"Die Straße war Familie, deswegen sag' ich Bruder zu Fremden", "Ganze Jacke voller Löcher, aber teilten aus Prinzip", "Ich hab's dir nie gesagt, doch ich wär' mitgegangen" … Wie man es auch dreht und wendet: Ehre, Integrität und Brüderlichkeit sind Werte, die man immer finden wird – egal, welches Vega-Album man aus dem Regal zieht. Zusammenhalt und eine immerwährende Treue den wenigen engen Menschen gegenüber, die man in all dem Chaos um sich hat, schon immer hatte und wohl auch immer haben wird, spielen eine zentrale Rolle im Schaffen des Frankfurters seit "Lieber bleib ich broke". Ähnlich ist es auch dieses Mal: Vor einer Woche wurde Vegas neues Studioalbum "069" veröffentlicht – die titelgebende Liebe und Verbundenheit zu seiner Heimatstadt hätte er nicht deutlicher untermauern können. Weniges schien also naheliegender zu sein, als uns an einem eisigen Winterabend im Lockdown einmal virtuell mit ihm zusammenzusetzen und in Ruhe eine Stunde über Loyalität zu sprechen …
MZEE.com: Da sich unser heutiges Gespräch um das Thema "Loyalität" dreht, haben wir dir die Definition von Wikipedia mitgebracht: "Loyalität bedeutet, im Interesse eines gemeinsamen höheren Zieles, die Werte […] des anderen zu teilen und […] diese auch dann zu vertreten, wenn man sie nicht vollumfänglich teilt, solange dies der Bewahrung des gemeinsam vertretenen höheren Zieles dient. Loyalität zeigt sich sowohl im Verhalten gegenüber demjenigen, dem man loyal verbunden ist, als auch Dritten gegenüber." – Was sagst du dazu?
Vega: Das ist schon relativ nah an meiner Meinung über Loyalität, aber die hat sich in den letzten Jahren auch geändert. Früher war ich ein ganz großer Loyalitätsfanatiker, aber inzwischen hat gerade das, was du vorgelesen hast, einen negativen Beigeschmack für mich. Diese "falsche Loyalität", die einige Leute an den Tag legen, ist meiner Meinung nach eine sehr kopflose Eigenschaft. Für viele bedeutet es, dass sie die Menschen, die ihnen nahestehen, in keiner Weise mehr kritisieren können. Oder ihnen Fehler nicht aufzeigen können. Dafür gibt es einige Beispiele, von denen ich aber keines nennen kann, weil es dann aufgrund falscher Loyalität Streit geben würde. (lacht) Das ist ein kompliziertes Thema. Zwei meiner Freunde haben zum Beispiel untereinander Streit, ich mag aber beide und das sind beides meine Brüder. Aber so wie Loyalität in vielerlei Hinsicht ausgelegt wird, würde es bedeuten, dass ich mich auf eine Seite schmeißen muss. Sonst könnte man mir vorwerfen, ich wäre nicht loyal. Aber ich finde nicht, dass das zwingend so sein muss.
MZEE.com: Und musst du jemandes Werte teilen, um ihm gegenüber loyal zu sein? Die Definition sagt ja, dass man, selbst wenn Werte nicht übereinstimmen, dem gemeinsamen Ziel zuliebe loyal bleibt.
Vega: Ich glaube, die Definition sagt schon, dass man grundsätzlich gemeinsame Werte hat – aber die Ausreißer, die man mitgeht, liegen im Ermessen des Einzelnen. Trotzdem sollte es auch einen Punkt geben, an dem man sagt: "Guck mal, Bruder: Ich würde alles für dich tun, aber ich glaube, du bist hier nicht im Recht. Erstens würde es mir sehr wehtun zu sehen, wie du von der Brücke springst und zweitens kann ich nicht nur um des Springens Willen hinterherspringen." Ich habe das Gefühl, man braucht am meisten Loyalität, wenn man sich in einer Beziehung unsicher ist. Zumindest war das bei mir so. Ich habe Loyalität eingefordert, wenn ich Angst hatte, dass die Connection gar nicht so stark ist, wie ich dachte. Man erzwingt das dann mit: "Das ist die Vorgabe hier. Wenn du hier mitmachen willst, dann bist du bis in den Tod loyal." Das ist keine gute Basis.
