"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Bei Haiytis unmenschlich hohem Output der letzten Jahre kann man schon mal durcheinanderkommen. Fünf Alben, ein Mixtape und zwei EPs hat die Hamburgerin allein in den letzten drei Jahren veröffentlicht. Doch zwischen diesen dutzenden Releases sticht für mich besonders eines heraus: "Perroquet" von 2019.
Die Gründe, warum mir ausgerechnet dieses Album so hängengeblieben ist, sind vielfältig. Allen voran ist da natürlich Haiyti selbst. Die Rapperin bewegt sich gekonnt zwischen Gangsterrap und Fashion Week, nimmt sich dabei aber nie zu ernst. Mal ist der Schmuck Tausende Euro wert und es wird das Fashionmarken-Einmaleins durchgerappt, mal ist alles fake und die Mode doch nur aus China. Oder: Neben harten Straßenrap-Ansagen und Lines über Koks ticken stehen skurrile, fast witzige Statements wie "Komm' in den Club und bestell' mir 'ne Fanta". Das ist im Vergleich zu vielen ihrer männlichen Kollegen angenehm selbstironisch und abwechslungsreich. Dazu kommt das unfassbare Turn-Up-Potenzial der Platte. Trap-Banger wie "Es kostet", "Uzi" oder "Droptop" mit Milonair sind so brachial und packend, dass ich zwangsläufig mitgerissen werde. Haiyti fusioniert mit den Beats, der Flow sitzt perfekt und jede Adlib ist an der richtigen Stelle. Nicht zuletzt kommt diese Energie durch die talentierten Produzenten zustande. Neben Beiträgen von AsadJohn, Bobby San, Zillin Muzik und SBM stammen die meisten Beats von Miksu & Macloud. Diese Kombination aus eher unbekannteren und hochkarätigen Producern sorgt für ein enormes Qualitätslevel und macht das Album mit seinen zehn Tracks ziemlich rund und unterhaltsam.
Blicke ich jetzt auf ihre Diskografie, sind viele von Haiytis Releases ziemlich stark. Aber durch die wenigen, dafür unfassbar stark produzierten Tracks wirken für mich wenige Veröffentlichungen der Künstlerin so in sich geschlossen und fehlerlos. Den Titel der "Trap-Queen", den sie sich selbst gegeben hat, will ich dementsprechend auf keinen Fall anzweifeln.
(Jakob Zimmermann)