"Ich hab' kein Geld für 'ne Bratwurst, doch füll' mein' Magen mit meinem Untergrundstatus." – Der Rapper Gossenboss mit Zett thematisiert in seiner Musik, dass sich nach wie vor viel um Geld und Status im HipHop dreht. Er nimmt dieses Klischee oftmals auf ironische Art und Weise aufs Korn. Statt über Statussymbole zu rappen, brüstet er sich damit, nichts auf die Reihe zu kriegen und auf gar keinen Fall viel arbeiten zu wollen. Damit kritisiert er die Leistungsgesellschaft, in der es als erstrebenswert gilt, möglichst effizient und produktiv zu sein. Doch auch er bleibt nicht davon verschont, Miete zahlen zu müssen. Früher hat er dies durch Musik und entspanntes Späti-Verkäufer-Dasein erreicht, heute wurde Letzteres durch einen gewöhnlicheren Job in einem Produktionsbetrieb ersetzt. Ob ihm finanzielle Sicherheit heute wichtiger ist als früher und wie sich sein Konsumverhalten durch seine Vaterschaft verändert hat, erzählte er uns im Interview. Außerdem ging es um sein Lieblingsgetränk vom Späti und die Wertschätzung für physikalische Tonträger.
MZEE.com: Zukunftsängste sind momentan allgegenwärtig. Der Titel deines Albums "No Future" suggeriert außerdem Perspektivlosigkeit. In der aktuellen Zeit wird die Kluft zwischen Arm und Reich durch Corona noch verstärkt. Ist finanzielle Perspektivlosigkeit etwas, das dich aktuell beschäftigt?
Gossenboss mit Zett: Dadurch, dass ich vorher durch viele Live-Konzerte ein bisschen Geld verdient habe, beschäftigt mich das schon. Mir ist natürlich bewusst, dass das ein großes Privileg ist und die Normalität bei den meisten Leuten anders aussieht. Ich möchte mich deshalb nicht groß beschweren, weil es vielen Menschen schlechter geht. Darin liegt wiederum ein großes Problem, denn viele Kunst- und Kulturschaffende haben diese Mentalität und wollen nicht rumheulen. Sie würden es auch ohne Geld machen, weil sie es lieben. Es ist schwierig.
MZEE.com: Betrifft dich das auch außerhalb der Kunst?
Gossenboss mit Zett: Ich bin Vater – dadurch habe ich viel weniger Zeit, weil ich mein Kind zu Hause betreue und es nicht in den Kindergarten gehen kann. Zeit ist ein wichtiges Gut. Seit diesem Jahr gehe ich drei Tage pro Woche in einem Produktionsbetrieb arbeiten. Nebenbei mache ich Mucke und kümmere mich um das Album. Teilweise kann ich nicht zur Arbeit, weil ich mein Kind betreuen muss. Es ist schwierig, aber ich bekomme Kinderkrankengeld von der Krankenkasse. Das ist ein Vorteil gegenüber Freischaffenden oder Freiberuflern. Die kommen schwerer an Gelder oder Ausgleichszahlungen. Von daher bin ich durch glückliche Umstände relativ safe.
MZEE.com: Du rappst auf "Einkaufswagenimperium", dass du nicht an Statussymbolen interessiert bist. Findest du, dass es im deutschen Rap zu viel um Status und Materielles geht?
Gossenboss mit Zett: Prinzipiell finde ich das schon. Es ist ja kein Geheimnis, dass viele Rapper Markennamen aufzählen und sich darüber profilieren, wie viel Kohle sie haben und welches Auto sie fahren.
MZEE.com: Findest du das problematisch?
Gossenboss mit Zett: Ja. Es geht schon im frühen Kindesalter los, dass man ausgegrenzt wird, wenn man auf dem Schulhof die falschen Schuhe trägt. Am Ende ist es nur eine Verkleidung. Was soll das?
MZEE.com: Dadurch geht es gar nicht mehr um die wirklich wichtigen Themen im Rap, oder?
Gossenboss mit Zett: Um die geht es ja in meiner Musik auch nicht. Vielleicht hätte ich gar nicht so viel zu rappen, wenn ich mich nicht über Leute abfucken könnte, die nur Statussymbole abhypen.
MZEE.com: Das ist ein interessanter Punkt. Da stellt sich für mich die Frage, aus welcher Motivation heraus man anfängt, Musik zu machen.
Gossenboss mit Zett: Ich denke, es ist eine andere Motivation, wenn man diesen Statussymbole-Rap macht. Dann möchte man beim Musikmachen wahrscheinlich generell eher cool dastehen. Das kenne ich natürlich auch, aber bei mir geht es in erster Linie darum, Spaß zu haben. Ich möchte mit meinen Freunden auf Tour sein, wenn nicht gerade eine Pandemie ist.
