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Interview

Nobodys Face – ein Gespräch über Grenzen

"Ich habe in der Jugend bei Han­sa Ros­tock gespielt und wir hat­ten ein Tur­nier in Bre­men. Nach­dem wir gewon­nen haben, haben uns die Westel­tern wäh­rend der Sie­ger­eh­rung aus­ge­buht." – Nobo­dys Face im Inter­view über sei­ne Kind­heits­er­leb­nis­se in Ros­tock nach der Wende.

Denkt man an den Begriff "Gren­zen", so zählt wohl zu einer der ers­ten Asso­zia­tio­nen damit das Wort "Län­der­gren­zen". Beach­tet man die Tat­sa­che, dass die­se men­schen­ge­macht sind, so lässt sich dar­aus schnell schlie­ßen, dass Gren­zen im All­ge­mei­nen ihren Ursprung im Kopf der Men­schen fin­den. Das kann auf der einen Sei­te durch kla­re Abtren­nung für Ord­nung sor­gen, auf der ande­ren Sei­te aber Inno­va­ti­on und Fort­schritt hin­dern. Gera­de Letz­te­res scheint der Künst­ler Nobo­dys Face von Anfang an ver­in­ner­licht zu haben. Der Titel sei­nes Debüt­al­bums, "Nie­mands­land", deu­tet bereits an, dass sich der gebür­ti­ge Ros­to­cker musi­ka­lisch gern in unbe­kann­te Gefil­de wagt. Nach dem Prin­zip "Wer Hip­Hop macht, aber nur Hip­Hop hört, betreibt Inzest", wie Jan Delay es ein­mal for­mu­liert hat, ist sei­ne Musik dadurch geprägt, dass er sich an ver­schie­de­nen Musik­rich­tun­gen bedient. Gren­zen schei­nen für ihn dabei nicht zu exis­tie­ren. Woher die­se Offen­heit und das Bedürf­nis danach stammt, haben wir im Inter­view mit ihm ergrün­det. Außer­dem spra­chen wir dar­über, wie das Auf­wach­sen in der DDR sein Den­ken beein­flusst hat und ob er sich damit wohl­fühlt, als Pro­du­zent sel­te­ner im Ram­pen­licht zu ste­hen als sei­ne rap­pen­den Kollegen.

MZEE​.com: Im heu­ti­gen Inter­view möch­ten wir mit dir über das The­ma Gren­zen spre­chen. Die für Deutsch­land wohl prä­gends­te Gren­ze ist die, die das Land einst in Osten und Wes­ten auf­teil­te. Du bist in Ros­tock auf­ge­wach­sen. Hast du das Gefühl, dass die Men­schen bezüg­lich Ost- und West­deutsch­land immer noch Gren­zen im Kopf haben?

Nobo­dys Face: Nö, das Gefühl habe ich gar nicht. Zumin­dest nicht in mei­nem Umfeld. Man macht viel­leicht Sprü­che, aber die machen eher wir.

MZEE​.com: Auch nicht in der Vergangenheit?

Nobo­dys Face: Doch, in der Ver­gan­gen­heit tat­säch­lich. Da habe ich noch Fuß­ball gespielt, kurz nach der Wen­de 1991 oder 1992. Ich habe in der Jugend bei Han­sa Ros­tock gespielt und wir hat­ten ein Tur­nier in Bre­men. Nach­dem wir gewon­nen haben, haben uns die Westel­tern wäh­rend der Sie­ger­eh­rung aus­ge­buht. Unse­re Eltern fan­den das nicht so schön, ein paar haben geweint. Ich habe erst spä­ter rea­li­siert, was da los war. Aber jetzt ist alles gut.

MZEE​.com: Wel­che Vor­ur­tei­le nimmst du in dei­nem eige­nen Den­ken wahr?

Nobo­dys Face: Ich glau­be, es gibt kei­nen Men­schen, der kei­ne Vor­ur­tei­le hat. Zum Bei­spiel: "Köl­ner sind so." Da hat jeder sei­ne Vor­stel­lung, bis er mal da gewe­sen ist. In unse­rem Fall ist es eher so, dass wir mit den Vor­ur­tei­len spie­len, von denen man denkt, dass man sie hat. Wir ver­su­chen, es eher ins Lus­ti­ge zu zie­hen und bezeich­nen Deut­sche als Kar­tof­feln oder so. Das sprengt auch ein biss­chen die Gren­zen, nur auf eine ande­re Art und Wei­se. Sodass man dar­über lachen kann und denkt, dass doch alles gar nicht so schlimm ist.

