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Interview

Pöbel MC – ein Gespräch über Gegensätze

"Ich bin kein Dienst­leis­ter und mache mei­ne Musik nach mei­nen Ansich­ten. Dass das nicht immer das End­le­vel der Selbst­re­fle­xi­on ist, ist mir schon klar." – Pöbel MC im Inter­view über Kri­tik­fä­hig­keit, künst­le­ri­sche Frei­heit und sein Alter Ego namens Mul­ti­l­in­gu­al Mike.

"Mei­ne Asis führеn Dop­pel­le­ben, zwi­schen Tol­s­toj lesen und Tokat geben." – Eine von vie­len Lines, die die Ambi­va­lenz von Pöbel MC recht gut beschreibt. Denn Tol­s­toj ist ein rus­si­scher Schrift­stel­ler und Tokat sowas wie eine Back­pfei­fe. Dass sich Bil­dung und Aggres­si­on nicht aus­schlie­ßen, stellt der Ros­to­cker in sei­ner Musik unter Beweis. Dort fin­det sich neben tief­grün­di­gen Lyrics auch eine ganz kla­re poli­ti­sche Hal­tung. Doch auch fei­er­las­ti­ge Songs sind Teil sei­nes Reper­toires, was der Titel sei­ner aktu­el­len EP "Stress & Rau­gln" deut­lich macht. Dabei steht "Rau­gln" für Rumat­zen und gute Lau­ne. Ein Wider­spruch zu den gedan­ken­rei­chen Tex­ten? Nicht unbe­dingt. Auf der aktu­el­len EP schafft er den Spa­gat zwi­schen bei­den Wel­ten. Wir haben die­se Ein­drü­cke zum Anlass genom­men, um mit Pöbel MC über Gegen­sät­ze zu spre­chen. Wir the­ma­ti­sier­ten poli­ti­sche Gegen­sät­ze, Ambi­va­lenz in Tex­ten sowie Can­cel Cul­tu­re. Außer­dem ging es um Unbe­schwert­heit, sein Alter Ego Mul­ti­l­in­gu­al Mike und dar­um, wie er mit Kri­tik umgeht.

MZEE​.com: Wir spre­chen heu­te über Gegen­sät­ze. Spie­len wir zum Ein­stieg eine kur­ze Run­de "Entweder-​oder": Wür­dest du dich eher als Opti­mist oder Pes­si­mist bezeichnen?

Pöbel MC: Oh, das ist schwie­rig. Wenn ich mei­nen reak­ti­ven Pes­si­mis­mus über­wun­den habe, bin ich am Ende doch Optimist.

MZEE​.com: Ist Opti­mis­mus eher ein gege­be­ner Wesens­zug oder durch das Umfeld und Auf­wach­sen geprägt – also etwas, das man mit der Zeit entwickelt?

Pöbel MC: Sowohl als auch, den­ke ich. Ich glau­be, es gibt eine Ver­an­la­gung dazu, nega­tiv zu den­ken. Aber zu einem grö­ße­ren Teil ist es Sozia­li­sa­ti­on. Es ist ja wis­sen­schaft­lich erwie­sen, dass Depres­sio­nen gene­tisch ver­an­lagt sein kön­nen. Man­che Men­schen haben die­se Dis­po­si­ti­on, sie nei­gen also bei ver­gleich­ba­ren Lebens­um­stän­den eher dazu, eine Depres­si­on zu ent­wi­ckeln als ande­re. So stel­le ich mir das bei Pes­si­mis­mus in abge­schwäch­ter Form auch vor.

MZEE​.com: Wild­style oder Antistyle?

Pöbel MC: Auf jeden Fall 100 Pro­zent Anti­style. (lacht)

MZEE​.com: Wor­auf könn­test du nicht ver­zich­ten: Alko­hol oder Sport?

Pöbel MC: (über­legt) Sport. Zu viel Alko­hol macht einen auch kaputt.

MZEE​.com: Und ein Letz­ter: Boom bap oder Trap?

