Eine kurze Geschichte wichtiger HipHop-Alben: #04 "Madvillainy"
Da Musik bekanntlich Geschmackssache ist, würde man auf die Frage nach prägenden HipHop-Alben wahrscheinlich sehr unterschiedliche und individuelle Antworten erhalten. Dennoch würden bestimmte Alben wohl häufiger genannt werden als andere. Manche Platten schaffen es schließlich, bei nahezu jedem einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Sie prägen ihr Genre nachhaltig und wirken sich direkt oder indirekt auf die Musik anderer Künstler aus. Was aber macht diese Alben so besonders? Sicher ist es vor allem wichtig, alte Muster zu durchbrechen und einen neuen Weg vorzugeben. Dabei ist es essenziell, den ganz eigenen Sound zu finden. Eine standardisierte Antwort gibt es hierfür aber wohl nicht. Einfluss gilt es, stets individuell zu betrachten – und ein Blick in die Geschichte des einflussreichen Raps lohnt sich. Dieses Mal mit dem einzigen Album von Madvillain: "Madvillainy".
In der HipHop-Historie begegnen einem immer wieder Alben, die zwar aus heutigem Blickwinkel maßgeblich für die Entwicklung von Rap sind, jedoch zum Zeitpunkt des Releases nicht wirklich kommerziell erfolgreich waren. Eines dieser Alben ist "Madvillainy" von Madvillain – dem Zusammenschluss des bereits verstorbenen Reimvirtuosen MF DOOM und des Ausnahme-Producers Madlib. Für viele gilt die Platte als wegweisend, sowohl was die Produktion als auch die Lyrics betrifft. Manche gehen sogar so weit und würden die Platte als Magnum Opus beider Artists bezeichnen. Doch was lässt "Madvillainy" aus den Discografien beider Künstler herausstechen? Und womit hat sie den Kultstatus verdient, der ihr innewohnt?
Vor dem Album
Madlib, geboren am 24. Oktober 1973, wächst in einer Musikerfamilie in Oxnard im US-Bundesstaat Kalifornien auf und wird so von klein auf an Musik herangeführt. Seinen ersten Auftritt hat er auf "Throw 'Em Up" von Hood 2 No Good im Jahr 1992. Seine ersten Veröffentlichungen erfolgen dann im Jahr 1995 als MC und Produzent bei der Crew Lootpack. Sein erstes Soloalbum "The Unseen" erscheint erst im Jahr 2000, allerdings unter dem Alias des Rappers Quasimoto. Wenn Madlib diese Rolle einnimmt, pitcht er seine Stimme hoch und bewegt sich thematisch zwischen Cannabis, Alkohol und anderen sinneserweiternden Substanzen. Ähnlich wie beim deutschen Rapper Marteria und seinem Alter Ego Marsimoto, das eine Hommage an Quasimoto darstellt. Zeitgleich zu seiner HipHop-Karriere macht sich Madlib auch als Jazzmusiker einen Namen und releast mit dem Yesterdays New Quintet – welches nur aus ihm selbst besteht – eine Reihe an Projekten. So schafft sich der Künstler im Laufe der Zeit verschiedene Alter Egos, die er, je nach eingeschlagener Stilrichtung, nach Belieben anlegen kann. Als echter Musik-Connaisseur hat er die Untergrund-Szene um die Jahrtausendwende herum genauestens im Blick. So wird er in einem Interview mit der LA Times im Jahr 2001 gefragt, mit welchen Künstlern er gerne zusammenarbeiten würde. Seine Antwort lautet: J Dilla und MF DOOM.
