Liebe ist eines der stärksten und wichtigsten Gefühle, die das menschliche Leben zu bieten hat. Während sie einen gefühlstechnischen Höhenflug ermöglichen kann, wartet oft aber auch der tiefe Fall in Form von Liebeskummer – einem Zustand, der wohl mit zu den unangenehmsten zählt. Der Verlust nach einer Trennung ist oft nur schwierig zu akzeptieren. Mit der Zeit wird es zwar besser, doch auf die Frage, wie man ein gebrochenes Herz letztendlich heilt, gibt es keine allgemeingültige Antwort. Einigen hilft es, darüber zu reden, andere wollen es lieber mit sich selbst ausmachen. Dass wir jedoch fast alle früher oder später in irgendeiner Weise betroffen sind, lässt sich nicht vermeiden. Das zeigt auch die Präsenz des Themas in der Musik. Songs über Liebeskummer können dabei helfen, die eigenen Gefühle hervorzubringen und sie dadurch zu durchleben. Dabei gibt es nicht nur solche, die die Trauer und den Schmerz behandeln, bei einigen geht es auch konkret um das Loslassen oder sogar um die Wut auf den:die Ex. Was aber macht es mit dem:der Künstler:in, wenn die Möglichkeit besteht, seine Gefühle auf Papier zu bringen? Lassen sie sich dadurch besser verarbeiten? Und wie fühlt es sich an, durch seine Fans immer wieder an die eigene Trennung erinnert zu werden? Ist Liebeskummer für Künstler:innen Fluch und Segen zugleich, weil der Schmerz als Antrieb wirkt oder braucht man ihn gar, um den Schaffensprozess überhaupt auszulösen? Ein Künstler, der es mit seiner Musik schafft, die Zerrissenheit bei Trennungsschmerz sehr treffend zu beschreiben, ist Lucky Looks. Viele seiner Tracks – wie beispielsweise "Pusteblume", "Eisprinzessin" und allen voran ":( Doppelpunktklammerauf" – handeln von der Gefühlsachterbahn, die man erlebt, wenn eine Liebesbeziehung endet. Deshalb wollte ich im Gespräch mit ihm Antworten auf meine Fragen finden.
MZEE.com: Ich möchte mit dir über das Thema Liebeskummer sprechen. Auf deinem Song ":( Doppelpunktklammerauf" thematisierst du unter anderem Trennungsschmerz. Mittlerweile ist der Track schon zehn Jahre alt. Wie fühlst du dich heute, wenn du ihn hörst?
Lucky Looks: Ich fühle mich gut. Es dauert bei mir immer, bis ein Song rauskommt, den ich auf meiner Festplatte habe. Deshalb ist es oft so, dass Tracks gar nicht mehr kommen, weil sich meine Welt schon so viel weitergedreht hat, dass das Thema nicht mehr aktuell ist. Selten release ich einen Song, der eben erst entstanden ist. Wenn ich so an diese Phase zurückdenke vor zehn, elf Jahren, als ich ":( Doppelpunktklammerauf" geschrieben habe, bin ich froh, dass ich den gemacht habe. Weil er meine damalige Situation festgehalten hat. Ich mag den Track heute noch. Er ist einer meiner persönlichen Lieblingssongs von mir. Was gar nicht so widersprüchlich ist, da er auch der erfolgreichste ist. Er verkörpert die Musik, die ich heute noch mache. Es war ein ehrlicher und bleibt ein ehrlicher Song. Ich bin damit zufrieden und mir geht es gut.
MZEE.com: Du hast gerade gesagt, dass du manche Tracks gar nicht rausbringst, weil sich deine Situation in der Zwischenzeit geändert hat. Schreibst du die Dinge auf und hast danach die Emotionen für dich verarbeitet? Nutzt du das Schreiben als eine Art Ventil?
Lucky Looks: Mit dem Verarbeiten an und für sich bin ich superschlecht. Deshalb wiederholen Zeilen, Bilder oder komplette Songs Stimmungen immer wieder. Manchmal sind es wiederkehrende Geschichten und ich verarbeite oft nur Fragmente beim Schreiben. Es tut mir auf jeden Fall gut in dem Moment, in dem der Song entsteht, mit der Situation umzugehen, aber zum hundertprozentigen Verarbeiten reicht es nicht.
MZEE.com: In der Musik werden die Themen Liebe und Liebeskummer häufig aufgegriffen. Ich denke, weil so viele diese Gefühle nachempfinden können. Wie würdest du Liebeskummer für dich beschreiben?
