Melancholie ist ein Gefühl, das den meisten vertraut sein dürfte. Definiert ist sie als ein von großer Niedergeschlagenheit, Traurigkeit oder Depressivität gekennzeichneter Gemütszustand. Dennoch erlebt sie jede:r unterschiedlich. Für die einen äußert sie sich als Vorstufe von Trauer, andere erleben sie als positives Gefühl, das mit Nostalgie Hand in Hand geht – und wieder andere haben ihre ganz eigenen Erfahrungen damit gesammelt. Donato behandelt Melancholie und verwandte Gefühle schon seit vielen Jahren in seiner Musik und erzählt Geschichten, die die Hörer:innen an seinen ganz persönlichen Empfindungen teilhaben lassen. Auf seinem aktuellen Album "Anarco" macht er seine Selbstfindung und Entwicklung zum Thema, berichtet von seiner Kindheit, Freundschaften und Verlust. Die melancholische Grundstimmung zeigt sich in verschiedenen Emotionen wie Traurigkeit, Sehnsucht und Wut. Aber auch nostalgische Gefühle, die sich auf positive Weise äußern, spielen eine wichtige Rolle. Wir haben all das zum Anlass genommen, mit Donato über seine persönliche Definition von Melancholie und ihre verschiedenen Facetten zu sprechen. Außerdem ging es im Interview um die lange Pause von sieben Jahren zwischen seinem letzten Langspieler und dem aktuellen, seinen künstlerischen Schaffensprozess und Melancholie in der Kunst allgemein.
MZEE.com: Wir haben zum Einstieg ein Zitat von Sigmund Freud mitgebracht: "Die Melancholie ist seelisch ausgezeichnet durch eine tiefe schmerzliche Verstimmung, eine Aufhebung des Interesses für die Außenwelt, durch den Verlust der Liebesfähigkeit, durch die Hemmung jeder Leistung und die Herabsetzung des Selbstgefühls, die sich in Selbstvorwürfen und Selbstbeschimpfungen äußert und bis zur wahnhaften Erwartung der Strafe steigert." – Entspricht das deinem Verständnis von Melancholie?
Donato: Ich find' das Zitat ein bisschen zu heftig. Wenn ich das richtig verstanden habe, nimmt Melancholie aus Sigmund Freuds Sicht die Fähigkeit, zu lieben. Ich finde: Wenn man Melancholie zum Beispiel bei einer Art von Liebeskummer empfindet, kann man trotzdem noch lieben. Natürlich tut das weh, aber ich empfinde das immer noch. Vieles von dem anderen, was er gesagt hat, stimmt schon, aber speziell der Punkt ist mir gerade hängengeblieben. Das sehe ich ein bisschen anders. Das Zitat wird auch ein paar Jahre alt sein. Möglicherweise gibt's da auch aktuellere, treffendere Definitionen. Was er sagt, klingt sehr nach Verzweiflung. Für mich ist Melancholie schon eher weich. So weich, dass man sich teilweise darin gefallen kann, ohne krank verzweifelt zu sein. Trotzdem kann man auch auf eine schöne Weise traurig sein.
MZEE.com: Verschwimmen Melancholie und Trauer für dich oder gibt es zwischen diesen Gefühlen eine Grenze?
Donato: Es geht schon ineinander über, glaube ich. Wenn ich melancholisch bin, bin ich auch traurig. Nicht nur traurig, aber wie du schon sagst, das verschwimmt ein Stück weit. Klar, wenn der Traueranteil zu groß wird, dann kann eine Melancholie auch sehr schmerzhaft werden, aber teilweise mag ich diese Stimmung einfach. Wenn ich abends einen Wein trinke und melancholische Musik höre, dann bin ich nicht zwangsläufig traurig. Das gehört für mich nicht zwingend zusammen, aber die Übergänge sind sicherlich fließend.
MZEE.com: Warum schätzen Menschen deiner Meinung nach melancholische Musik?
Donato: Ich könnte mir vorstellen, dass sie sich ein Stück weit von der Musik abgeholt fühlen. Dass sie vielleicht das Gefühl haben, gerade nicht mit ihren Emotionen und ihrer Melancholie alleine zu sein. Und einfach das Gefühl, das sie gerade in sich haben, bestärken und auch verstärken. Was meine Musik angeht, würde ich behaupten, dass sie einigermaßen melancholisch ist. Da krieg' ich immer wieder das Feedback, dass die Leute sich verstanden fühlen, speziell von den Texten, weil es sonst keinen gibt, der das so für sie aussprechen kann. Das gibt ihnen auch neuen Mut, weiterzumachen und sich nicht unterkriegen zu lassen. Ich selbst höre viel isländische Sachen, die ich sprachlich natürlich überhaupt nicht verstehe, aber die ich halt fühle. Darüber kann ich meine eigene Melancholie ausdrücken.
