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DIGGEN mit ...

DIGGEN mit Dead Rabbit

"Die Musik, die man in der Jugend gehört hat, bleibt auf eine Art. Der Mensch trägt sie für alle Ewig­keit in sei­nem Her­zen. Nie­mand kann zum zwei­ten Mal 16 sein." – Die­ses Mal kram­te Dead Rab­bit für "DIGGEN mit …" in sei­ner gedank­li­chen Plat­ten­kis­te und stell­te eine nost­al­gi­sche Play­list zusammen.

Das ers­te Kon­zert, das man ohne Eltern besu­chen durf­te. Nachts allei­ne auf der Auto­bahn und den glei­chen Song immer und immer wie­der hören, weil man nicht fas­sen kann, wie gut er ist. Der Track, den man mit den Freun­den von frü­her laut grö­lend auf jeder Par­ty mit­ge­sun­gen hat. Ver­mut­lich kennt jeder Mensch die­sen Moment: Es läuft ein bestimm­tes Lied oder Album, das einen direkt emo­tio­nal in eine Situa­ti­on zurück­ver­set­zen kann, nost­al­gisch wer­den lässt oder ein­fach nur auf­grund sei­ner Mach­art immer wie­der zum Stau­nen bringt. Und genau dar­um geht es in unse­rem For­mat "DIGGEN mit …". Wir dig­gen mit ver­schie­de­nen Protagonist:innen der Sze­ne in ihren gedank­li­chen Plat­ten­kis­ten und spre­chen über Musik, die die­se Emo­tio­nen in ihnen aus­löst. Dafür stel­len unse­re Gäs­te jeweils eine eige­ne Play­list mit Songs zusam­men, die sie bewe­gen, begeis­tern und inspirieren.

In die­ser Aus­ga­be nahm uns der Pro­du­cer und DJ Dead Rab­bit auf eine Zeit­rei­se in sei­ne Ver­gan­gen­heit mit. Dafür stell­te er eine sehr per­sön­li­che Play­list zusam­men, die uns Ein­bli­cke in sei­ne Jugend in Ros­tock gibt und zeigt, wie er zu dem Musi­ker wur­de, der er heu­te ist. Neben Dis­ko­the­ken, Plat­ten­lä­den und Fern­seh­sen­dern wie VIVA hat­ten auch sei­ne Freun­de Mar­te­ria und Nobo­dys Face Ein­fluss auf das, was er gehört hat. Sei­ne Wahl für die Play­list fiel ver­mehrt auf Musik aus den 90ern und frü­hen 2000ern – eine Zeit, in der sich Rap in Deutsch­land stark wei­ter­ent­wi­ckelt hat. Auch Dead Rab­bit beein­fluss­te in die­ser Pha­se die Rap­welt in Deutsch­land, da er den Marsimoto-​Sound für Mar­te­ri­as Alter Ego pro­du­zier­te, dem der US-​Künstler Mad­lib mit sei­nem Pseud­onym Qua­si­mo­to als Vor­bild dien­te. Wel­che Künst­ler ihn neben Mad­lib am meis­ten inspi­riert haben und mit wem er in Zukunft ger­ne zusam­men­ar­bei­ten wür­de, erzähl­te er uns im Gespräch.

 

 

1. Die Prin­zen – Kein Lie­bes­lied (prod. by Annet­te Humpe)

Dead Rab­bit: Genau wie die Prin­zen kom­me ich auch aus den neu­en Bun­des­län­dern und bin seit mei­ner Kind­heit gro­ßer Fan von ihnen. Für mich sind sie die deut­schen Boyz II Men, vor allem wegen der Chor­ge­sän­ge. "Kein Lie­bes­lied" ist ein etwas unbe­kann­te­rer Song ihres Albums "Alles nur geklaut", das ich mir damals sofort auf CD geholt habe. Ich bin rela­tiv schnell dar­auf hän­gen­ge­blie­ben, weil er so melan­cho­lisch ist und schö­ne Har­mo­nien hat. Er ist eine Abwand­lung von klas­si­schen Lie­bes­lie­dern, aber total schön gemacht. Ich habe vie­le Inter­views von den Prin­zen gese­hen, in denen die Pro­du­zen­tin Annet­te Hum­pe sag­te, dass es coo­ler wäre, wenn man Drum-​Loops zu dem Gesang hin­zu­fügt, um es pop­pi­ger zu machen. Das brach­te ihnen den Durch­bruch. Davor haben sie viel A cap­pel­la gesun­gen und ihre Musik war eher nischig. Einer der Prin­zen war im Dresd­ner Kreuz­chor, genau wie mein Vater als Kind. Das ist etwas Per­sön­li­ches, das ich mit der Musik ver­bin­de. Ich habe auch den Traum, irgend­wann mal mit den Prin­zen zusam­men­ar­bei­ten zu können.

