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Inspektah & Contrabeatz – Waterkant

Egal, ob Album, Gratis-​Mixtape oder Lieb­lings­song – in unse­rer "Plat­ten­kis­te" stel­len wir Euch regel­mä­ßig die Per­len unse­rer redak­ti­ons­in­ter­nen Samm­lun­gen vor. Die­ses Mal: Inspek­tah & Con­tra­beatz mit "Water­kant".

"Was?! Du kennst das nicht? Sekun­de, ich such' dir das mal raus." Und schon öff­net sich die Plat­ten­kis­te. Wer kennt die­sen Moment nicht? Man redet über Musik und auf ein­mal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzu­fan­gen weiß. Und plötz­lich hagelt es Lob­prei­sun­gen, Hass­ti­ra­den oder Anek­do­ten. Gera­de dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwär­men ver­fällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das The­ma wich­tig ist, bit­tet man nicht all­zu sel­ten um eine Kost­pro­be. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Per­son so sehr am Her­zen zu lie­gen scheint. In die­sem Fall – was uns so sehr am Her­zen liegt: Ein Aus­zug aus der Musik, mit der wir etwas ver­bin­den, die wir fei­ern, die uns berührt. Ein Griff in unse­re Plat­ten­kis­te eben.

 

Lokal­pa­trio­tis­mus ist prin­zi­pi­ell ein Kon­zept, das ich ableh­ne. Unter ande­rem, weil es unsin­nig ist, auf Zufäl­le stolz zu sein. Aber wenn mir ein ande­rer Ham­bur­ger Schiet­bü­del etwas aus Barm­bek Süd und über die Hal­te­stel­le War­ten­au erzählt und nicht über die übli­chen Sze­ne­vier­tel, habe ich dann doch das Bedürf­nis, mich mal ganz kurz nor­disch zu füh­len. Auf Water­kant lie­fer­ten Inspek­tah & Con­tra­beatz 2022 den per­fek­ten Sound für einen ent­spann­ten Som­mer­tag – ins­be­son­de­re dann, wenn man sich in der Han­se­stadt aufhält.

Wäh­rend der Rap­per mit ehr­li­chen Zei­len aus sei­nem All­tag über­zeugt, zau­bert Pro­du­cer Con­tra­beatz Instru­men­tals, die mich an Ham­burg erin­nern, dabei aber nie irgend­wel­che Kli­schees bedie­nen. Statt­des­sen bas­telt Con­tra immer wie­der klei­ne Sound­ele­men­te in die Beats, wie zum Bei­spiel direkt zu Beginn ein Nebel­horn und Möwen­schreie. Die Songs schaf­fen den schwe­ren Spa­gat, sowohl modern als auch soulig-​warm zu klin­gen. In die­ser Sound­welt kann sich Inspek­tah per­fekt aus­le­ben und über­zeugt dabei nicht nur tech­nisch – es wird laid back, aber auch mal mit Schma­ckes in die Fres­se gerappt –, son­dern auch text­lich. Denn das Representer-​Tape ist eben nicht, wie bei vie­len ande­ren Rap-Kolleg:innen, aus­schließ­lich mit Stumpf­sinn voll­ge­stopft. Der Rap­per stellt uns einen "Kiekut" auf sein Leben zur Ver­fü­gung und posi­tio­niert sich par­al­lel auch immer wie­der poli­tisch. "Das ist eklig, sich als Lösung zu ver­kau­fen, wenn man sel­ber das Pro­blem ist! Sie spre­chen sich selbst selig und ver­gif­ten dann dei­nen Kopf mit der­sel­ben dum­men Schei­ße wie bei Pop." Es ist fast etwas scha­de, dass der klei­ne "Kie­kin" von Inspek­tah in mei­nen Kopf­hö­rern bereits nach einer Vier­tel­stun­de vor­bei ist. So zäh­len zu den neun Anspiel­sta­tio­nen eben auch Intro, Out­ro und ein Skit. Trotz­dem lässt es sich der Rap­per nicht neh­men, ein paar Gäst:innen wie Han­na Noir oder Veedel Kaz­t­ro auf sei­nem Tape mit­wir­ken zu las­sen, die sich har­mo­nisch eingliedern.

Dank Künstler:innen wie Inspek­tah bli­cke ich dann doch manch­mal etwas stolz auf den Ham­bur­ger Rap-​Sound. Und um nichts ande­res als den Sound, unab­hän­gig davon, woher die­ser stammt, soll­te es ja schließ­lich bei Musik gehen.

(Alec Weber)