Das erste Konzert, das man ohne Eltern besuchen durfte. Nachts alleine auf der Autobahn und den gleichen Song immer und immer wieder hören, weil man nicht fassen kann, wie gut er ist. Der Track, den man mit den Freund:innen von früher laut grölend auf jeder Party mitgesungen hat. Vermutlich kennt jeder Mensch diesen Moment: Es läuft ein bestimmtes Lied oder Album, das einen direkt emotional in eine Situation zurückversetzen kann, nostalgisch werden lässt oder einfach nur aufgrund seiner Machart immer wieder zum Staunen bringt. Und genau darum geht es in unserem Format "DIGGEN mit …". Wir diggen mit verschiedenen Protagonist:innen der Szene in ihren gedanklichen Plattenkisten und sprechen über Musik, die diese Emotionen in ihnen auslöst. Dafür stellen unsere Gäste jeweils eine eigene Playlist mit Songs zusammen, die sie bewegen, begeistern und inspirieren.
Für diese Ausgabe stellte uns Eli Preiss eine Playlist unter dem Motto "Lyrics & Chill" zusammen. Eine Playlist, der man in aller Ruhe lauschen sollte, um mitzubekommen, was einem die Künstler:innen erzählen. Die meist sehr emotionalen Songs haben die junge Wiener Rapperin nicht nur begeistert, sondern ihr auch neue Perspektiven für ihren eigenen Schreibprozess aufgezeigt. Auch wenn es sich dabei nicht um ihre meistgehörten Favoriten handelt und man sie vielleicht nicht in jeder Situation hören kann, haben die Texte alle eine ganz besondere Message. Eli Preiss selbst schreibt am liebsten, wenn sie von Wut getrieben ist, wobei Liebe oft Grundstein ihrer Texte ist. Und auch das lassen die Songs erahnen, die sie gewählt hat – so erzählte sie uns von einem Mann, in den sie sich nur aufgrund eines Songs verliebte, von Christina Aguilera und Lil' Kim, die sie das erste Mal mit Feminismus in Berührung gebracht haben, und davon, wie J. Cole sie Betrug besser hat verstehen lassen.
1. 070 Shake – I Laugh When I'm With Friends But Sad When I'm Alone (prod. by The Kompetition)
Eli Preiss: Als ich die ersten Songs von 070 Shake entdeckt habe, war ich von der Art, wie sie sich ausdrückt, wie ihre Stimme bearbeitet ist und auch die Beats klingen, übertrieben begeistert. Die Musik ist zeitgenössisch, hat aber trotzdem nostalgische Vibes. Für die Playlist habe ich "I Laugh When I'm With Friends But Sad When I'm Alone" gewählt, weil er mich vom Text her am meisten hittet. Ich finde stark, dass sie sich so öffnet. Dass sie lacht, wenn sie bei Freunden ist, aber weint, wenn sie alleine ist, ist einfach eine krasse Aussage. Und würde sie es nicht so real sagen, könnte das auch total corny rüberkommen, aber bei ihr ist das echt und hat mich sofort gecatcht. Auch das COLORS-Video, in dem sie den Song performt, ist richtig stark.
2. CRO feat. Patrice – forrest gump (prod. by CRO)
Eli Preiss: CRO war einer der ersten Musiker, die mir gezeigt haben, dass man deutsche Musik machen kann, die weder unangenehm noch Straße ist. Ich appreciate sowohl Schlager als auch Straßenrap, aber damit kann ich mich in meiner Musik nicht identifizieren. Ohne CRO und auch RIN wäre ich nicht an dem Punkt, an dem ich jetzt bin. In "forrest gump" mag ich eine Stelle ganz besonders: "Und Papa sagte mir: 'Mach lieber was Solides. Irgendwas mit Perspektive statt ausschließlich Kreatives.' Doch mein Spiel war nicht wie ihres, durch die Iris sah ich Ewigkeit." Da bekomme ich jedes Mal Gänsehaut.
3. Billie Eilish – Getting Older (prod. by FINNEAS)
Eli Preiss: In Billie Eilish habe ich mich schon nach ihrem letzten Album "WHEN WE ALL FALL ASLEEP, WHERE DO WE GO?" verliebt, aber dann habe ich das Intro von ihrem neuen Album gehört. Das ist einfach crazy. Ich finde es sehr mutig von ihr, dass sie sich dazu äußert, wie sie sich manchen Fans gegenüber fühlt. Ich kann nachvollziehen, dass es einen verrückt machen kann, wenn einem fremde Menschen mehr Liebe schenken als nahestehende Personen und so viele Details über einen wissen. Millionen Menschen hören ihre Musik und sie traut sich das trotzdem zu sagen. Abgesehen davon sind ihre Sachen wahnsinnig gut gemischt und ich liebe, dass sie so nah am Mikrofon aufnimmt und es dadurch wirklich persönlich klingt. Billie Eilish kann ich auch nicht gut mit anderen hören, das höre ich eher für mich.
