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Interview

3Plusss – ein Gespräch über Vertrauen

"Ich ten­die­re viel­leicht auch dazu, mich in das Poten­zi­al von Men­schen zu ver­lie­ben. Oft habe ich einen kras­sen ers­ten Ein­druck von einer Per­son und dann kommt da nichts mehr." ‒ 3Plusss im Inter­view über Erfah­run­gen mit Dating-​Apps, Ver­trau­ens­brü­che und die aktu­el­le Arbeit der Politik.

Ver­trau­en spielt in vie­len Lebens­be­rei­chen von uns allen eine Rol­le und macht gleich­zei­tig einen gro­ßen Teil unse­res Cha­rak­ters aus. Wir müs­sen uns damit aus­ein­an­der­set­zen, wel­che Men­schen wir wie schnell in unser Leben las­sen und an wem wir uns am Ende viel­leicht nur die Fin­ger ver­bren­nen. In man­chen Fäl­len set­zen wir dabei viel­leicht auf die Fal­schen. Gehen wir die­ses Risi­ko aber ein, ler­nen wir viel­leicht auch die Per­so­nen ken­nen, die schließ­lich gemein­sam mit uns durchs Leben gehen. 3Plusss ist jemand, der durch sei­ne Musik viel­leicht erst mal miss­trau­isch und unnah­bar her­über­kommt. In der Ver­gan­gen­heit the­ma­ti­sier­te er bereits mehr­fach, wie schwie­rig es für ihn sei, sich gegen­über neu­en Men­schen zu öff­nen oder das Ver­trau­en in bereits bestehen­de Bekannt­schaf­ten nicht zu ver­lie­ren: "Miss­trau­en ist ein alter Hut, ich trag' ihn jeden Tag" – die­se Zei­le aus dem Track "Sicher" fasst die Skep­sis von 3Plusss wohl ziem­lich gut zusam­men, die sich in vie­ler sei­ner Wer­ke nur schwer über­hö­ren lässt. Uns gegen­über zeig­te sich der Esse­ner als sehr offe­ner und reflek­tier­ter Gesprächs­part­ner. Wir haben mit ihm unter ande­rem über sei­nen ers­ten Hype und damit ver­bun­de­ne Sze­ne­par­tys gere­det, auf denen er sich damals wie ein Fremd­kör­per fühl­te. Dabei erzähl­te er uns, wie die­se Zeit das Ver­trau­ens­ver­hält­nis zu sei­nen Mit­men­schen beein­flusst hat. Außer­dem spra­chen wir mit ihm über sein Ver­trau­en in die aktu­el­le Poli­tik und dar­über, war­um ihn die Fri­days for Future-​Bewegung so beeindruckt.

MZEE​.com​: Das The­ma Ver­trau­en taucht immer wie­der in dei­ner Musik auf. Kannst du dich noch dar­an erin­nern, wann du dich das ers­te Mal wirk­lich damit aus­ein­an­der­ge­setzt hast?

3Plusss: Ganz ehr­lich: Das ers­te Mal im Zuge mei­nes Kaf­fees, den ich mir gera­de zube­rei­tet habe. (lacht) Ich woll­te mir auch vor die­sem Inter­view kei­ne Sachen zurecht­le­gen. Ich glau­be, ich bin bei dem The­ma eher intui­tiv und den­ke nicht so viel dar­über nach.

MZEE​.com​: Man sagt, dass das Ver­trau­en eines Men­schen bereits in der frü­hen Kind­heit geprägt wird. Siehst du das genauso?

3Plusss: Ja, dem wür­de ich zustim­men. In der Kind­heit wird einem die Knet­mas­se für vie­le Lebens­be­rei­che zur Ver­fü­gung gestellt, mit der man spä­ter arbei­tet. Es ist eine Fra­ge des Cha­rak­ters, was man am Ende dar­aus macht. Viel­leicht ist mein Ver­hält­nis zu Ver­trau­en so, wie es ist, weil es durch mei­ne Eltern geprägt wur­de. Es gibt vie­le gute Sei­ten auf Insta­gram, die sich genau damit befas­sen. (lacht) In dem Zusam­men­hang bin ich zum Bei­spiel das ers­te Mal auf den Begriff "Sur­vi­val Mode" gesto­ßen. Dadurch wur­de mir erst klar, dass ich mich schon mein gan­zes Leben lang in genau die­sem Modus befin­de. Das hat schon fast etwas Ani­ma­li­sches und geht weit in der Zeit zurück. Wenn du dich in einer Gefah­ren­si­tua­ti­on befin­dest, schüt­tet dein Kör­per ver­schie­de­ne Hor­mo­ne aus, die dich geis­tig wach machen. Frü­her waren das eher Situa­tio­nen, in denen sich jemand in Lebens­ge­fahr befun­den hat. Heut­zu­ta­ge sind das zum Bei­spiel schwie­ri­ge sozia­le Situa­tio­nen, in denen einem ein­fach das nöti­ge Ver­trau­en fehlt.

