"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Lasse ich in Gesprächsrunden über Rap den Namen John fallen, sind die Reaktionen oft die gleichen: Ich meine doch den Battlerapper Dollar John, der früher als Teil der Reimebude Videobattles gemacht hat, oder? Oder etwa den John ODMGDIA, der jetzt mit Duzoe zusammen als Crew unterwegs ist? Beides ist korrekt, doch will man die ganze Geschichte erzählen, so muss man seit April 2021 auch STOCKMANN miteinbeziehen.
Fängt man an, über STOCKMANN zu sprechen, so endet auch das Gespräch über Rap. Denn das, was John unter diesem Künstlernamen treibt, geht weit über Genregrenzen hinaus, lässt sich von Kenner:innen vielleicht als "Darkwave" oder "Synthwave" bezeichnen und liegt in meinen Augen (beziehungsweise Ohren) irgendwo zwischen Lindemann und Falco. Letztgenannter verleiht der Debütsingle auch ihren Titel und ist durchaus als Hommage zu verstehen. Musikalisch fängt STOCKMANN, wie bereits angedeutet, die Essenz von Falcos größten Hits ein, ohne dabei dessen Stil zu kopieren. Stattdessen kreiert er etwas ganz Eigenes, weshalb die Genredefinition seines Sounds auch so schwerfällt. Inhaltlich beschreibt er Nächte im Club, wobei die extrem eingängige Hook jeweils zeigt, an welchem Punkt der Aufenthalt für ihn endet. In jeder der drei Strophen zollt er Falco Tribut, wobei mir im zweiten Part besonders gefällt, dass er mit der Zeile "Aus dem Dunkel in das Licht so wie Falco" auf meinen Lieblings-Falco-Song hinweist. Die Atmosphäre des Songs ist einzigartig und legt den Grundstein für eine Diskografie, die verspricht, großartig zu werden.
Nimmt man John nur als Teil eines Kollektivs wahr, tut man ihm großes Unrecht. Durch seine zahlreichen und vielfältigen, genreübergreifenden Produktionen hat er bereits gezeigt, dass er zu den talentiertesten Musikschaffenden dieses Landes gehört. Als STOCKMANN tritt er nun erneut in den Vordergrund und vereint seine verschiedenen musikalischen Ansätze zu einer Kreation, die ihresgleichen sucht. Eine Musiklandschaft ohne ihn? "Nein, Mann, nie wieder, Mann."
(Michael Collins)