4. Snoh Aalegra – Situationship (prod. by P2J)
Eli Preiss: "Situationship" geht für mich immer. Ich liebe einfach Snoh Aalegras Stimme und dass sie jetzt schon wie eine lebende Ikone klingt – was sie sagt, wie sie singt und wie ihre Stimme bearbeitet ist. Außerdem ist es urschön, wie sie als Frau eine sexuelle Story erzählt, ohne vulgär dabei zu werden. "And so many times you and I made love in my mind." Es reizt mich immer wieder, "Situationship" zu hören, obwohl sie kein einziges Mal explizit wird.
5. Julie London – I'm Glad There Is You (prod. by Bobby Troup)
Eli Preiss: So richtig alter Blues und Jazz ohne Bass und 808 lässt mich mich komplett ruhig fühlen. Das höre ich, wenn ich gar nicht mehr weiter weiß oder ängstlich bin. Ich liebe Julie London, aber speziell diesen Song höre ich richtig oft, auch aufgrund einiger Textpassagen. "In this world of overrated pleasures and underrated treasures, I'm glad there is you." Ich mag es, dass in diesen Zeiten alles simpel ausgedrückt und auf den Punkt gebracht wurde. Es gab nicht so viele Metaphern für das, was man sagen wollte, sondern es wurde einfach so ausgedrückt, wie es ist.
6. ABRA – Roses (prod. by ABRA)
Eli Preiss: ABRA ist bisher der größte Einfluss, was meine Musik angeht und ich finde, das merkt man auch, wenn man zum Beispiel mein erstes Album "F.E.L.T." hört. Es ist richtig geil, dass sie ihre Beats selber macht und ihre Lyrics immer mehrere Layers haben. Sie ist das komplette Gegenteil von Julie London, ihre Texte muss man echt oft hören, um alles zu checken. ABRA ist auch auf eine spezielle Art sexy, finde ich. Sie hat eine ganz eigene Art, charmant und attraktiv zu sein – es ist dieses Unkonventionelle, das mich bei ihr catcht. Speziell bei "Roses" mag ich es urgerne, dass sie sagt: "I'm young and I'll waste you away." Und auch dieses Bild mit den Dornen ist nice, um seine Lüste und Liebe zu anderen Menschen zu beschreiben.
7. Christina Aguilera feat. Lil' Kim – Can't Hold Us Down (prod. by Scott Storch)
Eli Preiss: Den musste ich bei dem Thema einfach in die Liste packen. Mit "Can't Hold Us Down" kam ich das erste Mal in meinem Leben mit Feminismus in Berührung, ohne auch nur zu wissen, was das ist – ich weiß noch genau, wie ich das zum ersten Mal im Fernsehen gesehen habe. Ich hatte auch schon davor Frauen singen und rappen gesehen, aber nie so powerful. Später habe ich dann auch gecheckt, was der Text bedeutet und das hat mir einen Weg für meine Musik und wie ich über Frauen denke geebnet. Christina singt zum Beispiel: "The guy gets all the glory, the more he can score while the girl can do the same and yet you call her a whore." Das waren damals so wichtige Worte. Man könnte da aber jede Zeile rausnehmen und zitieren.
8. Dominic Fike – Why (prod. by Dominic Fike, The Roommates)
Eli Preiss: Dominic Fike ist mein erster und einziger Celebrity Crush gewesen. (lacht) Ich habe ihn durch "3 Nights" entdeckt und seitdem habe ich alles gehört, was von ihm rausgekommen ist. Er hat so viel Charme und ich liebe, wie er über Frauen singt. Außerdem wirkt er nicht so glatt gebügelt – vor allem auf "Don't Forget About Me, Demos" ist er noch sehr edgy und mysteriös. Aber ich feier' auch, wie er Sachen ausdrückt. Oft hat das fast schon etwas Naives oder Kindliches. Zum Beispiel singt er auf "Why": "Said the lady with the long legs in the lawn chair. She likes the strings on my guitar neck and my blonde hair." Da habe ich direkt ein Bild vor Augen. Seine Musik gibt mir einfach Leichtigkeit und ist Balsam für die Seele.