MZEE​.com: Hast du an dei­ne Musik den Anspruch, Gren­zen zu spren­gen oder Vor­ur­tei­le aufzubrechen?

Nobo­dys Face: Ja, das will doch jeder. Eigent­lich will ich nur, dass Leu­te mei­ne Musik geil fin­den, wenn sie sie hören. Natür­lich ver­su­che ich, vie­le Musik­rich­tun­gen ein­flie­ßen zu las­sen, weil es mei­ne Natur ist, nicht nur eine Art von Musik zu hören. Des­we­gen will ich auch Gren­zen spren­gen, aber das ist nicht mein Haupt­ziel. Ich muss nicht Metal und Schla­ger benut­zen, damit ich etwas Ver­rück­tes mache. Natür­lich sucht man immer nach etwas, was es noch nicht gibt. Aber es ent­wi­ckelt sich immer wei­ter. Mal kom­men die Acht­zi­ger wie­der, dann die Neun­zi­ger. Dann ver­mi­schen die sich. Das kriegt man alles mit und saugt es neben­bei auf. Aber im End­ef­fekt dad­de­le ich ein­fach drauf los, wenn ich nicht einen bestimm­ten Beat machen muss, zum Bei­spiel einen Kif­fer­beat. Ich den­ke erst spä­ter dar­über nach, was ich da gera­de gemacht habe. Dann kommt der Aha-​Moment, wenn zum Bei­spiel etwas nicht so gut ist und dann löscht man es. (lacht)

MZEE​.com: Auf dem Song "That's Right" von dei­nem aktu­el­len Album heißt es in den Vocals von Enda Gal­lery: "I'm just try­ing to push us for­ward towards bor­ders." – Ver­hin­dern zu vie­le Schran­ken im Kopf einen wirk­lich krea­ti­ven Schaffensprozess?

Nobo­dys Face: Auf jeden Fall. Man ist dann wahr­schein­lich noch krea­tiv in sei­nem eige­nen Gebiet. Wenn jemand jeden Tag nur Trap-​Beats macht, ist er dar­in auch krea­tiv, aber stößt irgend­wann wahr­schein­lich an Gren­zen und ganz viel Langeweile.

MZEE​.com: Soll­te ein Musi­ker immer ver­su­chen, mög­lichst frei an sei­ne Musik her­an­zu­ge­hen? Oder kann es auch gut sein, in einem bestimm­ten Mus­ter zu blei­ben und das zu perfektionieren?

Nobo­dys Face: Es soll jeder machen, was er will. Das ist, glau­be ich, von Mensch zu Mensch unter­schied­lich. Wenn ich drei HipHop-​Beats gemacht habe, muss ich danach etwas ande­res machen, damit mir nicht lang­wei­lig wird. Ande­re Leu­te kön­nen wahr­schein­lich hun­dert Schla­ger­beats machen und sind glück­lich damit. Um sich als Musi­ker wei­ter­zu­ent­wi­ckeln, ist es schon geil, in allen Musik­rich­tun­gen zu che­cken, was geht.

MZEE​.com: Wel­che Gren­ze wür­dest du musi­ka­lisch nicht über­schrei­ten wollen?

Nobo­dys Face: Rechts­extre­mis­mus. Es gibt ja rech­te Rap­per. Denen wür­de ich sagen, dass sie sich ver­pis­sen kön­nen. Das ist aber poli­tisch. Musi­ka­lisch gibt es kei­ne Grenzen.

MZEE​.com: Gibt es kei­ne Musik­rich­tung, mit der du gar nichts anfan­gen kannst?

Nobo­dys Face: Eigent­lich nicht. Man kann aus jeder Musik­rich­tung etwas Gutes zie­hen. Egal, ob man einen Song mag oder nicht. Manch­mal ist etwas gut pro­du­ziert, aber ich habe den Text eben schon tau­send­mal gehört. Ich bin da ziem­lich offen.

MZEE​.com: Denkst du, dass man sei­ne Kom­fort­zo­ne ver­las­sen muss, um sich per­sön­lich weiterzuentwickeln?

Nobo­dys Face: Ganz klar: Ja. Du kannst immer in Deutsch­land blei­ben oder die gan­ze Welt berei­sen. Allein dabei pas­sie­ren Din­ge, die dich beein­flus­sen und dei­ne Sicht auf gewis­se Sachen ändern. Wenn du vor Ort bist, hast du ein ganz ande­res Bild davon, als wenn du in den Medi­en davon hörst.

MZEE​.com: In wel­chen Momen­ten hast du selbst dei­ne Kom­fort­zo­ne verlassen?