MZEE.com: Man kann das ja auch weicher auslegen. Für mich ist Loyalität zum Beispiel auch, dass mir jemand nicht in den Rücken fällt, wenn ich gerade nicht vor Ort bin.
Vega: Ja, klar. Das ist für mich allerdings so eine Selbstverständlichkeit, dass ich nicht darüber nachgedacht habe. Aber da hast du auf jeden Fall Recht.
MZEE.com: Der Text geht weiter mit "Man kann in sie hineingeboren werden […]". – Denkst du, dass es der Familie gegenüber eine angeborene Loyalität gibt?
Vega: Das hätte ich dir wahrscheinlich vor zehn Jahren noch anders beantwortet. Die Connection, die ich zum Beispiel zu meinem Bruder habe … Ohne zu übertreiben: Ich würde einfach für ihn sterben. Das ist ein Gefühl der Verbundenheit, das unbeschreiblich ist. Aber bei 80 Prozent meiner Familie habe ich das nicht – so hart das auch klingen mag. Über die Jahre habe ich Leute kennengelernt und Freundschaften gepflegt, die mir mehr bedeuten als Teile meiner Familie.
MZEE.com: Ist das etwas, das sich mit den Jahren gesellschaftlich verändert hat? Dass es früher viel natürlicher war, der Familie gegenüber so eine Loyalität zu haben?
Vega: Selbstverständlich. Es war ja auch viel notwendiger. Das klingt vielleicht dumm, aber ich bin diesbezüglich in einer Welt mit relativ alten Verhältnissen aufgewachsen. (grinst) Ich war lange bei meiner Uroma, die schon über 80 Jahre alt war. In ihrem Elternhaus, in dem meine Oma, meine Mutter und mein Onkel aufgewachsen sind. Meine ganze Familie hat seit über 60 Jahren in diesem Haus gelebt. Unten wohnte meine Uroma, oben meine Oma, meine Mutter und ich. Zeitweise waren es vier Generationen. Da war das natürlich alles viel notwendiger. Aber das ist heutzutage nicht mehr so. Den Großteil meiner Familie sehe ich genau einmal im Jahr an Weihnachten.
MZEE.com: Glaubst du, dass das dein Verständnis von Loyalität geprägt hat?
Vega: (überlegt) Ich bin halt jemand, der ein paar Leute hat, mit denen er schon sehr lange unterwegs ist. Das mag abgedroschen klingen, aber die Jungs, mit denen ich auf der Straße rumhing, waren meine Family. Ich habe meine Jungs früh kennengelernt. Das sind die Leute, mit denen ich nach 24 Jahren immer noch zusammen bin. Seitdem ist nicht viel dazugekommen. Da ploppt mal was auf, da geht mal was weg – aber das ist einfach die Basis. Bei denen habe ich mich immer am wohlsten und verstanden gefühlt. Und wenn du zu jemandem keine Connection hast, hast du halt keine Connection. Da kann es deine Tante sein oder nicht. (lacht) Aber das ist bei mir auch extrem. Ich kenne ja meinen leiblichen Vater nicht und bin mit meinem Stiefvater aufgewachsen, der quasi zu meinem Vater geworden ist. Das, was die Verbindung, Liebe und Loyalität zu ihm macht, ist nicht das Blut. Mein Bruder ist auf dem Papier auch mein Halbbruder – aber er ist mein Ein und Alles.
MZEE.com: Gibt es irgendetwas, das dieses Verhältnis ins Wanken bringen könnte?