9. Brent Faiyaz – Gang Over Luv (prod. by Brent Faiyaz, Nascent)
Eli Preiss: Ich liebe diesen Dude. Ich hatte mal was mit jemandem, der währenddessen "Gang Over Luv" gespielt hat und ich glaube, ich habe mich nur wegen dem Song in die Person verliebt. (lacht) Ich kannte Brent Faiyaz damals noch nicht und war einfach instant verliebt. Ich mag die Harmonies, das Storytelling und wie weich seine Stimme ist. Das Album "Sonder Son" ist meiner Meinung nach auch sein bestes. Man merkt, dass da nicht so viel nachgedacht wurde, das ist Feeling pur.
10. Polo G – Martin & Gina (prod. by Hagan, Kdubb, Thaj Money)
Eli Preiss: Bei "Martin & Gina" finde ich das Storytelling echt gut. Polo G ist zwar jemand, der "Bitch" und sowas sagt, aber bei ihm fühle ich mich irgendwie nicht offended. Es geht in dem Song einfach um diese pure Liebe zu dem Girl und ich finde schön, wie er über sie spricht. Er sagt, dass ihre früheren Typen sie scheiße behandelt haben, er ihren Geruch so liebt und alle von einer Frau wie ihr träumen. Das ist halt seine Art, eine Lovestory zu erzählen. Mir gibt der Song richtig gute Vibes und wenn ich ihn höre, geht es mir danach ein bisschen besser.
11. Ella Fitzgerald – It's Only A Paper Moon (prod. by The Delta Rhythm Boys)
Eli Preiss: Ich habe auf meinem neuen Album einen Song namens "Simulation" und die Ursprünge davon und der Gedanke, dass die Welt eine Simulation sein könnte, kamen unter anderem durch "It's Only A Paper Moon". Sie sagt Sachen wie: "It's only a canvas sky hanging over a muslin tree" oder "It's only a paper moon sailing over a cardboard sea". Einerseits finde ich den Song voll schön, andererseits gibt er mir mit diesen Gedanken aber auch weirde Chills. Mein abschließender Gedanke zu diesem Thema ist immer: Selbst wenn, die Liebe fühlt sich echt an. Und genau das sagt sie mit dem Song ja: Auch wenn die Welt nicht so ist, wie sie scheint, die Liebe, die wir spüren, ist echt und das zählt. Das finde ich sehr schön.
12. The Rolling Stones – Sympathy For The Devil (prod. by Jimmy Miller)
Eli Preiss: Was soll man zu den Rolling Stones schon sagen? Die sind halt Legenden. Ich feier' so gut wie jeden Song von denen – "Missing You" ist zum Beispiel auch richtig baba. "Sympathy For The Devil" habe ich ausgewählt, weil ich das Storytelling genial finde. Mick Jagger erzählt davon, dass er der Teufel ist, auch wenn er das im Song nicht richtig erwähnt und man das nur dem Titel entnehmen kann. Aber so wie er sich darstellt als Teufel, hat man Sympathie mit ihm. Ich mein', wie kann man so eine alte, ernste Geschichte so lässig und cool klingen lassen? Für mich ist das Kunst. Das ist auf jeden Fall krass und ein Klassiker, den man kennen sollte. "Just as every cop is a criminal and all the sinners saints."
13. J. Cole – Kevin's Heart (prod. by Mark Pellizzer, T-Minus)
Eli Preiss: An J. Cole halte ich mich immer fest, wenn ich kurz davor bin, irgendetwas zu machen, weil es gerade einen Hype darum gibt. Ich stand jetzt schon ein paar Mal vor der Entscheidung, ob ich einen nichtssagenden Song mache oder einen Song, der mir etwas bedeutet, und da musste ich immer wieder an ihn denken. "Kevin's Heart" ist eine richtig nice Story, die mir auch ein bisschen Klarheit verschafft hat. Ich wurde selbst betrogen und irgendwie hat mich der Song die Perspektive des Mannes verstehen lassen. Dadurch kann ich ihn nicht immer hören, weil es mich persönlich trifft, aber ich finde ihn sehr gut.
All diese Tracks findet ihr hier in unserer "DIGGEN mit Eli Preiss"-Playlist auf Spotify.
(Yasmina Rossmeisl)
(Foto von Christina Appel)