 

2. Hie­ro­gly­phics – You Never Knew (prod. by A-Plus)

Dead Rab­bit: Das war eins der ers­ten ame­ri­ka­ni­schen HipHop-​Lieder, die ich in mei­ner Jugend in Ros­tock abge­fei­ert habe. Ich lie­be die­ses hoch­g­e­pitch­te Sam­ple und den Beat. Das Vocal-​Sample gefällt mir beson­ders gut. Die­se Musik war eine kom­plett neue Welt für mich, nach­dem ich vor­her eher Chor- und Pop­mu­sik kann­te. Die Ami-​Sachen habe ich haupt­säch­lich durch DJs ken­nen­ge­lernt, die sie in den Clubs auf­ge­legt haben. Bis ich mir selbst inter­na­tio­na­le Alben gekauft habe, hat es noch ein biss­chen gedau­ert. Damals war ich noch etwas mehr an deut­schem Rap interessiert.

 

3. Diz­zee Ras­cal – Cut 'Em Off (prod. by Diz­zee Rascal)

Dead Rab­bit: Diz­zee ist einer der bes­ten UK-​Rapper. Auf sei­nem ers­ten Album "Boy in da Cor­ner" war der Song "Cut 'Em Off", da war er noch sehr jung. Das Album hat einen Hype aus­ge­löst, weil es fresh und eine Mischung aus Hip­Hop und Grime war. Ich lie­be vor allem die­sen Song, weil er abge­fah­re­ne elek­tro­ni­sche Sounds beinhal­tet und einen ganz eige­nen Vibe hat. Eini­ge Tracks kön­nen anstren­gend sein, wenn man sie auf vol­ler Laut­stär­ke hört, aber ins­ge­samt ist das Album von Anfang bis Ende ein­fach groß­ar­tig. Ich mag die­se düs­te­ren Beats und die­sen Lon­do­ner Slang. Das holt mich bis heu­te kom­plett ab.

 

4. Kazi – A.V.E.R.A.G.E. (prod. by Madlib)

Dead Rab­bit: "Down For The Kaz 12" von Kazi war eines der ers­ten ame­ri­ka­ni­schen Wer­ke, das Nobo­dys Face auf Vinyl besaß. Das war zu der Zeit, als Mar­ten (Anm. d. Red.: Mar­te­ria) gefree­stylt hat. Es war einer unse­rer ers­ten Berüh­rungs­punk­te zu Mad­lib, der uns nicht unwe­sent­lich in Rich­tung Mar­si­mo­to inspi­riert hat. Daher durf­te er in die­ser Lis­te nicht feh­len. Der Madlib-​Sound hat mich ins­ge­samt geprägt, weil er so schön rum­pe­lig und unper­fekt ist. Das kommt aus dem Bauch her­aus. Außer­dem hat "A.V.E.R.A.G.E." die­se schö­nen Streicher-​Samples, die mich total begeis­tert haben, weil ich sel­ber mal Gei­ge gespielt habe.

 

5. Freun­des­kreis feat. Wasi – Wenn der Vor­hang fällt (prod. by Freundeskreis)

Dead Rab­bit: Mir fällt gera­de auf, dass ich vie­le Songs aus den ers­ten Alben der Künst­ler gewählt habe. So auch hier wie­der: "Qua­dra­tur des Krei­ses" war das ers­te Album von Freun­des­kreis und eines der ers­ten HipHop-​Alben, die ich mir auf CD gekauft und sehr abge­fei­ert habe. Da war ich um die 16. Es gab damals noch kein Merch zu kau­fen, des­halb hab' ich mir ein Bild im Inter­net­ca­fé aus­ge­druckt, um mir selbst ein T-​Shirt zu machen. Der Song "Wenn der Vor­hang fällt" war einer der bes­ten Beats auf dem Album und dann war da auch noch Wasi von den Mas­si­ven Tönen als Fea­ture drauf. Des­we­gen ist das für mich so ein Alltime-​Klassiker. Freun­des­kreis war für mich der Ein­stieg in deut­schen Rap, nach­dem ich bei VIVA einen Live-​Auftritt von ihnen gese­hen habe. Da fand ich sie so cool, dass ich dann die glei­chen Bag­gy­pants wie Max tra­gen woll­te. Ich habe natür­lich auch ande­re Klas­si­ker wie "Bam­bu­le" von den Abso­lu­ten Beg­in­nern, "Unter Tage" von RAG und "Fens­ter zum Hof" von den Stie­ber Twins gefei­ert. Das war schon eine gei­le Zeit. Bei Freun­des­kreis kann man noch lobend erwäh­nen, dass sie immer sehr gute Tex­te hat­ten, bei­spiels­wei­se über geschicht­li­che Zusam­men­hän­ge wie bei "Leg dein Ohr auf die Schie­ne der Geschich­te". Mir fällt kein Song von ihnen ein, des­sen The­ma nicht inter­es­sant war. Auf dem Album ist auch eine Cover-​Version von dem Udo Lindenberg-​Song "Baby, wenn ich down bin". Ich muss geste­hen, dass ich bis vor einem Jahr nicht wuss­te, dass das eine Cover-​Version ist. Mir gefällt auch, dass man bei Max merkt, dass er selbst Fan ist und eine eige­ne Lega­cy mit­bringt, die er weiterverarbeitet.