Vega: Wenn er sich einfach zu einem Scheißhaufen entwickeln würde. (lacht) Nein, ich würde alles für ihn tun. Auch weil ich glaube, dass er ein sehr feiner junger Mann ist, von dem ich viel lernen kann. Der handlet manche Sachen so, dass ich mir denke: "Hätte ich das mit 21 so handlen können, hätte ich mir viel Scheiße erspart." Er kann Sachen ansprechen und sagen, wenn ihn etwas stört. Ich war ganz anders, viel wütender. Es gibt einiges, wofür ich ihn sehr bewundere, obwohl er über 15 Jahre jünger ist. Aber wenn ich denken würde, dass er ein Wichser ist, wäre es auch egal, dass er mein Bruder ist.
MZEE.com: Als wir das Interview vorbereitet haben, haben wir gemerkt, dass in unserer Wahrnehmung gerade Männer oft über Loyalität sprechen und sie sehr betonen. Hängen Männlichkeit und Loyalität für dich zusammen?
Vega: Ich denke, gerade bei Männern, die krass Ego-driven sind, ist das so, weil sie Schiss haben. Es ist immer eine Art von Kontrolle, Leute dazu zu bringen, dir gegenüber loyal zu sein. Du räumst dir die Freiheit ein, Fehler machen zu können, die dir niemand übel nimmt. Und das ist das große Problem. Loyalität ist etwas unglaublich Schönes, aber es darf nicht zu Gehorsam werden. Man kann nicht alles durchgehen lassen. Ich musste allerdings erst älter werden, um zu verstehen, dass man auch sagen kann: "Bruder, das ist nicht richtig."
MZEE.com: Loyalität hat für dich also auch eine Verbindung zu Macht.
Vega: Ich glaube, sie wird halt oft so genutzt. Und das ist die Gefahr. Wie, als würde ich bei Freunde von Niemand sagen: "Ey Jungs, ihr habt der Scheiße gegenüber loyal zu sein. Das ist unser Ding. Wir halten zusammen. Und wenn ich etwas entscheide, macht ihr mit – egal, ob euch das gefällt oder nicht." Es kann doch nicht sein, dass sich jemand gezwungen fühlt, einen Weg mitzugehen, wenn er der Meinung ist, dass es der falsche ist.
MZEE.com: Aber das ist doch in der Rapszene gang und gäbe.
Vega: Ja, klar. Das ist ja auch Katastrophe.
MZEE.com: Warum spielt das in dieser Szene so eine große Rolle, wer zu wem hält?
Vega: (seufzt und lacht gleichzeitig) Weil die Leute am Ende des Tages wirklich große Probleme haben. Ich bin ja selbst auf diesem Street-Ding und Straßenrapper, habe mich in vielen Sachen verloren und gehöre zu einer großen Gruppe, bei der ich auch Halt suche. Auch fußballmäßig. Wir haben alle die Idee davon, uns in einer Gemeinschaft zu schützen. Ich habe nicht gesehen, dass Cro so einen Beef hat. Und ich habe auch nicht gesehen, dass Yung Hurn so einen Beef hat. Das ist ein bestimmter Schlag Mensch, der diese Probleme hat – und das sind halt einfach wir Straßenrapper … Aber ganz tief im Inneren ist das einfach nur Angst. Man versucht damit, Leute an sich zu binden und sie zu zwingen, zu einem zu halten. Egal, was man macht.
MZEE.com: Es wird oft auch gegenseitiger Respekt unter Künstlern erwartet – selbst, wenn man nichts mit dem anderen zu tun hat. Und mit Worten wie "Bruder" eine Verbindung vermittelt, die es gar nicht gibt. Kannst du nachvollziehen, was ich meine?
Vega: Ja. Da wird die Straßensprache, glaube ich, völlig überbewertet. Das Ding ist einfach: Wenn ich einen Postboten sehe und er mir einen Brief gibt, sage ich: "Danke, Bruder."
MZEE.com: Damit vermittelst du ja einem Außenstehenden, dass du mit ihm eng bist – was wahrscheinlich gar nicht so ist. Aber mir zum Beispiel kommt das so vor.