Lucky Looks: Mittlerweile sind zehn Jahre vergangen, seit ich diesen Track releast habe. Ich hab' noch einige weitere Liebeskummer-Songs gemacht und in einigen Songs ist eher Liebe der Aufhänger. Das bezieht sich bei mir häufig nicht auf eine andere Person und die Beziehung zu ihr, sondern ist so ein bisschen metaphorisch gemeint. Es ist einfach zur Beschreibung meiner Gefühlswelt. Man kann das etwas abstrakter betrachten. Das ist es, warum ich mich immer wieder mit den Themen Liebe und Liebeskummer beschäftige. Eine Beschreibung für Liebeskummer habe ich nicht. Ich weiß, woher die wiederkehrenden Themen Liebe, Liebeskummer und Unzufriedenheit mit Liebesbeziehungen bei mir kommen. Das ist teilweise nur meine eigene Situation, aber es gab auch schlimme Erfahrungen in meiner Kindheit. Denn ich habe miterlebt, wie die Trennung von meinem Papa meine Mama kaputtgemacht hat. Das war eigentlich immer das größte Element in meiner Musik. Ich hab' einfach gesehen, dass meine Mama nie Geld hatte. Als ich ein Kind war, habe ich immer gedacht, dass meine Mama unglücklich ist, weil sie Geldsorgen hat. Dann hat sich aber mit der Zeit herauskristallisiert, dass sie bis heute nicht über meinen Vater hinweggekommen ist, obwohl sie verschiedene neue Beziehungen eingegangen ist.
MZEE.com: In der Medizin gibt es das Broken-Heart-Syndrom. Liebeskummer ist zwar keine Krankheit, aber man kann sehen, welche Areale im Gehirn dabei angesprochen werden. Das zeigt, dass Liebeskummer theoretisch sogar messbar ist. Findest du, unsere Gesellschaft geht angemessen mit Liebeskummer um?
Lucky Looks: Dabei kann ich nicht von mir auf die Gesellschaft schließen. Aber wenn ich mal mein direktes Umfeld sehe, dann gehen die angemessen mit Liebeskummer um. Es kommt drauf an, wo man hinschaut. Unter Mannschaftskollegen im Fußball, mit denen man jetzt nicht so eng ist, könnte es schon vorkommen, dass man es da runterspielt oder Witze drüber macht. Da hört für mich allerdings der verantwortungsbewusste Umgang auf. Das ist auch eine Art Umgang. Ich denke, man geht nur offen anständig mit Liebeskummer um, wenn man dem Gegenüber, dem man sich anvertraut, selbst vertrauen kann.
MZEE.com: Enge Vertrauenspersonen, die einen gut kennen und sehen, wie man leidet, haben mitunter mehr Verständnis für solche Gefühle. Aber sobald man funktionieren muss, wie auf der Arbeit, scheint Liebeskummer oftmals nicht mehr als Erklärung zu gelten. Wie sind da deine Erfahrungen?
Lucky Looks: Also mein Chef würde schon Verständnis dafür haben, wenn ich ihm sage, dass ich für eine Woche ausfalle, weil ich mich getrennt habe und es mir schlecht geht. Aber es gibt bestimmt den ein oder anderen Chef, der das nicht akzeptieren würde. Wenn ich jetzt an eine harte, geschäftliche Verhandlung denke, in der ich mit einem Externen etwas verhandeln muss, dann sollte der auch nicht erwarten, dass sein Liebeskummer da irgendwie berücksichtigt wird. Also irgendwo hört das Verständnis auf. Sich in allen Bereichen davon einschränken zu lassen und das überall preiszugeben, ist in unserer Gesellschaft schwierig, aber das trifft ja nicht nur auf Liebeskummer zu.
MZEE.com: Du teilst sehr private Dinge in deiner Musik. In dem Video zu "Pusteblume" ist beispielsweise deine Ex-Freundin zu sehen. Wie geht es dir damit, so etwas Privates in der Öffentlichkeit zu zeigen?
Lucky Looks: Gut, etwas anderes könnte ich gar nicht machen. Ich mache hier und da für mich selbst auch andere Songs. Aber die werden höchstwahrscheinlich nie das Tageslicht erblicken. Wenn ich die Sachen als greifbar empfinde und in der musikalischen Umsetzung damit zufrieden bin, dann finde ich es schon cool, die Sachen rauszuhauen. Das mache ich am liebsten. Es reicht eigentlich nur eine einzige Person, die man erreicht oder berührt. Die sozusagen an dem Knochen, den ich dort hinwerfe, noch etwas zum Abnagen findet.