MF DOOM alias Daniel Dumile wurde am 13. Juli 1971 in London geboren, zieht aber früh in seiner Jugend in die Vereinigten Staaten. Seit Ende der 80er Jahre veröffentlicht er – damals noch unter dem Namen Zev Love X – gemeinsam mit seinem Bruder DJ Subroc Musik als Kern der Crew KMD, was "Kausing Much Damage" bedeutet. Als DJ Subroc im Jahr 1993 bei einem tragischen Autounfall stirbt und KMD von ihrem Label fallen gelassen werden, verschwindet Dumile vorerst von der Bildfläche. Er verfällt in tiefe Depressionen, entwickelt ein Alkoholproblem und wird sogar über einen kurzen Zeitraum hinweg obdachlos. Erst vier Jahre später taucht er bei diversen Freestyle-Events wieder auf. Allerdings mit einer eisernen Maske vor dem Gesicht, die stark an die des "Fantastic Four"-Antagonisten Doctor Doom erinnert. Im Jahr 1999 erscheint dann "Operation Doomsday", mit dem Dumile erstmals auf Albumlänge als MF DOOM auftritt und in der Untergrund-HipHop-Szene einiges an Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann. Von da an umgibt er sich mit dem Image des mysteriösen Superschurken, der der Musikindustrie die Stirn bietet. Außerdem schafft er sich einige Alter Egos wie Viktor Vaughn, der eine jüngere Version von MF DOOM als Supervillain verkörpert, oder die Godzilla-Hommage King Geedorah – einen dreiköpfigen, goldenen Drachen aus dem Weltall, der Telepathie beherrscht und die Welt erobern will.
Im Jahr 2001 ist Madlib bei dem recht jungen Label Stones Throw Records gesignt. Eothen "Egon" Alapatt, Mitbegründer des Labels, ist zum Release des besagten LA Times-Interviews fest entschlossen, Madlib dazu zu bewegen, wieder für einen Rapper zu produzieren, da er sich damals fast gänzlich auf seine Jazz- und Instrumentalprojekte konzentriert. So kontaktiert Egon kurzerhand DOOM und lässt ihm über einen gemeinsamen Bekannten einige von Madlibs Produktionen zukommen. Zu diesem Zeitpunkt sind das Label und Madlib für DOOM noch gänzlich unbekannt. Dennoch ist er von Madlibs Arbeit von Beginn an so begeistert, dass er in eine Zusammenarbeit einwilligt. Daraufhin beginnt sein Management, die Konditionen für die Kollaboration auszuhandeln. Ihre Forderung beläuft sich auf 1.500 Dollar und die Übernahme der Reisekosten von Atlanta zum Stones Throw-Headquarter in Glendale, Kalifornien. Das Label sagt sofort zu – auch wenn klar ist, dass es schon schwierig werden wird, genügend Geld für die Flugtickets aufzutreiben. Als DOOM dann mit seiner Managerin in Glendale eintrifft, beginnt diese sofort auf Egon einzureden und die abgemachten 1.500 Dollar einzufordern. Egon beschreibt die Situation folgendermaßen: "The first thing his manager did was get me in my bedroom, which was also the office, and corner me about the 1,500 bucks. I realized that if she was in here, then Doom was with Madlib, and the longer I kept up this charade with her, the longer they'll vibe and maybe it all might work out." Und sein Plan geht auf: DOOM und Madlib beginnen sofort, miteinander zu viben und zu arbeiten. So kann DOOMs Management gar nicht anders, als in die Kollaboration einzuwilligen. Ein paar Wochen später hat Stones Throw Records genügend Geld gesammelt, um DOOM zu bezahlen, und es wird ein Vertrag geschlossen – angeblich geschrieben auf einem Pappteller. "Madlib said he'd like to work with DOOM […] and next thing you knew DOOM was out too, 'Doing bong hits on the roof out in the West Coast,' like he says in the first track he wrote for the album", kommentiert Jeff Jank, Creative Director des Labels, die Situation. DOOM und Madlib teilen viele Gemeinsamkeiten, wie ihre Comic-Alter Egos, die Liebe zu obskuren Samples und ihr Augenmerk auf die eigene Privatsphäre. Sie sind Exzentriker, die gerne in verschiedene Rollen schlüpfen, und mehr oder weniger Eremiten, die weit abgeschieden vom Rest der damaligen HipHop-Szene leben.
Wie Madvillainy (fast nicht) entsteht
Im Jahr 2002 beginnen dann offiziell die Arbeiten an "Madvillainy". Zu diesem Zweck zieht DOOM ins Stones Throw-Headquarter in Glendale – obwohl das Label ihm ein Hotel bucht. Die Zentrale des Labels ist neben seiner Funktion als Büro und Studio auch das Zuhause von Madlib und dem Inner Circle von Stones Throw Records. So arbeiten die beiden, jeder für sich, an ihrem gemeinsamen Projekt. Madlib gibt DOOM eine ganze Reihe an Beats, auf denen beispielsweise bereits Vocal-Cuts eingefügt wurden. DOOM ändert nichts an den Instrumentals und setzt seine eigenen Songideen auf den gepickten Beats um. Jeff Jank war beim Produktionsprozess hautnah dabei und erklärt diesen so: "We'd hit a liquor store around 10 am. DOOM would write on the back porch, Madlib doing his thing downstairs […]. DOOM understood Madlib right off the bat. He understood where he was coming from with the music, how it connected with the records they listened to from the '60s-'90s, and Madlib's inclination to work on his own in privacy. DOOM was all for it." In ihrer Freizeit verbringen die beiden allerdings viel Zeit miteinander, essen Thai-Food, rauchen Cannabis und nehmen psychedelische Pilze ein. So stammen beispielsweise die Songs "Figaro" und "Meatgrinder" aus ebendieser Zeit, welche in Lyrics und Sound den Einfluss sinneserweiternder Substanzen vermuten lassen.