MZEE.com: Auf dem Song "Clickbait" geht es darum, dass Werbung uns signalisiert, dass man mehr kaufen müsse, um glücklich zu sein. Du sagst zum Beispiel: "Alle wollen mir irgendwas verkaufen, jeder will da draußen Gewinn." – Kann man den Song als Kritik an der Konsumgesellschaft verstehen?
Gossenboss mit Zett: Ich habe ihn aus einem Impuls heraus gemacht, weil ich gemerkt habe, dass ich jeden Tag durch mein Handy und soziale Medien mit Informationen zugeballert werde. Größtenteils sind sie für mich irrelevant und stressen mich. Sie machen meinen Kopf unnötig voll und lenken ab. Der Filter ist manchmal schwer zu setzen. Man neigt dazu, noch eine halbe Stunde länger am Handy zu hängen, als man es tatsächlich vorhatte. Das Gefühl kennen viele in der heutigen Zeit, weil alles so schnell geht. Man muss immer abrufbereit und leistungsfähig sein. Alles muss verwertbar bleiben.
MZEE.com: Also geht es eher um den medialen Konsum?
Gossenboss mit Zett: Es kommt darauf an, um welche Medien es geht. Ich würde mich als konsumorientiert bezeichnen, wenn es um Bücher, Filme oder Musik geht. Da ist der Konsum sicherlich nicht so schlimm, wie wenn man dreimal pro Woche shoppen gehen würde. Wenn es darum geht, mir eine neue Hose kaufen zu müssen, bin ich eher abgeneigt.
MZEE.com: Denkst du, dass die materielle Konsumorientierung in der Gesellschaft eine Generationsfrage ist?
Gossenboss mit Zett: Das glaube ich nicht. Es betrifft auch Leute, die zwanzig Jahre älter sind als du oder ich. Die kaufen sich vielleicht nicht die neue Gucci-Kollektion, um damit rumzuprollen, sondern eher Einrichtungsgegenstände und räumen ihr Esszimmer jede Woche um.
MZEE.com: Ich habe eher daran gedacht, dass man früher zum Beispiel Dinge repariert hat, als neu zu kaufen. Heute gehen viele Sachen schneller kaputt und sind nicht mehr auf langjährigen Gebrauch ausgelegt.
Gossenboss mit Zett: Ich bin im Osten geboren und sozialisiert. Ich kenne diese Mentalität, Dinge zu reparieren, von meinen Eltern und Großeltern. Aber das geschah eben aus einem Mangel heraus, weil es die Sachen nicht in großer Anzahl gab. Manchmal gab es sie nur einmal und sie mussten dann 30 Jahre halten.
MZEE.com: Man sagt ja, dass Popkultur gesellschaftliche Strömungen widerspiegelt. Glaubst du, dass die Konsumorientierung der Gesellschaft einen Einfluss auf die heutige Popkultur hat?
Gossenboss mit Zett: Es reicht nicht mehr aus, einmal im Jahr ein Album rauszubringen. Man muss immer präsent sein und neuen Content liefern. Dahingehend hat es sich schon verändert. Damals war das noch anders, als es kein Streaming gab und man nicht direkt über Social Media verbunden war. Dadurch war man als Band auch weniger nahbar. Dementsprechend konnte man sich viel mehr Zeit lassen, bis man etwas Neues rausgebracht und damit auch mehr Geld verdient hat. Wenn man heute die Intention hat, davon leben zu wollen, ist das aus den genannten Gründen anders.
MZEE.com: Und wie spiegelt sich deiner Meinung nach das Konsumverhalten in der heutigen Popkultur?
Gossenboss mit Zett: Es gibt natürlich viel mehr Kram, der überall und zu jeder Zeit verfügbar ist. Es ist nichts Besonderes mehr. Wenn mir ein Song nicht gefällt, klicke ich den nächsten an. Man muss sich nicht mal darüber ärgern, weil man ja keine 20 Euro für das Album ausgegeben hat und dafür in einen Plattenladen gefahren ist.
MZEE.com: Da geht es auch um die Wertschätzung für Musik. Findest du, dass diese dadurch heutzutage mehr verloren geht?
Gossenboss mit Zett: Ich hab' bei meinen Fans nicht das Gefühl, aber ich mache ja auch keinen Modus Mio-Rap. Bei mir wächst alles organisch. Ich bin in meiner eigenen Bubble, daher bekomme ich das nicht mit. Im Gegenteil, ich bekomme viel Wertschätzung. Die Leute konsumieren das nicht einfach so weg, sondern zelebrieren es wirklich.
MZEE.com: Du bringst deine Musik ja auch auf physischen Tonträgern raus – auf Platte und sogar auf Tape.
