Am 11. August 2023 feierte die HipHop-Kultur – mehr oder weniger offiziell – ihren 50. Geburtstag. Eine der beliebtesten Rapdekaden seit 1973 sind die 90er Jahre, die nicht umsonst von vielen Fans auch als "Golden Age" oder "Golden Era" bezeichnet werden. Unzählige Rapper:innen und Rapcrews, die mittlerweile Legendenstatus besitzen, gaben ihr Debüt in dieser Zeit und es entstanden gänzlich neue Rapsubgenres – insbesondere in den verschiedenen US-Bundesstaaten.
Natürlich können längst nicht alle Rapacts aus dieser Zeit näher beleuchtet werden, dafür sind in den 90ern zu viele Rapper:innen auf der Bildfläche aufgetaucht. Passend zur Zahl 50 stellen wir euch also in einem Special eine Liste vor, in der mindestens 50 der Rapprotagonist:innen aus dieser Zeit vorkommen. Doch anders als bei typischen Rankings gibt es hier keine klassischen Platzierungen, die scheinbare Qualitätsunterschiede suggerieren. Die hier genutzten Zahlen sind dementsprechend auch nicht als Teil eines Rankings zu verstehen. Es folgt eine kleine Zeitreise durch vergangene HipHop-Jahre, die sowohl an Legenden als auch an Underground-Acts erinnert.
Dies ist der erste Teil des 90s-Specials, der die Zahlen zwischen 1 und 25 abklappert. Passend zum Artikel findet Ihr hier unsere Spotify-Playlist mit den erwähnten Songs und Rap-Acts.
1998 erschien der "Lyricist Lounge Volume One"-Sampler des HipHop-Underground Labels Rawkus Records. Auf weit über 120 Minuten reichen sich hier unzählige MCs das Mic hin und her, darunter unter anderem De La Soul, Mos Def, Q-Tip und Talib Kweli. Das Besondere: Durch die beiden Albumhälften wird ähnlich wie bei einem Livekonzert gehostet, zunächst von De La Soul und anschließend von Kool Keith.
"Back 2 to Life" ist ein Song des Albums "The Rude Awakening" der Cocoa Brovaz. Ein Crewname, der wahrscheinlich nur wenigen etwas sagt. Besser bekannt ist die Gruppe unter ihrem Namen Smif-N-Wessun. Da dieser aber zu einem Rechtsstreit mit dem Unternehmen Smith & Wesson, das Handfeuerwaffen produziert, führte, gaben sich die Rapper einen alternativen Namen. Unter diesem veröffentlichten sie jedoch abseits ihres 98er-Albums nur sehr wenig Musik – und so ist dieser auch weiterhin für viele Rapfans ein unbeschriebenes Blatt.
Die Songs "Fantastic 3" und "Fantastic 4" sind Teil des inoffiziellen Debütalbums "Fan-Tas-Tic Vol. 1" der Crew Slum Village, das bereits 1996 und 1997 aufgenommen wurde. Abgesehen von einem Bootleg des Albums erschien es offiziell jedoch erst 2006, also rund zehn Jahre nach den ersten Aufnahmen. Zu dieser Zeit hatte die Band allerdings bereits schon einige weitere Alben veröffentlicht und sich einen Namen in der Underground-Szene gemacht.
Wer sich mit langlebigen Undergroundcrews beschäftigt, kommt nur schwer an den Jurassic 5 vorbei. Die Band, die aus insgesamt vier Rappern und zwei DJs besteht, formierte sich bereits 1993 in Los Angeles, veröffentlichte ihr Debütalbum "Jurassic 5" jedoch erst 1998. Mit diesem und den Nachfolgern konnte die Band insbesondere in Großbritannien große Erfolge feiern und Goldene Schallplatten sammeln.
Während Rap in den 1980ern noch von vielen Mainstream-Akteur:innen belächelt wurde, änderte sich das spätestens Ende der 1990er. Rap war seitdem aus der Popkultur nicht mehr wegzudenken. So überraschte es auch wenig, dass die beiden Legenden Big Pun und Fat Joe sich 1999 ein Feature auf dem Debütalbum "On The 6" von Jennifer Lopez sichern konnten.