Im November 2002 fliegt Madlib schließlich nach Brasilien, um dort an einer Veranstaltung der Red Bull Music Academy teilzunehmen. Dort präsentiert er erstmals Material vom bis dahin unfertigen Album. Während der Zeit in Brasilien sucht er unermüdlich nach neuen Samples und verlässt sein Hotelzimmer quasi nur, um neue Platten einzukaufen. So erzählt Madlib: "We went to every little store we could find, […] I was keeping Brazilian time, sitting in my room smoking some terrible weed and sampling shit, while everyone else was out partying and getting drunk." Während dieser Reise entstehen so angeblich hunderte Beats, von denen es später auch einige auf die finale Version von "Madvillainy" schaffen werden, so beispielsweise "Strange Ways", "Raid" und "Rhinestone Cowboy".
Vorher droht das Projekt jedoch zu scheitern. In Brasilien wird Madlib das "Madvillainy"-Demo entwendet. Kurze Zeit später wird das Album dann im Internet geleakt. Da in dieser Zeit, in der es noch keine Streamingdienste und Ähnliches gibt, ein Albumleak quasi ein verkaufszahlentechnisches Todesurteil darstellt, wird die Arbeit zu "Madvillainy" erst einmal auf Eis gelegt – 14 Monate vor dem geplanten Release. "Those were the early days of internet leaks, and we thought it would completely ruin sales […] so they were like, 'Fuck it, I'm done.' Madlib started on other stuff, and DOOM, well, you never know what he's doing", erzählt Jeff Jank.
Erst etwa ein Jahr später beginnen die beiden wieder miteinander zu arbeiten. In der Zwischenzeit kann Madlib mit "Jaylib" sein langersehntes Kollaboalbum mit Beat-Legende J Dilla releasen. Währenddessen baut MF DOOM seine Alter Egos King Geedorah und Viktor Vaughn mit den Alben "Take me to your Leader" und "Vaudeville Villain" weiter aus. Als DOOM und Madlib wieder aufeinandertreffen, beschließen sie, das Album nicht nur zu vollenden, sondern es gänzlich neu aufzunehmen. Dies hat zum einen den Effekt, dass DOOM seine Lyrics überarbeiten und sogar eine Referenz auf den Leak im Song "Rhinestone Cowboy" unterbringen kann: "It speaks well of the hyper bass. Wasn't even tweaked and it leaked into cyberspace. Couldn't wait for the snipes to place, at least a track list in bold print typeface. Stopped for a year. Come back with thumb tacks." Zum anderen ändert er auch seine gesamte Delivery. Statt druckvoll und gar wütend zu klingen, wie es auf dem Demo der Fall ist, klingt MF DOOM hier ruhig und fast monoton. Eine sehr viel passendere Begleitung für die basslastigen und frickeligen Beats von Madlib.
Was macht "Madvillainy" besonders?
"Madvillainy" folgt inhaltlich keinem wirklichen roten Faden. Vielmehr kristallisiert sich MF DOOMs Charakter über die Platte hinweg aus verschiedenen Fetzen seiner Persönlichkeit heraus. Jedoch gibt es ein offensichtliches Motiv, das sich über die gesamten 46 Minuten Spielzeit zieht: Bösewichte, ganz im Sinne des Albumtitels. Der Opener der Platte "The Illest Villains" leitet dieses Bild ein. Er beinhaltet Soundsamples aus der Dokumentation "A Documentary History of the Cult Villains" sowie Filmen wie "The Ghost of Frankenstein" und "I was a Teenage Werewolf". Sehr passend ist hier von einem "pair of really nice boys who just happened to be on the wrong side of the law" die Rede. Beide hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt bereits comichafte Alter Egos aufgebaut, wie Quasimoto von Madlib – der an eine Figur aus dem Animationsfilm "La Planète Sauvage" angelehnt ist – und Viktor Vaughn von MF DOOM. So werden hier Madlib und vor allem MF DOOM in der Rolle der ultimativen Bösewichte vorgestellt. Die erwähnten Alter Egos der beiden haben glänzende Auftritte auf dem Album. Unter anderem auf "Americas Most Blunted", auf dem sich Quasimoto mit seinem Original streitet, oder "Fancy Clown", in dem MF DOOM als jüngeres Ich von Viktor Vaughn auftritt.