Gossenboss mit Zett: Tapes sind voll das Liebhaber-Ding. Ich mache immer kleine Auflagen, weil ich genau weiß, dass es Tape-Nerds gibt, die Bock darauf haben. Mein Kollege Tommy, der unseren Merchstand betreut, ist auch ein richtiger Tape-Nerd. Der produziert die Kassetten von Hand zu Hause und überspielt sie. Das ist ein DIY-Liebhaber-Ding.
MZEE.com: Der DIY-Gedanke zieht sich bei dir durch. Du hast kein Label und kümmerst dich selbst um dein Merch. Diese Herangehensweise geht auch mit der Basis von HipHop einher. Ist dir das wichtig?
Gossenboss mit Zett: Ich hätte manchmal gerne mehr Zeit. Gerade jetzt, wenn das Album kommt. Wenn ich das nicht alles selbst machen würde, würde auch nicht so viel übrig bleiben. Es lohnt sich nicht, wenn ich Vertriebe oder Labels dazwischen schalte, die alle ihr Stück vom Kuchen haben wollen. Dann kann ich es mir aus finanzieller Sicht komplett sparen, ein Album auf Platte zu pressen. Das will ich aber nicht, denn ich will diese Platte haben, egal ob ich damit Geld verdiene oder nicht. Ich mache lieber alles selbst. Ich mag das Gefühl nicht, wenn andere Leute beteiligt sind, die wenig dafür machen, aber verhältnismäßig viel dafür kriegen.
MZEE.com: Ich höre da ein bisschen Kritik an Labels und ihrer Arbeit heraus.
Gossenboss mit Zett: Das Label-Modell ist etwas veraltet. Ich hab' für das Album nach einem Label gesucht, weil ich meine Lebenszeit einteilen muss und ein Label Arbeit abnimmt. Ich habe geschaut, was für Deals die anbieten und das hätte sich nicht gelohnt. Das braucht man nicht machen, wenn man die Hälfte abgeben muss. Bei einem Künstler meiner Größenordnung wird ein Label niemals dieselbe Energie wie ich hineinstecken. Die würden mit mir auch nicht viel Geld verdienen.
MZEE.com: Auf "No Future" sagst du, dass du nicht als Zeckenrapper bezeichnet werden möchtest. Wieso findest du den Begriff nicht angemessen, obwohl deine Texte oft von linken Inhalten handeln?
Gossenboss mit Zett: Ich mag die Schublade "Zeckenrap" nicht. Natürlich finde ich da irgendwie statt. Ich will aber auch darüber hinaus wahrgenommen werden. Deswegen finde ich es nicht cool, mich dahingehend zu lablen. Die Zeile ist eine Reaktion auf eine Situation, in der ich als Zeckenrapper gelablet wurde. Das ist wie: "Der macht Prollrap." Was soll das sein? Was sagt das über die Musik oder den Inhalt? Nichts. Es ist 'ne coole Line, weil man damit in Zeckenkreisen aneckt, aber einige auch sofort wissen, wie es gemeint ist, und darüber lachen können. Ich bin schon politisch und mit Sicherheit reflektierter, als ich es noch vor ein paar Jahren war. Aber ich bin nicht der Typ, der sich 24/7 Politik auf die Fahne schreibt und seine Agenda runterrattern muss. Das überlasse ich anderen.
MZEE.com: Mir ist aufgefallen, dass du auf dem aktuellen Album andere Themen behandelst als früher. Damals hatte deine Musik inhaltlich eine andere Leichtigkeit. Du bist auch Vater geworden. Haben sich deine gesellschaftlichen Ansichten seitdem geändert?
Gossenboss mit Zett: Es ist natürlich ein Klischee, dass ein Mann, der Vater wird, anfängt, sich mit Themen wie beispielsweise Feminismus auseinanderzusetzen. Bei mir hat das sicherlich eine Rolle gespielt, aber es ist auch meine ganz persönliche Entwicklung. Mittlerweile habe ich mich weitergebildet. Ich habe mich selbst hinterfragt und geschaut, was ich am eigenen Verhalten ändern kann. Es sind Dinge passiert, die mich zu einem politischeren Menschen gemacht haben.
MZEE.com: Spannend, dass du genau das aufgreifst. Du hast ja mit Danger Dan zusammengearbeitet. Dieser thematisiert auf "Sand in die Augen" Feminismus. Darin geht es darum, dass er Angst davor hat, seine Tochter in so einer Welt aufwachsen zu sehen.
Gossenboss mit Zett: Seine Tochter war für ihn nicht der ausschlaggebende Punkt, um sich mit Feminismus auseinanderzusetzen. Das hat er vorher auch schon getan. Trotzdem werden in dem Song Dinge aufgegriffen, über die man nachdenkt, wenn es einen direkt betrifft. Und wenn man Vater eines Kindes ist.
