"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Müsste ich diesen einen ultimativen Rapsong wählen, der sich – so blöd es auch klingen mag – einfach mehr als alle anderen nach HipHop anfühlt, wäre es definitiv "Passin' Me By" von The Pharcyde. Bootie Brown, Fatlip, Slimkid3 und Imani schafften mit einem ihrer bekanntesten Tracks eine Hymne, die ihresgleichen sucht und unsere Kultur musikalisch für mich verkörpert.
"Passin' Me By" prägte den Erfolg der Crew aus Los Angeles maßgeblich und ist auf ihrem 1992 veröffentlichten Debüt "Bizarre Ride II the Pharcyde" zu finden. The Pharcyde wird zudem bis heute zu den Pionieren des Subgenres Alternative HipHop gezählt, was mich dazu führt, den Track auch unter genretypischen Gesichtspunkten zu betrachten – allem voran mit den Samples: Das Gitarrenriff am Anfang des Liedes stammt aus dem Stück "Are You Experienced?" von Jimi Hendrix. Es wird auch im Original als Einführung verwendet und verbindet sich hier schon Augenblicke später mit "Summer in the City" von Quincy Jones, das als Hauptsample und mit dem eingängigen Klavierpart und jazzigen Groove als musikalische Grundlage von "Passin' Me By" dient. Die Lyrics wiederum sind nicht unbedingt überwältigend, handeln von unerwiderten, romantischen Schwärmereien der Gruppe, aber wurden, wenngleich sehr simpel gereimt, flowtechnisch abwechslungsreich umgesetzt. Am Ende ist allerdings immer entscheidend, was der Song mit einem macht.
Das von mir zu Beginn beschriebene HipHop-Gefühl mag darin begründet liegen, dass die kalifornische Crew nicht nur ein Genre, sondern eine ganze Kultur verkörpert. Vielleicht ist es aber auch nur der entspannte Vibe des Beats von J-Swift, der aus den jazzigen Samples und der melodischen Hook hervorgeht. Was auch immer entscheidend sein mag: Es lohnt sich meiner Meinung nach auf jeden Fall, diesen Klassiker wiederzuentdecken oder ihm vielleicht sogar erstmalig eine Chance zu geben.
(Yasmina Rossmeisl)