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Adventskalender

Who sampled who? – Türchen #12: "Fuffies im Club" von Sido

Samples gel­ten seit jeher als ele­men­ta­rer Bestand­teil der HipHop-​Kultur. In unse­rem Advents­ka­len­der bli­cken wir hin­ter die Fas­sa­de von 24 deut­schen Rap­tracks und decken ihre Samples mit der dazu­ge­hö­ri­gen Geschich­te auf. Heu­te: Wel­ches Sam­ple ver­birgt sich hin­ter "Fuf­fies im Club" von Sido?

Schon seit die HipHop-​Kultur noch in den Kin­der­schu­hen steck­te, sind Samples ein essen­zi­el­ler Teil von ihr. Von alten Klas­si­kern bis hin zu aktu­el­len Chart­hits las­sen sich in unzäh­li­gen Songs Ele­men­te aus bereits exis­tie­ren­den Wer­ken fin­den. Wem erging es noch nicht so, dass er beim Musik­hö­ren über einen bekann­ten Sound gestol­pert ist und sich dar­auf­hin den Kopf über des­sen Her­kunft zer­bro­chen hat? Oft beginnt damit eine span­nen­de Suche nach der Ori­gi­nal­auf­nah­me quer durch die Musik­his­to­rie. Aus die­sem Grund stel­len wir uns in unse­rem dies­jäh­ri­gen Advents­ka­len­der die Fra­ge "Who sam­pled who?" und öff­nen täg­lich ein neu­es Tür­chen: Wir prä­sen­tie­ren Euch 24 ver­schie­de­ne deut­sche Rap­songs und betrach­ten die Samples, wel­che sich dar­in verbergen.

 

 

In der Advents­zeit sehen sich vie­le von uns gezwun­gen, den nicht enden wol­len­den Geschich­ten älte­rer Fami­li­en­mit­glie­der lau­schen zu müs­sen. Da ist es dann also auch nur halb so schlimm, wenn ich mir selbst ein wenig wie der Opa vor­kom­me, der vom Krieg erzählt, wenn ich heu­te noch über "Mas­ke" rede. Also setzt euch, ihr Jung­spun­de, nehmt euch einen But­ter­keks und hört brav zu!

2004: Rap, wie wir ihn heu­te ken­nen und (hass-)lieben, steck­te noch in den Kin­der­schu­hen. Ich selbst hat­te weder Ahnung von Sam­pling noch von der alten Schu­le – und brauch­te sie in die­sem Fall auch gar nicht. Denn der Ver­wen­dung von Sam­ple und Text im Intro von "Fuf­fies im Club" – bei­des aus dem 1995 über MZEE Records erschie­ne­nen "Spü­re die­sen Groo­ve" von MC Rene – liegt wohl kei­ne all­zu tie­fe Bedeu­tung zugrun­de. Viel eher war es ein von Roe Bear­die, der nicht nur den Original-​Track, son­dern eben auch "Mas­ke" pro­du­zier­te, geschickt plat­zier­tes Ver­satz­stück, um das Sido-Nar­ra­tiv zu unter­mau­ern. Aggro Ber­lin insze­nier­te sein Zug­pferd seit jeher als den groß­mäu­li­gen Stra­ßen­jun­gen, der es irgend­wie auf rote Tep­pi­che schaff­te, ohne zu wis­sen, wie man sich dort benimmt. Statt­des­sen protzt und pöbelt er flei­ßig, ins­be­son­de­re gegen das liebs­te Opfer der neu­en, har­ten Ber­li­ner Sze­ne: die alte Schu­le. Blu­men­topf, Freun­des­kreis, die Fan­ta Vier – wer zum alten Eisen gehört, wird gedisst. Ein­fach, weil man ein grund­sätz­lich ande­res Ver­ständ­nis von Inhal­ten und dem Image als Rap­per hat. Und was läge da näher, als sich einen fast zehn Jah­re alten Track zu neh­men, auf dem einer die­ser Old­schoo­ler von See­len­wan­de­rung und "Stimulations-​Ionen" redet, und den prollig-​protzigsten Track der eige­nen Dis­ko­gra­phie dahin­ter­zu­klem­men? Wenn also über­haupt ein Grund dahin­ter­steck­te, die Hörer vor dem Wer­fen von Fünf­zi­gern den Groo­ve spü­ren zu las­sen, dann ein­fach um klar­zu­ma­chen, dass Sido dar­aus längst sei­nen ganz eige­nen Groo­ve gemacht hat.

Aber Sido wäre nicht Sido, wenn das alles natür­lich von vorn bis hin­ten mit einem ganz gro­ßen Augen­zwin­kern abge­lau­fen wäre. In den Fol­ge­jah­ren gab es Fea­tures und ander­wei­ti­gen Sup­port von und mit Rene und nie wirk­lich böses Blut. Fast ein wenig so, als wäre die dama­li­ge Gal­li­ons­fi­gur der neu­en, har­ten Rap­sze­ne der ver­hass­ten Old­school in Wahr­heit gar nicht so unähnlich.

(Dani­el Fersch)
(Gra­fik von Dani­el Fersch)