Pöbel MC: Boom bap ist sehr fest­ge­legt: immer um die 90 BPM und eine ganz bestimm­te Sound­äs­the­tik. Trap ist viel all­ge­mei­ner gehal­ten, je nach­dem, was man mit rein­zählt. Das ist eine kom­pli­zier­te Fra­ge. Ich ent­hal­te mich. (lacht)

MZEE​.com: Auf dei­nem Album "Bil­dungs­bür­ger­prolls" fin­den sich immer wie­der Lines, in denen es um Gegen­sät­ze geht. Zum Bei­spiel: "Grü­beln wie Phi­lo­so­phen, fei­ern wie Voll­idio­ten." – Ist das eine der Aus­gleich für das andere?

Pöbel MC: Nicht zwangs­läu­fig, aber es kann natür­lich sehr aus­glei­chend sein. Wenn ich den gan­zen Tag Kopf­ar­beit ver­rich­te und kei­nen Aus­gleich dazu habe, wird es schwie­rig, das über län­ge­re Zeit auf­recht­zu­er­hal­ten, weil es mich dann sehr lang­weilt. Die­ser Aus­gleich fällt durch die Corona-​Einschränkungen lei­der weg bezie­hungs­wei­se muss anders gestal­tet wer­den als in der Ver­gan­gen­heit. Davor haben vie­le unter der Woche auf der Arbeit oder in der Uni gehust­let und sich gefreut, wenn sie am Wochen­en­de Hal­li­gal­li machen konn­ten. Die­sen Aus­gleich nicht zu haben, ist viel­leicht kein exis­ten­zi­el­les Pro­blem, aber schon ein Verlust.

MZEE​.com: Auf "Wür­de in Zah­len" rappst du: "Ich reflek­tie­re Pri­vi­le­gi­en, aber blei­be unbe­schwert." – The­men wie die Kli­ma­kri­se kön­nen einen ganz schön run­ter­zie­hen. Wie schaffst du es, dabei unbe­schwert zu bleiben?

Pöbel MC: Unbe­schwert­heit ist etwas Situa­ti­ves. Das muss ja nicht grund­le­gend immer so sein. Ich ver­su­che, Unbe­schwert­heit in mir zu tra­gen. Das schaf­fe ich dadurch, dass ich nicht dar­an den­ke und mich nicht damit beschäf­ti­ge. (lacht) Ich ver­su­che, sofern es mög­lich ist, mich nicht mit Din­gen aus­ein­an­der­zu­set­zen, die ich gar nicht oder kaum beein­flus­sen kann. Es hat kei­nen Pro­blem­lö­sungs­mehr­wert, wenn ich zu Hau­se in Ver­zweif­lung über das Elend die­ser Welt und die frag­li­che Zukunfts­pro­gno­se für die Mensch­heit in Trau­er ver­fal­le. Man muss, um hand­lungs­fä­hig zu blei­ben, auch mal ein biss­chen loslassen.

MZEE​.com: Tust du bewusst etwas dafür? Zum Bei­spiel das Han­dy weg­le­gen oder kei­ne Nach­rich­ten schauen?

Pöbel MC: Ich habe so einen Ver­schluss­be­häl­ter, der nennt sich "Kit­chen Safe". Das ist eine Box, in die man sein Han­dy oder ande­ren Scheiß rein­pa­cken und dann ein Zeit­schloss ein­stel­len kann. Dann geht das Ding zu und man hat für einen aus­ge­wähl­ten Zeit­raum kei­nen Zugriff dar­auf. Das kann ich nur emp­feh­len. Es ist ganz fürch­ter­lich, wenn Leu­te in der Gemein­schaft eigent­lich nur online und nicht rich­tig anwe­send sind. Das ist teil­wei­se gar nicht von denen gewollt. Die sind gefan­gen in Auto­ma­tis­men, die sich im Umgang mit dem Han­dy ent­wi­ckelt haben. Da kommt man schwer raus.

MZEE​.com: Wel­che The­men zie­hen dich so krass run­ter, dass du Abstand von ihnen neh­men musst? 