MZEE.com: Würdest du also sagen, dass es unterschiedliche Aspekte von Melancholie gibt, die mal durch Musik, mal durch Text besser ausgedrückt werden?
Donato: Absolut. Musik und Text spielen ja eh immer ein bisschen zusammen. Ich würde auf einem melancholischen Beat jetzt keinen fröhlichen Text droppen. Aber klar, du kannst auch Instrumentalmusik machen, die melancholisch ist. Ich habe eine ganz gute Bekannte, Clara Louise, die Gedichtbände und auch Musik macht. Sie war unter anderem mit Glashaus auf Tournee, wo ich sie kennengelernt hab'. Das ist dann wieder eine andere Form. Melancholie in Textform, bei der sich viele Leute abgeholt fühlen. Oder eben in instrumentaler Form. Ólafur Arnalds hör' ich total gerne, da gibt's ganz selten Vocals. Ich schaue auch gerne melancholische Filme. Ich bin großer Fan von "Joker". Den finde ich brutal melancholisch. Es gibt in der Kunst sicherlich ganz viele Ausdrucksformen von Melancholie.
MZEE.com: Vor Kurzem hast du dein Album "Anarco" veröffentlicht, zuvor erschien "Enzo". Zwischen den beiden Alben liegen etwa sieben Jahre. Was ist in der Zwischenzeit passiert? Gibt es Gründe, warum du dir so viel Zeit gelassen hast?
Donato: Das war nicht geplant. Ich hab' nach "Enzo" recht zeitnah viele neue Geschichten angefangen. Ich war mir relativ sicher, dass es mit einer neuen Platte schnell gehen würde, weil ich sehr produktiv war. Aus den unterschiedlichsten Gründen hat es dann aber nie funktioniert. Ich wollte einen roten Faden reinbringen, aber hab' dann angefangen, mal hier und mal da 'nen Beat zu picken. So hat das alles dann nicht zusammengepasst. Ich wollte erst ein Mixtape machen, bei dem ich mich selbst nicht so unter Druck setze, textlich abliefern zu müssen. Sondern einfach das machen kann, worauf ich gerade Bock hab'. Ich habe das aber relativ schnell wieder verworfen, weil das auch ganz viel Aufwand ist, mit vielen Leuten zusammenzuarbeiten, und weil ich wieder ein richtiges Album machen wollte. Ich habe dann mit Chakuza an einem Album gearbeitet. Wir waren zusammen auf Tour und haben uns sehr gut verstanden. Er hat angefangen, das Album für mich zu produzieren, aber seine eigenen Projekte und verschiedene Veränderungen kamen immer wieder dazwischen, sodass auch dieses Projekt ins Wasser gefallen ist. Ich brauchte danach einen Reset-Knopf, um das, was ich teilweise schon erarbeitest hatte, zu einem funktionierenden Gesamtpaket schnüren zu können. Ich hab' dann mit Screwaholic gesprochen, den ich 2003 im MZEE Forum kennengelernt habe. Wir haben uns zusammengesetzt und ganz viel geschrieben. Er hat geguckt, ob man Sachen aus den alten Sessions verwerten und weiterentwickeln kann, ich habe viel Neues gemacht. Und das Ergebnis ist jetzt "Anarco", bei dem er der Hauptproduzent ist.
MZEE.com: Du hast vorhin schon angerissen, dass du deine eigene Musik als melancholisch bezeichnen würdest. Was empfindest du dabei, wenn du traurige Musik machst?
Donato: Eine gewisse Form von Befreiung. Ich kann mich da richtig hineinsteigern. Ich sag' das immer wieder: Die Musik ist mein Ventil. Wenn ich scheiße drauf bin oder ein bestimmtes Gefühl konservieren muss, dann schreibe ich. Zumindest war das früher so. Im Moment kann ich das nicht mehr, ich habe das ein bisschen verloren. Aber eigentlich ist das mein Ventil. Der Songtext ist sozusagen die Plattform, auf der ich das alles ungefiltert rauslassen kann. Und zwar, ohne dass ich das Gefühl haben muss, dass das einer Wertung unterzogen wird oder man mir Ratschläge geben will. Während ich schreibe, merke ich das schon. Man hat irgendwie das Gefühl, aus diesem Rucksack, den man trägt, fallen immer weiter Steine raus. Das ist auch ein sehr melancholischer Prozess. Es ist nicht so, dass ich mir denke: Boah geil, ich bin jetzt wieder voll happy, weil ich mir das jetzt von der Seele geschrieben habe. Ich kann das auf eine künstlerische, spielerische Art auskosten. Danach geht's mir einfach besser. Im Idealfall kommt dabei etwas rum, was Leuten da draußen hilft, mit ihren Gefühlen klarzukommen, die aber nicht so ein Ventil wie ich haben.