MZEE​.com​: Du lässt in dei­ner Musik immer wie­der durch­bli­cken, dass du Pro­ble­me damit hast, neue Men­schen in dein Leben zu las­sen. Uns ist direkt dein Track "Sicher" in den Kopf gekom­men. Ist die­ser Cha­rak­ter­zug von dir tat­säch­lich so ausgeprägt?

3Plusss: (über­legt) Ich den­ke schon, dass ich Schwie­rig­kei­ten habe, Men­schen zu ver­trau­en. Heu­te sehe ich das aber nicht mehr so nega­tiv wie frü­her. Als der Song "Sicher" ent­stan­den ist, war ich viel in Ber­lin auf Sze­ne­par­tys unter­wegs: über­all frei­er Ein­tritt, über­all kos­ten­lo­se Geträn­ke und über­all war Olson. (lacht) Ein Jahr vor­her hat­te ich mit die­ser gan­zen Sze­ne noch gar nichts zu tun und plötz­lich sind alle so furcht­bar nett zu mir. An die­sem Punkt haben sich vor mir bereits vie­le Men­schen ver­lo­ren, weil einem so vie­le Din­ge zu Füßen lie­gen, die man vor­her nur aus Zeit­schrif­ten kann­te. Da ich selbst aber nie wirk­lich das Bedürf­nis hat­te, mit ande­ren zu con­nec­ten, bin ich nie­man­dem blind in die Arme gelau­fen und wur­de am Ende ent­täuscht. Die­se gan­ze Indus­trie ist voll mit Blut­saugern, die selbst gar nicht wis­sen, dass sie Blut­sauger sind. Man kann es ihnen auch gar nicht übel neh­men, weil es sich um Vam­pi­re han­delt, die am eige­nen Hand­ge­lenk schlür­fen. Unterm Strich habe ich gelernt, dass die­se Welt nichts für mich ist. Des­halb ist es erst mal nichts Schlech­tes, wenn man von klein auf nicht direkt jedem vertraut.

MZEE​.com​: Wir sind bei unse­rer Recher­che über ein Zitat von Geor­ge Washing­ton gestol­pert, bei dem wir sofort an dich und dei­ne Musik den­ken muss­ten: "Sei höf­lich zu allen, aber freund­schaft­lich mit weni­gen; und die­se weni­gen sol­len sich bewäh­ren, ehe du ihnen Ver­trau­en schenkst." – Was muss man tun, um dein Ver­trau­en zu gewinnen?

3Plusss: Gute Fra­ge, da gibt es wahr­schein­lich kein rich­ti­ges Rezept für. Man muss nicht die glei­chen Ansich­ten haben wie ich oder mir nach dem Mund reden. Man muss mir in die Augen sehen kön­nen und das, was man sagt, auf­rich­tig mei­nen. Musik ist da ein gutes Bei­spiel: Selbst wenn sie mich inhalt­lich oder sound­tech­nisch nicht anspricht, reso­niert sie mit mir, wenn ich das Gefühl habe, dass sie auf­rich­tig ist. Ich bil­de mir außer­dem ein, dass ich anzie­hen­der auf ande­re Men­schen wir­ke, wenn ich selbst auf­rich­tig bin.

MZEE​.com​: Du bist fest im Ruhr­ge­biet ver­an­kert. Den Men­schen von dort wird nach­ge­sagt, dass sie sehr direkt sind. Glaubst du, dass die­se Gegend inso­fern einen Ein­fluss auf dich hatte?

3Plusss: Das kann schon sein. Ich möch­te es zwar nicht nur auf mei­ne Her­kunft schie­ben, aber wenn man ent­spre­chend ver­an­lagt ist, ist man im Ruhr­ge­biet gut auf­ge­ho­ben. Ich kom­me aus einem sozi­al schwa­chen Stadt­teil, in dem man nicht besteht, wenn man nicht auf­rich­tig ist. Du wirst immer wie­der auf ver­schie­de­ne Arten getes­tet. Schaffst du es, mit dem komi­schen Typen an der Ecke Augen­kon­takt zu hal­ten und zu reden, wäh­rend fünf ande­re auf dich zukom­men? Sol­che Situa­tio­nen geben einem ein gutes Gefühl dafür, wer man sein kann und wer nicht.

