"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Anfang 2022 scrollte ich nichts ahnend durch Instagram, als mir plötzlich das Gesicht des neuen Signings von Lina Burghausens Label 365XX entgegensprang. Ich musste nicht lange auf ein musikalisches Lebenszeichen von SATARII warten. Der erste Vorbote ihrer Debüt-EP "Blaues Feuer", "Geh Ma Weg", erschien nur wenig später im Februar.
Der Track behandelt eine Thematik, die leider allgegenwärtig ist: sexistisches und misogynes Handeln. Die Mannheimerin – derzeit noch im Exil in Hamburg – duldet derlei Verhalten nicht und begibt sich in den Kampfmodus. Dies verdeutlicht bereits ein Blick auf das Single-Cover. Eine neue Kriegerin entert die Szene und ist bereit, sich für ihre Werte zu zerreißen. Inhaltlich wichtige Aussagen und Raptechnik verschmelzen hier zu einem einprägsamen und fundamentalen Gesamtkunstwerk. Spätestens in der zweiten Strophe ist zu erkennen, mit wem es der sexistische und machohafte Teil der hiesigen Rapszene zu tun hat: "Animestyle, denn ich schneide durch deine Gebeine mit meinem Katana, mein Kleiner." Animes sind das wiederkehrende Element in der Musik der Rapperin. Sie verfällt damit aber nicht in schlechte Metaphern, sondern kreiert ihr eigenes Universum. Dieses durchquert sie als Anime-Kriegerin und nutzt ihre Rapfähigkeiten, um dem Patriarchat Kontra zu geben. In ihrem "DIY"-Universum ist auch der Beat entstanden, den sie gemeinsam mit ihrem Co-Producer Ambigo produzierte. Das Instrumental bietet genügend Platz für die wichtigen Aussagen des Tracks, geht aber trotzdem nach vorne und wird durch ein selbst eingesungenes Vocal-Sample abgerundet.
"Heute kriege ich meine Rache. Wenn ich mit dir fertig bin, bleibt von dir nur noch Asche." Auch wenn ich kein direkter Teil des Rachefeldzugs bin – da der Song primär ein Empowerment-Statement für FLINTA*-Personen ist –, zieht er mich in den Bann. SATARIIs Ohrwurm-Hook habe ich immer im Kopf, wenn mich irgendjemand nervt. Ich rechne fest damit, dass sich in Zukunft noch einiges aus dem Universum der Rapperin in meinem Schädel festsetzen wird.
(Alec Weber)