MZEE.com: Fällt es dir leicht, persönliche und intime Sachen an die Öffentlichkeit zu tragen?
Donato: Es war noch nie so schwer wie bei diesem Album. Vielleicht, weil es aus meiner Sicht mein persönlichstes Album ist, obwohl die anderen auch schon relativ persönlich waren. Aber ich hatte bei ganz vielen Songs Bedenken. Ich hab' einen Song, auf dem ich über meine Familie spreche, "311082". Den habe ich meiner Mutter irgendwann geschickt und sie meinte, das wäre das schönste Geschenk. Sie hat aber trotzdem gefragt, ob ich mir sicher bin, dass das so war. Ich erzähle auf diesem Song Geschichten aus der Perspektive meines 13-jährigen Ichs. Ich habe das damals so erlebt. Für ein Kind ist ja alles drei Nummern größer als für einen Erwachsenen. Wenn man jetzt zurückschaust und darüber nachdenkt, wie man als Erwachsener reagiert hätte, dann war alles nicht so schlimm. Wenn du aber so zwölf, dreizehn Jahre alt bist, ist ein Streit zwischen den Eltern bedrohlicher mit 37 Jahren. Da kann ich jetzt reingehen und sagen: "Chillt euch mal." Aber in dem jungen Alter hast du existenzielle Ängste, weil du ja auf diese Menschen angewiesen bist. Deswegen ist manches rückblickend auch überspitzt oder man kann nicht mehr nachvollziehen, warum das eigentlich so schlimm war. Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Was Leute, die mich nicht kennen, sagen, ist für mich gar nicht so relevant. Ich hab' eher das Gefühl vor Augen, dass es vielleicht Leuten hilft, die das so ähnlich erlebt haben. Was denken die Leute, die ich vielleicht auch damit beschreibe? Habe ich das korrekt wiedergegeben? Wenn ich wie im Song "Marco" andeute, dass ich leicht suizidal war, hat das eine andere Qualität. Wenn das Album nicht schon im Presswerk gewesen wäre, hätte ich den Song im Nachhinein vielleicht noch runtergenommen. Aber so unterm Strich ist alles cool, da hat keiner was gesagt.
MZEE.com: Du steigst in das Album mit dem Titelsong "Anarco" ein, der wütender klingt als das restliche Album. Wolltest du der Platte so einen zornigen Grundton verleihen?
Donato: Grundton würde ich so gar nicht sagen, es ist eher eine Klammer. Zumindest war es so gedacht. Anarco ist quasi der wütende Marco. Er verarbeitet zum einen das, was musikalisch in den letzten sieben Jahren schiefgelaufen ist, aber ich bekämpfe auch die inneren Stimmen, die sagen, dass ich es eh nicht gebacken kriege. Und dann schließt das Album mit dem Song "Marco", auf dem ich vom Anarco zum Marco, zum persönlichen Künstler werde. Vielleicht ist es eine Art Reise vom extrinsisch geprägten Dude, der gerade wütend auf die Welt und die inneren Dämonen ist, immer mehr zu sich hin. Der Höhepunkt "Marco" ist auch das persönlichste Stück auf der Platte.
MZEE.com: Würdest du sagen, dass du dich von negativen Gefühlen wie Wut und Traurigkeit freimachen willst?
Donato: Ja, absolut. Das ist aber ein daily struggle und es ist total schwierig, mit negativen Gefühlen umzugehen. Ich bin da auf einem ganz guten Weg und habe ein bisschen die Befürchtung, dass ich irgendwann nichts mehr zu erzählen hab', weil meine Musik sehr davon profitiert, dass ich wütend, traurig oder melancholisch bin. Gerade bei dem Album und speziell beim ersten Song ist das sicherlich ein Faktor.
MZEE.com: Du bist nicht nur Rapper, sondern auch als Fotograf aktiv. Musik und Fotografie fangen unterschiedliche Aspekte von Melancholie ein. Welche werden für dich besser durch Musik beziehungsweise mit Fotografie erfasst?