MZEE​.com​: Neh­men wir mal an, jemand ist nach län­ge­rer Ken­nen­lern­zeit Teil dei­nes enge­ren Krei­ses: Was muss pas­sie­ren, damit du die­ser Per­son nicht mehr ver­trau­en kannst?

3Plusss: (über­legt) Wahr­schein­lich rei­chen Klei­nig­kei­ten, um mein Ver­trau­en ins Wan­ken zu brin­gen. Es gibt aber auch Men­schen, denen man nur pha­sen­wei­se nahe­kommt, weil man nach einer gewis­sen Zeit merkt, dass es zwi­schen­mensch­lich nicht passt. Ich wür­de sagen, dass ich in sol­chen Situa­tio­nen etwas fein­füh­li­ger bin als ande­re Men­schen und des­halb den Kon­takt abbre­che. Ein Musik­kol­le­ge hat mal einem ande­ren Kol­le­gen eine Idee für einen Track geklaut und die Num­mer dann inklu­si­ve Video ver­öf­fent­licht, ohne uns davon zu erzäh­len. Wir tau­schen uns unter­ein­an­der oft über die Musik aus und haben eigent­lich ein gutes Ver­trau­ens­ver­hält­nis. Nach sol­chen Aktio­nen ist eine Per­son für mich aber auf Lebens­zeit gecancelt.

MZEE​.com​: Gehst du in sol­chen Fäl­len dem Kon­flikt aus dem Weg oder sprichst du an, was dich stört?

3Plusss: Die Fra­ge ist für mich immer, ob es noch etwas zu klä­ren gibt. In dem eben genann­ten Bei­spiel wür­de die Per­son viel­leicht ihre Feh­ler ein­se­hen, das Ver­trau­en ist aber trotz­dem weg. Wenn du bestimm­te Din­ge bis jetzt nicht gelernt hast, dann wirst du sie wahr­schein­lich nie­mals ler­nen, und es ist nicht mei­ne Auf­ga­be, dir alles bei­zu­brin­gen. Mir sind mei­ne per­sön­li­chen Bezie­hun­gen zu Men­schen etwas wert und wenn ich mich schei­ße ver­hal­te, dann ent­schul­di­ge ich mich, bevor die betrof­fe­ne Per­son mich dar­auf anspricht.

MZEE​.com​: Wenn wir den Spieß umdre­hen: Hast du selbst schon mal bewusst das Ver­trau­en ande­rer miss­braucht oder gebrochen?

3Plusss: Ja. Zu der Zeit, als ich den Track "Sicher" geschrie­ben habe, war ich einer die­ser Men­schen, denen man bes­ser nicht ver­traut. Ich war nicht der Treu­es­te und habe mich mit Sicher­heit auch schei­ße gegen­über Freun­den ver­hal­ten. Damals hat­te ich viel zu früh zu viel Hype. Ich war voll von neu­en Ein­drü­cken und wuss­te über­haupt nicht, was ich will und was ich tue. Das war eine echt blö­de Zeit, in der ich nicht ganz bei mir war, und ich bin mir sicher, dass ich damals vie­len Men­schen weh­ge­tan habe.

MZEE​.com​: The­ma Ver­trau­en und Beruf: Wie schwie­rig war es für dich zu Beginn, mit einem Label zusammenzuarbeiten?

3Plusss: Am Anfang habe ich das alles nur zum Spaß gemacht. Mit mei­ner dama­li­gen Mana­ge­rin hat­te ich ein geschwis­ter­li­ches Ver­hält­nis und ich habe mich auf vie­le Gesprä­che nur ihr zulie­be ein­ge­las­sen. Eigent­lich war mir klar, dass wir nir­gend­wo unter­schrei­ben. Das hat­te aber mehr mit Unsi­cher­heit als mit Weit­sicht zu tun. 2015 habe ich mich dann an mei­nen Boo­ker gewandt, weil ich doch mit einem Manage­ment zusam­men­ar­bei­ten woll­te. Dadurch habe ich Patrick Thie­de ken­nen­ge­lernt, der gera­de ganz frisch das Label "Auf!Keinen!Fall!" gegrün­det hat­te. Er ist nicht nur ein super Geschäfts­mann, son­dern auch ein rich­tig guter Typ. Dazu muss man aber sagen, dass ich wirk­lich Glück hat­te. So einen wie Patrick Thie­de gibt es nicht noch mal. Er arbei­tet seit Jah­ren in die­sem Geschäft, ist aber trotz­dem Fan geblieben.

