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Kommentar

25 Jahre splash! – (k)ein Grund zum Feiern?

Zwi­schen Kul­tur und Kom­merz: War­um das splash! Fes­ti­val nach 25 Jah­ren nicht mehr für die glei­chen Wer­te ste­hen kann und wie es dazu gekom­men ist.

An die­ser Stel­le möch­ten wir Gedan­ken zu aktu­el­len Gescheh­nis­sen aus dem Deutschrap-​Kosmos zum Aus­druck brin­gen. Die jeweils dar­ge­stell­te Mei­nung ist die des:der Autor:in und ent­spricht nicht zwangs­läu­fig der der gesam­ten Redak­ti­on – den­noch möch­ten wir auch Ein­zel­stim­men Raum geben.

Im Fol­gen­den setzt sich unse­re Redak­teu­rin Sade mit dem Jubi­lä­um des splash! Fes­ti­vals aus­ein­an­der und stellt dabei die Fra­ge, ob Kom­merz wich­ti­ger als Kul­tur gewor­den ist.

 

Vor 25 Jah­ren fand das splash! Fes­ti­val zum ers­ten Mal in Chem­nitz statt. Was im Juli 1998 als klei­ne Indoor-​Jam anfing, ist heu­te eines der größ­ten HipHop-​Festivals Euro­pas – allein im letz­ten Jahr reis­ten knapp 50 000 Besucher:innen nach Grä­fen­hai­ni­chen, um in der Stadt aus Eisen zu fei­ern. Doch war­um gera­de zu die­sem Festival?

Vor dem splash! gab es kei­ne ver­gleich­ba­re Ver­an­stal­tung für Hip­Hop in Deutsch­land. Deut­sche Rapper:innen bewie­sen ihr Kön­nen auf Jams und wer inter­na­tio­na­le Acts hören woll­te, muss­te in ande­re Län­der rei­sen. Da kam das splash! ins Spiel: ein kom­mer­zi­el­les und regel­mä­ßig statt­fin­den­des Event, wel­ches sowohl natio­na­le als auch inter­na­tio­na­le Künstler:innen auf die Büh­ne holt. Als i-​Tüpfelchen gibt es heu­te noch den Grem­mi­ner See, der das Fes­ti­val­ge­län­de umrun­det. splash! bedeu­tet also, mit Gleich­ge­sinn­ten ein Wochen­en­de am See zu ver­brin­gen und neben­her noch die Lieblingsrapper:innen gemein­sam live zu erle­ben. Bis­her klingt das alles wie der wahr gewor­de­ne Traum eines jeden HipHop-​Fans. Aber wie steht es heu­te um die dort geleb­te Kul­tur und die Ver­ein­bar­keit mit dem wirt­schaft­li­chen Erfolg des Fes­ti­vals? Pas­sen Kom­merz und Kul­tur zusammen?

