"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
"Es ist zwölf Uhr, ich kauf' mir Supreme" – das ist RINs Devise. Ich hingegen sitze ich in der Berliner S-Bahn, Kopfhörer in den Ohren und lasse den Sound der Deutschrap-Hochburg Bietigheim-Bissingen auf mich wirken. Sofort fühle ich mich in den Spätsommer 2017 zurückversetzt. Für viele mag "EROS" als musikalisches Sinnbild des modernen Hedonismus, geprägt von Materialismus, Marken und Konsum, belanglos klingen – nichtsdestotrotz hat RIN 2017 mit diesem Album zahlreiche Hymnen für die Generation Z geschaffen. Nebenbei ist er zum Superstar der Neuzeit mutiert.
Egal, ob Supreme, Gosha Rubchinskiy oder PALACE – RINs gesamtes Moderepertoire findet auf sämtlichen Tracks statt. Mit "'Preme im Nacken wie ein Raubtier" erzählt RIN von seinem Leben: Vom Chillen mit den Brüdern, dem Nightlife und dem Herzschmerz. All dies geschieht auf scheinbar simple Art und Weise, die mich aber mitten ins Herz trifft. Insbesondere "Gamma" lässt mich auch heute gerne noch in Erinnerungen an damals schwelgen – dreieinhalb Minuten über die Liebe, das Streiten und das Vergeben, ohne dabei kitschig zu werden. Themen, die lauter nach Zigaretten schreien als der King of Ljubav selbst. Mal ehrlich, meinen Zigarettenkonsum hat Mr. Marlboro drastisch ansteigen lassen. Doch es sei ihm verziehen, denn genau diese melancholischen Momente bei einer nächtlichen Zigarette auf dem Balkon sind das, was das Album für mich ausmacht.
Diese Spezialität, Schwermut und Unbeschwertheit gleichermaßen Platz zu geben, ist einmalig. Ob oder wie leicht wir junge Leute zu begeistern sind, spielt hier keine Rolle. Denn Fakt ist, dass RIN es damals wie heute geschafft hat, uns mit diesem Release zu catchen. Trotz der Seichtigkeit, oder vermutlich gerade wegen ihr, erinnere ich mich mit "EROS" auch vier Jahre später gerne an eine Zeit, die von einer gewissen Leichtigkeit, ja vielleicht sogar Naivität geprägt war. Und heute wie damals bin ich RIN dafür dankbar, dass er dieses Lebensgefühl musikalisch manifestiert hat.
(Armina Takvorijan)