Pöbel MC: Im über­ge­ord­ne­ten Sin­ne ist es die all­ge­mei­ne gesell­schaft­li­che Ent­wick­lung, ange­fan­gen bei der Kli­ma­kri­se und der Per­spek­ti­ve, die sich dadurch für das gesam­te Welt­ge­sche­hen auf­tut. Des Wei­te­ren sozia­le Ungleich­heit, die auch mit per­sön­li­chen Exis­tenz­ängs­ten ver­bun­den ist. Außer­dem eine "Faschis­ti­sie­rung" der Gesell­schaft, die in gewis­sen Punk­ten unfrei wird. Ich glau­be, das hat auf der Ebe­ne einen rela­tiv kla­ren und greif­ba­ren Rah­men. Die abs­trak­te Aus­ein­an­der­set­zung mit den Pro­ble­men die­ser Welt ist nur ein Teil. Ein ande­rer sind emo­tio­na­le und per­sön­li­che Pro­ble­me in mei­nem Umfeld. Die stel­len die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem gro­ßen Gan­zen wei­ter in den Hin­ter­grund. Das ist wahr­schein­lich bei vie­len Leu­ten der Fall.

MZEE​.com: Du greifst in dei­ner Musik unter­schied­li­che Stim­mun­gen auf. Neben Fei­ern und Sau­fen sind Wut und Aggres­si­on häu­fig Bestand­teil dei­ner Tex­te. Das wird an Lines wie "Bal­ler' den Hass in den Sand­sack" deut­lich. Ist die Musik für dich ein Ventil?

Pöbel MC: Ja, voll. Ich konn­te vie­le anspan­nen­de Gedan­ken und per­sön­li­chen Stress musi­ka­lisch so trans­for­mie­ren, dass es mir etwas zurück­ge­ge­ben hat. Das ist auf jeden Fall ein Ven­til, aber es wür­de allei­ne nicht rei­chen. In Kom­bi­na­ti­on mit Sport, Gesprä­chen mit Freund:innen, zwi­schen­mensch­li­cher Wär­me und der­ar­ti­gen Din­gen kann man das bewältigen.

MZEE​.com: Feh­len dir Live-​Auftritte als Ausgleich?

Pöbel MC: Auf jeden Fall. Das fehlt mir aus ver­schie­de­nen Grün­den enorm. Zum einen, weil es sehr viel Spaß gemacht hat, Leu­te zu tref­fen und in Städ­ten unter­wegs zu sein, die man sonst nicht besu­chen wür­de. Zum ande­ren, weil ein Kon­zert eine beson­de­re Situa­ti­on ist, in der man viel emo­tio­na­les Feed­back bekommt. Das tut mir gut und es fehlt mir, weil mei­ne Musik live bes­ser ver­stan­den wer­den kann und dar­auf aus­ge­legt ist. Last but not least sind Live-​Auftritte auch eine mei­ner Haupt­ein­nah­me­quel­len. Falls man jetzt ganz lan­ge gar nicht mehr spie­len könn­te, müss­te man sich ande­re Sachen über­le­gen. Wenn man aber eigent­lich von Musik leben möch­te, ist das schon ein Problem.

MZEE​.com: Du hast eine kom­ple­xe­re Art, dich in dei­nen Tex­ten aus­zu­drü­cken. Zum Bei­spiel: "Ego­ma­nie schlägt mei­ne Dys­to­pie nie­der." – Wie wich­tig ist es dir, dass dei­ne Musik von einem brei­ten Publi­kum ver­stan­den wird?

Pöbel MC: Das fin­de ich zumin­dest nicht unwich­tig, weil ich es gut fin­de, dass Rap zu vie­len Leu­ten spricht. Aber die Sache ist ja, dass man nicht zwin­gend jedes Wort ver­ste­hen muss, um etwas mit der Aus­sa­ge anfan­gen zu kön­nen und die Musik zu füh­len. Viel­leicht führt das musi­ka­li­sche Gewand dazu, dass die Leu­te Lust haben, sich mit den Tex­ten zu beschäf­ti­gen. Musik soll­te nicht über­wie­gend for­mel­haft betrie­ben wer­den. Für mei­ne Per­son ist es viel­leicht authen­tisch, wenn ich den ver­brei­ter­ten Sprach­schatz mit rein­brin­ge. Das ist Teil mei­ner Kunst und was ich unter Rap ver­ste­he. Das birgt manch­mal das Risi­ko, dass etwas nicht ganz so nie­der­schwel­lig ist wie bei man­chen von mir aus auch erfolg­rei­che­ren Rapper:innen. Aber sich des­halb brei­ten­kom­pa­ti­bel zu äußern, ist kei­ne Option.