Vega: Das ist aber ja ein bisschen dein Problem. (schmunzelt)
MZEE.com: Aber du würdest ja nicht "Bruder" zu jemandem sagen, der blöd zu dir ist. Das ist vermutlich schon eine Frage des Respekts …
Vega: Genau, das ist ein Respekt-Ding. Heute zum Beispiel war ich einkaufen und da war ein … Bruder … wollte ich gerade sagen. (lacht) Da war jemand, der die Einkaufswagen desinfiziert hat. Das war ein türkischer Bruder. Und ich gebe ihm meinen Einkaufswagen nach dem Einkauf zurück und er macht ihn sauber und ich sage: "Danke, Bruder. Bis zum nächsten Mal." Ich habe den Chabo noch nie gesehen. Aber so reden wir halt. Die Leute nehmen da das Wort "Bruder" zu ernst.
MZEE.com: Hat das dann auch etwas mit der Nationalität zu tun? Würdest du zu meinem deutschen Vater in Birkenstock auch "Bruder" sagen?
Vega: Nein. (grinst) Die Nationalität macht es einfacher. Das kann auch ein Deutscher sein. Aber man erkennt einfach, ob er von der Straße ist oder nicht. Und der im Laden war halt mein Bruder. Das hat nichts mit Familie zu tun.
MZEE.com: Es gibt ja auch die Redensart "jemandem sein Wort geben", die für viele Menschen eine große Bedeutung hat. Welche Bedeutung hat es für dich – gerade im Business –, wenn dir jemand sein Wort gibt?
Vega: Wenn das jemand explizit sagt, ist das Ding für mich eigentlich eine beschlossene Sache. Das kann auch nicht ohne einen sehr triftigen Grund gebrochen werden. Wird es aber eigentlich auch fast nie. Wenn einer explizit sagt "Hunderttausendprozentig. Du hast mein Wort", dann passiert das auch.
MZEE.com: Würdest du darauf auch Geschäftsbeziehungen aufbauen?
Vega: Ja, safe. Und das passiert tatsächlich in meiner Geschäftswelt in sehr vielen Fällen. Ich habe mit den wenigsten Leuten, mit denen ich Geschäfte mache, Verträge. Aber das wird sich dieses Jahr ändern.
MZEE.com: Das ist wahrscheinlich auch eine Mentalitäts- oder Erziehungsfrage – ohne das als gut oder schlecht zu bewerten.
Vega: Ja, das ist auf jeden Fall auch ein kulturelles Ding. Das kommt aber einfach aus einer alten Zeit. In Deutschland gab es das auch. Das ist nichts, das irgendjemand gebunkert hat. Du konntest genau einmal einen Deal machen und ihn brechen. Danach hast du nie wieder ein Geschäft mit jemandem gemacht, weil es das ganze kack Dorf wusste. Daher kommt das ja: "Du hast mein Wort, hier ist meine Hand!" Und wenn ich es nicht gemacht habe und das nächste Mal drei Esel verkaufen will, sagen die doch: "Ja, Bruder, du hältst doch dein drecks Wort nicht!" (lacht) Ich glaube einfach, da gibt es unterschiedlichste Menschen. Es gibt natürlich Leute, denen man vertraut – und ich mache das auch nicht mit jedem. Manchmal kann so ein Vertragsgedöns aber ein bisschen den Vibe kaputtmachen. Darum geht's.
MZEE.com: Du hast eben schon gesagt, dass sich das über die Jahre bei dir verändert hat. Trotzdem kurz ein Zitat aus deinem Track "Alles wie gehabt": "Und ich forder' fanatisch Loyalität, denn ich opferte alles für unseren Weg. Sektenähnliche Zustände. Diese Label ist der Grund, wieso ich einfach ein Messer zücke und zusteche." – Ist oder war bedingungslose Loyalität eine Voraussetzung, Teil der Freunde von Niemand sein?
