"Hey Leute, ich wünsche euch einen wunderschönen Tag! Ich hoffe, ihr schafft, was ihr schaffen wollt oder macht euch einfach einen ganz Entspannten." – So oder so ähnlich grüßt 9inebro seine Follower in beeindruckender Regelmäßigkeit in seinen Insta-Storys. Die kleine Motivationsansprache ist zur festen Sonntagsroutine des Rappers und vieler seiner Fans geworden. Der Kölner hat es sich zur Aufgabe gemacht, positive Vibes in den Alltag seiner Fans zu bringen. Und das gelingt ihm: Schon häufiger teilte er Nachrichten, in denen Fans ihm davon berichteten, dass er sie motiviere und inspiriere. Wir sprachen mit 9inebro über diese Rolle und auch über die Vorbildfunktion, in der er gemeinsam mit seinem Freund Lugatti eher ungeplant landete. Außerdem erklärte er uns, was Positivität überhaupt für ihn bedeutet und mit welchen Kniffen er morgens nach dem Aufstehen seine Laune reguliert. Dazu gibt es Infos zu mehrtägigen Airbnb-Sessions mit IMMER.READY-Mastermind morten und den zwei noch in diesem Jahr anstehenden 9inebro-Soloalben.
MZEE.com: Wir sprechen heute über das Thema Positivität. Ganz zu Beginn: Würdest du über dich selbst sagen, dass du ein positiver Mensch bist?
9inebro: Ja, auf jeden Fall. Ich hab' meiner Mum gestern erzählt, dass ich dieses Interview gebe. Sie meinte, das passe richtig gut, weil ich ein Lebemann sei. (grinst) Ich glaube, mein Umfeld würde mich als jemanden beschreiben, der die Menschen mit seiner Laune anstecken kann. Wenn ich gut gelaunt bin und in einen Raum voller schlecht gelaunter Leute komme, kriege ich es in 99 Prozent der Fälle hin, dass nach 20 Minuten alle gute Laune haben. Wenn ich mal miese Laune habe, kann ich damit andere leider auch ziemlich krass runterziehen. Ich weiß nicht warum, aber meine Ausstrahlung ist oft ansteckend. Das nehme ich wahr, seitdem ich mein Auftreten und Verhalten reflektiere.
MZEE.com: Wann hast du angefangen, das zu reflektieren?
9inebro: Als ich ein bisschen älter geworden bin. Es hat damit angefangen, zu überdenken, wie man handelt und welche Worte man verwendet. An irgendeinem Punkt habe ich gemerkt, dass ich niemanden mit bestimmten Worten beleidigen möchte. Man wird reifer und das spiegelt sich im Auftreten wider.
MZEE.com: Die meisten von uns haben früher Worte verwendet, für die wir uns heute schämen.
9inebro: Wir haben das vorgelebt bekommen. Wenn du in deiner Kindheit die Aggro-Ansagen 1 bis 3 hörst, ist es logisch, dass du den Sprachgebrauch übernimmst. Ich meine damit nicht, dass die das beabsichtigt hätten. Aber ich will nicht so sein, sondern mit einem besseren Beispiel vorangehen und Positivität ausstrahlen. Wir sind für manche Menschen das, was Aggro Berlin für uns war. Ich bin unnormal stolz darauf, wenn mir jemand schreibt, dass er oder sie sich fragt: "Was würde 9inebro tun? Er würde wahrscheinlich nice handeln." Besser kann es nicht laufen. Ich versuche, so gut es geht, DMs zu lesen und zu beantworten. Da hab' ich schon einige umgestimmt. Als ich das Bild gepostet hab', auf dem Longus Mongus und ich knutschen, habe ich viele etwas homofeindliche Nachrichten bekommen. Häufig sind das sehr junge Leute, denen du einfach ein, zwei nette Worte sagen musst. Daraufhin nehmen sie das zurück. Das ist oft blödes Internet-Gelaber.
MZEE.com: Du hast eben schon dein Umfeld angesprochen. Würdest du sagen, dass dich die Menschen um dich herum so wahrnehmen, wie du wirklich bist?
9inebro: Das kann ich nicht sicher einschätzen. Wenn ich smoke, werde ich teilweise sehr introvertiert und nachdenklich. Dann erkennen mich manche vielleicht nicht wieder. Ich wirke nach außen immer sehr spontan und bin das eigentlich auch. Aber jede:r hat Seiten, die nicht die ganze Welt kennt.