"Fancy Clown" ist zudem einer der interessantesten Songs auf dem Album. Thematisch behandelt dieser das schmerzhafte Ende einer Beziehung von Viktor und den damit verbundenen Kontaktabbruch mit der Angebeteten. Im Song befindet sich die Angebetete allerdings bereits in einer neuen Beziehung – mit MF DOOM. Dies zeigt, wie lyrisch versiert DOOM ist. So können seine Texte teilweise wirr wirken, aber vielleicht gerade deshalb durchaus Raum zur Interpretation lassen. So rappt er auf "All Caps": "So nasty that it's probably somewhat of a travesty having me. Daily told the people: 'You can call me Your Majesty!'" Erst einmal mögen diese Zeilen widersprüchlich wirken. Versetzt man sich allerdings in das Universum von MF DOOM, in dem er ein genialer Superschurke ist, bemerkt man, dass "Daily" – angelehnt an die "Daily News" – eine fiktive Nachrichtenagentur ist, die auf dem Album "Take me to your Leader" die Eroberung der Welt durch King Geedorah verkündet.
Allerdings bieten MF DOOMs Texte nicht nur Querverweise auf Comics und seine Alter Egos. Teilweise baut DOOM literarische Referenzen in seine Texte ein, beispielsweise auf "Meatgrinder", auf dem er mit der Line "The old man preaches about the gold sand beaches" sogar auf den Klassiker "Der Alte Mann und das Meer" von Ernest Hemingway anspielt. Inhaltlich ist das Album, wie schon der Opener verspricht, eine "seminal connection that audiences can relate their experience in life with the villains and their dastardly doings".
Neben DOOMs lyrischen Qualitäten wird "Madvillainy" nicht zuletzt durch die Produktion zu dem besonderen Album, das es nun mal ist. Während Anfang der 2000er Jahre im Mainstream größtenteils Soul-Samples und hochgepitchte Vocals verwendet werden, findet Madlib seine Samples in eher obskuren Quellen und nutzt auch unkonventionelle Stücke für seine Songs. So erzählt er von seiner Brasilienreise: "I was pulling out whatever, crazy-ass records, and n****s was like, 'There ain't gonna be nothing on that record.' I made a whole beat tape, they was tripping." Alle Samples werden von einem portablen Plattenspieler in einen BOSS SP-303 Sampler recordet. Im Sampler werden die Tonspuren verarbeitet, mit Drums versehen und von dort direkt in ein Tapedeck übertragen. Somit kann Madlib während des Prozesses nicht einmal verschiedene Arrangements speichern, sondern muss alle Beats live einspielen. Aus diesem Grund gibt es einige musikalische Elemente auf der Platte, die teilweise fast deplatziert wirken. So beispielsweise Temposwitches innerhalb einzelner Songs, die sonst eher unüblich sind, weil diese es extrem erschweren, über die Beats zu rappen. Ganz besonders deutlich wird dies auf "Strange Ways". Nichtsdestotrotz meistert DOOM diese Herausforderung glänzend. Madlib sagt dazu: "I don't see how he flipped that. I never had an MC do that with my beats." Neben den Beats an sich wird auch der Sound der Platte durch diese Producing-Technik maßgeblich beeinflusst. Zum einen bietet das verwendete Equipment, der BOSS SP-303 Sampler – welcher auch bei dem legendären "Donuts"-Album von J Dilla zum Einsatz gekommen ist –, einen ganz eigenen Klang. Zum anderen sind die Möglichkeiten zum Mixing und Mastering bei einem 2-Spur-Song wesentlich beschränkter als bei einem Multi-Track-Song, der in einem professionellen Studio aufgenommen wird. Somit klingt "Madvillainy" von Grund auf roher und weniger glattgebügelt. Ein weiterer Nebeneffekt dieses Workflows ist, dass es extrem erschwert wird, die Songs zu remixen. Dadurch, dass lediglich zwei einzelne Spuren vorhanden sind, ist es sehr aufwendig, später einzelne Elemente zu extrahieren und zu bearbeiten. Madlib kommentiert dies mit: "I don't want no one fucking my shit up, making, I don't know, a house version of 'Curls' … You know? I seen what happens. I want to have my stuff out there as it's supposed to be." Dies unterstreicht nur einmal mehr, dass hier zwei absolute Puristen am Werk sind.