Warf man vor dem Jubi­lä­um einen Blick in die Kom­men­tar­spal­te des Instagram-​Accounts, wur­de schnell deut­lich, dass die Stim­mung ange­spannt war. Auch nach dem Fes­ti­val Anfang Juli hagel­te es Kri­tik gegen­über dem Ver­an­stal­ter. Kom­men­ta­re, in denen die Nutzer:innen in irgend­ei­ner Wei­se posi­tiv über das Fes­ti­val, die Orga­ni­sa­ti­on oder das Line-​Up spre­chen, fin­det man, wenn über­haupt, nur ver­ein­zelt. Laut den Fans hat das trif­ti­ge Grün­de: Unter ande­rem wur­de das Line-​Up viel zu spät kom­mu­ni­ziert, näm­lich erst zwei Wochen vor Fes­ti­val­be­ginn. Außer­dem sei es für das Jubi­lä­um nicht ange­mes­sen gewe­sen. Wäh­rend die einen ger­ne Künstler:innen sehen woll­ten, die ohne Play­back aus­kom­men, woll­ten die ande­ren mal wie­der Acts aus der "guten alten Zeit" wie 50 Cent, Emi­nem, Sido oder Savas hören. Auch Peter Fox als Secret Act war nicht das, was sich die Fans gewünscht hät­ten. Man war sich zwar in den meis­ten ande­ren Punk­ten nicht einig, kam hier aber auf einen Nen­ner. Ein User schrieb unter den Ver­kün­dungs­post: "Bru­der [sic] ich hab [sic] Fil­me gescho­ben von Dra­ke oder so. Kom­men die mir mit fick dein Mars Pro­jekt [sic]." Es wird deut­lich, dass es den meis­ten nicht um Peter Fox selbst geht, son­dern gene­rell um das Boo­king. Nun mag es über­zo­gen klin­gen, Dra­ke als Secret Act vor­zu­schla­gen, wenn auch schon Kendrick Lamar spielt. Bei­de zu buchen, hät­te sich das splash! finan­zi­ell kaum erlau­ben kön­nen. Aller­dings tre­ten seit den 2000ern sowohl Oldschool-​Größen wie Mis­sy Elliott, Snoop Dogg oder der Wu-​Tang Clan als auch die Held:innen der neu­en Gene­ra­ti­on wie etwa A$AP Rocky, Tra­vis Scott oder Gun­na auf. Auch fin­den sich im dies­jäh­ri­gen Line-​Up gro­ße inter­na­tio­na­le Acts wie Lil Uzi Vert oder Den­zel Cur­ry. Was stör­te also am dies­jäh­ri­gen Ange­bot? Laut Kom­men­tar­spal­te waren die Line-​Ups der letz­ten Jah­re in Bezug auf deut­sche Acts bes­ser auf­ge­stellt. Hier wird aller­dings meist außer Acht gelas­sen, dass das Boo­king im Ver­gleich zu den vor­he­ri­gen Jah­ren ver­mut­lich für Abwechs­lung sor­gen woll­te. Auf­fäl­lig ist außer­dem, dass der Anteil an FLINTA* gene­rell sehr gering aus­fällt. Das ist aller­dings kein Trend der letz­ten Jah­re, son­dern ein fes­ter Bestand­teil der bis­he­ri­gen Line-​Up-​Planung – 2022 fand man erst­mals mehr als fünf Frau­en im Festival-​Line-​Up. Zum Ver­gleich: Im Schnitt tre­ten jedes Jahr cir­ca 50 Künst­ler auf. Zudem genie­ßen nur weni­ge FLINTA* den Luxus, mehr­mals über die Jah­re hin­weg per­for­men zu dürfen.

Nicht nur beim Boo­king, auch in Bezug auf die Orga­ni­sa­ti­on des Fes­ti­vals kas­sier­te das dies­jäh­ri­ge splash! hef­ti­ge Kri­tik. Über­grif­fi­ge, mut­maß­lich rech­te oder unbe­hol­fe­ne Secu­ri­tys in Kom­bi­na­ti­on mit unzu­rei­chen­den Sani­tär­an­la­gen und Pro­ble­men mit den Cashless-​Armbändern sorg­ten für eine ange­spann­te Stim­mung. Die­se Bau­stel­len sind aller­dings kei­nes­wegs neu – als Besu­che­rin habe ich vor der Pan­de­mie bereits ähn­li­che Erfah­run­gen gemacht. Gera­de wenn man nicht in der Lage ist, das Dixi-​Klo zu benut­zen, steht man vor einem ekel­haf­ten Wochen­en­de. Auch die Sani-​Flat, die, wie der Name schon ver­mu­ten lässt, natür­lich extra kos­tet, bringt lei­der nichts, wenn die Toi­let­ten unbe­nutz­bar oder ver­schlos­sen sind. FLINTA* las­sen ihre Mens­trua­ti­on am bes­ten zu Hau­se. Dafür gibt es, zumin­dest für die Men­schen, die es sich leis­ten kön­nen, eine Lösung: Pre­mi­um Tickets oder gleich das Upgrade zum Glam­ping. Die­se beinhal­te­ten näm­lich die kos­ten­freie Nut­zung der sani­tä­ren Anla­gen, sowie einen sepa­ra­ten Check-​In und Zugang zum Fes­ti­val­ge­län­de und dazu noch einen kos­ten­frei­en Shut­tle. Pro­ble­ma­tisch ist nicht nur der Aspekt, dass hier ein­deu­tig sozi­al schwä­che­re Men­schen benach­tei­ligt wer­den, son­dern auch der dar­aus resul­tie­ren­de über­füll­te Zeltplatz.