MZEE​.com​: Zu dei­ner Arbeit als Musi­ker gehö­ren auch dei­ne Social Media-​Kanäle, auf denen du sehr aktiv bist. Inwie­weit kön­nen Face­book, Insta­gram und Co. einen blen­den, wenn man online neue Bekannt­schaf­ten knüpft?

3Plusss: Ganz schön doll! Vie­le Leu­te sind wäh­rend mei­nes Hypes in mei­ne DMs gesli­det, weil sie dach­ten, dass bei mir rich­tig was geht. Mir hat das frü­her auf eine unan­ge­neh­me Art viel bedeu­tet. Ein Rap­per, der 2013 ein wahn­sin­nig erfolg­rei­ches Album raus­ge­bracht hat, woll­te einen Remix zu einem sei­ner Tracks machen. Er hat mich auf der Gold­ver­lei­hung eines ande­ren Rap­pers ange­spro­chen und gefragt, ob ich nicht auch einen Part bei­steu­ern möch­te. Ich bin von die­ser Par­ty gegan­gen und hat­te rich­tig Bock, weil ich die­sen Rap­per sehr gefei­ert habe. Am Ende hat er sich ein­fach nicht mehr gemel­det und das hat mir wirk­lich das Herz gebrochen.

MZEE​.com​: Wie bewer­test du die Funk­ti­on von Dating-​Apps im Zusam­men­hang mit Vertrauen?

3Plusss: Ich habe kaum Erfah­run­gen damit gemacht. In schwa­chen Momen­ten instal­lie­re ich mir Tin­der und swi­pe eine Stun­de rum. Ich hat­te noch nie ein Date über sol­che Apps und habe auf nicht mehr als drei Nach­rich­ten geant­wor­tet. Ich wüss­te gar nicht, über was ich mich mit mei­nen Matches unter­hal­ten soll. Mir ist es wich­tig, dass ich bereits nach ein paar Sät­zen weiß, dass ich eine auf­rich­ti­ge Per­son vor mir habe. Dazu muss sie mir nicht ihre kom­plet­te Lebens­ge­schich­te erzäh­len. Ich ten­die­re viel­leicht auch dazu, mich in das Poten­zi­al von Men­schen zu ver­lie­ben. Oft habe ich einen kras­sen ers­ten Ein­druck von einer Per­son und dann kommt da nichts mehr.

MZEE​.com​: Wir wür­den ger­ne auf eine Zei­le aus dei­nem Track "Ab Jetzt" von 2014 ein­ge­hen: "Ich seh' kei­ne Frau und denk': 'Die wird mich eh wie­der betrü­gen', will weg von die­sen schä­bi­gen Gefüh­len. Ich nehm' es in die Hand und tret' es nicht mit Füßen. Die Ex ist Müll, doch ich lass' nicht die Nächs­te dafür büßen." – Wel­chen Rat wür­dest du ande­ren nach Rück­schlä­gen geben, damit sie es schaf­fen, neue Men­schen in ihr Leben zu lassen?

3Plusss: Die­se Zei­len wür­de ich so heu­te nicht mehr schrei­ben. (lacht) Ich weiß genau, wen ich damit mein­te und in was für einer Ver­fas­sung ich den Song geschrie­ben habe. Letz­tes Jahr war ich wie­der in genau so einer Situa­ti­on und dach­te eigent­lich, dass mir das so nie wie­der pas­sie­ren wür­de. Ich kann Men­schen kei­ne Tipps im Nach­hin­ein geben. Ich kann ihnen nur im Vor­feld raten, sich nicht aktiv auf Part­ner­su­che zu bege­ben. Man soll­te lie­ber ver­su­chen, mit sich selbst klar­zu­kom­men und es in sol­chen Situa­tio­nen mög­lichst unper­sön­lich zu neh­men. Kein Mensch tut dir weh, um dir weh­zu­tun. Es han­delt sich immer um ver­letz­te Men­schen, die ande­re verletzen.

MZEE​.com​: Beson­ders über Twit­ter äußerst du dich immer wie­der kri­tisch über die aktu­el­le Poli­tik. Wür­dest du sagen, dass dein Ver­trau­en in die Poli­tik gebro­chen ist?