MZEE​.com: Die meis­ten Songs in der Lis­te kom­men aus den 90ern und frü­hen 2000ern. Hat die­se Zeit eine beson­de­re Bedeu­tung für dich?

Dead Rab­bit: Ich den­ke, ich spre­che für die All­ge­mein­heit, wenn ich sage: Die Musik, die man in der Jugend gehört hat, bleibt auf eine Art. Der Mensch trägt sie für alle Ewig­keit in sei­nem Her­zen. Nie­mand kann zum zwei­ten Mal 16 sein. Man kann nur hof­fen, dass man damals ein paar coo­le Songs gehört hat. Ich freue mich total, dass ich in der Zeit, in der es mit Rap in Deutsch­land los­ging, Jugend­li­cher war. Ich wür­de ungern jetzt 18 sein, weil ich dann die letz­ten zwei Jah­re wegen Coro­na kei­ne Dis­ko hät­te besu­chen kön­nen und dem­entspre­chend auch kei­ne Ahnung hät­te, was gera­de ange­sagt ist. Es ist schon alles gut so, wie es war.

 

6. Aali­yah feat. Tim­ba­land – We Need A Reso­lu­ti­on (prod. by Timbaland)

Dead Rab­bit: Tim­ba­land ist einer der größ­ten Ein­flüs­se für mich. Es war gar nicht so ein­fach, einen Song aus­zu­wäh­len, weil er so vie­le gei­le Sachen gemacht hat. Ich habe mich dann für den Song mit Aali­yah ent­schie­den, auf dem er auch einen Part hat. Erst mal ist es sehr scha­de, dass Aali­yah nicht mehr lebt, denn sie war eine abso­lut kras­se R 'n' B-​Sängerin. Gera­de die Kom­bi der bei­den hat mich total geflasht. Tim­ba­land benutzt oft ori­en­ta­li­sche, ara­bi­sche Samples – auch spä­ter mit Jus­tin Tim­ber­la­ke und Nel­ly Fur­ta­do. Das hat mich geprägt, weil ich mich sel­ber ger­ne an sol­chen Samples bedie­ne. Tim­ba­land ist so krass, weil er es schafft, sei­ne Beats immer per­fekt an die Artists anzu­pas­sen. Trotz­dem kann man die eige­ne Hand­schrift immer deut­lich raus­hö­ren. Er hat dies unter ande­rem durch den Ein­satz klei­ner Vocal-​Schnipsel in den Songs erreicht, oft mit einem Telefon-​Effekt auf der Stim­me. Man konn­te dar­an sofort erken­nen, dass es eine Timbaland-​Produktion ist, wenn man es nicht bereits an den Drums her­aus­ge­hört hat. Ich fin­de es gut, dass der Pro­du­zent heu­te mehr im Fokus steht. Dies ist sicher­lich auch ein Ver­dienst von Tim­ba­land und Dr. Dre. Ich fin­de es wich­tig und rich­tig, dass der Pro­du­cer oft auch als Haupt­in­ter­pret bei Spo­ti­fy ange­ge­ben wird. Das soll­te eigent­lich die Regel sein.