Statt dar­auf zu war­ten, dass sich etwas an der Situa­ti­on ändert, suchen sich die Fans Alter­na­ti­ven. Das fällt umso leich­ter, wenn man bedenkt, dass es mitt­ler­wei­le genü­gend gibt und deut­scher Rap bezie­hungs­wei­se Hip­Hop gene­rell kei­ne Man­gel­wa­re mehr ist. Fes­ti­vals wie Heroes, Hype oder Wire­less ste­hen aktu­ell zur Aus­wahl, wenn man die mehr­tä­gi­ge Festival-​Erfahrung bevor­zugt. Dage­gen bie­ten das DOPAMIN, Hip­Hop Gar­den oder die alten Hasen, wie das Hip­Hop Open und die Tape­fa­brik, die Mög­lich­keit, die Lieblings-​Artists an einem Tag zu sehen. OG Kee­mo und Funk­va­ter Frank zei­gen mit dem Süd:Süd Fest im Rah­men des Zelt­fes­ti­val Rhein-​Neckar in Mann­heim eine wei­te­re Mög­lich­keit auf, die sich auf jeden Fall lohnt.

Deut­scher Rap ohne splash! ist kaum vor­stell­bar. Trotz­dem muss man zuge­ben, dass mitt­ler­wei­le nicht mehr die Kul­tur, son­dern der Kom­merz im Vor­der­grund steht. Das wird vor allem deut­lich, wenn man sich vor Augen führt, in wel­che Rich­tung sich das splash! ent­wi­ckelt hat. Schein­bar ergibt es mitt­ler­wei­le mehr Sinn, Influencer:innen dafür zu bezah­len, Wer­bung für das Festival-​Flair zu machen, statt Geld in das Pro­gramm an sich zu ste­cken. So ent­schied man sich dafür, mit dem Mode­la­bel Worst Beha­vi­or zu koope­rie­ren. Das Ergeb­nis die­ser Kol­la­bo­ra­ti­on sind Limi­t­ed Edi­ti­on Pie­ces wie etwa T-​Shirts und Hoo­dies, die man erwer­ben konn­te. Um das Gan­ze dann schmack­haf­ter zu machen, lud man eini­ge Influencer:innen ein, die dann von ihrer abge­grenz­ten Lounge aus Wer­bung dafür pro­du­zier­ten. Das erweckt zumin­dest bei mir den Ein­druck, dass der Kom­merz eine gro­ße Rol­le spielt. Es bleibt offen, ob die Nost­al­gie aus­reicht, damit das splash! auch sei­nen 50. Geburts­tag noch fei­ern kann. Wenn das Orga­ni­sa­ti­ons­team wei­ter­hin die Kri­tik igno­riert und nichts ändert, wird auch die splash!-Kultur – wel­che es von allen ande­ren Rap- oder HipHop-​Festivals abhebt – nicht mehr aus­rei­chen. Dass sich bis­her noch nichts getan hat, zeigt sich ja nicht nur an mei­nen per­sön­li­chen Erfah­run­gen, son­dern auch dar­an, dass Jahr für Jahr die glei­chen Kri­tik­punk­te ange­spro­chen wer­den. Ein Gemein­schafts­ge­fühl kann auch woan­ders ent­ste­hen, dafür braucht es heut­zu­ta­ge lei­der kein splash! Fes­ti­val mehr.

(Sade Kain­gu)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)