3Plusss: Zu Hau­se habe ich kei­ne wirk­li­che poli­ti­sche Sozia­li­sa­ti­on mit­be­kom­men. Ich habe erst in den letz­ten Jah­ren ange­fan­gen, mich mit Poli­tik aus­ein­an­der­zu­set­zen und einen guten Zeit­punkt erwischt, um ein­zu­stei­gen, weil vie­le Din­ge noch nie so klar ersicht­lich waren. Des­halb wür­de ich nicht sagen, dass mein Ver­trau­en gebro­chen ist, weil es nie wirk­lich da war. Ich glau­be, dass sich die Poli­tik immer mehr von den Men­schen ent­fernt, für die sie eigent­lich da sein soll­te. Wenn man sich Bun­des­tags­de­bat­ten anschaut, ist es heu­te noch so, dass Men­schen in unfass­bar kom­pli­zier­ter Spra­che sim­pels­te Sach­ver­hal­te dar­stel­len. Ich fin­de es schwie­rig, zu sagen, dass die da oben es schon rich­ten wer­den, weil vie­le von denen nur ihre per­sön­li­chen Zie­le ver­fol­gen. Auf­rich­tig­keit spielt dabei kei­ne gro­ße Rol­le. Am Ende sit­zen Poli­ti­ker an der Spit­ze, die mit ihren Wäh­lern nicht mehr viel gemein haben.

MZEE​.com​: Glaubst du, dass die aktu­el­le Kri­se dazu bei­trägt, dass die Leu­te das gan­ze Sys­tem mehr hin­ter­fra­gen als vorher?

3Plusss: (lacht) Ja, in alle Rich­tun­gen. Wollt ihr jetzt gera­de auf die Corona-​Leugner und die Impf­geg­ner hinaus?

MZEE​.com​: Ja, zum Bei­spiel. Anders for­mu­liert: Inwie­weit ist die Pan­de­mie ein Nähr­bo­den für Verschwörungstheorien?

3Plusss: Jedes gro­ße Event ist mitt­ler­wei­le den Men­schen recht, um sich schlau­er als ande­re zu füh­len. Die­je­ni­gen wol­len sich nicht mit der Rea­li­tät aus­ein­an­der­set­zen, weil sie viel zu trist und lang­wei­lig ist. Heut­zu­ta­ge braucht man kei­ne guten Argu­men­te mehr, son­dern bezieht sich auf etwas, das irgend­je­mand im Inter­net geschrie­ben hat. Mit sol­chen Leu­ten braucht man nicht zu reden, weil sie immer glau­ben, was sie glau­ben wol­len. Es geht dabei nicht um Fak­ten, son­dern dar­um, wie gut du dis­ku­tie­ren kannst. Jemand schreibt bei Face­book einen guten Kom­men­tar und lässt sich dann auf eine Unter­hal­tung ein, in der die Per­son unsou­ve­rän wird.

MZEE​.com​: Zu guter Letzt wür­den wir ger­ne wis­sen, was pas­sie­ren müss­te, damit du Poli­ti­kern und ihrer Arbeit ver­trau­en kannst.

3Plusss: Ich glau­be nicht, dass sich unser poli­ti­sches Sys­tem refor­mie­ren lässt. Es reicht nicht, jemand ande­ren zu wäh­len, damit alles bes­ser wird. Ich habe zwar kei­ne kon­kre­te Lösung, ten­die­re aber zu einem Kom­plett­ab­riss. Bei Fri­days for Future hat­te ich ein biss­chen das Gefühl, dass sich etwas ändern könn­te. Ich habe vor­her noch nie von einer Bewe­gung mit­be­kom­men, wegen der jede Woche so vie­le Men­schen aller Gene­ra­tio­nen auf die Stra­ße gegan­gen sind. Die Kli­ma­fra­ge ist für mich auch eine Sys­tem­fra­ge. Des­halb fin­de ich es rich­tig span­nend, wie sich das auf eine sof­te Art immer wei­ter radi­ka­li­siert. Unterm Strich glau­be ich aber nicht dar­an, dass sich nach der nächs­ten Bun­des­tags­wahl groß etwas ändern wird. Ein aktu­el­les Nega­tiv­bei­spiel ist der Umgang mit der Kul­tur­bran­che, die laut­stark auf sich auf­merk­sam macht, weil sie gera­de stirbt. Da geht ein gan­zes Stück Kul­tur flö­ten und es juckt kei­nen. Die Men­schen in der Poli­tik müs­sen den­je­ni­gen zuhö­ren, die Pro­ble­me haben, um einen ande­ren Blick­win­kel auf The­men zu bekom­men, mit denen sie selbst kei­ne Berüh­rungs­punk­te haben.

(Moritz Frie­den­berg & Malin Teegen)
(Fotos von Lukas Richter)