Wenn nicht mit Rap, dann mit der Faust? Über Gewalt im Live-Battlerap
An dieser Stelle möchten wir Gedanken zu aktuellen Geschehnissen aus dem Deutschrap-Kosmos zum Ausdruck bringen. Die jeweils dargestellte Meinung ist die des Autors und entspricht nicht zwangsläufig der der gesamten Redaktion – dennoch möchten wir auch Einzelstimmen Raum geben.
Im folgenden Text beschäftigt sich unser Redakteur Daniel mit gewalttätigen Ausschreitungen im Live-Battlerap und dem Schaden, den die Szene davon nehmen könnte.
Rap scheint sich nach außen hin immer erklären zu müssen – mehr als jedes andere Genre. Egal, ob es um die Authentizität seiner Interpreten, die Seriosität als Teil des Musikgeschäfts oder seine schlichte Existenzberechtigung geht.
Dabei sollte Kunst nie erklären müssen, warum sie gemacht wird. Kunst muss seine Existenz nicht legitimieren, sich aber zumindest mit Kritik auseinandersetzen. Gerade Rap, denn die hier angebrachte Kritik lässt sich nicht durch schlichte Generationskonflikte erklären. Die Szene wurde und wird von außen wie innen nicht nur wegen tiefsitzender Hosen skeptisch beäugt.
Insbesondere, wenn Rap sich in Untergenres wie Gangster- oder Battlerap einer weitaus härteren Sprache bedient und sich besonders überspitzt und gewalttätig gegenüber fiktiven Figuren oder tatsächlichen Kontrahenten äußert, muss er sich seither erklären. So ziemlich jeder sollte es etwa aus der eigenen Kindheit und Gesprächen mit Eltern, Lehrern oder anderen kennen, die sich mit Rap und seiner oftmals aggressiv erscheinenden Grundhaltung auseinandersetzen: das "Ventil-Argument".
Rap und seine harte Sprache als Ventil für Aggressivität. Ob es nur um die eigene Unzufriedenheit oder das Austragen direkter Unstimmigkeiten mit anderen Rappern geht: Hier anzuführen, dass ein Rapbattle eine äußerst zivilisierte oder zumindest gewaltlose Art der Deeskalation sein kann, war schon immer ein Argument, auf das sich alle einigen konnten. "Wenigstens klären sie ihre Streitigkeiten mit Worten, statt sich die Köpfe einzuschlagen."
Was aber, wenn dies keine Frage mehr von Entweder-oder ist? Wenn verbal und körperlich attackiert wird oder die Auseinandersetzung auf sprachlicher Ebene gar die Ausübung von Gewalt initiiert?
Inzwischen gibt es auch bei uns dafür einige Beispiele. Rapbattles, die ausarten und zu handfesten Auseinandersetzungen führen. Selbstverständlich nicht so häufig und in der Intensität, wie das etwa in den USA der Fall ist. Trotzdem sollte man sich der potenziellen Problematik bewusst sein. Natürlich wirkt es fast ulkig, wenn ein Davie Jones und ein Le Nerd sich eine kindergarteneske Streiterei darüber liefern, dass Schubsen nicht erlaubt wäre. Aber die Kritik dabei ist völlig legitim. Gleiches gilt für eine Fast-Eskalation, wenn etwa ein EkHead die flapsige Bemerkung eines Ryko-J über den verstorbenen Großvater nicht ertragen kann. Es mag nachvollziehbar sein, dass eine derartige Line eine überschwängliche Reaktion mit sich bringen kann – besonders, wenn zuvor Absprachen getroffen wurden, dies zu unterlassen. Dennoch muss dann auch die Frage erlaubt sein, ob ein Rapbattle der richtige Platz für jemanden ist, der bei bestimmten Themen nur eine kurze Zündschnur sein Eigen nennt, an deren Ende eine gewalttätige Antwort wartet. Denn wenn die verbale Attacke im Zuge eines vereinbarten Wettstreits plötzlich reale Auswirkungen mit Angriffen auf die Gesundheit von beteiligten Akteuren hat, schadet sich die Kunst selbst. Nicht nur, weil sie sich einschränkt, wenn Rapper befürchten müssen, dass ein falsches Wort ihnen ein tatsächliches blaues Auge bescheren könnte.
Ganz zu schweigen davon, wenn Leute involviert werden, die gar nicht direkt am Battle teilnehmen. Stichwort "Mars B. gegen Seva" beziehungsweise "Mars B. gegen Tobi High", denn dieser war sein eigentlicher Kontrahent im Battle. Im Vorfeld angestautes Konfliktpotenzial und ein hin- und hergeworfener Flaschendeckel führten aber letztlich dazu, dass sich Mars auf den im Publikum stehenden Seva stürzte, sodass das Battle kurzzeitig unterbrochen werden musste.
Erschreckend für mich persönlich war hierbei, dass es in Diskussionen mit Freunden und anderen Battlerap-Fans doch recht viel Zuspruch für das Handeln des Angreifers gab. Dieser Zuspruch bildete keineswegs die Mehrheit und galt nicht unbedingt der letztendlichen Tat. Er war insofern geartet, dass Leute die Reaktion nachvollziehen konnten, Mars angeblich in die Ecke gedrängt und genau dies von Tobi und Seva provoziert worden sei.
Dabei sollte hier von Anfang an recht einstimmig und deutlich Kante gezeigt werden. Unter anderem durch zeitweilige Sperrungen der entsprechenden Battlerap-Akteure – so geschehen etwa im Fall von Mars B. Darüber hinaus sollten solche Ausschreitungen intern wie nach außen thematisiert werden. Allein schon, um klarzustellen, dass derlei nicht toleriert und entsprechend geahndet wird. Denn letztlich sind es Aktionen wie diese, zu denen Rap gern eine Alternative bilden will und stolz erklärt, eine gewaltfreie Lösung zu sein. Wenn er das nicht mehr ist, sondern vielleicht gar zum Auslöser solcher Angriffe wird, verliert er ein äußerst wichtiges Argument im ständigen Diskurs, in dem Rap seit Anfang an bis heute und sicherlich noch in Zukunft steht.
(Daniel Fersch)
(Grafik von Daniel Fersch)