MZEE.com: Inwiefern versuchst du, positiv das tägliche Leben anzugehen?
9inebro: Wenn ich aufwache, ist es für mich entscheidend, mein Mindset zu regulieren. Ich sage mir zum Beispiel, dass es ein nicer Tag ist und es mein letzter sein könnte. Manchmal motiviert mich eine Nachricht auf meinem Handy. Positivität bedeutet für mich, nett zu anderen Menschen zu sein. Man kann zweimal drüber nachdenken, bevor man eine grumpy Antwort gibt, hilfsbereit sein, Leute auf der Straße grüßen. Das ist es basically. Ich glaube, dass es Positivität ausstrahlt, wenn man aufmerksam ist. Ich bin empathisch und spüre, wenn es Menschen nicht gut geht oder sie sich unwohl fühlen. Dann frage ich nach, ob alles cool ist. Bei solchen Kleinigkeiten im Alltag fängt es an.
MZEE.com: Empathie ist ein superwichtiges Thema, auf das sich, in meiner Wahrnehmung, viele Themen herunterbrechen lassen. Wenn über Diskriminierung oder andere politische Themen gesprochen wird, würde mehr Empathie vielen Menschen gut tun, denke ich.
9inebro: Eben. Wenn du ein positives Mindset hast, bist du automatisch aufgeschlossener.
MZEE.com: Entscheidest du dich bewusst dafür, Tage oder Aufgaben positiv anzugehen und das Gute zu sehen?
9inebro: Oft muss ich es mir einreden, positiv in den Tag zu starten. Die aktuelle Situation ist einfach scheiße. Generell entwickelt sich unsere Gesellschaft in meinen Augen noch stärker als bisher zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Der Rechtsruck, der Klimawandel – es gibt tausend Dinge, die meinen Kopf ficken. Bei mir läuft auch nicht immer alles Gold. Aber in diesen Momenten denke ich mir, dass das Leben zu kurz ist, um sich von traurigen Sachen negativ beeinflussen zu lassen. Wenn man sich davon runterziehen lässt, sich nur abfuckt und negative Energie auf andere überträgt, kommt man nicht weit. Deshalb will ich den Menschen, die mir zum Beispiel folgen, dieses Mindset mitgeben. Vielleicht steht der Job auf der hohen Kante und es stellt sich die Frage, wie die Miete bezahlt werden soll. Aber wenn es dein letzter Tag wäre, soll der wenigstens geil sein. Was das bedeutet, kann jede:r für sich entscheiden. Du kannst etwas für dich, die Umwelt oder deine Liebsten tun. Meine Einstellung ist es, lieber anderen etwas zu geben, als egoistisch zu sein.
MZEE.com: Sich zu sagen, dass jeder Tag der letzte sein könnte, ist ja ein recht einfacher Ansatz. Es gelingt natürlich nicht jedem, daraus etwas Positives zu ziehen.
9inebro: Ich hatte auch schon eine richtig beschissene Phase in meinem Leben. Dann habe ich meine ehemalige Freundin kennengelernt, die mich da rausgezogen hat. Mit ihr war es meganice. Damals ging es mir so gut, dass ich das weitergeben wollte. Dann habe ich angefangen, Storys zu machen, in denen ich meinen Follower:innen einen schönen Tag wünsche. So hat sich das entwickelt. Als ich gesehen habe, was für einen Impact das hat, hat das auch viel mit mir gemacht. Ich glaube, dass ich durch das Feedback auf die Storys an mir selbst gearbeitet habe. Ich habe viel darüber nachgedacht, was ich sage und so weiter. So hat sich mein Mindset entwickelt und gefestigt.
MZEE.com: Ich finde es gut, dass deine Storys keinen Druck aufbauen. Du erwähnst immer, dass man sich auch einfach einen entspannten Tag machen kann. Da kann sich jeder rausziehen, was er möchte.
9inebro: Auf jeden Fall. Jeder Mensch definiert sein Glück für sich. Wenn jemand den geilsten Tag der Welt hat, wenn er auf dem Sofa chillt, ist das so. Du kannst auch von der Couch aus positiv denken. Ich glaube, es gibt viele Leute, die sich mega freuen, wenn sie die neue Staffel von irgendeiner Serie durchballern können. Ob man das weitergibt oder für sich allein genießt, kann ja jede:r für sich selbst entscheiden.