MZEE​.com: Du hast letz­tes Jahr ein neu­es Alter Ego namens Mul­ti­l­in­gu­al Mike ins Leben geru­fen. Im Gegen­satz zu den "hoch­ge­sto­che­nen" Lines fin­den sich hier sol­che wie: "I like sau­fen sehr." – Was kannst du damit umset­zen, das als Pöbel MC nicht mög­lich ist?

Pöbel MC: Ich kann erst mal in belie­bi­gen Spra­chen quat­schen. Ich fin­de es wit­zig, irgend­wel­che dum­men eng­li­schen, rus­si­schen, spa­ni­schen oder fran­zö­si­schen Begrif­fe ein­zu­bau­en. Es soll alber­ner, fei­er­las­ti­ger und avant­gar­dis­ti­scher sein als Pöbel MC. Das ist ein ande­rer musi­ka­li­scher Kon­text, in dem ich mich ver­or­te. Gar nicht so sehr als Rap-Act.

MZEE​.com: Willst du musi­ka­li­sche Gren­zen aufbrechen?

Pöbel MC: Ja, voll. Das ergibt sich für mich aus mei­nem doch sehr von Rap abwei­chen­den Musik­ge­schmack. Die Mul­ti­l­in­gu­al Mike-​EP ist dadurch ent­stan­den, dass ich viel rus­si­schen Hard­ba­se gehört habe und das wit­zig fand. Dann habe ich mit DJ Flex­schei­be gedacht, dass man das eigent­lich auch mal machen müss­te. Da wir die Zeit hat­ten, haben wir es ein­fach getan. Ich habe auch Bock, wei­ter Sachen in die­se Rich­tung zu machen. Ob das zwangs­läu­fig die­sen Sound hat oder in eine ande­re Rich­tung geht, weiß ich nicht. Dadurch, dass das nicht so vie­le Leu­te hören und kei­ner etwas Beson­de­res erwar­tet, kann es sich musi­ka­lisch völ­lig frei entfalten.

MZEE​.com: Sprichst du meh­re­re Sprachen?

Pöbel MC: Nö. Ich spre­che Deutsch, Eng­lisch und Rus­sisch. Letz­te­res nur ein biss­chen, weil man das in der Schu­le hat­te, wenn man aus dem Osten kommt wie ich. Das ist für das Pro­jekt aber nicht wich­tig. Da reicht der Goog­le Trans­la­tor, um eine bescheu­er­te Pun­ch­li­ne zwi­schen irgend­wel­chen Spra­chen zu bau­en. "Viva la cer­ve­za, wie­der in der Gesa" erfor­dert jetzt kei­ne tief­grei­fen­den Spanisch-Kenntnisse.

MZEE​.com: Reden wir mal über poli­ti­sche Gegen­sät­ze. Wie gehst du damit um, wenn du eine Mei­nungs­ver­schie­den­heit mit jeman­den hast? Wenn jemand aus dei­nem Umfeld bei­spiels­wei­se anfan­gen wür­de, zu schwurbeln. 

Pöbel MC: Es kommt dar­auf an, wie weit­rei­chend das ist. Vie­le Leu­te, die ich sonst lus­tig fin­de und bei denen ich auch weiß, dass sie sich nicht viel mit den The­men beschäf­ti­gen und gera­de nur frus­triert sind und daher irgend­wel­chen Scheiß daher­re­den, neh­me ich dann ein­fach nicht für voll. Wenn jetzt aber gute Freund:innen von mir bei Querdenker:innen-Demos mit­lie­fen, wür­de ich denen schon sagen, dass die mal klar­kom­men sol­len. (lacht) Das hängt vom jewei­li­gen Indi­vi­du­um und den Posi­tio­nen, die man ver­tritt, ab. Es ist ja nicht per se falsch, bestimm­te Corona-​Maßnahmen in Fra­ge zu stel­len. Was dann genau dar­auf folgt und was man eigent­lich für Vor­stel­lun­gen hat, ist noch mal ein eige­nes The­ma mit ganz vie­len Facetten.

