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Adventskalender

24 Jahre deutscher Rap in Tracks: Türchen #15 – Casper (2011)

24 Tür­chen, 24 Jah­re deut­sche Rap-​Geschichte – in unse­rem Advents­ka­len­der las­sen wir die letz­ten Jah­re anhand aus­ge­wähl­ter Tracks Revue pas­sie­ren. Heu­te: "Auf und davon" von Cas­per aus dem Jahr 2011.

Es ist kalt, es ist grau, es gibt immer noch Coro­na. Die idea­le Zeit also, um Tag für Tag bei unse­rem Advents­ka­len­der mit­zu­fie­bern. Wie­der wer­fen wir einen Blick zurück auf die letz­ten 24 Jah­re: Wel­che Mei­len­stei­ne gab es? Wel­che Momen­te sorg­ten dafür, dass deut­scher Rap ein­fluss­rei­cher wur­de denn je? Weil uns Alben zu ein­fach sind (und wir sie schon hat­ten, sie­he hier), haben wir uns die­ses Jahr dran­ge­macht und den jeweils einen Track gesucht, der die Sze­ne über sein Erschei­nungs­jahr hin­aus ent­schei­dend geprägt hat. Jeden Tag stel­len wir Euch somit – ange­fan­gen 1997 – einen Song vor, der ent­we­der durch sei­nen Sound, sei­nen Inhalt oder sei­ne Form unse­rem Lieb­lings­gen­re sei­nen Stem­pel auf­ge­drückt hat.

 

2011: Cas­per – Auf und davon

Weit weg, da, wo dir Feh­ler ver­zeih­bar sind.
An den Ort, wo wir mit 16 dach­ten, wo wir mit 30 sind.

Da sind wir nun also. Im Jahr 2011. Am Anfang der Zukunft, in die uns Mar­te­ria letz­tes Jahr zum Glück geschickt hat. Mit der nun geöff­ne­ten Tür für eine ganz neue Strö­mung herrscht Auf­bruch­stim­mung im deut­schen Rap. So lang­sam begin­nen auch ande­re Musik­rich­tun­gen, ihren Ein­fluss auf die hie­si­ge Sze­ne zu neh­men – Gen­re­gren­zen ver­schwim­men. Wer könn­te die­se Stim­mung bes­ser ein­fan­gen als Cas­per?

Genau das macht er näm­lich mit "Auf und davon", der gro­ßen Sin­gle sei­nes lang erwar­te­ten und heiß ersehn­ten Albums "XOXO". Musi­ka­lisch wird sich von den har­ten und düs­te­ren Instru­men­tals, die im Gangs­ter­rap der 2000er den Main­stream domi­niert haben, weg­be­wegt. Statt­des­sen gibt es einen melo­di­schen, bei­na­he pop­pi­gen Beat, der sich aber kei­nes­wegs irgend­wel­chen Trends anbie­dert, son­dern nach etwas Eige­nem, Auf­re­gen­dem klingt. Auch inhalt­lich geht es um Auf­bruch. Raus aus dem All­tag, raus aus dem ewi­gen Trott, end­lich eige­ne Pfa­de beschrei­ten, "end­lich […] [anfan­gen], auf­zu­hö­ren". Und so gelingt es Cas, gegen jeg­li­chen Wider­stand aus dem Main­stream den Zeit­geist einer Gene­ra­ti­on ein­zu­fan­gen, die dem in der Sze­ne vor­herr­schen­den puber­tä­ren Rap der ver­gan­ge­nen Jah­re lang­sam ent­wächst. "XOXO" ist Cas­pers Coming-​of-​Age-​Platte, was auf kei­nem der 13 Anspiel­punk­te so deut­lich wird wie auf "Auf und davon".

Zuvor muss­te man sich jah­re­lang in den Unter­grund bege­ben, um mal etwas ande­res zu hören als die sich immer wie­der­ho­len­den Prot­ago­nis­ten bei MTV TRL. Cas­per nutzt jedoch die Chan­ce, mit einer Rich­tung, die zunächst als "Hipster­rap" ver­schrien wird, in den Main­stream vor­zu­drin­gen. Über der­ar­ti­ge Eng­stir­nig­kei­ten kann man 2020 ange­sichts des Impacts, den der Wahl­ber­li­ner damit ver­ur­sacht hat, nur noch lachen. Also: "Auf und davon" in bes­se­re Zeiten!

(Micha­el Collins)
(Gra­fik von Daniel)