DIGGEN mit Hombre SUK
Das erste Konzert, das man ohne Eltern besuchen durfte. Nachts alleine auf der Autobahn und den gleichen Song immer und immer wieder hören, weil man nicht fassen kann, wie gut er ist. Der Track, den man mit den Freunden von früher laut grölend auf jeder Party mitgesungen hat. Vermutlich kennt jeder Mensch diesen Moment: Es läuft ein bestimmtes Lied oder Album, das einen direkt emotional in eine Situation zurückversetzen kann, nostalgisch werden lässt oder einfach nur aufgrund seiner Machart immer wieder zum Staunen bringt. Und genau darum geht es in unserem neuen Format "DIGGEN mit …". Wir diggen mit verschiedenen Protagonist:innen der Szene in ihren gedanklichen Plattenkisten und sprechen über Musik, die diese Emotionen in ihnen auslöst. Dafür stellen unsere Gäste jeweils eine eigene Playlist mit Songs zusammen, die sie bewegen, begeistern und inspirieren.
Für unsere dritte Playlist stellte der Writer Hombre SUK Songs zusammen, die er gerne beim Malen und Arbeiten hört. Da der Mannheimer im Herzen ein 90er-Rapkind ist, wurde es ein wenig nostalgisch und wir haben über East Coast-Rap aus dieser Zeit sowie Hombres Weg in die HipHop-Kultur gesprochen. Ungeachtet dessen geht er aber einfach danach, was ihm gefällt. So begeistern ihn auch Pop-Elemente – trotz seiner klassischen HipHop-Sozialisation durch Jams und Jugendzentren. Außerdem erklärte er, wieso er die Musik von Jay-Z erst spät für sich entdeckte und welches Album eine ganze Epoche für ihn prägte.
1. Jay-Z – 99 Problems (prod. by Rick Rubin)
Hombre SUK: Es gab diesen großen Jay-Z und Nas-Beef und ich habe mir immer einreden lassen, dass man sich für eine Seite entscheiden muss. Deswegen habe ich ziemlich lange keine Musik von Jay-Z gehört. Der war für mich ja der Böse. (lacht) Rückblickend bin ich allerdings fast happy darüber, weil ich so sechs Alben hatte, die ich nachhören und feiern konnte. Jay-Z ist einfach ein großartiger Musiker, selbstverständlich auch ein großartiger Geschäftsmann und ich glaube, er ist ebenfalls ein toller Mensch. Der hat schon viel richtig gemacht. Das Video zu "99 Problems" war eine Blaupause, was 2000er-Musikvideos angeht. Es ist eine Mischung aus Representer- und Poser-Video, aber hat diese geilen High-End-Aufnahmen – wie die Kinder, die auf die Matratze springen.
2. Lupe Fiasco feat. Jay-Z – Pressure (prod. by Prolyfic)
Hombre SUK: Dieser Song hat mich komplett über den Beat gecatcht. In den 90ern gab es viele Cartoon-Serien, die einen Manga-Einfluss hatten, wie zum Beispiel "Bravestarr". Und das Adlergeräusch am Anfang des Beats erinnert mich an diese Serien. Irgendwann habe ich Lupe Fiasco aus den Augen verloren, aber das erste Album fand ich durch und durch nice. Das war vom Sound geil und ich mochte auch das Cover sehr. "Lupe Fiasco's Food & Liquor" war nicht nur ein Hype-Ding, sondern ist auch gut gealtert. Ich finde das heute noch cool.
3. Nas feat. Ms. Lauryn Hill – If I Ruled The World (Imagine That) (prod. by Poke and Tone)
Hombre SUK: Auch wenn viele früher gesagt haben, dass Jay-Z die besseren Beats pickt, fand ich immer Nas geiler. Als ich dann später die Texte verstanden und nachrecherchiert habe, mochte ich ihn sogar noch mehr. Es heißt ja immer, dass "Illmatic" sein bestes Album ist, aber "It Was Written" war mein "Illmatic" und Einstieg zu Nas. Diese CD lief schon morgens vor der Schule durch und dann wieder abends beim Skizzenmachen. Das war ein Sound, der mich über einen langen Zeitraum extrem geprägt hat. "If I Ruled The World" ist sicher einer der poppigsten Songs auf dem Album, aber man kriegt mich mit Pop. Und das Feature ist heute noch geil, keine Frage. Bei so mancher Musik schämt man sich inzwischen fast, dass man sie mal gefeiert hat, aber das geht immer noch genauso gut.
4. Joell Ortiz – 125 Part 4 (Finale) (prod. by Frank Dukes)
Hombre SUK: Joell Ortiz war irgendwie nie kommerziell erfolgreich, obwohl er populär war. In meiner Wahrnehmung ist er aber ein richtiger MC. Die Bilder, die er malt, spiegeln dieses New Yorker Feeling wider. Es gab immer das Battle zwischen den bunten Plastik-Produktionen und den Realkeeper-Dingern. Und auf "Hip Hop" schießt er auch mit "Accidentally step on your white sunglasses" gegen Kanye, der parallel dazu "Stronger" und so herausgebracht hat. Ich hatte damals eine Phase, in der mich diese Working Class Hero-Mentalität unglaublich berührt hat. Und auch wenn ich die ersten Kanye-Alben nicht feier', habe ich ihn damals ungerechtfertigt gehatet. Weil ich einfach für die Kleinen war. Das fand ich richtig und wichtig.
