"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Die Orsons – lange belächelt und doch seit Jahren erfolgreich. Die vier Künstler, die gekonnt ihre individuellen Stile in gemeinsame Werke einfließen lassen, haben ihren bisherigen künstlerischen Peak mit "Orsons Island" erreicht. Doch auch schon auf früheren Releases ließ sich viel von der Erfolgsformel ihres 2019 erschienenen Albums erkennen, die rückblickend wichtige Schritte auf dem Weg der Crew darstellen. So auch auf "Das Chaos und die Ordnung" aus dem Jahr 2012.
Aus dem Album stachen für mich damals besonders die Singleauskopplungen heraus, die den Soundtrack für meine Jugend gebildet haben. Ob Liebeskummer, Feiern mit "Vodka Apfel Z" oder lyrisch wohlverpackter Stumpfsinn – die Themenvielfalt der Platte konnte alles abdecken, was mich mit 16 Jahren bewegt hat. Heute kann ich das Album noch genauso hören, ohne dass die Inhalte an persönlicher Relevanz verloren hätten. Ein Song wie "Horst und Monika", der die Geschichte einer transsexuellen Frau erzählt und von der realen "Monika" als "zynisches Spottlied über transsexuelle Menschen" empfunden wurde, ist zwar eher schlecht gealtert. Doch vor allem durch die Reaktionen der Gruppe – auch die jüngsten, nach denen sie den Song so heute nicht mehr veröffentlichen würden – lassen sich solche Fehltritte leicht verzeihen. Untermalt mit den einzigartigen Orsons-Beats, die schon immer ihren ganz eigenen Vibe vermittelt haben – hier noch in einer poppigeren Variante –, ist "Das Chaos und die Ordnung" eine Platte, die den passenden Song mit passendem Sound für jeden Moment bietet: Melodische Gute-Laune-Kopfnicker finden neben Tuas ausgeklügelten, unverkennbaren Soundexperimenten genauso ihren Platz und fügen sich zu einem homogenen Soundbild zusammen.
Über die Jahre haben sich Die Orsons immer mehr gefunden, bis ihr Erfolg vor drei Jahren den vorläufigen Gipfel erreichte. Wer "Orsons Island" liebt, der sollte auch dem Weg der Band bis dorthin in Form von "Das Chaos und die Ordnung" eine Chance geben und das Album lieben lernen.
(Michelle Lusa)