MZEE.com: Haben sich einige deiner Ansichten, zum Beispiel gegenüber Konsumverhalten, verändert, seit du Vater geworden bist?
Gossenboss mit Zett: Meine Ernährung vielleicht, ja. Das ist ja auch ein Klassiker. Auf einmal fängt man an, sich gesünder zu ernähren, und achtet darauf, was man einkauft. Aber ich hau' mir trotzdem noch die Tiefkühlpizza rein, wenn das Kind im Bett ist. (lacht)
MZEE.com: Du hast vorhin die Markenklamotten auf dem Schulhof erwähnt. Ist das etwas, worüber du dir Gedanken machst und was in die Erziehung einfließt?
Gossenboss mit Zett: Ja, auf jeden Fall. Natürlich will ich meinem Sohn mitgeben, dass es Wichtigeres gibt, als die neuesten Turnschuhe zu haben. Aber in dem Alter ist er noch nicht. Ich versuche zum Beispiel, mein Kind darauf aufmerksam zu machen, dass Bücher einen großen Wert haben. Ich versuche, zu vermitteln, dass die nicht auf dem Boden liegen sollen, weil sie wertvoll sind.
MZEE.com: Ist dir finanzielle Sicherheit heute wichtiger als früher?
Gossenboss mit Zett: Wenn ich kein Kind ernähren müsste, würde ich nicht den besagten Drei-Tage-Job machen. Dann würde ich definitiv hustlen. Ich hätte ja nur die Verantwortung für mich und ich komm' schon klar.
MZEE.com: Was würdest du dann machen? Würdest du hauptsächlich Musik machen? Du hast ja auch mal in einem Späti gearbeitet.
Gossenboss mit Zett: So etwas würde ich dann wahrscheinlich wieder tun. In erster Linie würde ich versuchen, meine Miete mit Musik zu bezahlen. Ich hätte mir nicht die klassische Lohnarbeit in der Produktion rausgesucht, sondern vermutlich etwas, das entspannter ist.
MZEE.com: Ich kann mir vorstellen, dass man in einem Späti die unterschiedlichsten Leute als Kunden hat und dadurch einen ganz guten Querschnitt der Gesellschaft trifft. Hat dich das auch musikalisch inspiriert?
Gossenboss mit Zett: Ja, safe. Zu der Zeit auf jeden Fall. Songs wie "Miami Pieschen" sind ganz klar auf das Späti-Verkäufer-Dasein zurückzuführen. Ich habe natürlich auch in dem Viertel gewohnt, aber dieser Späti ist schon der Brennpunkt gewesen.
MZEE.com: Was war dein Lieblingsprodukt im Späti?
Gossenboss mit Zett: Bierchen eigentlich. Wenn man dort arbeitet, wechselt man immer mal die Sorte. Es ist allerdings auch problematisch, dass man dort so nah am Vergnügen ist. Das war bei mir auch noch in einer Lebenssituation, in der es für mich möglich war, jeden zweiten Arbeitstag nach der Schicht weiterzuziehen. Das ist jetzt natürlich anders.
MZEE.com: In der Sächsischen Zeitung hast du mal gesagt, dass du nicht auf Kommerz ausgerichtet bist. Fühlst du dich immer noch wohl im Untergrund?
Gossenboss mit Zett: Untergrund ist ja nur eine Metapher dafür, nicht groß rauszukommen. Ich fühle mich auf jeden Fall wohl. In letzter Zeit nenne ich es gerne meine Nische, in der ich es mir bequem machen kann. Es gibt einen kleinen Kreis von Leuten, die dazu beitragen, dass es diese Nische gibt. Als kleiner Künstler ist es cool, wenn man den Fans etwas Exklusives liefert. Die feiern es, wenn man den Kram selbst verpackt. Das hat einen ganz anderen Wert, weil sie sich nicht fühlen wie einer von hunderttausenden Fans. Den Leuten ist es wichtig, dass sie mich damit direkt unterstützen und kein unterbezahlter Amazon-Sklave die Platte verpackt.
MZEE.com: Ich glaube, das hat viel mit der Nahbarkeit zu tun. Ich habe mal mitbekommen, dass jemand eine ältere Platte von Morlockk Dilemma gekauft hat und diese dann persönlich von ihm verschickt wurde. Man fühlt sich dadurch viel näher am Künstler.
Gossenboss mit Zett: Ich konsumiere Produkte so auch viel lieber. Morlockk Dilemma ist das beste Beispiel dafür, wie das funktionieren kann und wie man es gut hinbekommt, ohne seinen Arsch zu verkaufen. Er macht, worauf er Bock hat. Davor ziehe ich meinen Hut.
(Malin Teegen)
(Fotos von Danny Kötter)