Vega: Das war auf jeden Fall so. Jetzt ist es nicht mehr so, aber ich erwarte trotzdem, dass man im Sinne der Gemeinschaft handelt, wenn man zur Bande gehört. Es ist schon an gewisse Sachen gekoppelt. Solange man das Logo auf dem Pulli trägt, gibt es Regeln, wie man sich verhalten sollte. Das ist für mich wichtig – aber nicht mehr so, wie es mal war.
MZEE.com: Gab es Chancen, die du dir aufgrund der Label-Treue in den letzten zehn Jahren selbst verwehrt hast?
Vega: Na ja, mir raten schon länger Leute dazu, dass ich solo weitermachen und meine Energie nur in meine eigene Musik investieren sollte. Da habe ich mich immer gegen gestellt. Natürlich bringt dieses Crew-Ding auch Opfer mit sich. Safe. (überlegt) Irgendwann konnte ich aber auch selber nicht mehr das geben, was ich gefordert habe. Da habe ich gemerkt, dass es vollkommener Unsinn ist, immer blind loyal zu sein.
MZEE.com: Bereust du es dann manchmal, nicht schon früher mehr auf deinen eigenen Weg geschaut zu haben?
Vega: Ich bin niemand, der viel über Vergangenes nachdenkt oder überlegt, was gewesen sein könnte. Das ist einfach nicht meine Art. Sachen passieren zu der Zeit, zu der sie passieren sollen. Inzwischen bin ich an einem Punkt, an dem ich mir denke, dass es Sinn machen würde, mehr Energie in das zu stecken, was mir am meisten Spaß macht. Das ist meine Musik. Das soll aber nicht bedeuten, dass ich Freunde von Niemand schließen werde oder so. Aber ich will auf jeden Fall Wege finden, wie ich meinen Fokus auf das lenken kann, weswegen ich angefangen habe.
MZEE.com: Wie reagierst du darauf, wenn du feststellst, dass jemand aus deinem nahen Umfeld nicht mehr komplett hinter dir steht?
Vega: Meistens sehr schlecht. Leider Gottes bin ich da immer noch extrem hitzköpfig und emotional. Wenn sich beispielsweise Leute, mit denen ich zusammenarbeite, bei anderen Personen hinterrücks auskotzen, fällt mir das sehr schwer. Da muss ich vielleicht auch zum Psychiater, aber für mich ist das so: "Wenn wir diesen Pakt hier eingehen und das zusammen machen, dann lass uns wenigstens ein bisschen den Schein wahren. Und nicht nach ein paar Bier vor irgendjemandem, der nicht dazugehört, Sachen erzählen. Wenn was nicht stimmt, lass uns quatschen und das aus dem Weg räumen – aber nicht nach außen demonstrieren, dass wir rumlaufen und übereinander reden." Das Problem hatte ich schon öfter. Und das finde ich schwierig. Sehr schwierig.
MZEE.com: Gibt es für dich in Hinblick darauf zweite Chancen?
Vega: Ich glaube, ich bin da schon relativ kulant, aber manche Leute machen das halt einfach. Die meinen das wahrscheinlich auch nicht böse, aber sind einfach straight up Tratschmäuler. Ich rede auch gern. Und zu Hause bei meiner Dame oder bei Menschen, bei denen ich mich sicher fühle, erzähle ich auch Dinge, die ich sonst niemandem erzähle … Aber ich meine diese Talkrunden nach ein paar Bier. Am Ende des Tages – ohne jetzt den Godfather raushängen zu lassen – landet es eh irgendwie bei mir. Das ist ja ganz normal, irgendeiner hört es immer.
MZEE.com: Gibt es etwas, das du einer nahestehenden Person auf persönlicher Ebene nie verzeihen könntest?