MZEE​.com: Wann ist für dich der Zeit­punkt erreicht, an dem es zweck­los ist, das Gespräch weiterzuführen?

Pöbel MC: Wenn du dir schon mehr­fach die Mühe gemacht hast, lang und breit zu erläu­tern, war­um etwas pro­ble­ma­tisch ist und dar­auf kei­ne rich­ti­ge Reak­ti­on erfolgt. Dann gibt es wahr­schein­lich irgend­wann den Moment, an dem man sich distan­ziert und die Per­son aufgibt.

MZEE​.com: Das bringt mich zum Stich­wort "Can­cel Cul­tu­re". Fin­dest du das Aus­gren­zen und Abschot­ten inner­halb von bestimm­ten Bubbles pro­ble­ma­tisch? Bei­spiels­wei­se, wenn jemand Inhal­te ver­brei­tet, die nicht abso­lut poli­tisch kor­rekt sind.

Pöbel MC: Ja, das fin­de ich meis­tens etwas zu kurz gegrif­fen und an der Lösung des The­mas vor­bei. Es kommt immer dar­auf an, wie stark man das betreibt. Auch wenn ich das aus ers­ter Hand nicht so rich­tig erfah­re, da Can­cel Cul­tu­re in mei­ner unmit­tel­ba­ren Umge­bung eigent­lich kaum eine Rol­le spielt. Ich betrei­be das für mich auf jeden Fall nicht und fin­de es auch schwer nach­voll­zieh­bar, wenn Leu­te im Inter­net zum Boy­kott von irgend­wel­chen Din­gen auf­ru­fen, obwohl das Pro­blem, das teil­wei­se dahin­ter steht, anders zu bewäl­ti­gen wäre. Einen grö­ße­ren Mehr­wert als "Wir sind jetzt weni­ger damit kon­fron­tiert" hat es ja meis­tens nicht, was die Gesell­schaft wie­der­um auch nicht weni­ger ras­sis­tisch oder sexis­tisch macht. Gleich­zei­tig ist der­lei für die Schaf­fung von Schutz­räu­men schon sehr wich­tig und gut.

MZEE​.com: Inner­halb einer Bubble hat man ja meis­tens über­ge­ord­net die­sel­be Ein­stel­lung. Sich dann gegen­sei­tig zu bekämp­fen, ist nicht zielgerichtet. 

Pöbel MC: Das ist noch mal ein ganz eige­ner The­men­kom­plex, wenn sich lin­ke Grup­pie­run­gen durch Dif­fe­ren­zen unter­ein­an­der in über­ge­ord­ne­ten Kämp­fen und Inter­es­sen schwä­chen. Wer sich im Jahr 2021 mit zuneh­men­der sozia­ler Unge­rech­tig­keit und dem Mas­sen­ster­ben im Mit­tel­meer mit sei­nen spe­zi­fi­schen Bubble-​Gender-​Problemen aus­ein­an­der set­zen will, kann das natür­lich machen und wird sicher­lich sei­ne per­sön­li­chen Grün­de dafür haben. Aber an den gro­ßen Pro­ble­men unse­rer Zeit geht das oft vor­bei. Poli­ti­sche Grup­pen, die kei­nen wirk­li­chen anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen, sozi­al­kri­ti­schen oder auf einer über­ge­ord­ne­ten Ska­la Gerech­tig­keit rea­li­sie­ren­den Anspruch haben, fin­de ich meis­tens weni­ger inter­es­sant als sol­che, die sich mit die­sen gesell­schaft­li­chen Pro­ble­men beschäftigen.

MZEE​.com: Für eini­ge Songs vom Album "Bil­dungs­bür­ger­prolls" sind die Kom­men­tar­spal­ten bei You­Tube deak­ti­viert, zum Bei­spiel für "Sex­sex­sex". Hast du für den Track viel Kri­tik bekommen?

