"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Noch im Vorfeld des Meilensteins "Yo, Picasso" veröffentlichte Fatoni die kleine, aber sehr einprägsame "C'Mon! EP", die mein jugendliches Fanboy-Ich mit lang ersehnter Musik des Münchners versorgte. Die EP zeigte mir damals, dass er auch mehr als nur lustigen, ironischen oder szenekritischen Backpack-Rap in seinem Repertoire hatte.
Die sechs Songs der EP bleiben einfach im Gedächtnis. Zum Beispiel schwirrt mir seit 2015 eine Phrase im Kopf herum, die ich wahrscheinlich bis zu meinem Lebensende nicht mehr loswerde: "C'mon, das geht auch klüger!" Halb als Witz, halb als Selbstkritik wird die Aussage von Ahzumjot über einen Track von Fatoni gesamplet und so catchy als Hook genutzt, dass ich den Satz bis heute (meist unfreiwillig) benutze. Neben dem namensgebenden Intro und den beiden typisch ironischen, lockeren Tracks "Kreis" und "Hidden Freestyle" schlägt der Rapper aber auch ernstere Töne an. "Holiday Inn (Edgar Wasser RMX)" ist ein experimenteller Song über die absurde Konsumgesellschaft und damit nach wie vor topaktuell. Mich hat aber vor allem "Schlafentzug" begeistert. Zusammen mit dem Produzenten Occupanther kreiert Fatoni hier einen unfassbar fesselnden Vibe, der mich beim Hören unweigerlich packt und raus in die Nacht zieht – egal, wie spät es ist. Auch das dazugehörige Musikvideo mit den Schauspielern Friedrich Mücke und Lorna Ishema ist durch deren Leistung ein kleines und minimalistisches Meisterwerk. Das letzte Highlight ist "Ziehst du mit - Bustla RMX" mit Mine. Der Track macht klar, dass die beiden schon weit vor dem gemeinsamen Album unpeinlich über Beziehungen rappen beziehungsweise singen konnten.
Auf der "C'Mon! EP" erweiterte Fatoni seine bekannten Facetten und zeigte damit, was man von ihm noch erwarten konnte. Für mich war das zwar damals nichts, was ich von ihm verlangt hätte – es hat mich aber so geprägt, dass ich mir den Künstler seit der EP nicht mehr ohne seine ironiebefreiten und persönlichen Tracks vorstellen kann.
(Jakob Zimmermann)