"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Mein Sommer 2016 hatte seine ganz eigene Dynamik. Euphorisiert vom Gefühl, nicht mehr in die Schule zu müssen, blickte ich erwartungsvoll in Richtung des "besten Sommers meines Lebens". Diese Euphorie währte nicht lang und wich einer inneren Leere, welche ich eher schlecht als recht mit Festen der Selbstzerstörung zu füllen versuchte. "Ich bin 2 Berliner" von Ufo361 kam daher genau zum richtigen Zeitpunkt.
Schon zwei Stunden vor Release saßen wir zu sechst in einem viel zu kleinen Auto auf einem Parkplatz. Die Stimmung war, trotz oder gerade wegen der akuten Planlosigkeit, gut. Die vorab veröffentlichten Singles heizten zusätzlich ein und der Parkplatz bebte, als um 00:00 die ersten Bässe aus den Boxen knallten. Kaum ein Album hätte passender sein können: brutal sperrige Beats, dominante 808s, unzählige schnelle Hi-Hats und ein Ufo in Bestform – endlich guter Trap auf Deutsch. Und Grund dafür, dass ich den Rest des Spätsommers wahlweise auf Parkplätzen oder -bänken verbrachte, das Album rauf und runter pumpte und keinen Gedanken an morgen verschwendete. Bei der trap-lastigen Release-Flut, die uns jeden Freitag erreicht, beschleicht mich das Gefühl, dass ich nicht der Einzige war, dem es so erging. Unbewusst hat Ufo den Sound einer neuen Generation nach Deutschland gebracht und wird von vielen Newcomern als Wegbereiter ihres Erfolgs betrachtet. Der unermüdbare Berliner ist für mich nicht nur wegen "Ich bin 2 Berliner" ein Pionier zeitgemäßen deutschen Raps und an seiner Entwicklung der letzten fünf Jahre beteiligt wie kein Zweiter.
Mein Sommer 2016 und "Ich bin 2 Berliner" sind in meiner Erinnerung nicht nur ein untrennbares Duo, sondern weisen auch diverse Parallelen auf: immer laut, Hang zum Exzess und ziemlich rücksichtslos, dafür gähnende Leere, was den Mehrwert oder inhaltliche Thematiken angeht. Eine gefährliche, aber unschlagbar gute Kombi. Auf dass unser nächstes Jahr ein bisschen mehr wie 2016 und weniger wie 2020 wird, bis dahin: "Scheiß[t] auf eure Party."
(Jonas Jansen)