Madlib wird als Produzent auf "Madvillainy" mehr musikalisches Spotlight zu Teil als den meisten Beatbastlern auf Rapper:innen-Produzent:innen-Kollaborationen. So sind "Sickshift", "Do Not Fire!" und "Supervillain Theme" reine instrumentale Tracks und lockern das Album etwas auf. Passend zu seinem unorthodoxen Produktionsstil bricht Madlib ebenfalls mit traditionellen Songstrukturen. So erreicht fast keiner der Songs die Drei-Minuten-Marke, was heute zwar normal ist, damals aber noch als Stilbruch gilt. Auch hat keiner der 22 Songs eine Hook, die wesentlich für den Hit-Faktor eines Songs ist. Doch das spielt auf "Madvillainy" keine Rolle, denn hier begegnen sich zwei Mainstream-Widersacher auf Augenhöhe.
Was hinterlassen Madvillain?
"Madvillainy" ist eines der gefeiertsten HipHop-Alben aller Zeiten und wird gleich nach Release ein Kritiker-Liebling – auch wenn großer kommerzieller Erfolg ausbleibt. Das Album erreicht gerade einmal Platz 179 in den Billboardcharts. Nichtsdestotrotz bezeichnen Rapper:innen wie Earl Sweatshirt das Album als ebenso prägend für seine Generation wie "Enter the Wu-Tang (36 Chambers)" für Rapper:innen der 90er Jahre. Mit ihren eigensinnigen Produktionen und Texten haben die beiden den Weg für viele Rapper:innen der heutigen Zeit geebnet. So sagt beispielsweise US-Rapper Danny Brown über das Album: "I never knew you could make an entire album without hooks and have it sound that good. That album showed me that music has no rules." Darüber hinaus hat MF DOOM mit seinen fantasievollen Lyrics immer wieder das Dogma des harten Rappers aufgebrochen. Trotz der recht überschaubaren Verkaufszahlen äußern sich viele, teils sehr große Magazine zu "Madvillainy" – meist sehr positiv. So findet das Album beispielsweise Erwähnung im Washington City Paper, The New Yorker, dem Rolling Stone Magazine und unzähligen Top-Alben-Artikeln verschiedenster Zeitschriften.
Im Jahr 2008 erscheint dann "Madvillainy 2", bei dem es sich allerdings nur um ein Remix-Album handelt. Dass "Madvillainy" sehr gut gealtert ist, lässt sich alleine am Vinyl-Re-Release anlässlich des zehnten Geburtstags der Platte im Jahr 2014 festmachen. Denn in der Release-Woche steigt das Album auf Platz 117 der Billboardcharts ein – höher als zum Originalrelease. Auch ein Blick auf die Streaming-Zahlen zeigt ein reges Interesse an den beiden. So fesseln Madvillain noch heute Millionen von Menschen und erreichen Zahlen, bei denen so manche Rapper:innen mit aktuellen Releases neidisch werden könnten. Noch im Jahr 2020 hieß es aus dem Umfeld von MF DOOM gerüchteweise, ein echter "Madvillainy"-Nachfolger wäre zu 85 Prozent fertig. Leider wird er nie vollendet werden, da DOOM im Oktober 2020 verstirbt. Mit Dumiles Tod wird der HipHop-Kultur ihr vielleicht größter Antiheld genommen.
Die Kollaboration von MF DOOM und Madlib kann mit den Amalgam-Comics verglichen werden – das Zusammentreffen der beiden größten Comic-Universen der Welt: Marvel und DC. Beide leben in ihren eigenen Dimensionen und Timelines, harmonieren aber perfekt, wenn sie miteinander verschmelzen.
(Nico Maturo)
(Grafik von Daniel Fersch)