"The Don Killuminati: The 7 Day Theory" ist der Titel des letzten Albums von 2Pac, das noch zu seinen Lebzeiten, angeblich in gerade einmal sieben Tagen, fertiggestellt wurde. Es erschien allerdings erst Ende 1996 posthum unter seinem Alias Makaveli und erreichte in den USA sofort die Spitzenposition der Charts.
Der Rapper 8-Off produzierte bereits 1995 sein Debüt "Wrap Your Lips Around This". Darauf folgte über zehn Jahre lang kein neues Album, seit 2006 erschienen allerdings unzählige Releases des New Yorker MCs unter seinem weiteren Alias Agallah. Nebenbei ist er auch als Producer aktiv, unter anderem für Busta Rhymes und Mobb Deep.
"I'm suited up with street clothes, hand me a 9 and I'll defeat foes", rappte Nas auf "N.Y. State of Mind", einer der Singles seines Klassikers "Illmatic". Der Rapper sollte zumindest metaphorisch recht behalten. Die meisten seiner Beefs sollte er für sich entscheiden und viele seiner Gegner sind nicht mehr musikalisch aktiv beziehungsweise wesentlich weniger erfolgreich als der New Yorker. Sein Debütalbum wird bis heute von vielen als das beste Rapalbum aller Zeiten bezeichnet.
Genau eine Woche nach Nas veröffentlichte auch der Rapper Volume 10 sein Debütalbum "Hip-Hopera" am 26. April 1994. Die dazugehörige Single "Pistol Grip Pump" wurde später sogar von Rage Against The Machine gecovert und ist bis heute sein bekanntester Song.
Big L befand sich 1995 in der "Danger Zone": "I'm the type to snap in Heaven with a MAC-11." Tatsächlich gehört der Rapper zu der langen Liste an Rapkünstler:innen, die diese Welt viel zu früh verlassen mussten. Vor seiner Ermordung 1999 veröffentlichte er gerade mal ein Studioalbum. Dieses reichte allerdings aus, um seinen Status als Raplegende zu erzeugen.
Viele Raphörer:innen verorten Künstler:innennamen, die mit "Lil" beginnen, eher in den 2010er Jahren. Bereits Anfang der 90er war jedoch schon Lil ½ Dead aktiv und veröffentlichte 1994 die Vinyl-Single "12 Pacofdoja". Der Songtitel bezieht sich dabei auf eine Marihuana-Sorte, von der das lyrische Ich vermutlich etwa zwölf Unzen parat hat.
OutKast befanden sich 1996 auf dem "13th Floor/Growing Old" und prangerten in diesem Song unter anderem die zunehmenden materialistischen Inhalte anderer Rapper:innen an, während sie versuchten, für eine bessere Zukunft zu kämpfen. Das Duo, das in den 2000ern in einem popkulturellen Kontext sämtliche Genregrenzen sprengte, war schon in den 1990ern damit beschäftigt, den HipHop-Sound der US-Südstaaten von Atlanta aus maßgeblich zu prägen.
"Here we go while I check the scene, with the Portuguese Lover at the age of 14", rappte C.L. Smooth auf dem Track "They Reminisce Over You (T.R.O.Y.)", der Lead-Single des Albums "Mecca and the Soul Brother". Gemeinsam mit dem Alleskönner Pete Rock ist der Rapper bereits seit 1991, allerdings mit einigen Unterbrechungen, als Duo unterwegs und prägte insbesondere zu Beginn der 90er Jahre den New Yorker Sound.
1999 veröffentlichte Mos Def sein Debütalbum "Black On Both Sides". Darauf befinden sich unter anderem mit "Mathematics" und "Ms. Fat Booty" seine größten Hits. Auf ersterem Song spielt der Künstler nicht nur gekonnt mit einer Unmenge an Zahlen, sondern kritisiert auch die eigene Bezahlung: "Only 15 of profits ever see my pockets."
"Started smokin' woolies at 16", offenbarte uns Raekwon auf dem Wu-Tang Clan-Klassiker "C.R.E.A.M.". Wer sich mit Rapmusik der 90er beschäftigt, wird an der New Yorker Gruppe und ihrem düsteren Sound, zumeist produziert vom Wu-Tang-Gründer RZA, nur schwer vorbeikommen.
