"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Taha war für mich musikalisch eher unspektakulär, als er noch Kex Kuhl hieß und klassischen Rap machte. Doch seit er 2018 mit seinem Debütalbum "Stokkholm" von Rap zu einem Punk-Crossover-Sound wechselte, verfolge ich ihn mit großem Interesse. Auf seinem jüngsten Album "Medizin" kam dann noch eine spannende Thematik hinzu: Der gebürtige Augsburger verarbeitet hier die eigenen Ängste, Sorgen und Selbstzweifel – so etwa auf "Schöner Tag" seine Panikattacken.
Tatsächlich war mir anfangs gar nicht klar, worum es in "Schöner Tag" geht. Für mich war der Song einfach ein Vibe. Immer wenn ich besonders tief unten war, habe ich den Track volle Pulle aufgedreht und lautstark in die Hook eingestimmt: "Heute ist ein schöner Tag für den Tod." Taha singt hier beinahe schon happy darüber, wie er dem Tod ins Auge blickt, ein letztes Mal an die Menschen denkt, die er liebt, und sich so quasi verabschiedet. Dachte ich zumindest. Doch nachdem ich mir die Lyrics genauer anhörte und Interviews zum Album las, sah das schon ganz anders aus. Tatsächlich handelt "Schöner Tag" von der Angst des Künstlers vor dem Tod und die Hook ist ein Selbsttest auf einen Schlaganfall, wie Taha selbst erläuterte. So drehen sich die Parts vielmehr um Suizidgedanken, die gleichzeitige Panik davor, das Überspielen dessen und die Flucht vor der Realität. All das in knapp drei Minuten verpackt lässt den Hörer:innen viel Raum für Interpretation. Dabei greift er explizit auf, was nach wie vor eher ein Tabuthema ist: psychische Krankheiten und der offene Umgang damit. Taha bricht also nicht nur Genre-Grenzen – was auch die eher rockigen Drums und Gitarrenriffs dieses Songs wieder beweisen –, sondern zeigt auch gesellschaftliche Grenzen auf.
"Schöner Tag" ist dabei nur ein Bruchteil dessen, womit sich Taha auf "Medizin" auseinandersetzt, aber ein perfektes Beispiel dafür, wie gerecht das Album seinem Titel wird. Denn "Schöner Tag" mag anfangs noch mein eigenes Tief befeuert haben, aber nach mehrmaligem Hören regt es mich eher zur Selbstreflexion an.
(Lukas Päckert)