"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Seit geraumer Zeit lasse ich mich jeden Morgen vom ersten Titel meiner "On Repeat"-Liste auf Spotify wecken. So habe ich Einfluss auf den Song, den ich zum Einstieg in den Tag höre, ohne dass es immer derselbe ist. Vor 20 Jahren sah das noch anders aus – da ging pünktlich um sieben Uhr morgens das Radio an und ich ließ mich von irgendwelchen Pop-Rock-Liedern aus dem Bett werfen, die seit über zehn Jahren schon keiner mehr hören wollte. Dass mal etwas gespielt wurde, was meinen Musikgeschmack nachhaltig prägen sollte, war eher die Ausnahme.
Aber Ausnahmen kommen eben doch vor. Und so stieß ich eines Morgens auf Falcos "Out of the Dark", das anlässlich seines erst wenige Jahre zurückliegenden Unfalltods einen festen Platz in der Rotation der hiesigen Radiosender hatte. Der Song blieb mir direkt im Kopf, denn tiefgründige, düster atmosphärische Lieder übten schon immer eine gewisse Faszination auf mich aus. Weil ich der damaligen Zeit geschuldet keine Möglichkeit hatte, eine ausführliche Internet-Recherche zu betreiben, lief der Sender bei mir dann auch öfter mal nachmittags – in der Hoffnung, den Song wieder zu hören. So ertrug ich also weiter stoisch die Kuschelrock-Schmonzetten der 80er und 90er Jahre. Später erweiterte sich mein Musikgeschmack und mit dem ersten MP3-Player geriet mein einstiger Lieblingstitel immer weiter in Vergessenheit. Irgendwann entdeckte ich Falco durch das Internet wieder und somit auch weitere seiner Meisterwerke wie "Rock Me Amadeus" und den hochkontroversen Hit "Jeanny". Aber "Out of the Dark" blieb für mich etwas Besonderes.
Ich hatte über die Jahre verschiedene Lieblingslieder, die stets eine Momentaufnahme meiner persönlichen Erlebnisse und charakterlichen Entwicklung abbildeten. Doch "Out of the Dark" war irgendwie immer da. Durch eine kleine Nahtoderfahrung, während der Song lief, hat er noch mal an Bedeutung gewonnen. Und die Mystik in Verbindung mit dem tatsächlichen Tod von Falco macht das Ganze noch einmal faszinierender. "Out of the Dark" war, ist und wird immer mein Lieblingssong sein.
(Michael Collins)