Nobo­dys Face: Da gibt es vie­le Momen­te. Zum Bei­spiel, wenn mir in Ber­lin die Decke auf den Kopf fällt. Manch­mal brau­che ich eine ande­re Umge­bung. Dann muss ich raus, woan­ders hin. Bei mir ist es so, dass ich auch mal zu einem ande­ren Pro­du­zen­ten fah­re und nicht immer nur in mei­nem Stu­dio rum­düm­pe­le. Ich habe außer­dem ein klei­nes Haus am Schwe­ri­ner See. Da fah­re ich dann hin, um neue Ein­drü­cke zu bekommen.

MZEE​.com: Hilft dir mehr, den Ort zu wech­seln oder mit ande­ren Leu­ten zu arbeiten?

Nobo­dys Face: Das ist eine sehr gute Fra­ge. Im ers­ten Moment hilft es mehr, wenn du mit ande­ren arbei­test, weil du jeman­den hast, der Din­ge anders macht als du. So ent­steht mehr Krea­ti­vi­tät. Bei Orten geht es eher dar­um, Krea­ti­vi­tät zu sam­meln und Ener­gie zu tanken.

MZEE​.com: Fällt es dir leicht, mit ande­ren Leu­ten zusam­men­zu­ar­bei­ten, wenn du Musik machst oder arbei­test du lie­ber allein?

Nobo­dys Face: Das kommt immer dar­auf an. Man­che Leu­te hat man vor­her nie gese­hen und beim ers­ten gemein­sa­men Arbei­ten ist alles voll geil. Manch­mal merkt man aber, dass das Feu­er fehlt. Das ist auch okay. Es kann nicht mit jedem gut laufen.

MZEE​.com: Bei Green Ber­lin seid ihr ja ein fes­tes Team.

Nobo­dys Face: Klar, wir ken­nen uns mitt­ler­wei­le ein paar Jah­re. Jeder arbei­tet auch mit ande­ren oder bringt ande­re Künst­ler rein, mit denen wir zusam­men­ar­bei­ten. Es geht immer wei­ter, aber das Grund­prin­zip bleibt. Wenn dir einer mal auf den Sack geht, gehst du woan­ders hin. Es ist voll geil, die­se Basis zu haben, auf die man sich ver­las­sen kann. Aber man kann immer wie­der aus­bre­chen. Im End­ef­fekt tut es allen gut, wenn man so eine Com­mu­ni­ty ist. Du bekommst neu­en Input, wenn einer mit jeman­dem zusam­men­ge­ar­bei­tet hat und dir zum Bei­spiel ein neu­es Instru­ment oder Plug-​ins zeigt. Das hät­te man sonst nie im Leben entdeckt.

MZEE​.com: Du agierst als Pro­du­zent und DJ nor­ma­ler­wei­se eher im Hin­ter­grund. Zuletzt hast du mit Chef­ket eine Sin­gle ver­öf­fent­licht, in deren Video du auch zu sehen bist. Fühlst du dich wohl im Hin­ter­grund oder hast du manch­mal Lust, selbst mehr in den Vor­der­grund zu treten?

Nobo­dys Face: Ich glau­be, ich füh­le mich schon woh­ler im Hin­ter­grund. Sagen wir mal so: Ich habe mich frü­her sehr dage­gen gewehrt, in den Vor­der­grund zu tre­ten. Jetzt habe ich gesagt: "Ich mach's ein­fach, zei­ge mal mei­ne Fres­se und gucke, wie das ist." Bevor man sagt, dass es nichts für einen ist, muss man es aus­pro­biert haben. Der Video­dreh hat schon Spaß gemacht, weil der auch sehr schnell ging. Ich kann­te die Leu­te. Aber im Prin­zip fin­de ich es gei­ler, wenn man im Hin­ter­grund agiert und ab und zu nur nach vor­ne stößt.

MZEE​.com: Ab und zu kann man sei­ne Kom­fort­zo­ne auch mal verlassen.