MZEE.com: Hat sich das schon mal auf deine romantischen Beziehungen ausgewirkt, dass sie in der Öffentlichkeit so sichtbar waren?
Lucky Looks: Ja.
MZEE.com: Im Guten oder im Schlechten?
Lucky Looks: Es hat Fragezeichen aufgeworfen, weil das Timing nicht gestimmt hat. Wie ich eingangs schon erwähnt hatte, sind die Songs älter als die Situation – und die Situation hat sich noch mal geändert. Da kann man sich fragen, warum ich dann so einen Song rausgebracht habe. Für die andere Person schien es zu dem Zeitpunkt seltsam, aber eigentlich war alles gut.
MZEE.com: Es kommt bestimmt häufiger bei Musiker:innen vor, dass sie einen Song zu einer bestimmten Situation geschrieben haben, der aber erst zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht wird. Dann müssen sie wieder Promo dafür machen und Leute denken, dass das gestern passiert ist.
Lucky Looks: Aber darum geht es ja auch. Das ist ein Einfangen von dem Moment, aber der kann trotzdem zeitlos sein. Diesen Moment hatte ich und den hatte ich dankenswerterweise schon in der Vergangenheit – Zeit heilt hier und da doch Wunden. Eigentlich müsste ich jeden Song mit einem Titel benennen und Daten dahinter schreiben. Dann wüsste man ganz genau, dass sich die Beziehung am 12.10.2012 angefühlt hat wie eine Pusteblume.
MZEE.com: Du meintest, dass es Songs gibt, die du nicht mehr veröffentlichen wirst. Aber du beschreibst ja oft sehr persönliche Dinge in deiner Musik. Was sind denn Songs, die du nicht rausbringst? Ist das oberflächlicher Battlerap?
Lucky Looks: Auch. Aber es ist teilweise unglaublicher Nonsens oder Sachen, die niemanden interessieren würden. Ich habe einen Song über Microsoft-Betrüger gemacht, die bei meiner Oma anrufen oder über den Nachbarn von meiner Mama, der sie immer fotografiert, wenn der Hund irgendwo hinmacht. Oder von meinem Kumpel, der übelste Käsefüße hat. (lacht) Es wäre sehr irritierend, wenn das rauskommen würde. Ich hab' mir schon öfter überlegt, so was unter einem Pseudonym rauszubringen, denn irgendwie sind es auch Facetten meiner Persönlichkeit. Dadurch ist es wieder persönlich. Man kann keine unpersönliche Musik machen, außer man faket komplett. Klar ist meine Musik teilweise auch überspitzt und übertrieben, aber das trifft genauso auf die deepen Liebessongs zu. Wenn ich mich immer nur klar ausdrücken würde, hätte das auch keinen Charakter. Bei mir ist das Ding: Ich schaffe es irgendwie nicht in der Mitte. Also ich kann entweder ganz deep oder ganz doof.
MZEE.com: Hat Liebeskummer für dich auch schöne Aspekte?
Lucky Looks: Ja, ich denke schon. Es kommt immer darauf an, ob du weißt, wie tief das Loch ist. Man kann dadurch ein bisschen näher zu sich finden, wenn man in den Abgrund schaut und sieht, wie tief es runtergeht. Dann ist es aber auch megageil, wenn man aufgefangen wird und da wieder rauskommt. Wenn man zurückblickt und weiß, dass danach schöne Zeiten kommen. Dann weiß man die neuen Höhepunkte zu schätzen.
MZEE.com: Ist Schmerz ein Antreiber für die Musik oder ist er sogar der Grund dafür, dass die Musik entsteht?
Lucky Looks: Er ist ein Antreiber. Wenn ich an meine Anfänge zurückdenke, habe ich von allem etwas gemacht, weil ich Spaß daran hatte. So mache ich es auch heute noch. Es kommt immer auf den Fokus an. Wenn der gerade eher auf die nicht so schönen Dinge gerichtet ist, warum sollte ich dann was anderes schreiben? Das würde mir einfach schwerfallen. Ich bin eher ein Moment getriebener Musiker. Manchmal mache ich dumme Songs. Manchmal mache ich deepe Songs. Ich mach' Musik je nachdem, wie ich mich gerade fühle.
MZEE.com: Besonders auf Social Media kann man das Leben von Ex-Partner:innen weiter mitverfolgen. Hast du Erfahrungen mit Trennungen und sozialen Medien gemacht?