Ganze 17 Anspielstationen befinden sich auf dem Klassiker "Labcabincalifornia" von The Pharcyde aus dem Jahr 1995. Hits wie "Runnin'" und "Drop" sind bis heute unvergessen. Die Band gründete sich bereits 1989 und kontrastierte den damals überwiegenden Gangsterrap und G-Funk der Westside. Auch heute sind die vier Rapper zum Teil noch gemeinsam aktiv.
"18-carat gold pen, when it hits the sheets. Words worth a million like I'm rapping them through platinum teeth." Rückblickend betrachtet manifestierte Jay-Z bereits auf seinem ersten Album "Reasonable Doubt" 1996 seinen heutigen Status als Rapmogul mit schier unzähligen Side-Businesses. Für eine Nummer eins in den Charts reichte es jedoch auch schon zwei Jahre nach seinem Debüt.
"19 Naughty III" heißt passenderweise das dritte Studioalbum von Naughty by Nature. Ein Titel, der kaum perfekter sein könnte, schließlich erschien das Album auch 1993. Auf diesem befindet sich einer der absoluten Rapklassiker schlechthin: "Hip Hop Hooray", der jüngst im Sommer 2023 in einer neuen Version wiederveröffentlicht wurde.
Eminem ist vermutlich der Rapper, den man sofort mit den 2000er Jahren in Verbindung bringt, in denen er unzählige Erfolge feiern konnte. Seine Rapkarriere startete allerdings bereits in den späten 90er Jahren. Schon damals bestanden eine Vielzahl seiner Tracks aus Battle- und Representer-Lines: "I'm ill enough to just straight up diss you for no reason. I'm colder than snow season when it's 20 below freezin'".
"21 & Over" war der Titel eines Albums der Crew The Alkaholiks aus dem Jahr 1993. Die Band aus Los Angeles, die etwas in Vergessenheit geraten sein dürfte, änderte zwischenzeitlich ihren Namen in Tha Liks und beschloss, ab 2006 auf Solopfaden zu wandeln. Ihre 1997er-Single "Hip Hop Drunkies" gemeinsam mit ODB blieb jedoch weiterhin unvergessen und landete unter anderem 2003 sogar auf einem Sampler des Wu Tang-Clans.
"Said he had beef, asked me if I had my piece. Sure do, two. 22s in my shoes", rappte The Notorious B.I.G. 1993 auf seiner Solodebüt-Single "Party and Bullshit". In seiner Karriere, die gerade einmal vier weitere Jahre andauern sollte, folgten noch unzählige Lines mit Schusswaffen-Referenzen. Seit seinem Tod 1997 besitzt der Rapper ähnlich wie 2Pac einen scheinbar unantastbaren Legendenstatus.
"I'm livin' life do-or-die, what can I say? I'm 23 now, but will I live to see 24?", rappte Coolio auf seinem Hit "Gangsta's Paradise" aus dem Jahr 1995. Auch wenn der Rapper mit der ikonischen Frisur weit über 24 Jahre alt wurde, verstarb er leider im vergangenen Jahr. Sein Wirken bleibt unvergessen – allein "Gangsta's Paradise" erreichte in fünf Ländern die Spitze der Charts.
Mit der Zeile "For every rhyme I write it's 25 to life" startete Havoc seinen Verse des Tracks "Shook Ones, Part I" von Mobb Deep. Der Nachfolger des Songs wurde 1995 zu einem der Raphits der 90er Jahre und verschaffte dem Duo einen legendären Status. Seit dem Tod von Prodigy 2017 ist die Gruppe leider nicht mehr aktiv. Havoc produziert jedoch weiterhin Musik und hält die Legacy des Duos am Leben, so etwa jüngst bei seinem Auftritt auf dem "Hip Hop 50 Live"-Konzert im Yankee Stadium.
Damit endet der erste Teil des Specials mit einem der besonders ikonischen Rapduos der 90er Jahre. In einer Woche geht es an dieser Stelle mit den Zahlen 26 bis 50 weiter. Bis dahin findet Ihr hier unsere Playlist mit allen Songs aus diesem Artikel.
(Alec Weber)
(Grafik von Daniel Fersch)