Nobo­dys Face: Genau. Aber zu Tik­Tok haben sie mich noch nicht gekriegt. (lacht) Da kann ich eng­stir­nig sein. Obwohl es in die­ser Welt eigent­lich scheiß­egal ist. Mach einen blö­den Account und lad irgend­ei­nen Quatsch hoch. Dann wird man viel­leicht mehr gehört. Aus dem Aspekt her­aus kann man das machen. Aber manch­mal ist mein ideo­lo­gi­scher Aspekt zu doll. Ich füh­le es nicht so, da Musik an den Mann zu brin­gen. Ich ken­ne das durch mei­ne Nich­te, die ist elf. Für die ist es ganz nor­mal, über Tik­Tok Songs zu ent­de­cken. Im End­ef­fekt macht man es natür­lich, um an die jun­gen Leu­te ran­zu­kom­men. Du hast ja eben mein Video erwähnt. Eigent­lich musst du nur noch 15-​Sekunden-​Videos dre­hen statt gan­ze Musik­vi­de­os, außer du bist ein gro­ßer Künst­ler. Für klei­ne Leu­te ist es gar nicht so schlecht, wenn sie kei­nen rie­si­gen Auf­wand betrei­ben müs­sen, zum Bei­spiel für Beatma­ker. Eine klei­ne Ani­ma­ti­on zum Beat ist cool. Es hat auch vie­le Vorteile.

MZEE​.com: Wie sieht dein Ent­ste­hungs­pro­zess aus? Machst du Musik für dich selbst, weil du dei­ne eige­nen Emo­tio­nen ver­ar­bei­ten willst oder eher für andere?

Nobo­dys Face: Bei mir ist es echt von der Stim­mung abhän­gig, wie ein Song klingt. Wenn ein Künst­ler zu mir kommt und etwas Bestimm­tes braucht, muss ich natür­lich ver­su­chen, mich in die ent­spre­chen­de Emo­ti­on hin­ein­zu­ver­set­zen. Es geht nur dar­um, wel­che Stim­mung man gera­de hat oder erzeu­gen will und wie man die­se in Töne umset­zen kann.

MZEE​.com: Der Titel dei­nes Albums, "Che­mi­cal Ani­mals", und auch Tracks wie "Che­mi­cals", "Trei­ben" oder "Acid" wer­fen die Fra­ge auf, wel­che Rol­le Dro­gen im Ent­ste­hungs­pro­zess spielen.

Nobo­dys Face: Sie sind all­ge­gen­wär­tig, ich ken­ne mich damit aus. Ich weiß, wie Leu­te dar­auf reagie­ren und was sie in den Leu­ten aus­lö­sen. Die gute und die schlech­te Sei­te. Natür­lich fin­det sich das in mei­ner Musik wie­der. "Che­mi­cals" ist am Ende des Tages ein Anti-​Drogen-​Song. Es geht nicht nur um Dro­gen, son­dern um alles, das in unse­rem Gemü­se und Fleisch ent­hal­ten ist. Dar­in sind ja auch Dro­gen, genau­so wie Arz­nei­mit­tel. Es geht nicht nur um Koka­in und Hero­in, son­dern auch um Ibu­profen, zu viel Kaf­fee und Alko­hol, die schlimms­te Dro­ge über­haupt. Das beschreibt nur mei­ne Sicht. Chef­ket hat es sehr gut geschafft, die­se rüber­zu­brin­gen. Aber das ist nicht wer­tend, son­dern ein­fach unse­re Wahr­neh­mung. Ich will dir nicht sagen: "Lass die Fin­ger davon." Aber ich will dir wenigs­tens die schlech­ten und die guten Sei­ten zei­gen. Am Ende musst du entscheiden.

MZEE​.com: In wel­chen Berei­chen sind dir dei­ne per­sön­li­chen Gren­zen beson­ders wich­tig? Gibst du bei­spiels­wei­se eher ungern Interviews?

Nobo­dys Face: Lus­ti­ger­wei­se geht das mit den Inter­views. Ich habe frü­her gar nicht so vie­le Inter­views gemacht. Erst mit dem letz­ten Album habe ich gesagt: "Gib mir alles, was du hast, ich will das mal machen." Ich habe dazu bestimmt 20 Telefon- und Text­in­ter­views gemacht und war zwei­mal im Radio. Das war schon ganz schön viel, hat mich aber nie gestresst. Mich stres­sen Pla­nun­gen und mei­ne Kon­to­füh­rung. Ich mag es auch nicht, zu pla­nen, um zwölf an einem Ort und spä­ter an einem ande­ren zu sein. Das kann für mich rich­tig schlimm sein.

MZEE​.com: Was machst du, wenn du merkst, dass du dir zu vie­le Gedan­ken um etwas machst und an dei­ne Gren­zen stößt?