5. PaceWon & Mr. Green – Who I Am (prod. by Mr. Green)
Hombre SUK: Es gibt vielleicht fünf Alben, die eine ganze Epoche für mich geprägt haben. "The Only Color That Matters is Green" ist eines davon. Ich verbinde das krass mit einer Zeit, in der ich mich zum ersten Mal als aktives Mitglied dieser Kultur gefühlt habe. Davor war ich Konsument und plötzlich habe ich mitgestaltet. Nicht auf eine großkotzige Art und Weise. Ich habe meinen Teil dazugegeben, nachdem ich etwas von der Kultur gelernt hatte. Und es ist natürlich völlig egal, wie man sich anzieht, aber auch das prägt einen. Wenn du damals jemanden mit 1er Air Max gesehen hast, war das zu 90 Prozent auch ein Maler. Das ist vielleicht nicht wichtig, aber es gibt dir ein Zugehörigkeitsgefühl. Es ist mehr oder weniger wie eine Uniform. Während dieser Phase hat sich dieses Album in meinen damaligen Soundtrack integriert und ich habe es im Loop gehört. Es ist voll mit Anekdoten, die eine Brücke schlagen. PaceWon & Mr. Green erzählen ihre Geschichte und man erkennt sich darin wieder. Das hat sich gut angefühlt.
6. N.E.R.D feat. Vita & Lee Harvey – Lapdance (prod. by The Neptunes)
Hombre SUK: Gefühlt alles, das zwischen Ende der 90er und 2010 geil war, haben The Neptunes produziert. Mein ehemaliger Nachbar kannte sich echt gut aus und hat mir dann gezeigt, dass sie auch ein eigenes Projekt haben: N.E.R.D. Er hat mir die CD besorgt, ich bin nach Hause gerannt, habe sie eingelegt und war richtig enttäuscht. Ich fand es total beschissen und habe es nicht mal ganz gehört. "In Search of…" lag dann erst mal ein Jahr rum, bis ich es noch mal angehört habe. Plötzlich fand ich das unendlich geil, weil es so anders war. Es trägt diese Leichtigkeit in sich. Den Lifestyle, der in meinem Kopf damit einherging, habe ich auf einmal gefeiert und gefühlt.
7. Busta Rhymes – Break Ya Neck (prod. by Dr. Dre, Scott Storch)
Hombre SUK: Das Album "Genesis" ist für mich der Peak seiner Karriere. Da hat er abgeliefert. Es hat diese Balance zwischen Pop und Rap, die ich mag. Die Sachen, die danach kamen … Puh, schwierig. Im Grunde hat er sich damit vom Thron gestürzt. Wenn jemand davor solche Classics gemacht und seine Legacy in Stein gemeißelt hat, stellt sich halt die Frage: Kann man ein paar geile Alben mit vielen miesen Alben zerstören? Das macht die Sachen davor ja eigentlich nicht schlechter. Ich bemühe mich, das separat zu betrachten, aber ich bin auch nur ein Mensch. Das ist vielleicht unfair, weil er geile Sachen gemacht hat, doch sowas verwässert natürlich ein bisschen das Gesamtbild.
8. Mac Miller – Nikes On My Feet (prod. by Black Diamond)
Hombre SUK: Ich habe Mac Miller eine Weile nicht so verfolgt und war da nie nah dran, aber letztens wollte ich mir mal wieder eine Playlist mit seinen Songs zum Autofahren zusammenstellen. Die halbe Playlist besteht quasi aus "K.I.D.S.". Dieses Mixtape hat so einen lockeren und unbefangenen Grundvibe, der einfach cool ist. Die Beats sind vielleicht überholt, aber inhaltlich spiegelt es so schön diese Phase zwischen Jugend und Erwachsenwerden wider … als würde dir jemand aus seinem Tagebuch vorlesen. Der hat da auch so Bock auf Musik. Ich habe ihm gerne zugesehen, weil er immer echt und sympathisch war.
9. Big Pun feat. Joe – Still Not a Player (prod. by Knobody)
Hombre SUK: Den Impact, den Big Pun hatte, habe ich damals leider nicht gesehen und ich glaube, das Latino-Ding war mir auch nicht so bewusst. Ich mochte einfach seine Stimme und seinen Flow. Das Album ist nicht so meins, aber der Song gefiel mir auf jeden Fall. Das hat man gehört, als die ersten Freunde ihren Führerschein hatten und man mit dem Auto rumgefahren ist. Mit "Still Not a Player" verbinde ich so ein schönes Jugendgefühl.
10. Dilated Peoples – This Way (prod. by Kanye West)
Hombre SUK: "This Way" ist so relaxt und unangestrengt. Es ist reflektiert, ohne dabei anstrengend zu werden und nach Unterricht zu klingen. Das ist wie mit Credibil: Der erzählt dir eine Geschichte und dabei lernst du noch etwas. Wenn man Bock drauf hat, kann man etwas mitnehmen und wenn Bildung so unterschwellig passiert, kann sie auch richtig Spaß machen. Da werden Samen eingepflanzt, aus denen etwas wachsen kann. Doppelt geil, wenn Musiker so etwas schaffen. Dann habe ich da auch Bock drauf.
All diese Tracks findet ihr hier in unserer "DIGGEN mit Hombre SUK"-Playlist auf Spotify.
(Yasmina Rossmeisl)
(Foto von Dominik Strunz)