MZEE.com: Positivität kann nach einem psychologischen Konzept auch "toxisch" sein. Dabei handelt es sich laut der Psychologin Mary Hoang um "den Versuch, jede negative Emotion sofort auszuradieren – und zwar nicht nur bei sich selbst, sondern auch bei allen anderen". Negatives stets im Keim zu ersticken, sei dabei für Betroffene gefährlich. Für wie wichtig hältst du es, auch negative Emotionen zuzulassen und sich mit ihnen zu beschäftigen?
9inebro: Das ist sehr wichtig. Ich kenne das Konzept nicht, aber das klingt interessant. Negative Emotionen gehören genauso dazu wie positive, ohne Negatives gäbe es nichts Positives. Das muss man auch reflektieren. Ich für meinen Part will eben positive Vibes vermitteln. Aber natürlich weiß ich, dass Leute traurig sind und das seine Daseinsberechtigung hat. Ich bin auch oft traurig und gucke nicht die ganze Zeit durch eine rosarote Brille. Aber ich bin froh, wenn von den 300 Storys, die du dir am Tag anguckst, meine die ist, die etwas Positivität in deinen Tag bringt, wenn du vielleicht gerade negative Vibes hast. Dann kannst du dich wenigstens kurz freuen.
MZEE.com: Deine negativen Gefühle oder Gedanken lässt du häufig auf Twitter raus. Gibt es einen Grund dafür, dass du diese Gefühle öffentlich machst?
9inebro: Ich nutze Twitter, um einfach meine Gedanken rauszuhauen. Das ist ein anderer Film als Instagram. Ich bin da in verschiedenen Bubbles. Auf Instagram bin ich mit Leuten verbunden, mit denen ich mittlerweile seit Jahren Kontakt habe. Auf Twitter sind viele Trolls unterwegs.
MZEE.com: Du hast unter anderem nach der Trennung von deiner Freundin viele Liebeskummer-Tweets gepostet. Das zeigt vielleicht eine gewisse Weiterentwicklung in der Szene. Früher hätten sich viele Rapper, glaube ich, nicht so verletzlich gezeigt.
9inebro: Auf jeden Fall. Viel Musik von mir ist noch nicht erschienen, unter anderem mein Debütalbum. Da werden die Leute das auch hören. Ich rappe nur über das, was ich erlebe, sehe und denke. Und genauso tweete ich auch. In Zukunft werden einige deepe und traurige Songs von mir erscheinen, in denen ich Erlebtes aus dem vergangenen Jahr verarbeite. Dann können die Leute solche Tweets auch besser nachvollziehen.
MZEE.com: Welche Rolle spielen Emotionalität und Positivität in deinem kreativen Schaffensprozess?
9inebro: Ich verarbeite so gut wie immer Gefühle, wenn ich Musik mache. Natürlich schreibt man ab und zu einen oberflächlichen oder etwas stumpfen Part, aber trotzdem ist alles real. Manchmal verarbeite ich einfach, dass ich einen nicen Tag mit den Jungs draußen hatte. Gerade war ich mit morten drei Nächte in einem Airbnb. Wir haben gesoffen, Spaß gehabt und 25 Tracks aufgenommen, allein von morten und mir zusammen waren es 19. Es geht häufig um den Moment, in dem wir uns gerade befinden.
MZEE.com: Bei mortens Releases komme ich mittlerweile kaum noch hinterher.
9inebro: Er ist King, einer der produktivsten Typen, die ich kenne. Immer, wenn wir uns sehen, worken wir wie verrückt. Wenn ich einen Track mache, will ich den normalerweise mindestens dreimal hören. Kurz gucken, wie der Vibe ist und mich selber feiern. (lacht) Wenn ein Track mit morten fertig wird, flippt er direkt das nächste Sample und es geht weiter.
MZEE.com: Bekommt man eure Tracks auch mal zu hören?
9inebro: Ich will die unbedingt rausbringen. Ein "Kinder der Küste x IMMER.READY"- oder "morten x Lugatti & 9ine"-Tape wird auf jeden Fall irgendwann kommen. Wir haben einiges in der Hinterhand. Aber aktuell sind andere Dinge geplant. Ich bringe in diesem Jahr noch zwei Soloalben raus und dann werden wir sehen, was passiert.
MZEE.com: Inwieweit machst du dir Gedanken darüber, dass deine Musik und dein Auftreten Einfluss auf viele junge Menschen haben? Beeinflusst das auch den Schaffensprozess?
9inebro: Mittlerweile auf jeden Fall. Auf meinem Soloalbum sage ich Dinge, die ich noch nicht oft von Rapper:innen gehört habe. Da habe ich schon darüber nachgedacht, was ich sagen möchte und was für einen Impact das auf die Leute haben könnte.