Donato: Erst mal sind das völlig unterschiedliche Kunstformen, die sich schwer vergleichen lassen, auch wenn du mit beiden ähnliche Gefühle darstellen kannst. Ich kann das gar nicht genau erklären, weil das bei mir automatisch passiert. Ich gehe nicht hin und sage, dass ich ein melancholisches Lied machen will. Das fängt schon bei der Beatauswahl an. Melancholische Instrumentals gefallen mir besser als die "Mörderbrecher". Dadurch, dass ich in beiden Disziplinen meine Persönlichkeit einbringe, wird es automatisch melancholisch, ohne dass ich das bewusst steuern würde. Natürlich versuche ich, das dann durch den Text oder Posing in der Fotografie zu unterstreichen. Aber es ist eigentlich nie eine bewusste Entscheidung für Melancholie. Unterm Strich bin das einfach ich, der sich da ausdrückt. Dann passiert das von alleine. Ich finde auch, dass kalkulierte Melancholie, so ein bewusstes Auf-die-Tränendrüse-drücken, nicht funktioniert. Wenn es kein echtes Gefühl ist, das man auf dem Song oder Foto entwickelt, kommt es auch beim Hörer oder Betrachter nicht an.
MZEE.com: Ich habe auch das Gefühl, dass man sich durch melancholische Musik bewusst in so eine traurige Stimmung bringen kann.
Donato: Unbedingt. Wenn ich merke, dass es zu viel Melancholie ist und ich mich beruhigen muss, mache ich sofort Reggae an. Dann verspüre ich automatisch wieder good vibes, weil das irgendwann kippt. Ich genieße Melancholie oft, aber manchmal erwische ich mich dabei, einen Radiohead-Song zu viel zu hören. Dann versuche ich, das zu stoppen. Aber ja, wenn du als Hörer etwas zu verarbeiten hast, hilft das total, da noch mal reinzufühlen. Dann tut es vielleicht noch mal kurz mehr weh, aber wenn du dann am nächsten Morgen aufwachst, hat's vielleicht geholfen.
MZEE.com: Wir möchten noch über eine Zeile aus deinem Song "Bei Nacht" sprechen: "So weit die Reifen mich tragen, den Akku laden bei Nacht, auf Landstraßen, Autobahnen fahren bei Nacht." – Aus meiner Sicht vermittelt das eine Art positive Melancholie. Gibt es so etwas für dich?
Donato: Ich glaube, das hab' ich am Anfang versucht zu erklären. Dass Melancholie für mich per se ja nicht immer nur Trauer ist, sondern dass ich da auch durchaus eine gewisse Gemütlichkeit fühlen kann, wenn die Melancholie nicht durch einen Liebeskummer oder etwas in die Richtung bedingt ist. Wenn man so ein bisschen fertig vom Tag nach Hause kommt und an etwas Schönes zurückdenkt, wird man auch melancholisch, aber auf eine schöne Weise. Wenn ich diesen Song nehme und mich daran erinnere, wie ich nachts um ein Uhr durch die Straßen oder über die Autobahn mit melancholischer Musik fahre, dann ist das für mich auch schön. Ich bin zwar nicht fröhlich, aber es ist ein Wohlfühlklima. Wenn es zum Beispiel draußen regnet, dann setze ich mich gerne mit einer Decke auf den Balkon. Objektiv betrachtet ist es zwar schweinekalt, aber subjektiv betrachtet ist es voll gemütlich. Aber keiner würde sagen, dass das sein Lieblingswetter ist. Das ist so eine leichte Form der Melancholie, die ich auch suche und genieße.
MZEE.com: Du hast gesagt, in einer melancholischen Stimmung erinnert man sich auch häufig an Vergangenes. Ich finde, dass das oft Gefühle von Nostalgie auslöst. Was sind für dich Parallelen beziehungsweise Unterschiede zwischen Melancholie und Nostalgie?
Donato: Das eine schließt das andere nie aus. Ich werde oft melancholisch, wenn ich nostalgisch bin. Für mich ist das eine ähnliche Gefühlsgattung. Ich hab' sehr viele nostalgische Momente auf dem Album, in denen ich über die Familie, Jugend und Kindheit oder den besten Jugendfreund spreche – wie auf "Ich wart auf dich". Das ist bei mir automatisch immer ein Stück weit nostalgisch. Auf meinem Track "Der Ruhrpott ist unendlich" würde ich das aber unterscheiden. Da bin ich zwar nostalgisch, aber nicht melancholisch. Im Grunde genommen, wenn ich mich persönlich als Maßstab sehen würde, geht Nostalgie ohne Melancholie fast nie. Deswegen sehe ich da sehr viele Gemeinsamkeiten.
MZEE.com: Wobei mich Erinnerungen an früher auch glücklich machen können.