Nobo­dys Face: Zur­zeit haben wir im Stu­dio eine Dart­schei­be. (lacht) Ich spie­le irgend­wel­che Mini­spie­le, gehe in einen ande­ren Raum oder raus. Angeln ist ganz krass. Wenn du wirk­lich nicht mehr kannst, gehst du angeln und ver­gisst ein­fach alles. Dann ist alles gut. Ich kom­me ja vom Meer, des­we­gen zieht es mich da immer wie­der hin. Ich bin in Rostock-​Dierkow auf­ge­wach­sen. Wenn du auf den Darß fährst, sieht es bei gutem Wet­ter aus wie in der Kari­bik. Ich habe zuletzt nur in der Hei­mat Urlaub gemacht und es war rich­tig geil. Natür­lich ist Rei­sen super, aber du hast eigent­lich alles in dei­ner Nähe.

MZEE​.com: Lass uns noch etwas über Musik spre­chen. Wie viel­fäl­tig nimmst du deut­schen Rap bezie­hungs­wei­se die Musik all­ge­mein in Deutsch­land aktu­ell wahr?

Nobo­dys Face: Gar nicht so, glau­be ich. Ich bin nicht der Typ, der sich jede Woche die neu­es­ten Sachen rein­zie­hen muss. Ich habe es hier und da ver­sucht, aber ich weiß ein­fach, dass es mich zu 90 Pro­zent langweilt.

MZEE​.com: Wünschst du dir, dass die Leu­te mehr ausbrechen?

Nobo­dys Face: Es ist nicht so, dass die Leu­te nicht aus­bre­chen. Musi­ka­lisch hat es sich in alle mög­li­chen Rich­tun­gen ent­wi­ckelt. Ich mei­ne das gar nicht nega­tiv. Da gibt es alles von Afro-​Trap, Trap, Two Step bis hin zu Old­school mit neu­em Sound. Hip­Hop in Deutsch­land ist schon ein sehr gro­ßes Spek­trum. Mir geht es eher um die Inhal­te, musi­ka­lisch gese­hen ist es eigent­lich mega. Die jun­gen Leu­te wach­sen damit auf. Wir sind mit Hip­Hop, Rock, Metal und Tech­no groß gewor­den. Dann gab es noch Schla­ger, Pop­mu­sik und Punk. Heut­zu­ta­ge ist da Future-​Bass, Beats to stu­dy to und wie die das alles nen­nen. Ich fin­de es eigent­lich geil, dass es sehr offen ist.

MZEE​.com: Es haben sich sehr vie­le Sub­gen­res gebildet.

Nobo­dys Face: Genau und das ist geil. Man kann nur hof­fen, dass die Musik, die oben gehört wird, sich auch noch ein biss­chen mehr öff­nen kann.

MZEE​.com: Was meinst du mit "oben"?

Nobo­dys Face: Alles, was Radio­sen­der spie­len. Zum Groß­teil klingt das, was im Radio läuft, sehr ähn­lich. Da sitzt dann einer oben und sagt, wir müs­sen unse­re Leu­te errei­chen. Es wird nicht in die Zukunft geguckt, son­dern es gibt fes­te Abläu­fe. Da sträubt man sich, mal einen ver­rück­te­ren Song zu spielen.

MZEE​.com: Das erin­nert mich an das Modus Mio-​Phänomen, dass alle Sachen in die­ser Play­list sehr ähn­lich klingen.

Nobo­dys Face: Da ist die Fra­ge: Tickt der Durch­schnitts­mensch so, dass er sich zehn bis zwan­zig Lie­der hin­ter­ein­an­der anhört oder ist es nur so, dass die Macher dahin­ter den­ken, dass es so bes­ser funk­tio­niert? Ich glau­be, dadurch wird doch viel mehr geskippt. Oder ist es gut, dass viel geskippt wird? Ich fra­ge mich immer, ob man das ein­fach so durch­hört. Da wür­de ich durch­dre­hen. Spo­ti­fy ist ja eigent­lich so aus­ge­legt, dass man dort alles ent­de­cken kann, wenn man sich mit der Musik beschäf­tigt. Das ist manch­mal ganz schön krass. Du kommst durch einen Künst­ler auf den nächs­ten und kannst auf alle Musik­rich­tun­gen, die du gut fin­dest, zugrei­fen. Das ist geil. Das hat­ten wir frü­her nicht, wir muss­ten uns das zusam­men­su­chen. Wenn es etwas nicht gab, muss­te man gucken, wer den Song auf wel­cher Kas­set­te hat­te. Das kann man gar nicht mehr ver­glei­chen. Die Wert­schät­zung von Musik ist, glau­be ich, dadurch lei­der ein biss­chen gesun­ken. Das ist durch­aus gefähr­lich, aber wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen.

(Malin Tee­gen)
(Fotos von Chris Schwarz)