MZEE.com: In dieser Rolle seid ihr ja mehr oder weniger unbeabsichtigt gelandet. Ihr habt einfach Musik gemacht.
9inebro: Komplett. Unseren ersten Track haben wir 2017 auf SoundCloud releast, vorher haben wir das nur Homies gezeigt. Die Leute in unserer Bubble haben das gefeiert. Dann kam "Salty", der ein bisschen abgegangen ist. Den haben wir auf Spotify gepackt und er ist in den "Viral Charts" gelandet. Von heute auf morgen hatten wir 25.000 monatliche Hörer:innen mehr. In dem Moment haben wir gecheckt, dass wir daraus etwas machen sollten. Mucke hätten wir sowieso weiter gemacht, aber dann haben wir uns intensiver damit beschäftigt, wie wir Fuß fassen können. Am Anfang war es echt schwierig, neben Jobs und so weiter, mehr Zeit für Rap einzuräumen. Man hatte auch Schulden. Aber es hat sich gelohnt. Dafür bin ich sehr dankbar.
MZEE.com: Welche Rolle spielen deiner Meinung nach Musik und der Konsum von Medien für die eigene Grundeinstellung?
9inebro: Medien spielen eine sehr große Rolle. Soziale Medien können voll den toxischen Einfluss haben. Du bekommst viel vorgelebt, was nicht echt ist. Ich glaube, für viele junge Leute ist es schwierig, zu blicken, was fake ist und was nicht. Bei Instagram herrscht ein kranker Erwartungsdruck. Deshalb finde ich es cool, normal zu bleiben und nice zu sein. Und Musik ist megawichtig. Gerade bei Rap identifizierst du dich krass mit den Künstler:innen, die du feierst. Das prägt dich extrem. Ich hab' früher einige Songs gehört, die mir Halt gegeben haben. Es gab einen Track von Eko, auf dem er eine Zeile gerappt hat, die sinngemäß ungefähr so lautete: "Wurdest du auch oft auf dem Schulhof gedisst, glaub mir, du bist cool, wie du bist." Den Song hab' ich gepumpt, wenn ich es gebraucht habe.
MZEE.com: Hast du Tipps oder Techniken, die du heute anwendest, wenn es dir nicht so gut geht?
9inebro: Ich setze nicht zu hohe Erwartungen, auch nicht an mich selbst. Wenn ich mal einen schlechten Tag habe, versuche ich, wenigstens eine nice Sache zu machen oder rauszugehen. Es kann helfen, Sport zu machen oder einfach spazieren zu gehen und den Körper zu aktivieren. Man kann reflektieren, warum man sich schlecht fühlt, ob man sich so fühlen möchte und was man an diesem Zustand ändern kann.
MZEE.com: Wenn man sich einfach mal schlecht fühlt, kann das auf jeden Fall helfen. Wenn man mit größeren Problemen oder Depressionen zu kämpfen hat, hilft das natürlich unter Umständen nicht und man braucht andere oder professionelle Hilfe.
9inebro: Auf jeden Fall. An jede:n, der:die das liest: Niemand muss sich dafür schämen. Ich kenne viele Menschen in psychologischer Behandlung oder Therapie. Das ist völlig cool. Es ist sehr schade, dass das teilweise immer noch ein Tabu-Thema ist. Aber ich habe das Gefühl, dass das Eis langsam auftaut. Es sollte egal sein, ob ich wegen einer schweren Grippe oder einer Depression ärztliche Behandlung brauche, es sollte dasselbe sein. Es ist megagut, wenn ihr euch Hilfe sucht oder mit jemandem darüber redet, der:die sich damit auskennt. Das Thema ist superwichtig, ich will aus Respekt vor Betroffenen aber auch nicht zu viel dazu sagen.
MZEE.com: Wir sind am Ende des Interviews angekommen – ich muss dich noch auf jemanden ansprechen. Wie unterstützt dein Hund Merlin dein positives Mindset?
9inebro: Der kleine Mane ist Balsam für die Seele. Seinetwegen muss ich auch oft nach draußen gehen, selbst wenn ich gar keinen Bock habe. (lacht) Ich sehe ihn nicht jeden Tag, aber es tut mir jedes Mal sehr, sehr gut. Er ist der süßeste Dog, den es gibt und gibt einem bedingungslose Liebe. Bester Mann.
(Alexander Hollenhorst)
(Fotos von Paul Ritter)