Pöbel MC: Das habe ich nicht selbst ver­an­lasst und wüss­te auch nicht, war­um das so sein soll­te. Das liegt sicher­lich dar­an, dass die Songs über Orchard (Anm. d. Red.: ein Musik­ver­trieb) hoch­ge­la­den wur­den und nur auf mei­nen Account gespie­gelt wer­den. Ich wer­de da mal nach­fra­gen. Für mich gibt es kei­nen Grund dafür, unter die­sem Track kei­ne Kom­men­ta­re zuzu­las­sen. Auch wenn die­ser Sex-​positive, etwas fre­che, über­bor­den­de Ansatz dem ein oder ande­ren gehemm­ten Men­schen läs­tig sein mag, fin­de ich, ehr­lich gesagt, dass es nichts groß­ar­tig Ver­werf­li­ches an die­sem Song gibt.

MZEE​.com: Wur­de der Song mehr als ande­re kritisiert?

Pöbel MC: Nö, gar nicht. Ich habe kei­ner­lei Kri­tik zu dem Track bekom­men. Mir haben Frau­en geschrie­ben, dass sie über die Pun­ch­li­ne "Du willst hart ram­meln und lobst täg­lich dei­ne Eier, dei­ne Freun­din täuscht Orgas­mus vor und gönnt sich spä­ter Satis­fy­er" gelacht haben und sie gut fan­den. (lacht) Der Ent­ste­hungs­text die­ser Line ist, dass mir eine Frau erzählt hat, dass die­ses Gerät super ist. Es scheint sehr beliebt zu sein. (lacht)

MZEE​.com: Wie gehst du mit Kri­tik um, wenn sie dir zuge­tra­gen wird?

Pöbel MC: Unter­schied­lich. Es gibt Leu­te, die sich wirk­lich Mühe geben, etwas dif­fe­ren­ziert raus­zu­ar­bei­ten oder einen Hin­weis zu geben. Das fin­de ich cool und fair. Wenn irgend­was total dane­ben wäre und über­haupt nicht gehen wür­de, gäbe es geschlos­sen aus der Com­mu­ni­ty eine Ein­ord­nung dazu. Wenn sich Ein­zel­per­so­nen an irgend­et­was stö­ren, etwas offen­sicht­lich miss­ver­stan­den haben oder die iro­ni­sie­ren­de Pun­ch­li­ne, die auf eine Pun­ch­li­ne folgt, über­hört haben, inter­es­siert mich das über­haupt nicht. Ich habe nicht das Inter­es­se, mei­ne Inhal­te gemäß kri­ti­scher Ein­schät­zun­gen von außen­ste­hen­den Ein­zel­per­so­nen zu reflek­tie­ren. Ich bin kein Dienst­leis­ter und mache mei­ne Musik nach mei­nen Ansich­ten. Dass das nicht immer das End­le­vel der Selbst­re­fle­xi­on ist, ist mir schon klar.

MZEE​.com: Zum Abschluss habe ich noch eine per­sön­li­che Fra­ge. Du sagst auf der "Stress & Raugln"-EP: "Dass ich ver­tei­le, ist nor­mal wie bei Gauß […] und die Mucke kauft der Ban­de mal ein Haus." – Das ist sehr soli­da­risch. Wenn du dir selbst mal etwas Deka­den­tes gön­nen wür­dest, was wäre es?

Pöbel MC: Tat­säch­lich kau­fe ich mir ganz klas­sisch HipHop-​mäßig, wenn es die Mit­tel irgend­wann zulas­sen soll­ten, eine fet­te Gold­ket­te. (lacht) Ein­fach so auf Ehren­mo­dus für ein- bis zwei­tau­send Euro. Ich fin­de das wit­zig. (lacht)

MZEE​.com: Ich ver­ste­he den HipHop-​Gedanken dahin­ter, dass man das macht, wenn man es sich leis­ten kann. 

Pöbel MC: Es ist halt eine Wert­an­la­ge und ich weiß dann ja auch, dass die kom­plett durch Rap, also dem Kul­tur­ver­ständ­nis nach sehr authen­tisch, erwor­ben wur­de. Das stellt mich dann, glau­be ich, zufrie­den. Ich kann die­se Chain mit Ehre tragen.

(Malin Teegen)
(Fotos von David Hen­sel­der und Loui­se Amelie)