Donato: Das kommt wahrscheinlich darauf an, worauf du konkret zurückschaust. Da ich eher melancholisch bin, schaue ich wahrscheinlich auch eher auf Momente zurück, die damals traurig waren, oder Zeiten, die ich mir nach heute wünsche, die aber vorbei sind. Deswegen ist es bei mir wahrscheinlich so, dass die Nostalgie immer melancholisch ist. Wenn du aber jetzt sagst, du erinnerst dich gerne an positive Dinge, ist es eher so, dass du Nostalgie strikter von Melancholie trennen kannst. Meine Kindheit war nicht dramatisch schlecht, aber bei mir sind die schwierigen Dinge hängengeblieben. Daran kann ich mich besser erinnern als an die Momente, in denen ich glücklich war. Deswegen mache ich kaum bis gar keine Musik, wenn ich glücklich bin, weil ich dann einfach das Leben genieße. Aber ich vergesse dann am nächsten Tag auch, dass ich es gestern genossen hab'.
MZEE.com: Aber warum hast du dann zum Beispiel auch Liebeskummer, wenn Liebe doch etwas Positives ist?
Donato: Für mich ist Liebeskummer das klassische Beispiel für das Zusammenspiel von Melancholie und Nostalgie. Wenn ich Liebeskummer hab', will ich doch etwas wiederhaben, was schön war, aber jetzt nicht mehr da ist. Mir würde es schwerfallen, zu sagen, dass die Zeit so schön war, und mich dann darüber zu freuen. Denn diese Zeiten sind nicht mehr da. Ich hatte Liebeskummer so noch nicht. Bei Freundschaft geht das eher, dass man sagt: "Wir hatten zehn richtig geile Jahre, wir haben uns ganz lange nicht gehört, lass uns das doch wieder anpacken." Da verstehe ich das voll, aber bei Liebeskummer tut das vor allem weh, weil man da keinen Einfluss drauf hat. Du kannst ja immer zu 'nem Freund gehen, von dem du dich auseinander gelebt hast und sagen: "Was ist denn da eigentlich passiert damals?" Da hast du relativ große Chancen, dass der andere sich da selbst nicht mehr sicher ist und vielleicht alles wieder cool wird. Aber wenn du bei Liebe weißt, dass der andere dieses Gefühl einfach nicht erwidert, macht dich das so ohnmächtig. Da ist es schwierig, positiv zu bleiben.
MZEE.com: Du hast gesagt, dass Menschen oft ihre persönlichen Erfahrungen und Gefühle mit dir teilen, weil deine Musik so viel in ihnen auslöst. Wie empfindest du das, wenn du dieses Feedback bekommst?
Donato: Das ist zweigeteilt. Einerseits Riesenstolz, weil es schon eine große Auszeichnung ist, dass Leute sich mir so anvertrauen. Es gibt wirklich auch Leute, die gesagt haben, dass sie ohne meine Musik vielleicht gar nicht mehr leben würden. Andererseits bürdet dir diese extreme Form eine gewisse Verantwortung auf. Du wirst zumindest ein Stück weit mit dafür verantwortlich gemacht, dass derjenige sich nichts angetan hat. Das fühlt sich sehr kompliziert an. Auf der einen Seite denkst du, wie toll es ist, was deine Musik bewirken kann ist. Und auf der anderen Seite bist du unendlich traurig, weil es dem Mensch da drüben so geht und du eigentlich trotzdem nichts machen kannst. Klar, du machst deine Musik und sie hilft ihm. Aber eigentlich willst du ihm zurufen, dass er sich Hilfe suchen soll und alles gut wird. Das ist eine Verantwortung, der ich nicht gerecht werden kann, weil ich nur meine eigenen Probleme konserviere und habe. Es gibt auch ganz viele Leute, die mich nach psychologischem Rat fragen. Da will ich freundlich sein und gut antworten, aber die Wahrheit wäre, zu sagen: "Ich bin selbst krank, sonst würde ich diese Musik nicht machen. Warum soll ich dir helfen können? Ich hab' selbst diese Scheiße, mit der ich dealen muss. Ich kann mich selbst nicht aufbauen, wie soll ich jetzt dich aufbauen?" Das kann ich nicht leisten. Dafür ist die Musik da, da können sich die Leute etwas draus ziehen.
MZEE.com: Wenn du noch etwas loswerden willst, die letzten Worte gehören dir.
Donato: Vielen Dank für die Einladung! MZEE ist aus vielerlei Hinsicht nicht nur ein wichtiges Medium, sondern war auch damals schon eine Institution, die diesen Weg angeschubst hat, auf dem ich jetzt bin. Dafür bin ich euch dankbar.
(Malin Teegen & Michael Collins)
(Fotos von Julia Scheibeck)