zu lassen. Er war kein Typ dafür. Er hat es nur immer so erlebt. Das war kein Statement, sondern Normalität für ihn. Außerdem war er Baggerfahrer und mochte das Gefühl, wenn man so eine große Maschine steuert. Wir haben uns am Ende für eine dicke, bunte Comic-Hummel auf der Wade entschieden. Darüber war noch eine Sprechblase mit einem Bagger. Meiner Meinung nach hat das sein Leben zum Positiven verändert. Leute nehmen ihn anders wahr. Er kam später auch noch mal ins Studio und hat das bestätigt. Das ist die Verantwortung eines jeden Tätowierers, wenn du mich fragst.
MZEE.com: Man hört raus, dass du dir sehr viele Gedanken machst und empathisch mit deinen Kund:innen umgehst. Deswegen ist es auch viel mehr als eine Dienstleistung, oder?
Mach One: Gut, dass du darauf zurückkommst. Absolut. Es gibt natürlich Dienstleister. Aber auch welche, die unfassbar gut sind und alles selbst designen. Wenn du wüsstest, was ich hier für therapeutische Arbeit leiste. Das ist wahnsinnig. Dazu kommt, dass mein Raum ein Safe Space ist. Ich habe aufgehört, über Menschen zu urteilen. Jeder wird hier verarscht, aber auch verstanden. (lacht) Es kommen Leute her, die sich noch nie irgendwo gesehen gefühlt haben. Die überall jemand sein mussten. Bei mir gibt es auch keine Tattoo-Termine, es gibt Tattoo-Sessions. Wenn Leute diese Friseur-Nummer haben wollen, sind sie hier an der falschen Adresse. Man muss immer das komplette Paket nehmen und auch mit dem Freak leben, der das geile Tattoo sticht. Aber dafür hast du am Ende etwas, das dich zu dir selbst macht. Das gehört für mich dazu. Ich muss wissen, warum ich wem was tätowiere. Eine Kundin wollte etwas gecovert haben, was aber eine super Arbeit war. Ich habe sie dann gefragt, ob sie noch andere Tattoos hat. Sie hat mir dann ein zweites Cover-up auf der Schulter gezeigt. Da habe ich gesagt, ich würde glauben, dass sie keine Tattoos haben will. Sie meinte, dass sie das auch eigentlich lasern wollte. Ich habe ihr dann die Anzahlung zurückgezahlt und die Nummer von einer Laserklinik gegeben. Ich hätte die Kohle einstecken können, aber dann wäre sie wieder unglücklich gewesen. Ein kleines Beispiel noch: Am Anfang muss man jeden Scheiß tätowieren, denn man will ja üben. Es kamen immer wieder Leute, die ein Todesdatum wollten, wenn zum Beispiel ein Freund verstorben ist. Warum zum Teufel willst du den Todestag deines Freundes auf deinem Körper festhalten? Warum denn nicht das Leben? So ein simples Beispiel. Das versteht jeder. Auch das ist die Verantwortung eines Tätowierers.
(Malin Teegen)
(Foto 1 von JotPe)