Lucky Looks: Soziale Medien sind in jeder Hinsicht Gift, außer ganz am Anfang, wo sich alte Schulfreunde wiedergefunden haben. Das war so ein cooler Moment und ich gönne auch jedem, dass man miteinander in Kontakt stehen kann. Wenn man es gesund nutzt, ist das in Ordnung. Die schlimmste Sache daran ist, dass man trotzdem noch mit der Ex-Partnerin in Verbindung stehen kann und mitbekommt, was bei ihr geht. Das hat kranke Ausmaße. Es hilft einem gar nicht, sich auf sich selbst zu konzentrieren. Wenn du kurz aufs Handy schaust, bist du gedanklich wieder bei ihm oder ihr. Ich glaube, das ist ein übelster Katalysator dafür, dass man sich 24/7 nur damit beschäftigt und sich nicht mehr mit den schönen Dingen befasst. Das könnte einen echt in den Wahnsinn treiben. Also mir selbst ist nichts passiert, aber ich kenne Leute, die haben viel Zeit damit verbracht, zu schauen, ob es dem Ex-Partner gerade besser geht als einem selbst.
MZEE.com: Das ist dann wieder so trügerisch, weil man natürlich nur die schönen Sachen auf Social Media postet. Nicht, wie man verheult im Bett liegt und an den:die Ex-Partner:in denkt. Man muss aber sehr diszipliniert sein, um der Neugierde in einem schwachen Moment nicht nachzugeben.
Lucky Looks: Der Drang ist, sich selbst zu verletzen und sonst nichts. Was soll denn auf diesem Profil zu sehen sein, womit ich mich besser fühle? Das sollte man sich am besten nie angucken. Es sind einfach nur immer weitere Stiche und Bilder, die sich einprägen. Das brauche ich nicht.
MZEE.com: Wusstest du, dass es Studien dazu gibt, dass Paracetamol gegen Liebeskummer hilft? Psycholog:innen und Ärzt:innen raten natürlich davon ab, weil eine Pille nicht gegen den eigentlichen Liebeskummer hilft. Du kannst es eine Zeit lang dadurch verdrängen, um zu funktionieren, aber du verarbeitest es nicht auf emotionaler Ebene.
Lucky Looks: Ja, schon. Aber was soll so wichtig sein? Vielleicht wenn ich an eine Prüfung oder so denke. Kann schon sein, dass ich mir das damals dann auch geballert hätte. Mittlerweile bin ich einfach ein bisschen zu alt. Da kann sich einfach jeder ficken. Ich möchte keine Pille, dass ich für euch funktioniere.
MZEE.com: Welcher Track, ist der schönste Track über Liebeskummer, den du kennst, egal aus welchem Genre?
Lucky Looks: Von Bimbo Beutlin "Fern". Hört euch den unbedingt an, wenn ihr ihn nicht kennen solltet. Das ist für mich der krasseste Sprechgesangskünstler. Künstlerisch. Aschaffenburger Junge. Der ist so toll. Und von Mr. Chissmann "Widmung". Und was ist deiner?
MZEE.com: ":( Doppelpunktklammerauf".
Lucky Looks: Danke. Das ist schön, echt. Es ist ein bisschen Fluch und Segen zugleich. Denn es war so was, wo sich Musikmachen wie Arbeiten angefühlt hat. Ich hatte danach eine Erwartung an mich selbst und auch durch externe Einflüsse vom Label, dass ich jetzt nur noch solche Songs mache. Da wurde dann teilweise schon auf Zwang irgendwas Deepes mit Liebe gemacht. Das war ein doofer Prozess. Da bin ich zum Glück drüber hinweg. Ich bringe lieber nur noch Songs raus, die ich, was die Skizze angeht, vor einigen Monaten, vielleicht vor Jahren gefühlt hab' und eben irgendwann wieder aufgegriffen habe, weil es doch wiederkam. Das ist für mich viel schöner. Wenige Songs, die dafür mehr sind als nur noch ein Fragment.
MZEE.com: Möchtest du zum Abschluss noch etwas zum Thema Trennungsschmerz loswerden?
Lucky Looks: Konsumiert nichts außer Spaß am Leben, wenn ihr Liebeskummer habt. Nehmt bitte keine Paracetamol. Wenn ihr gerne mit Substanzen experimentiert, dann bitte nur wenn ihr im Reinen mit euch selbst seid. Lasst euren reinen Hormonhaushalt die Sache bewältigen und schiebt das nicht raus. Es vergeht hoffentlich irgendwann alles.
(Malin Teegen)