 

7. Gyp­ti­an – Hold You (prod. by Jon Fx & Ricky Blaze)

Dead Rab­bit: "Hold You" erin­nert mich an die Zeit, in der ich fast jedes Wochen­en­de auf­ge­legt habe. Seit Coro­na ist das weni­ger gewor­den. Der Song war eigent­lich fes­ter Bestand­teil in jedem Set der letz­ten Jah­re, denn er ist zeit­los. Reg­gae und Dance­hall sind für mich zu sehr wich­ti­gen Ein­flüs­sen gewor­den. Mir gefällt die unge­zwun­ge­ne Her­an­ge­hens­wei­se der Jamai­ka­ner beim Musik­ma­chen. Es geht dabei nicht um Per­fek­ti­on. Oft sind es nur ein oder zwei Töne, auf denen sie was sin­gen, und trotz­dem geil ist es und ver­sprüht so eine Ener­gie. Das ist fas­zi­nie­rend. Es ist ein­fach so ein gutes Lied mit schö­nen Klavier-​Akkorden. Wenn das los­geht, hat jeder sofort gute Laune.

 

8. The Streets – Let's Push Things For­ward (prod. by Mike Skinner)

Dead Rab­bit: "Let's Push Things For­ward" ist ein Song aus dem Debüt­al­bum "Ori­gi­nal Pira­te Mate­ri­al" von The Streets. Von dem Album hat mich beson­ders die­ser Song ange­spro­chen. Ich habe mich immer gefragt, wie die­ser Beat pro­gram­miert ist – der hat so einen selt­sa­men Groo­ve. Er wirkt ein biss­chen, als ob er gerad­li­nig wie Tech­no sei, aber ganz gera­de ist der Sound dann doch nicht. Eher ein biss­chen dub­big und ver­scho­ben. Mir gefällt der gesam­te Vibe. Das Album war damals eine kom­plet­te Neue­rung. Auch die Art zu rap­pen, so gleich­gül­tig, egal wie vie­le Wor­te er in einem Takt unter­bringt – Mike Skin­ner rappt ein­fach so, wie es ihm gefällt. All das hat er damals in sei­nem Schlaf­zim­mer pro­du­ziert und es ist ein gro­ßer Erfolg gewor­den – der Beginn einer star­ken und lan­gen Karriere.

 

9. Cha­se & Sta­tus – Inter­na­tio­nal (prod. by Cha­se & Status)

Dead Rab­bit: Cha­se & Sta­tus sind eine Crew aus Eng­land, bei der man die gan­zen unter­schied­li­chen Ein­flüs­se raus­hört, denen man als Eng­län­der aus­ge­setzt ist. Sie haben es für mich per­fek­tio­niert, Elektro-​Elemente mit Reggae-​Samples zu ver­mi­schen und dar­aus einen tanz­ba­ren Song zu machen. "Inter­na­tio­nal" ist neben "Hold You" von Gyp­ti­an einer mei­ner Lieblings-​DJ-​Songs. Ers­te­rer eigent­lich sogar noch mehr, weil er die­sen Drop hat und dann in der Hook so abgeht. Das habe ich immer sehr genos­sen beim Auf­le­gen. Die Sire­nen lie­be ich auch, weil das im Reggae-​Dancehall-​Kontext ein­fach immer geil klingt. Egal ob vor­wärts, rück­wärts, zer­schnit­ten oder als Melo­die ver­bas­telt, Sire­nen feie­re ich immer sehr. Dane­ben sind Delays etwas, das ich mir aus der Reggae-​Welt abge­schaut habe. Dort wird oft mit Delays auf Vocals über­trie­ben. Das ist auch der Grund, wes­halb wir bei Mar­si­mo­to vie­le einsetzen.

 

10. Haft­be­fehl – Chab­os wis­sen wer der Babo ist (prod. by Farhot)

Dead Rab­bit: Ich habe Haft­be­fehl das ers­te Mal auf dem Sam­pler "Ech­te Musik" von Jones­mann wahr­ge­nom­men. In dem Song "H.A.F.T" sind mir sei­ne Spra­che und sein Flow auf­ge­fal­len. Er hat die­ses Image bis heu­te durch­ge­zo­gen und es ist ein­fach authen­tisch. Den Song "Chab­os wis­sen wer der Babo ist" habe ich gewählt, weil es einer sei­ner größ­ten Hits ist. Shou­tout an mei­nen geschätz­ten Ham­bur­ger Kol­le­gen Farhot an die­ser Stel­le für die­sen Beat. Die bei­den sind eine per­fek­te Kom­bo. Ich schät­ze es auch, dass Haft­be­fehl einen humor­vol­len Ansatz hat. Es ist wich­tig, bei düs­te­rer Musik gele­gent­lich zu lachen, sonst kann es einen zu sehr belasten.

 

All die­se Tracks fin­det ihr hier in unse­rer "DIGGEN mit Dead Rabbit"-Playlist auf Spotify.

(Malin Teegen)
(Foto von Pas­cal Kerouche)