Vega: Ich glaube ehrlich gesagt nicht. Wenn ich jemanden zu den Leuten zähle, die ich wirklich abgöttisch liebe, würde mir erst mal nichts einfallen, was irreparabel zerstörend ist. Menschen sind so. Ich bin doch selber unterlegen und weiß, was für dämliche Sachen man macht. Bestimmte Dinge passieren auch einfach nicht mit Menschen, die man zu seinen Top fünf zählt. Und ich treffe auch einfach keine neuen Leute, die ich mag. (lacht) Wenn ich wirklich mal einen treffe, den ich mag, dann spüre ich direkt, dass er noch ewig mein Freund sein wird. Das passiert aber einmal in zehn Jahren. Ich glaube, das beschützt mich ein bisschen. Vielleicht ist das auch Selbstschutz, aber ich finde die meisten Leute richtig Banane. (lacht) Ich habe da Hyperglück. Es gibt einen Menschen, mit dem ich so eine Story hatte. Irgendwann habe ich gesagt: "Guck mal, ich liebe dich. Du bist quasi mein bester Freund. Aber so, wie du mich jetzt zehnmal behandelt hast, geht das nicht. Du liebst mich einfach nicht zurück. Es gibt nichts, was ich mir auf der Welt mehr wünschen würde, aber du bist leider einfach nicht mein Freund." Das war eine der schmerzlichsten Erfahrungen, die ich je gemacht habe. Wir hatten zehn Jahre keinen Kontakt und jetzt hängen wir wieder seit einer Weile rum. Er ist ein anderer Mann, ich bin ein anderer Mann, unser Wertesystem hat sich ein bisschen verändert und wir sind gut miteinander.
MZEE.com: Wie schwer ist es, in so einer emotionalen Situation eine rationale Entscheidung zu treffen?
Vega: Das war brutal. Und hat sich auch über Jahre gezogen. Es gibt bei Freundschaften ja auch Unterschiede. Das hat nichts mit besser oder schlechter zu tun – es gibt einfach Leute, die man trifft und es fließt ab der ersten Sekunde. Man hat immer etwas zu reden, es ist immer lustig und es gibt keine Antastmomente. Man merkt einfach: Der andere ist zu tausend Prozent er und ich bin zu tausend Prozent ich. Bei vielen, sogar sehr engen Freundschaften, hat man das nicht. Und genau so ein Freund war er für mich. Selbst nach zehn Jahren ohne Kontakt war es genauso. Das hat es aber doppelt schmerzhaft gemacht.
MZEE.com: Lass uns zum Schluss noch über etwas Positives sprechen: Hat jemand aus der Rapszene dir gegenüber mal überraschend Loyalität bewiesen?
Vega: (überlegt lange) Das ist nicht so einfach zu beantworten … Es gibt auf jeden Fall zwei Personen, bei denen es mich nicht überrascht hat, ich aber sehr froh darüber bin, dass es so gekommen ist. Das ist einmal Max Mönster von Universal, der nach so vielen Jahren in diesem Wahnsinn durch Business ein Freund geworden ist. Das hat einen Wert, den ich nicht beschreiben kann. Jede Platte, die ich mit ihm rausbringe, hat ein Sternchen für mich, weil ich sie mit ihm gemacht habe. Den schätze ich so sehr. Und er beweist immer wieder Loyalität mir gegenüber. Ich habe auch schon Angebote abgelehnt, weil ich ihn dann nicht hätte. Und dann ist da Moses, der auch ein richtiger Freund für mich geworden ist, mit dem ich über viele Sachen sprechen kann, der immer einen guten Rat hat und den ich für das, was er ist, krass bewundere. Ich weiß, dass er immer zu mir stehen würde und umgekehrt ist es genauso. Solche Menschen gefunden zu haben, ist echt was Besonderes. Guck mal, die Leute halten es nicht mal acht Monate miteinander aus. Die sind in einer Crew, werden gemeinsam Millionäre und halten es nicht miteinander aus … Über die zwei bin ich einfach sehr glücklich.
(Florence Bader & Yasmina Rossmeisl)
(Fotos von Skapa)